Antrag: | Mit Vielfalt Wissen schaffen – Für eine feministische Wissenschaftspolitik |
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Antragsteller*in: | Präsidium Bundesfrauenrat (dort beschlossen am: 23.03.2023) |
Status: | Angenommen |
Eingereicht: | 23.03.2023, 13:39 |
FW-01-033: Mit Vielfalt Wissen schaffen – Für eine feministische Wissenschaftspolitik
Antragstext
Von Zeile 32 bis 34:
Es ist bekannt, dass Frauen oftmals weniger oder anders vernetzt sind und oft keinen Zugang zu traditionellen oft cis-männlich dominierten Netzwerken mit patriarchalen Strukturen haben. Viele Frauen pflegen Netzwerke häufig aus einem solidarischen Gedanken heraus und nicht als vorrangiges Mittel
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Frauen in Deutschland erstmals der Zugang zum
Hochschulstudium gewährt. Heute sind in Deutschland zwar mehr als die Hälfte der
Studierenden Frauen, die gläserne Decke für Berufswege im Wissenschaftssystem besteht jedoch
fort. Beispielsweise sind deutschlandweit lediglich 28% der Professuren durch Frauen
besetzt. In den Ingenieurwissenschaften, Mathematik, Informatik und etlichen
Naturwissenschaften ist der Frauenanteil sogar im Studium bereits deutlich unter der Hälfte.
Noch immer gibt es ingesamt zu viele Hürden für eine gleichberechtigte Teilhabe, denn
institutionalisierte patriarchale Machtstrukturen sowie Diskriminierungen aufgrund von
Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Religion, sexueller Orientierung und/oder sozialer Klasse
bestehen weiterhin. Eine umfassende Transformation des Wissenschaftssystems und eine
geschlechtergerechte Hochschulreform sind notwendig, um mehr Gerechtigkeit, mehr Wissen und
Perspektiven im Wissenschaftssystem zu bekommen.
Feministische Wissenschaftspolitik beschränkt sich nicht darauf mehr Frauen in die
Wissenschaft zu bringen und Bedingungen zu schaffen, dass sie sich dort etablieren können.
Sie betrachtet Machtverhältnisse im Wissenschaftsbetrieb sowie in der Gesellschaft
insgesamt. Hochschulen sind keine diskriminierungsfreien Räume. Eine Feministische
Wissenschaftspolitik lenkt den Blick auch auf verschiedene Diskriminierungsformen und ihre
Verschränkungen und tritt ein für einen solidarischen Feminismus, der alle Frauen einbezieht
und intersektional ist.
Arbeitsbedingungen und Zugang zu Wissenschaft
Wir wollen dafür sorgen, dass im Wissenschaftsbetrieb alle unabhängig vom Geschlecht die
gleichen Chancen haben und nicht von tradierten Geschlechterrollen und strukturellen
Diskriminierungen daran gehindert werden Studiengängen wie beispielsweise
Ingenieurwissenschaften und Informatik zu ergreifen sowie danach in der Wissenschaft
dauerhaft beruflich Fuß zu fassen. Bisher wird von Frauen im Gegensatz zu Männern – auch in
Berufen in der Wissenschaft – noch immer zusätzlich zur fachlichen Kompetenz erwartet
emotionale Arbeit zu leisten und sie werden beruflich entsprechend mit zweierlei Maß
bewertet. Noch immer wird vielen Mädchen das Interesse an Mathematik und Technik durch
Vorurteile genommen. Wir wollen deshalb auch weitere Maßnahmen entlang des gesamten
Bildungswegs zum Abbau von geschlechtsspezifischen Vorurteilen ergreifen. Klar ist, dass es
genug fähige Frauen gibt.
Es ist bekannt, dass Frauen oftmals weniger oder anders vernetzt sind und oft keinen Zugang
zu traditionellen oft cis-männlich dominierten Netzwerken mit patriarchalen Strukturen haben. Viele Frauen pflegen
Netzwerke häufig aus einem solidarischen Gedanken heraus und nicht als vorrangiges Mittel
der Planung des Berufswegs sowie für Machtausbau/-erhalt. Deshalb ist es wichtig, Netzwerke
von Frauen zu stärken und Räume dafür zur Verfügung zu stellen sowie ein achtsames und
kooperatives Miteinander als Grundlage allen Handelns zu etablieren. Einen wichtigen Beitrag
dazu leisten auch frauenspezifische Mentoring-Programme.
