Antrag: | Gemeinsam solidarisch: Gegen Rassismus und für eine vielfältige Gesellschaft |
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Antragsteller*in: | Tessa Ganserer |
Status: | Angenommen |
Eingereicht: | 10.05.2023, 14:44 |
A-01-077: Gemeinsam solidarisch: Gegen Rassismus und für eine vielfältige Gesellschaft
Antragstext
Von Zeile 76 bis 78:
Lebensleistung der ersten Generation, die im Rahmen der Anwerbeabkommen nach Ost- und Westdeutschland gekommen sind, Rechnung, in indem wir ihre Einbürgerung erleichtern. Denn sie haben unser gemeinsames Land mit aufgebaut und wurden dennoch seitens der Politik über
In einem Jahr wird in der Europäischen Union gewählt. Wie wird die Zukunft Europas
ausgestaltet werden? Wird die wehrhafte und vielfältige Demokratie verteidigt und die Rechte
von diskriminierten Gruppen gestärkt? Oder werden rechte Kräfte immer mehr an Macht gewinnen
und unser aller Leben in Freiheit gefährden?
Die massiven Zugewinne der Rechtsaußen Partei in Finnland, der Wahlsieg der Rechten in
Italien und Schweden, die diskriminierende Politik von Viktor Orban in Ungarn und der PiS-
Partei in Polen zeigen, wie sehr die europäische Demokratie unter Druck steht. Wir sehen,
wie Frauen, queere Menschen, Schwarze Menschen und People of Colour, Sinti*zze und Rom*nja,
jüdische und muslimische Menschen erneut zum Feindbild und zur Bedrohung erklärt und ihrer
Rechte beraubt werden.
Als Europäer*innen müssen wir uns alle unserer Verantwortung für ein soziales, gerechtes und
diskriminierungsfreies Europa bewusst sein. Wer mit dem Bedienen von rechten und
rassistischen Narrativen zu punkten versucht, stärkt autoritäre Kräfte und schwächt die
Demokratie in Deutschland und in Europa. Wer als Antwort auf gesellschaftliche Probleme und
Krisen die Abschottung nach außen vorschlägt, bedroht das europäische Projekt.
Auch in Deutschland erleben wir eine immer weitere Verschiebung des Sagbaren,
pauschalisierende und diskriminierende Aussagen über Menschen und vermeintliche Gruppen, die
die Ausgrenzung und Gewalt gegen sie befeuern. Wir wissen, was es bedeutet, wenn Menschen zu
“Anderen” gemacht werden und stellen uns einer solchen Rhetorik entschieden entgegen. Denn
klar ist: Wenn wir unsere Demokratie nicht verteidigen, ist das Leben aller in Freiheit und
Sicherheit gefährdet.
Unsere Gesellschaft ist vielfältig
In Deutschland leben viele Menschen mit diversen Perspektiven, Geschichten, Erfahrungen und
Identitäten zusammen. 22,3 Millionen in Deutschland lebende Menschen und inzwischen fast
jedes zweite Kind unter zehn Jahren hat einen sogenannten Migrationshintergrund. Sie alle
sind Teil unserer Einwanderungsgesellschaft und es ist unsere Aufgabe als Gesellschaft,
allen Menschen ein diskriminierungsfreies Leben und Teilhabe zu ermöglichen.- Denn erst dann
ist das Versprechen der Demokratie vollkommen.
Rassismus trifft nicht alle, aber er geht uns alle an. Noch immer ist Rassismus brutale
Wirklichkeit in unserem Land. Die Anschläge in Hanau und Halle, München, Solingen, Mölln,
Rostock-Lichtenhagen, die Taten des NSU, der Mord an Walter Lübcke – wir wissen, dass aus
diskriminierenden Worten Taten werden. Wenn Menschen ausgeschlossen und angefeindet werden,
dann ist es unser aller Aufgabe, an ihrer Seite zu stehen und unmissverständlich deutlich zu
machen, dass der Kampf gegen Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit,
Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja, Anti-Schwarzen Rassismus, Behinderten- und
Queerfeindlichkeit niemals verhandelbar sein wird.
