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44. Bundesdelegiertenkonferenz Bielefeld
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V-38-030: Zweigeschlechtlichkeit überwinden, Menschenrechtsverletzungen beenden: Gleichberechtigte Teilhabe für trans*, inter* und nicht-binäre Personen in der Gesellschaft & unserer Partei

Antrag: Zweigeschlechtlichkeit überwinden, Menschenrechtsverletzungen beenden: Gleichberechtigte Teilhabe für trans*, inter* und nicht-binäre Personen in der Gesellschaft & unserer Partei
Antragsteller*in: Sergey Lagodinsky (KV Berlin-Pankow)
und 19 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 30%)
Status: Geprüft
Verfahrensvorschlag: Modifizierte Übernahme
Eingereicht: 24.10.2019, 15:27

Verfahrensvorschlag: Antragstext

Von Zeile 1 bis 69:

Das Bundesfamilienministerium stellte 2016 in einer offiziellen Untersuchung fest, dass 3,3 % aller Menschen in Deutschland ein von ihrem Registerdaten-Geschlecht abweichendes soziales Geschlecht haben. 0,2 bis 2 % aller Menschen haben keine Übereinstimmung des augenfälligen Geschlechts mit dem erlebten Geschlecht. Im Rahmen medizinischer Normierung werden heute 49 unterschiedliche Formen körperlicher Entwicklungen diagnostiziert, die mit Intersexualität angesprochen werden. Zwischen 8.000 und 120.000.Menschen in Deutschland werden als intersexuell angesehen.

Demnach ist davon auszugehen, dass mehrere hunderttausend Menschen in Deutschland sich nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen geschlechtlichen Definition von "Mann" bzw. "Frau" identifizieren oder biologisch nicht eindeutig einer medizinischen "Normkategorie" von "männlich" oder "weiblich" zugeordnet werden können. Immer mehr Menschen sagen mittlerweile von sich, dass sie sich weder als "männlich" noch "weiblich" identifizieren und geben stattdessen eine selbstgewählte nicht-binäre Identität an.

Noch heute erfahren viele Betroffene Ausgrenzung, Diskriminierung und schlimmstenfalls Gewalt. Für uns ist klar: Das muss sich ändern.

Trans*, inter* and non-binary lives matter!

2.982 Morde an trans* und geschlechtsdiversen Personen sind zwischen 2008 und 2018 weltweit gemeldet worden, zwei dieser Fälle ereigneten sich in Deutschland. Laut Verbänden und Polizeistatistiken finden hierzulande jedes Jahr schätzungsweise hunderte gewaltvolle Übergriffe auf trans*, inter und nicht-binäre Personen statt. Statistiken berichten ebenfalls von erhöter Arbeitslosigkeit sowie Suizidraten, insbesondere unter Jugendlichen. Geschlechtszuweisende, kosmetische Operationen an inter* Kindern, die medizinisch nicht notwendig sind, wurden in verschiedensten Stellungnahmen zwar als Verstoß gegen das Menschenrecht und die körperliche Unversehrtheit gewertet, aber werden weiterhin in Deutschland praktiziert, obwohl die Folgen für Betroffene irreversibel und oftmals im späteren Leben traumatisierend sind. Problematisch ist das nicht nur, weil die Kinder oft zu jung sind, um überhaupt selbst eine Zu- oder Ablehnung zu einer Operation zu äußern, sondern auch, weil viele Eltern später angeben, schlecht beraten oder von Mediziner*innen unter Druck gesetzt worden zu sein.

Medizinisch nicht notwendige genitalverändernde Operationen an Kindern müssen endlich der Vergangenheit angehören. Für uns ist klar: Alle Menschen haben das Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Geschlechtliche Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung!

Das deutsche Staatswesen ist geprägt von Zweigeschlechtlichkeit. Erst das Transsexuellengesetz (TSG) von 1981 und die Einführung des dritten Geschlechtseintrags "divers", der infolge des BVerfG-Urteils von 2017 geschaffen wurde, rüttelten an dieser Tradition. Doch das TSG von 1981 findet heute nur noch in einer eingeschränkten Version Anwendung, da auch hier das BVerfG 2011 Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärte. Bis zu diesem Zeitpunkt waren trans* Personen, die eine Personenstandsänderung (Änderung des Geschlechtseintrags) anstrebten gesetzlich gezwungen, sich einer "dauernd fortpflanzungsunfähig" machenden Operation, also einer Zwangssterilisation zu unterziehen. Der UN-Menschenrechtsrat sprach sich daher bei der letzten Überprüfung der Menschenrechtslage in Deutschland dafür aus, einen „Entschädigungsfonds für Personen einzurichten, die sich für eine Anerkennung ihres Geschlechts zwischen 1981 und 2011 zwangsweise sterilisieren lassen mussten oder nicht gewollte geschlechtsangleichende Behandlungen erfahren haben“. Doch CDU/CSU & SPD in der Bundesregierung lehnten diesen Entschädigungsfonds ab. Auch wenn Zwangssterilisationen heute keine Anwendung mehr finden, klagen Betroffene über die noch immer bleibenden langwierigen gerichtlichen Prozesse, deren Kosten sie selbst tragen müssen, sowie die im Rahmen der Vornamens- und Personenstandsänderung (VÄ/PÄ) einzuholenden psychiatrischen Gutachten. Diese Zwangsbegutachtung verstößt unserer Auffassung nach massiv gegen die geschlechtliche Selbstbestimmung. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes spricht sich für die Abschaffung der Begutachtung und des gerichtlichen Verfahrens aus, da dieses die Betroffenen psychisch belastet und im Widerspruch zum Selbstbestimmungsrecht von trans* Personen steht.