Während der Corona-Pandemie haben auch in der Wissenschaft Frauen einen höheren Anteil der
Care-Arbeit übernommen. Dadurch wurde der Gender Citation Gap und Gender Publication Gap
noch verstärkt. Dies äußert sich auch langfristig in einem geringeren Publikations-Output
und pandemiebedingten Unterbrechungen der eigenen Forschungen, die sowohl eine inhaltliche
Leerstelle hinterlassen als auch ein Hindernis im wissenschaftlichen Berufsweg darstellen.
Durch nachhaltige Strategien, wie beispielsweise ergänzende finanzielle Förderung wollen wir
diese Lücke schließen.
Wir setzen uns für strukturelle Verbesserungen der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen
sowie eine geschlechtergerechte Gestaltung von Qualifizierungsphasen und Berufsperspektiven
ein, die auch unterschiedliche Lebenssituationen berücksichtigen und die Care-Leistungen
anerkennt. Dazu gehören familienfreundliche und langfristig gesicherte Arbeitsplätze. Dies
ist durch gute Arbeitsbedingungen für alle im Wissenschaftssystem möglich. Wichtige und
notwendige Bausteine dafür sind gute Tarifverträge, eine Abschaffung der Tarifsperre im
Wissenschaftssystem, großflächige Entfristungen beziehungsweise für Qualifizierungsstellen
und studentische Beschäftigungsverhältnisse lange gesetzliche Mindestvertragslaufzeiten.
Elternschaft in der Wissenschaft wollen wir zum Beispiel auch dadurch fördern, indem Dual
Career Optionen selbstverständlicher möglich und überall angeboten werden. Dies baut
finanzielle Abhängigkeiten für beide Elternteil ab und ermöglicht beiden bessere
Entwicklungsmöglichkeiten im Wissenschaftsbetrieb. Die Optionen für Elternzeit und
Mutterschutz müssen für alle Stellen ohne Nachteile möglich sein, auch in
Qualifizierungsphasen.
Für die Besetzung von Professuren ist zudem die konsequente Verankerung des Kaskadenmodells
nötig. Bei der Schaffung von neuen Dauerstellen sollten bis zum Erlangen der Parität
bevorzugt Frauen eingestellt werden. Maßnahmen zur Nachwuchs- sowie Forschungsförderung
müssen auf Geschlechtergerechtigkeit geprüft und überall verankert werden. Auch Programme
wie das Professorinnenprogramm, welches insbesondere Wissenschaftlerinnen in
Spitzenfunktionen des Wissenschaftssystems fördert, finden wir wichtig und wollen wir
stärken. Momentan steht auf dem Berufsweg im Wissenschaftssystem das Primat der Selbst- und
Fremdausbeutung im Vordergrund. Denn das erforderliche Arbeitspensum für eine Karriere im
Wissenschaftssystem (beispielsweise zum Erlangen einer Professur) funktioniert derzeit nur,
wenn die Organisation des Alltags sowie Sorgearbeit wie Kinderbetreuung oder Pflege von
anderen übernommen wird. Deshalb setzen wir uns für eine Änderung der Leistungserwartung und
-bewertung ein. Wir wollen einen ehrlichen Dialog in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft
wie erforderliche Leistungen und Leistungsbewertung inklusiver und geschlechtergerechter
gestaltet werden kann.
Bei wissenschaftlichen Veranstaltungen bzw. Tagungen gilt es darauf zu achten, Podien und
Panels mindestquotiert zu besetzen und zu finanzieren. Eine Ausnahme kann die Quotierung
durch das Kaskadenmodell bieten. Regelungen, die die Repräsentation und Mitsprache von
Frauen sichern, müssen in allen Gremien und auf allen Ebenen gelten.