Aber Rassismus beginnt nicht erst bei Gewalt und Terror. Er beginnt dort, wo Menschen
Zugänge verweigert werden und sie zu „Anderen“ gemacht werden. Laut einer repräsentativen
Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung haben 22 % der
Gesamtbevölkerung bereits Rassismus erfahren. Die Erfahrungen reichen von gewalttätigen
Angriffen bis zu Diskriminierung im Alltag – wie zum Beispiel in der Schule, in der
Arztpraxis oder bei der Wohnungssuche. In einer vielfältigen Gesellschaft müssen wir
sicherstellen, dass alle Menschen den gleichen Zugang zu Teilhabe und Mitbestimmung haben.
Soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Wohlstand sichern
Erst, wenn alle Menschen Zugang zu diskriminierungsfreier Bildung, Arbeit,
Gesundheitsversorgung, Pflege, Kultur, Wohnen, Mobilität und politischer Teilhabe haben,
können alle Menschen selbstbestimmt ihr Leben in unserer Gesellschaft gestalten - erst dann
leben wir in einer gleichberechtigten Gesellschaft. Deshalb ist die Frage der sozialen
Gerechtigkeit eines der zentralen Themen unserer Zeit.
Die vermeintlich einfachen Lösungen, die von rechten und konservativen Akteur*innen
präsentiert werden, manifestieren die sozialen Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft.
Anstatt diskriminierende und rassistische Strukturen abzubauen, um Chancengerechtigkeit und
Teilhabe zu ermöglichen, wird die Ausgrenzung von diskriminierten Menschen legitimiert und
verfestigt. Dem stellen wir uns mit einer konsequenten Politik entgegen, die die
Lebensrealitäten aller Menschen ins Zentrum unseres Handelns stellt und die Diversität der
Gesellschaft widerspiegelt.
Die Politik rechter und autoritärer Akteur*innen gefährdet aber nicht nur den Zusammenhalt
unserer Gesellschaft, sondern erstickt auch ihr Potenzial für die Zukunft. Eine Politik, die
auf Chancengerechtigkeit, Vielfaltsförderung und Antidiskriminierung setzt, schafft eine
resiliente, menschenrechtskonforme und wirtschaftlich stabile Gesellschaft.
Denn nicht nur Deutschland ist auf die Einwanderung von Fachkräften angewiesen. Um unseren
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wohlstand auch in den kommenden Jahren zu sichern,
müssen wir deshalb unser Einwanderungsrecht grundlegend modernisieren. So zeigt zum Beispiel
eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, dass ein hoher Bürokratieaufwand, eine restriktive
Einbürgerungspraxis, aber auch der Umgang mit Diversität qualifizierte Fachkräfte vom Zuzug
nach Deutschland abhält.
Anstatt auf Abschottung und Ausgrenzung zu setzen, werden wir Migrant*innen das Ankommen
erleichtern, indem wir Einwanderung familienfreundlich und transparent gestalten,
bürokratische Hürden abbauen sowie eine Ankommens- und Willkommenskultur nachhaltig fördern.
Als Regierungspartei sind wir dafür schon viele wichtige Schritte gegangen. So trägt die
Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes und die Ermöglichung der doppelten Staatsbürgerschaft
den Realitäten der Einwanderungsgesellschaft Rechnung. Wer hier dauerhaft lebt, wird nach
fünf Jahren und bei besonderen Integrationsleistungen bereits nach drei Jahren auch
mitbestimmen, wählen und das gesellschaftliche Zusammenleben gleichberechtigt mitgestalten
können. Nicht zuletzt stärken wir damit auch unsere Demokratie. Und wir tragen endlich der
Lebensleistung der ersten Generation, die im Rahmen der Anwerbeabkommen nach Ost- und
Westdeutschland gekommen sind, Rechnung, in indem wir ihre Einbürgerung erleichtern. Denn sie
haben unser gemeinsames Land mit aufgebaut und wurden dennoch seitens der Politik über
Jahrzehnte vernachlässigt.
Starkes Recht gegen Diskriminierung
Als GRÜNE ist für uns schon lange klar, dass wir die vielfältige Gesellschaft gestalten
wollen. Um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken, ist es unerlässlich, den
Schutz vor Diskriminierung und die Förderung von Vielfalt zu stärken. Es ist wichtig, dass
sich Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, auch mit rechtlichen Mitteln effektiv
wehren können. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll vor Diskriminierung
schützen. Leider gibt es aber rechtliche Lücken, durch die Betroffene sich nicht ausreichend
gegen Diskriminierung wehren können. Das wollen wir endlich ändern! Die Ampel-Regierung hat
sich vorgenommen, das AGG zu überarbeiten, Schutzlücken zu schließen und den
Anwendungsbereich auszuweiten.
