Veranstaltung: | 1. Bundesfrauenrat 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | L Lesbische Sichtbarkeit |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Bundesfrauenrat, BAG Frauenpolitik |
Eingereicht: | 04.05.2019, 08:23 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Gemeinsam für lesbische Sichtbarkeit - LBTIQ*-Frauen stärken
Beschlusstext
Die Frauenbewegung hat vieles erreicht. Sie ermöglicht eine zunehmend bessere Teilhabe und
Empowerment von Frauen in fast allen gesellschaftlichen Bereichen. Als kraftvolle Bewegung
standen und stehen Frauen aller sexuellen Orientierungen - Heterosexuelle und Lesben - auch
heute Seite an Seite für Feminismus und eine geschlechtergerechte Gesellschaft. Doch noch zu
oft gehen die Forderungen wie auch die Sichtbarkeit lesbischer Frauen in allgemeinen,
feministischen Zielsetzungen unter. Lesbische Frauen waren von Beginn an Teil der LSBTIQ*-
Emanzipationsbewegung und der Frauenbewegung, doch sie mussten und müssen oftmals gegen
Marginalisierung ankämpfen. Deswegen stehen wir gemeinsam ein für mehr Sichtbarkeit von
lesbischer Geschichte, Kultur und Leben und gegen die Marginalisierung und Diskriminierung
lesbischer Frauen.
Wenn in öffentlichen Debatten von homosexuellen Menschen gesprochen und geschrieben wird,
sind mehrheitlich schwule Männer präsent. Sie werden weit häufiger interviewt oder
fotografiert, etwa wenn es um aktuelle Debatten wie die “Gay Pride”-Paraden oder die
Eheöffnung geht. So entsteht ein gesellschaftliches Bild von “Homosexualität = schwul”.
Lesbische Frauen werden mit ihren Themen folglich marginalisiert, selbst wenn es etwa um die
Rechte von Regenbogenfamilien geht, die zu über 90% aus lesbischen Frauenpaaren bestehen.
Und auch das Gedenken an die lesbischen Opfer des Nationalsozialismus wird weitgehend aus
dem öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs ausgeklammert und beim Gedenken nicht
erwähnt.
Bis heute greifen hier patriarchale Strukturen, in denen Frauen und Lesben nicht mitgedacht
werden, auch weil es viele Menschen gibt, die sie nicht mitdenken wollen. Wir wollen diese
Denkmuster nachhaltig durchbrechen.
Der Bundesfrauenrat von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzt sich solidarisch für die Rechte aller
Frauen ein, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, Identität, Religion, Hautfarbe,
Behinderung, Alter, ihrem sozialen Status oder der Herkunft.
Die Rechte lesbischer, bisexueller, trans* und intersexueller sowie queerer Frauen sind für
uns unverhandelbare und universelle Frauenrechte. Sie umzusetzen ist unser gemeinsames
feministisches Anliegen. Wir sehen uns als Teil einer internationalen Frauen- und
Lesbenbewegung und stehen solidarisch an der Seite aller, die sich international für die
Rechte lesbischer, bisexueller und trans*und intersexueller sowie queerer Frauen einsetzen.
Wir treten für die tatsächliche, intersektionale und umfassende Umsetzung der Frauenrechte
ein. Denn Frauenrechte sind Menschenrechte!
Sorgerecht und Regenbogenfamilien
Für uns sind alle Familien gleich. Wenn wir allerdings die aktuelle Debatte zum sogenannten
Abstammungsrecht und die damit einhergehenden Eltern-Kind-Zuordnungen (Stichwort:
Sorgerecht) genau betrachten, wird sehr schnell klar, dass es trotz der Ehe für Alle noch
keine Gleichberechtigung gibt. Die aktuelle Rechtslage stellt Kinder, die in
gleichgeschlechtliche Ehen oder Partnerschaften hineingeboren werden, schlechter. Ihnen
fehlt die Rechtssicherheit durch zwei rechtliche Elternteile. Lesbischen Paaren wird so
weiterhin die Möglichkeit verwehrt, von der Geburt des Kindes an gemeinsam die Sorge zu
übernehmen. Das wollen wir ändern. Familie ist immer schon mehr als lediglich
Blutsverwandtschaft. Ein Festhalten an dieser rein biologistischen Sichtweise diskriminiert
darüber hinaus auch Pflege- und Adoptivfamilien.
Es muss das Wohlergehen des Kindes im Mittelpunkt stehen, das unabhängig von der sexuellen
Orientierung der Eltern ist.
Angemessenes Gedenken
Lesbische Frauen wurden oft als sogenannte “Asoziale” in den Konzentrationslagern grausam
ermordet, als “Umerziehungsmaßnahme” zur Prostitution gezwungen oder in Psychiatrien
gefoltert und weggesperrt. Im Nachkriegsdeutschland wurde darüber hinaus etlichen Müttern
das Sorgerecht entzogen, weil sie lesbisch liebten. An all diese Frauen muss in der
deutschen Gedenkkultur erinnert werden. Wir wollen diese Frauen nicht vergessen.
Wir wollen uns ausdrücklich dafür einsetzen, dass eine zeitgemäße Gedenkkultur auch die
historische und wissenschaftliche Erforschung und Aufarbeitung der Geschichte lesbischer,
trans*, bi- und intersexueller sowie queerer Frauen beinhaltet, die während des
Nationalsozialismus und in der späteren Rechtsprechung im Nachkriegsdeutschland verfolgt und
diskriminiert wurden. Damit dies möglich wird, braucht es ausreichend Mittel für die
Forschung und Schaffung von Gedenkkultur.
Gemeinsam werden wir uns für mehr Sichtbarkeit, Gerechtigkeit und Gedenkkultur von
lesbischen, trans*, bi- und intersexuellen sowie queeren Frauen einsetzen.