Ausbau von Gleichstellungsstrukturen, Diskriminierungsschutz und Schutz vor
geschlechtsspezifischer Gewalt
In einer europaweiten Studie von 2022 berichteten 62% Mitarbeitende und Studierende
mindestens eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt an wissenschaftlichen Einrichtungen
erlebt zu haben. Frauen sind dabei signifikant häufiger betroffen als Männer. Da
Hochschulgesetze Ländersache sind, variierten etliche Regelungen, die
Gleichstellungsstrukturen betreffen, je Bundesland. Es ist unser bundesweiter Anspruch,
Diskriminierungsschutz und Gleichstellungsstrukturen in allen Bundesländern auszubauen.
Die Konferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten hat bereits zahlreiche
Handlungsempfehlungen erarbeitet, deren Umsetzung dringend geboten sind. Erste
Verbesserungen sollten im Dialog mit allen Akteur*innen erfolgen. Die Kompetenzen und
Ausstattung der Gleichstellungsbeauftragten sollten erweitert werden, zum Beispiel durch ein
verbindliches Vetorecht. Eine Ansprechstelle für Diversity wie es sie zum Beispiel im
Thüringer Hochschulgesetz bereits gibt, sind im Sinne der Intersektionalität dringend
geboten.
Während das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) für Arbeitnehmer*innen wichtige
gesetzliche Rechte regelt, fehlt Studierenden nach wie vor eine gesetzliche Grundlage auf
der sie sich gegen Diskriminierung im Hochschulkontext wehren können. Studierende müssen ins
AGG aufgenommen werden, damit die Antidiskriminierungsstelle des Bundes auch für sie
zuständig wird, sie ein Klagerecht bekommen und vor Ort unkompliziert Zugang zu AGG-
Beschwerdestellen haben. Welche Schutz- und Präventionsmaßnahmen Hochschulen anwenden
können, ist durch die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie der Konferenz
der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten bekannt, was davon wie umgesetzt wird und wirkt,
jedoch nicht. Deshalb ist eine deutschlandweite Evaluation erforderlich. Gleichstellung wird
an Hochschulen auch finanziell gesteuert. Bei der internen Mittelvergabe sowie bei vorhanden
Ziel- und Leistungsvereinbarungen muss sie ambitioniert berücksichtigt werden.
Bis zur erfolgreichen Umsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes sollte es im Campus-
Management-System unkompliziert möglich sein den Rufnamen zu ändern sowie eigene Pronomen
anzugeben. Die Ergänzung von Toiletten für alle Geschlechter sollte zur Normalität an
Hochschulen werden. Weitere antidiskriminierende Maßnahmen sollen zusammen mit
Interessensverbänden entwickelt und umgesetzt werden.
Gestaltung von Lehre, Forschung und Wissenstransfer
In den 1970er-Jahren kam mit den Frauenhochschulbewegungen die Kritik an der mangelnden
Repräsentanz von Frauen im Wissenschaftsbetrieb auf. Der in der Wissenschaft innewohnende
Androzentrismus, der sowohl Themenfindung wie Theorien maßgeblich prägte wurde aufgedeckt.
Die Untersuchung der Geschlechterunterschiede und der strukturellen Benachteiligungen sowie
die Auswirkung ungleich verteilter politischer Macht auf soziale Strukturen, Kultur, Kunst
und Wissen werden in den Gender Studies interdisziplinär und systematisch erforscht. Zudem
wollen wir, dass gendersensible Perspektiven in allen Disziplinen verankert werden, da
Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen, inter*, nicht-binären und trans* Menschen in
jedem Lebens- und Gesellschaftsbereich verankert sind. Beispielsweise ist es längst
überfällig im Medizin-Studium Schwangerschaftsabbrüche zu lehren sowie Aufklärung über
Körper zu stärken, die nicht cis-männlich sind.