Viele Länder (z.B. Malta, Portugal, Dänemark, Irland) haben mittlerweile fortschrittlichere Regelungen eingeführt, bei denen die Änderung von Namen und Geschlechtseintrag selbstbestimmt durch einen Antrag bei einer Behörde wie bspw. dem Standesamt erfolgt. Der im Frühjahr von der Bundesregierung vorgelegte Reformvorschlag für das TSG wurde einer lang geforderten fortschrittlicheren Regelung nicht nur nicht gerecht, sondern schlug die Einführung weiterer Hürden wie der Befragung der Ehepartner*innen und einer Sperrfrist für abgelehnte Anträge von drei Jahren vor.

Auch die Einführung des § 45b PStG in diesem Jahr muss in der jetzigen Ausgestaltung kritisch gesehen werden. Zwar gibt es nun in Deutschland eine sog. "Dritte Option" beim Geschlechtseintrag, die nach Vorlage eines ärztlichen Attestes über "Varianten der Geschlechtsentwicklung" beim Standesamt beantragt werden kann, doch so steht dieser Weg nicht allen Betroffenen offen.

Wir wollen uns für eine bürokratiearme Lösung einsetzen, die ohne Pathologisierung auskommt und allen Betroffenen offen steht. Für uns ist klar: Alle Menschen haben das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung.

Bündnis 90/Die Grünen erklärt sich solidarisch mit den Anliegen von trans*, inter* und nicht-binären Personen. Spätestens seit den Debatten um die Einführung der dritten Option ist einem breiteren Teil der Gesellschaft bewusst geworden, wie sehr ihre Menschenrechte noch immer verletzt werden.

Ob ein selbstbestimmter Personenstand, der ohne Pathologisierung auskommt, die Anerkennung der Elternschaft von trans* Personen, ein konsequenter Schutz gegen Diskriminierung und Gewalt, die konsequente Umsetzung eines Verbots von geschlechtszuweisenden und -anpassenden Operationen an intergeschlechtlichen Säuglingen und Kindern und nicht zuletzt der Weg in ein Staatswesen und eine Gesellschaft, die anerkennen, dass nicht alle Menschen Mann oder Frau sind und diese Identität nicht von Geburt an auf Lebenszeit fremdbestimmt werden kann. Es bleibt noch viel zu tun für die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt!

Von Zeile 83 bis 85:

  • Die konsequente Umsetzung eines Verbots von geschlechts- bzw.genitalverändernden Operationen an nicht zustimmungsfähigenKindern (wie sie bspw. häufig an inter* Kindern erfolgen)
  • Die konsequente Umsetzung eines Verbots von geschlechtszuweisenden und -anpassenden Operationenan intergeschlechtlichen Säuglingen und Kindern

In Zeile 89:

  • Aufklärungs- & Sensibilisierungsprogrammean an öffentlichen Einrichtungen

In Zeile 92:

  • rerespektvollen Umgang mit betroffenen Kolleg*innen & Angestellten

Original-Änderungsantrag: Antragstext

In Zeile 30:

Medizinisch nicht notwendige genitalveränderndeGeschlechtzuweisende und -anpassende Operationen an intergeschlechtlichen Säuglingen und Kindern müssen endlich der

Begründung

Formulierungen an die gegenwärtige Beschlusslage angepasst, insbesondere gem.:

  • Rostocker Erklärung von QueerGrün, 13.10.2019
  • QueerGrünes Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017
  • Grünes Bundestagswahlprogramm 2017

Die ursprünglich vorgeschlagene Formulierung ist zu breit gefasst und würde damit auch religiös begründeten Praktiken (insbesondere Zirkumzision) kategorisch und pauschal (mit-)verbieten. Dies widerspricht der bisherigen Beschlusslage. Die wichtige Diskussion über das Thema Beschneidung soll nicht auf diese Art und Weise gewollt oder ungewollt "durch die Hintertür" eines anderen wichtigen Angtrags eingebracht werden. Die Formulierungen der bisherigen Beschlusslage sind präziser und werden der Wichtigkeit der LSBTIQ-Rechte gerecht.

weitere Antragsteller*innen

  • Volker Beck (KV Köln)
  • Svenja Borgschulte (KV Berlin-Pankow)
  • Stefan Göhlert (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
  • Andreas Audretsch (KV Berlin-Neukölln)
  • Sven Lehmann (KV Köln)
  • Max Christian Derichsweiler (KV Köln)
  • Gesine Agena (Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg KV)
  • Renée-Maike Pfuderer (KV Stuttgart)
  • Sebastian Brux (Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg KV)
  • Ina Rosenthal (KV Berlin-Kreisfrei)
  • Werner Graf (KV Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg)
  • Sigrid Beer (KV Paderborn)
  • Svenja Rabenstein (KV Köln)
  • Philmon Ghirmai (KV Berlin-Neukölln)
  • Volkmar Nickol (KV Berlin-Kreisfrei)
  • Alexander Barthel (KV Berlin-Kreisfrei)
  • Konstantin von Notz (KV Herzogtum Lauenburg)
  • Markus Schopp (KV Berlin-Mitte)
  • Felix Banaszak (KV Duisburg)

Kommentare

25.10.2019

Kerstin Müller:

Ich möchte euren Antrag gerne unterzeichnen. Kerstin Müller
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