Dazu sind wir bereits einen ersten wichtigen Schritt gegangen: Nach Jahren ohne Leitung,
wird die Antidiskriminierungsstelle des Bundes endlich aufgewertet und ihre Leitung nun von
Ferda Ataman übernommen. Außerdem hat die Bundesregierung mit Reem Alabali-Radovan erstmals
eine Beauftragte für Anti-Rassismus benannt, ebenso mit Dr. Mehmet Daimagüler erstmals einen
Beauftragten gegen Antiziganismus berufen. Weiterhin gilt es die zentralen Empfehlungen der
Unabhängigen Kommission Antiziganismus umzusetzen und endlich einen Staatsvertrag mit den
Vertreter*innen der Minderheit der Sinti*zze und Rom*nja auf Bundesebene zu schließen.
Und wir wollen endlich, dass die Teilhabe aller hier lebenden Menschen mit einem
Bundespartizipationsgesetz gesichert und aktiv gefördert wird. Wichtige politische
Entscheidungen sollen nicht über die Menschen, sondern mit und von ihnen getroffen werden.
Deshalb wollen wir eine Partizipationsrat einführen, der dabei maßgeblich berät.
Strukturen diskriminierunssensibel gestalten
Wir wollen, dass sich alle gesellschaftlichen Bereiche für die unterschiedlichen Erfahrungen
und Perspektiven öffnen. Denn um diese Gesellschaft nachhaltig zu gestalten, müssen alle
Menschen die Möglichkeit haben, sich in allen gesellschaftlichen Bereichen engagieren zu
können. Doch wir sehen, dass Menschen mit Rassismuserfahrungen in der Politik noch deutlich
unterrepräsentiert sind. Das gilt auch für unsere Partei.
Rassismus manifestiert sich nicht nur im Handeln autoritärer und rechter Politiker*innen.
Rassistische Denkweisen und Strukturen finden sich überall in unserer Gesellschaft - in
staatlichen Institutionen, Gesetzen und Politik. Wir setzen daher auf antirassistische
Instrumente zum Abbau von systemischer Diskriminierung und Rassismus.
Durch unser Vielfaltsstatut haben wir ein starkes Instrument, um Rassismus in unserer Partei
zu bekämpfen und marginalisierte Gruppen zu stärken. Indem wir die Vielfalt der Stimmen im
Meinungsbildungsprozess und bei der Entscheidungsfindung erweitern, können wir
sicherstellen, dass unsere Politik die Bedürfnisse und Erfahrungen aller Mitglieder der
Partei und Gesellschaft, einschließlich derer, die von Rassismus betroffen sind,
widerspiegelt.
Hierbei spielen insbesondere Selbstvertretungen und Empowerment-Netzwerke wie BuntGrün eine
besondere Rolle. Sie gestalten geschützte Räume für Menschen mit Rassismuserfahrungen, und
empowern sie, um politische Verantwortung bei uns zu übernehmen. Sie schaffen wertvolle
Netzwerke und weisen nicht zuletzt immer wieder auf diskriminierende Strukturen hin und
bringen ihre Perspektive in den Meinungsbildungsprozess, die programmatische Ausrichtung und
Entscheidungsfindung ein.
Als Diversitätsrat wollen wir gemeinsam Wege aufzeigen, wie die diskriminierungssensible und
rassismuskritische Gestaltung unserer Partei gelingen kann. Dazu ist ein Bündel an Maßnahmen
notwendig:
- Wir wollen das Wissen über Diskriminierung und Rassismus auf allen Ebenen der Partei
verankern. Diesen Auftrag gibt uns nicht zuletzt das Vielfaltsstatut. Ein Baustein
dafür ist die Ausbildung unserer Parteimitglieder zu Diversitytrainer*innen, die als
Multiplikator*innen das Wissen über Diskriminierung und Maßnahmen zur effektiven
Umsetzung des Vielfaltsstatuts vor Ort weitergeben können. Dieses Programm wollen wir
verstetigen.