Wir wollen die paritätische Besetzung von Prüfungskommissionen. Untersuchungen haben
gezeigt, dass diese zum Beispiel bei juristischen Staatsexamina, erwiesenermaßen wichtig für
eine gerechte Benotung von Frauen ist. Darüber hinaus braucht es hochschuldidaktische
Weiterbildungen zu Geschlechterfragen. In der Lehrer*innenausbildung wollen wir als
Lehrinhalt verankern, wie Genderthematiken in allen Fächern didaktisch aufbereitet werden
können. Auch bei der Forschungsfinanzierung wollen wir erreichen, dass bei der Vergabe von
Fördergeldern Gender-Budgeting beachtet wird und mindestens entsprechend der Quoten aus dem
Kaskadenmodell an Frauen vergeben werden.
Sprache schafft Sichtbarkeit. Lehrbücher müssen deshalb langfristig geschlechtergerecht
verfasst werden. In der Kommunikation innerhalb der Hochschule soll es möglich sein
geschlechtergerechte Sprache umzusetzen: Ob bei internen Schreiben, Flyern, Broschüren, der
Homepage oder in eigenen Arbeitsmaterialien. Zudem bleibt es notwendig die Bedeutung dieses
Forschungsfeldes für die Gesellschaft durch bessere Wissenschaftskommunikation zu
vermitteln. Gleichzeitig müssen in der Breite der Gesellschaft auch die Inhalte der Gender
Studies ankommen und der Wissenstransfer über die Existenz des Forschungsfeldes hinaus
gehen.
Gender Studies selbst gilt es vor allem gegen von rechts motivierte Angriffe zu schützen.
Sie sind im europäischen Kontext zu einem Politikum geworden, auf dessen Rücken rechte
Gruppierungen populistische Debatten ausfechten, mit dem Ziel patriarchale Strukturen zu
erhalten und die Wissenschaftsfreiheit einzuschränken. Deshalb setzen wir uns zum einen für
eine sichere finanzielle Förderung ein, sowohl von Deutschland als auch von der Europäischen
Union. Zum anderen erarbeiten wir Maßnahmen innerhalb der EU, um die Wissenschaftsfreiheit
der Gender Studies zu sichern.
Wir setzen uns ein, für eine grundlegende Gleichstellung und Teilhabe von Frauen sowie von
nicht-binären, inter und trans* Menschen im Wissenschaftsbetrieb, sowohl in der Lehre und
Forschung als auch beim Wissenstransfer.
Von Zeile 32 bis 34:
Es ist bekannt, dass Frauen oftmals weniger oder anders vernetzt sind und oft keinen Zugang zu traditionellen oft cis-männlich dominierten Netzwerken mit patriarchalen Strukturen haben. Viele Frauen pflegen Netzwerke häufig aus einem solidarischen Gedanken heraus und nicht als vorrangiges Mittel
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Frauen in Deutschland erstmals der Zugang zum
Hochschulstudium gewährt. Heute sind in Deutschland zwar mehr als die Hälfte der
Studierenden Frauen, die gläserne Decke für Berufswege im Wissenschaftssystem besteht jedoch
fort. Beispielsweise sind deutschlandweit lediglich 28% der Professuren durch Frauen
besetzt. In den Ingenieurwissenschaften, Mathematik, Informatik und etlichen
Naturwissenschaften ist der Frauenanteil sogar im Studium bereits deutlich unter der Hälfte.
Noch immer gibt es ingesamt zu viele Hürden für eine gleichberechtigte Teilhabe, denn
institutionalisierte patriarchale Machtstrukturen sowie Diskriminierungen aufgrund von
Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Religion, sexueller Orientierung und/oder sozialer Klasse
bestehen weiterhin. Eine umfassende Transformation des Wissenschaftssystems und eine
geschlechtergerechte Hochschulreform sind notwendig, um mehr Gerechtigkeit, mehr Wissen und
Perspektiven im Wissenschaftssystem zu bekommen.
Feministische Wissenschaftspolitik beschränkt sich nicht darauf mehr Frauen in die
Wissenschaft zu bringen und Bedingungen zu schaffen, dass sie sich dort etablieren können.
Sie betrachtet Machtverhältnisse im Wissenschaftsbetrieb sowie in der Gesellschaft
insgesamt. Hochschulen sind keine diskriminierungsfreien Räume. Eine Feministische
Wissenschaftspolitik lenkt den Blick auch auf verschiedene Diskriminierungsformen und ihre
Verschränkungen und tritt ein für einen solidarischen Feminismus, der alle Frauen einbezieht
und intersektional ist.
Arbeitsbedingungen und Zugang zu Wissenschaft
Wir wollen dafür sorgen, dass im Wissenschaftsbetrieb alle unabhängig vom Geschlecht die
gleichen Chancen haben und nicht von tradierten Geschlechterrollen und strukturellen
Diskriminierungen daran gehindert werden Studiengängen wie beispielsweise
Ingenieurwissenschaften und Informatik zu ergreifen sowie danach in der Wissenschaft
dauerhaft beruflich Fuß zu fassen. Bisher wird von Frauen im Gegensatz zu Männern – auch in
Berufen in der Wissenschaft – noch immer zusätzlich zur fachlichen Kompetenz erwartet
emotionale Arbeit zu leisten und sie werden beruflich entsprechend mit zweierlei Maß
bewertet. Noch immer wird vielen Mädchen das Interesse an Mathematik und Technik durch
Vorurteile genommen. Wir wollen deshalb auch weitere Maßnahmen entlang des gesamten
Bildungswegs zum Abbau von geschlechtsspezifischen Vorurteilen ergreifen. Klar ist, dass es
genug fähige Frauen gibt.
Es ist bekannt, dass Frauen oftmals weniger oder anders vernetzt sind und oft keinen Zugang
zu traditionellen oft cis-männlich dominierten Netzwerken mit patriarchalen Strukturen haben. Viele Frauen pflegen
Netzwerke häufig aus einem solidarischen Gedanken heraus und nicht als vorrangiges Mittel
der Planung des Berufswegs sowie für Machtausbau/-erhalt. Deshalb ist es wichtig, Netzwerke
von Frauen zu stärken und Räume dafür zur Verfügung zu stellen sowie ein achtsames und
kooperatives Miteinander als Grundlage allen Handelns zu etablieren. Einen wichtigen Beitrag
dazu leisten auch frauenspezifische Mentoring-Programme.
Während der Corona-Pandemie haben auch in der Wissenschaft Frauen einen höheren Anteil der
Care-Arbeit übernommen. Dadurch wurde der Gender Citation Gap und Gender Publication Gap
noch verstärkt. Dies äußert sich auch langfristig in einem geringeren Publikations-Output
und pandemiebedingten Unterbrechungen der eigenen Forschungen, die sowohl eine inhaltliche
Leerstelle hinterlassen als auch ein Hindernis im wissenschaftlichen Berufsweg darstellen.
Durch nachhaltige Strategien, wie beispielsweise ergänzende finanzielle Förderung wollen wir
diese Lücke schließen.
Wir setzen uns für strukturelle Verbesserungen der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen
sowie eine geschlechtergerechte Gestaltung von Qualifizierungsphasen und Berufsperspektiven
ein, die auch unterschiedliche Lebenssituationen berücksichtigen und die Care-Leistungen
anerkennt. Dazu gehören familienfreundliche und langfristig gesicherte Arbeitsplätze. Dies
ist durch gute Arbeitsbedingungen für alle im Wissenschaftssystem möglich. Wichtige und
notwendige Bausteine dafür sind gute Tarifverträge, eine Abschaffung der Tarifsperre im
Wissenschaftssystem, großflächige Entfristungen beziehungsweise für Qualifizierungsstellen
und studentische Beschäftigungsverhältnisse lange gesetzliche Mindestvertragslaufzeiten.
Elternschaft in der Wissenschaft wollen wir zum Beispiel auch dadurch fördern, indem Dual
Career Optionen selbstverständlicher möglich und überall angeboten werden. Dies baut
finanzielle Abhängigkeiten für beide Elternteil ab und ermöglicht beiden bessere
Entwicklungsmöglichkeiten im Wissenschaftsbetrieb. Die Optionen für Elternzeit und
Mutterschutz müssen für alle Stellen ohne Nachteile möglich sein, auch in
Qualifizierungsphasen.