Zusätzlich soll der Bundesverband insbesondere für Bundes-, Landes- und
Kreisvorstände, Landesgeschäftsführer*innen und BAG-Sprecher*innen ein Angebot für
unterschiedliche Weiterbildungen, wie Trainings in Inclusive Leadership und
rassismuskritischer Arbeit vor Ort, sowie zur Auseinandersetzung mit Privilegien und
Allyship machen.
Auch die vielfaltspolitischen Sprecher*innen des Bundes und der Länder sollen
regelmäßig Angebote zur Weiterbildung und Supervision wahrnehmen.
Die Angebote werden aus dem Vielfaltscent teilfinanziert.
- Wir wollen die Kreisvorstände und Akteur*innen vor Ort mit gezielten Infomaterialien
bei der Umsetzung des Vielfaltsstatuts unterstützen. Deshalb soll eine Broschüre mit
praktischen Tipps zur Umsetzung des Statuts vor Ort erarbeitet werden. Die Broschüre
soll auch Wege aufzeigen, um mit diskriminierenden und rassistischen Vorfällen vor Ort
umzugehen und Betroffene besser zu unterstützen, sowie Anregungen und Empfehlungen zur
diskriminierungs- und rassismuskritischen Arbeit vor Ort geben.
- Wir wollen Empowerment-Netzwerke wie BuntGrün unterstützen. Dafür soll der
Bundesverband für die Mitglieder von Bunt-Grün u.a. Angebote für unterschiedliche
Weiterbildungen, wie spezielle Trainings in Leadership für Menschen mit
Rassismuserfahrungen, sowie Workshops für Empowerment, Ausdrucksstärke und Selbstkraft
sowie Rhetorik und Umgang mit rassistischen Drohungen machen.
Politisch Aktive, die von Diskriminierung betroffen sind, sind besonders häufig
Anfeindungen und Drohungen ausgesetzt. Als Partei dürfen wir sie damit nicht alleine
lassen. Deshalb benötigt es Aufklärung über Hilfs- und Beratungsangebote und
unterstützende Parteistrukturen.
Um die Vernetzung von Personen mit Migrationsgeschichte und Rassismuserfahrungen
breiter und in allen Landesverbänden zu ermöglichen, wollen wir in einem ersten
Schritt ein Netzwerktreffen für Menschen mit Rassismuserfahrungen auf der BDK 2023
anbieten. Dies knüpft an die kontinuierlich geleistete Arbeit von BuntGrün an, die
diese Räume in der Vergangenheit bereits bereitgestellt haben. Wir wollen außerdem die
Landesverbände ermutigen, ähnliche Treffen anzubieten und die Gründung von ähnlichen
Netzwerken zu unterstützen, zu stärken und die dafür notwendigen Ressourcen zur
Verfügung zu stellen.
Gemeinsam mit den Landesverbänden und BuntGrün wird der Bundesverband darüber beraten,
wie das Netzwerk strukturell und finanziell unterstützt werden kann, so dass auch die
Wahl der Delegierten zum Diversitätsrat erfolgen kann. Dafür wird ein Auftakttreffen
der Sprecher*innen von BuntGrün, der vielfatspolitischen Sprecher*innen und der
Vielfaltsreferent*innen organisiert und finanziert.
Die*Der vielfaltspolitische Sprecher*in trifft sich mindestens viermal im Jahr zum
Austausch mit den BuntGrün-Netzwerken, um über aktuelle Herausforderungen und die
Weiterentwicklung unserer rassismuskritischen und vielfaltsfördernden Arbeit zu
beraten.
- Bisher sieht das Vielfaltsstatut eine Vertretung des BuntGrün-Netzwerkes Berlin im
Diversitätsrat vor. Durch die Neugründung weiterer Netzwerke in anderen
Landesverbänden ist es notwendig, diese auch im Diversitätsrat zu repräsentieren. Das
Präsidium des Diversitätsrates wird deshalb zur BDK 2023 eine Satzungsänderung
vorschlagen, die vorsieht, dass das bundesweite Netzwerk von BuntGrün zwei Delegierte
in den Diversitätsrat entsendet.
- In unserem Vielfaltsstatut geben wir uns die Aufgabe, Diskriminierungsfälle innerhalb
grüner Strukturen aktiv zu bearbeiten und Betroffene vor Diskriminierung und Rassismus
zu schützen. Hierfür benötigt es Strukturen, die eine Bearbeitung von
Diskriminierungsfällen auf allen Ebenen der Partei gewährleistet. Mit der Ombudsstelle
bei Fällen von sexualisierter Gewalt gibt es bereits eine Struktur, die dies
ermöglicht. Wir erkennen aber auch, dass es bei Diskriminierungsfällen anderer Art
eine Leerstelle gibt, und sich Betroffene häufig alleingelassen füllen. Deshalb soll
eine Taskforce unter Beteiligung von Betroffenen, Expert*innen und hauptamtlich
Beschäftigten der Partei bis zum ersten Quartal 2024 Empfehlungen für den Aufbau einer
Struktur machen, die die effektive Bearbeitung von Diskriminierungsfällen
gewährleistet.
- Auf Grundlage der Ergebnisse der Vielfaltserhebung 2023 wird der Diversitätsrat die
Umsetzung des Vielfaltsstatuts evaluieren und die weiteren Maßnahmen gemäß §2 Abs. 1
des Vielfaltsstatuts diskutieren.
Von Zeile 76 bis 78:
Lebensleistung der ersten Generation, die im Rahmen der Anwerbeabkommen nach Ost- und Westdeutschland gekommen sind, Rechnung, in indem wir ihre Einbürgerung erleichtern. Denn sie haben unser gemeinsames Land mit aufgebaut und wurden dennoch seitens der Politik über
In einem Jahr wird in der Europäischen Union gewählt. Wie wird die Zukunft Europas
ausgestaltet werden? Wird die wehrhafte und vielfältige Demokratie verteidigt und die Rechte
von diskriminierten Gruppen gestärkt? Oder werden rechte Kräfte immer mehr an Macht gewinnen
und unser aller Leben in Freiheit gefährden?
Die massiven Zugewinne der Rechtsaußen Partei in Finnland, der Wahlsieg der Rechten in
Italien und Schweden, die diskriminierende Politik von Viktor Orban in Ungarn und der PiS-
Partei in Polen zeigen, wie sehr die europäische Demokratie unter Druck steht. Wir sehen,
wie Frauen, queere Menschen, Schwarze Menschen und People of Colour, Sinti*zze und Rom*nja,
jüdische und muslimische Menschen erneut zum Feindbild und zur Bedrohung erklärt und ihrer
Rechte beraubt werden.
Als Europäer*innen müssen wir uns alle unserer Verantwortung für ein soziales, gerechtes und
diskriminierungsfreies Europa bewusst sein. Wer mit dem Bedienen von rechten und
rassistischen Narrativen zu punkten versucht, stärkt autoritäre Kräfte und schwächt die
Demokratie in Deutschland und in Europa. Wer als Antwort auf gesellschaftliche Probleme und
Krisen die Abschottung nach außen vorschlägt, bedroht das europäische Projekt.
Auch in Deutschland erleben wir eine immer weitere Verschiebung des Sagbaren,
pauschalisierende und diskriminierende Aussagen über Menschen und vermeintliche Gruppen, die
die Ausgrenzung und Gewalt gegen sie befeuern. Wir wissen, was es bedeutet, wenn Menschen zu
“Anderen” gemacht werden und stellen uns einer solchen Rhetorik entschieden entgegen. Denn
klar ist: Wenn wir unsere Demokratie nicht verteidigen, ist das Leben aller in Freiheit und
Sicherheit gefährdet.
Unsere Gesellschaft ist vielfältig
In Deutschland leben viele Menschen mit diversen Perspektiven, Geschichten, Erfahrungen und
Identitäten zusammen. 22,3 Millionen in Deutschland lebende Menschen und inzwischen fast
jedes zweite Kind unter zehn Jahren hat einen sogenannten Migrationshintergrund. Sie alle
sind Teil unserer Einwanderungsgesellschaft und es ist unsere Aufgabe als Gesellschaft,
allen Menschen ein diskriminierungsfreies Leben und Teilhabe zu ermöglichen.- Denn erst dann
ist das Versprechen der Demokratie vollkommen.