Für die Besetzung von Professuren ist zudem die konsequente Verankerung des Kaskadenmodells
nötig. Bei der Schaffung von neuen Dauerstellen sollten bis zum Erlangen der Parität
bevorzugt Frauen eingestellt werden. Maßnahmen zur Nachwuchs- sowie Forschungsförderung
müssen auf Geschlechtergerechtigkeit geprüft und überall verankert werden. Auch Programme
wie das Professorinnenprogramm, welches insbesondere Wissenschaftlerinnen in
Spitzenfunktionen des Wissenschaftssystems fördert, finden wir wichtig und wollen wir
stärken. Momentan steht auf dem Berufsweg im Wissenschaftssystem das Primat der Selbst- und
Fremdausbeutung im Vordergrund. Denn das erforderliche Arbeitspensum für eine Karriere im
Wissenschaftssystem (beispielsweise zum Erlangen einer Professur) funktioniert derzeit nur,
wenn die Organisation des Alltags sowie Sorgearbeit wie Kinderbetreuung oder Pflege von
anderen übernommen wird. Deshalb setzen wir uns für eine Änderung der Leistungserwartung und
-bewertung ein. Wir wollen einen ehrlichen Dialog in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft
wie erforderliche Leistungen und Leistungsbewertung inklusiver und geschlechtergerechter
gestaltet werden kann.
Bei wissenschaftlichen Veranstaltungen bzw. Tagungen gilt es darauf zu achten, Podien und
Panels mindestquotiert zu besetzen und zu finanzieren. Eine Ausnahme kann die Quotierung
durch das Kaskadenmodell bieten. Regelungen, die die Repräsentation und Mitsprache von
Frauen sichern, müssen in allen Gremien und auf allen Ebenen gelten.
Ausbau von Gleichstellungsstrukturen, Diskriminierungsschutz und Schutz vor
geschlechtsspezifischer Gewalt
In einer europaweiten Studie von 2022 berichteten 62% Mitarbeitende und Studierende
mindestens eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt an wissenschaftlichen Einrichtungen
erlebt zu haben. Frauen sind dabei signifikant häufiger betroffen als Männer. Da
Hochschulgesetze Ländersache sind, variierten etliche Regelungen, die
Gleichstellungsstrukturen betreffen, je Bundesland. Es ist unser bundesweiter Anspruch,
Diskriminierungsschutz und Gleichstellungsstrukturen in allen Bundesländern auszubauen.
Die Konferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten hat bereits zahlreiche
Handlungsempfehlungen erarbeitet, deren Umsetzung dringend geboten sind. Erste
Verbesserungen sollten im Dialog mit allen Akteur*innen erfolgen. Die Kompetenzen und
Ausstattung der Gleichstellungsbeauftragten sollten erweitert werden, zum Beispiel durch ein
verbindliches Vetorecht. Eine Ansprechstelle für Diversity wie es sie zum Beispiel im
Thüringer Hochschulgesetz bereits gibt, sind im Sinne der Intersektionalität dringend
geboten.
Während das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) für Arbeitnehmer*innen wichtige
gesetzliche Rechte regelt, fehlt Studierenden nach wie vor eine gesetzliche Grundlage auf
der sie sich gegen Diskriminierung im Hochschulkontext wehren können. Studierende müssen ins
AGG aufgenommen werden, damit die Antidiskriminierungsstelle des Bundes auch für sie
zuständig wird, sie ein Klagerecht bekommen und vor Ort unkompliziert Zugang zu AGG-
Beschwerdestellen haben. Welche Schutz- und Präventionsmaßnahmen Hochschulen anwenden
können, ist durch die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie der Konferenz
der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten bekannt, was davon wie umgesetzt wird und wirkt,
jedoch nicht. Deshalb ist eine deutschlandweite Evaluation erforderlich. Gleichstellung wird
an Hochschulen auch finanziell gesteuert. Bei der internen Mittelvergabe sowie bei vorhanden
Ziel- und Leistungsvereinbarungen muss sie ambitioniert berücksichtigt werden.