Rassismus trifft nicht alle, aber er geht uns alle an. Noch immer ist Rassismus brutale
Wirklichkeit in unserem Land. Die Anschläge in Hanau und Halle, München, Solingen, Mölln,
Rostock-Lichtenhagen, die Taten des NSU, der Mord an Walter Lübcke – wir wissen, dass aus
diskriminierenden Worten Taten werden. Wenn Menschen ausgeschlossen und angefeindet werden,
dann ist es unser aller Aufgabe, an ihrer Seite zu stehen und unmissverständlich deutlich zu
machen, dass der Kampf gegen Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit,
Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja, Anti-Schwarzen Rassismus, Behinderten- und
Queerfeindlichkeit niemals verhandelbar sein wird.
Aber Rassismus beginnt nicht erst bei Gewalt und Terror. Er beginnt dort, wo Menschen
Zugänge verweigert werden und sie zu „Anderen“ gemacht werden. Laut einer repräsentativen
Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung haben 22 % der
Gesamtbevölkerung bereits Rassismus erfahren. Die Erfahrungen reichen von gewalttätigen
Angriffen bis zu Diskriminierung im Alltag – wie zum Beispiel in der Schule, in der
Arztpraxis oder bei der Wohnungssuche. In einer vielfältigen Gesellschaft müssen wir
sicherstellen, dass alle Menschen den gleichen Zugang zu Teilhabe und Mitbestimmung haben.
Soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Wohlstand sichern
Erst, wenn alle Menschen Zugang zu diskriminierungsfreier Bildung, Arbeit,
Gesundheitsversorgung, Pflege, Kultur, Wohnen, Mobilität und politischer Teilhabe haben,
können alle Menschen selbstbestimmt ihr Leben in unserer Gesellschaft gestalten - erst dann
leben wir in einer gleichberechtigten Gesellschaft. Deshalb ist die Frage der sozialen
Gerechtigkeit eines der zentralen Themen unserer Zeit.
Die vermeintlich einfachen Lösungen, die von rechten und konservativen Akteur*innen
präsentiert werden, manifestieren die sozialen Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft.
Anstatt diskriminierende und rassistische Strukturen abzubauen, um Chancengerechtigkeit und
Teilhabe zu ermöglichen, wird die Ausgrenzung von diskriminierten Menschen legitimiert und
verfestigt. Dem stellen wir uns mit einer konsequenten Politik entgegen, die die
Lebensrealitäten aller Menschen ins Zentrum unseres Handelns stellt und die Diversität der
Gesellschaft widerspiegelt.
Die Politik rechter und autoritärer Akteur*innen gefährdet aber nicht nur den Zusammenhalt
unserer Gesellschaft, sondern erstickt auch ihr Potenzial für die Zukunft. Eine Politik, die
auf Chancengerechtigkeit, Vielfaltsförderung und Antidiskriminierung setzt, schafft eine
resiliente, menschenrechtskonforme und wirtschaftlich stabile Gesellschaft.
Denn nicht nur Deutschland ist auf die Einwanderung von Fachkräften angewiesen. Um unseren
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wohlstand auch in den kommenden Jahren zu sichern,
müssen wir deshalb unser Einwanderungsrecht grundlegend modernisieren. So zeigt zum Beispiel
eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, dass ein hoher Bürokratieaufwand, eine restriktive
Einbürgerungspraxis, aber auch der Umgang mit Diversität qualifizierte Fachkräfte vom Zuzug
nach Deutschland abhält.
Anstatt auf Abschottung und Ausgrenzung zu setzen, werden wir Migrant*innen das Ankommen
erleichtern, indem wir Einwanderung familienfreundlich und transparent gestalten,
bürokratische Hürden abbauen sowie eine Ankommens- und Willkommenskultur nachhaltig fördern.
Als Regierungspartei sind wir dafür schon viele wichtige Schritte gegangen. So trägt die
Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes und die Ermöglichung der doppelten Staatsbürgerschaft
den Realitäten der Einwanderungsgesellschaft Rechnung. Wer hier dauerhaft lebt, wird nach
fünf Jahren und bei besonderen Integrationsleistungen bereits nach drei Jahren auch
mitbestimmen, wählen und das gesellschaftliche Zusammenleben gleichberechtigt mitgestalten
können. Nicht zuletzt stärken wir damit auch unsere Demokratie. Und wir tragen endlich der
Lebensleistung der ersten Generation, die im Rahmen der Anwerbeabkommen nach Ost- und
Westdeutschland gekommen sind, Rechnung, in indem wir ihre Einbürgerung erleichtern. Denn sie
haben unser gemeinsames Land mit aufgebaut und wurden dennoch seitens der Politik über
Jahrzehnte vernachlässigt.
Starkes Recht gegen Diskriminierung
Als GRÜNE ist für uns schon lange klar, dass wir die vielfältige Gesellschaft gestalten
wollen. Um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken, ist es unerlässlich, den
Schutz vor Diskriminierung und die Förderung von Vielfalt zu stärken. Es ist wichtig, dass
sich Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, auch mit rechtlichen Mitteln effektiv
wehren können. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll vor Diskriminierung
schützen. Leider gibt es aber rechtliche Lücken, durch die Betroffene sich nicht ausreichend
gegen Diskriminierung wehren können. Das wollen wir endlich ändern! Die Ampel-Regierung hat
sich vorgenommen, das AGG zu überarbeiten, Schutzlücken zu schließen und den
Anwendungsbereich auszuweiten.
Dazu sind wir bereits einen ersten wichtigen Schritt gegangen: Nach Jahren ohne Leitung,
wird die Antidiskriminierungsstelle des Bundes endlich aufgewertet und ihre Leitung nun von
Ferda Ataman übernommen. Außerdem hat die Bundesregierung mit Reem Alabali-Radovan erstmals
eine Beauftragte für Anti-Rassismus benannt, ebenso mit Dr. Mehmet Daimagüler erstmals einen
Beauftragten gegen Antiziganismus berufen. Weiterhin gilt es die zentralen Empfehlungen der
Unabhängigen Kommission Antiziganismus umzusetzen und endlich einen Staatsvertrag mit den
Vertreter*innen der Minderheit der Sinti*zze und Rom*nja auf Bundesebene zu schließen.
Und wir wollen endlich, dass die Teilhabe aller hier lebenden Menschen mit einem
Bundespartizipationsgesetz gesichert und aktiv gefördert wird. Wichtige politische
Entscheidungen sollen nicht über die Menschen, sondern mit und von ihnen getroffen werden.
Deshalb wollen wir eine Partizipationsrat einführen, der dabei maßgeblich berät.
Strukturen diskriminierunssensibel gestalten
Wir wollen, dass sich alle gesellschaftlichen Bereiche für die unterschiedlichen Erfahrungen
und Perspektiven öffnen. Denn um diese Gesellschaft nachhaltig zu gestalten, müssen alle
Menschen die Möglichkeit haben, sich in allen gesellschaftlichen Bereichen engagieren zu
können. Doch wir sehen, dass Menschen mit Rassismuserfahrungen in der Politik noch deutlich
unterrepräsentiert sind. Das gilt auch für unsere Partei.
Rassismus manifestiert sich nicht nur im Handeln autoritärer und rechter Politiker*innen.
Rassistische Denkweisen und Strukturen finden sich überall in unserer Gesellschaft - in
staatlichen Institutionen, Gesetzen und Politik. Wir setzen daher auf antirassistische
Instrumente zum Abbau von systemischer Diskriminierung und Rassismus.
Durch unser Vielfaltsstatut haben wir ein starkes Instrument, um Rassismus in unserer Partei
zu bekämpfen und marginalisierte Gruppen zu stärken. Indem wir die Vielfalt der Stimmen im
Meinungsbildungsprozess und bei der Entscheidungsfindung erweitern, können wir
sicherstellen, dass unsere Politik die Bedürfnisse und Erfahrungen aller Mitglieder der
Partei und Gesellschaft, einschließlich derer, die von Rassismus betroffen sind,
widerspiegelt.
Hierbei spielen insbesondere Selbstvertretungen und Empowerment-Netzwerke wie BuntGrün eine
besondere Rolle. Sie gestalten geschützte Räume für Menschen mit Rassismuserfahrungen, und
empowern sie, um politische Verantwortung bei uns zu übernehmen. Sie schaffen wertvolle
Netzwerke und weisen nicht zuletzt immer wieder auf diskriminierende Strukturen hin und
bringen ihre Perspektive in den Meinungsbildungsprozess, die programmatische Ausrichtung und
Entscheidungsfindung ein.