Bis zur erfolgreichen Umsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes sollte es im Campus-
Management-System unkompliziert möglich sein den Rufnamen zu ändern sowie eigene Pronomen
anzugeben. Die Ergänzung von Toiletten für alle Geschlechter sollte zur Normalität an
Hochschulen werden. Weitere antidiskriminierende Maßnahmen sollen zusammen mit
Interessensverbänden entwickelt und umgesetzt werden.
Gestaltung von Lehre, Forschung und Wissenstransfer
In den 1970er-Jahren kam mit den Frauenhochschulbewegungen die Kritik an der mangelnden
Repräsentanz von Frauen im Wissenschaftsbetrieb auf. Der in der Wissenschaft innewohnende
Androzentrismus, der sowohl Themenfindung wie Theorien maßgeblich prägte wurde aufgedeckt.
Die Untersuchung der Geschlechterunterschiede und der strukturellen Benachteiligungen sowie
die Auswirkung ungleich verteilter politischer Macht auf soziale Strukturen, Kultur, Kunst
und Wissen werden in den Gender Studies interdisziplinär und systematisch erforscht. Zudem
wollen wir, dass gendersensible Perspektiven in allen Disziplinen verankert werden, da
Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen, inter*, nicht-binären und trans* Menschen in
jedem Lebens- und Gesellschaftsbereich verankert sind. Beispielsweise ist es längst
überfällig im Medizin-Studium Schwangerschaftsabbrüche zu lehren sowie Aufklärung über
Körper zu stärken, die nicht cis-männlich sind.
Wir wollen die paritätische Besetzung von Prüfungskommissionen. Untersuchungen haben
gezeigt, dass diese zum Beispiel bei juristischen Staatsexamina, erwiesenermaßen wichtig für
eine gerechte Benotung von Frauen ist. Darüber hinaus braucht es hochschuldidaktische
Weiterbildungen zu Geschlechterfragen. In der Lehrer*innenausbildung wollen wir als
Lehrinhalt verankern, wie Genderthematiken in allen Fächern didaktisch aufbereitet werden
können. Auch bei der Forschungsfinanzierung wollen wir erreichen, dass bei der Vergabe von
Fördergeldern Gender-Budgeting beachtet wird und mindestens entsprechend der Quoten aus dem
Kaskadenmodell an Frauen vergeben werden.
Sprache schafft Sichtbarkeit. Lehrbücher müssen deshalb langfristig geschlechtergerecht
verfasst werden. In der Kommunikation innerhalb der Hochschule soll es möglich sein
geschlechtergerechte Sprache umzusetzen: Ob bei internen Schreiben, Flyern, Broschüren, der
Homepage oder in eigenen Arbeitsmaterialien. Zudem bleibt es notwendig die Bedeutung dieses
Forschungsfeldes für die Gesellschaft durch bessere Wissenschaftskommunikation zu
vermitteln. Gleichzeitig müssen in der Breite der Gesellschaft auch die Inhalte der Gender
Studies ankommen und der Wissenstransfer über die Existenz des Forschungsfeldes hinaus
gehen.
Gender Studies selbst gilt es vor allem gegen von rechts motivierte Angriffe zu schützen.
Sie sind im europäischen Kontext zu einem Politikum geworden, auf dessen Rücken rechte
Gruppierungen populistische Debatten ausfechten, mit dem Ziel patriarchale Strukturen zu
erhalten und die Wissenschaftsfreiheit einzuschränken. Deshalb setzen wir uns zum einen für
eine sichere finanzielle Förderung ein, sowohl von Deutschland als auch von der Europäischen
Union. Zum anderen erarbeiten wir Maßnahmen innerhalb der EU, um die Wissenschaftsfreiheit
der Gender Studies zu sichern.
Wir setzen uns ein, für eine grundlegende Gleichstellung und Teilhabe von Frauen sowie von
nicht-binären, inter und trans* Menschen im Wissenschaftsbetrieb, sowohl in der Lehre und
Forschung als auch beim Wissenstransfer.
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