Als Diversitätsrat wollen wir gemeinsam Wege aufzeigen, wie die diskriminierungssensible und
rassismuskritische Gestaltung unserer Partei gelingen kann. Dazu ist ein Bündel an Maßnahmen
notwendig:
- Wir wollen das Wissen über Diskriminierung und Rassismus auf allen Ebenen der Partei
verankern. Diesen Auftrag gibt uns nicht zuletzt das Vielfaltsstatut. Ein Baustein
dafür ist die Ausbildung unserer Parteimitglieder zu Diversitytrainer*innen, die als
Multiplikator*innen das Wissen über Diskriminierung und Maßnahmen zur effektiven
Umsetzung des Vielfaltsstatuts vor Ort weitergeben können. Dieses Programm wollen wir
verstetigen.
Zusätzlich soll der Bundesverband insbesondere für Bundes-, Landes- und
Kreisvorstände, Landesgeschäftsführer*innen und BAG-Sprecher*innen ein Angebot für
unterschiedliche Weiterbildungen, wie Trainings in Inclusive Leadership und
rassismuskritischer Arbeit vor Ort, sowie zur Auseinandersetzung mit Privilegien und
Allyship machen.
Auch die vielfaltspolitischen Sprecher*innen des Bundes und der Länder sollen
regelmäßig Angebote zur Weiterbildung und Supervision wahrnehmen.
Die Angebote werden aus dem Vielfaltscent teilfinanziert.
- Wir wollen die Kreisvorstände und Akteur*innen vor Ort mit gezielten Infomaterialien
bei der Umsetzung des Vielfaltsstatuts unterstützen. Deshalb soll eine Broschüre mit
praktischen Tipps zur Umsetzung des Statuts vor Ort erarbeitet werden. Die Broschüre
soll auch Wege aufzeigen, um mit diskriminierenden und rassistischen Vorfällen vor Ort
umzugehen und Betroffene besser zu unterstützen, sowie Anregungen und Empfehlungen zur
diskriminierungs- und rassismuskritischen Arbeit vor Ort geben.
- Wir wollen Empowerment-Netzwerke wie BuntGrün unterstützen. Dafür soll der
Bundesverband für die Mitglieder von Bunt-Grün u.a. Angebote für unterschiedliche
Weiterbildungen, wie spezielle Trainings in Leadership für Menschen mit
Rassismuserfahrungen, sowie Workshops für Empowerment, Ausdrucksstärke und Selbstkraft
sowie Rhetorik und Umgang mit rassistischen Drohungen machen.
Politisch Aktive, die von Diskriminierung betroffen sind, sind besonders häufig
Anfeindungen und Drohungen ausgesetzt. Als Partei dürfen wir sie damit nicht alleine
lassen. Deshalb benötigt es Aufklärung über Hilfs- und Beratungsangebote und
unterstützende Parteistrukturen.
Um die Vernetzung von Personen mit Migrationsgeschichte und Rassismuserfahrungen
breiter und in allen Landesverbänden zu ermöglichen, wollen wir in einem ersten
Schritt ein Netzwerktreffen für Menschen mit Rassismuserfahrungen auf der BDK 2023
anbieten. Dies knüpft an die kontinuierlich geleistete Arbeit von BuntGrün an, die
diese Räume in der Vergangenheit bereits bereitgestellt haben. Wir wollen außerdem die
Landesverbände ermutigen, ähnliche Treffen anzubieten und die Gründung von ähnlichen
Netzwerken zu unterstützen, zu stärken und die dafür notwendigen Ressourcen zur
Verfügung zu stellen.
Gemeinsam mit den Landesverbänden und BuntGrün wird der Bundesverband darüber beraten,
wie das Netzwerk strukturell und finanziell unterstützt werden kann, so dass auch die
Wahl der Delegierten zum Diversitätsrat erfolgen kann. Dafür wird ein Auftakttreffen
der Sprecher*innen von BuntGrün, der vielfatspolitischen Sprecher*innen und der
Vielfaltsreferent*innen organisiert und finanziert.
Die*Der vielfaltspolitische Sprecher*in trifft sich mindestens viermal im Jahr zum
Austausch mit den BuntGrün-Netzwerken, um über aktuelle Herausforderungen und die
Weiterentwicklung unserer rassismuskritischen und vielfaltsfördernden Arbeit zu
beraten.
- Bisher sieht das Vielfaltsstatut eine Vertretung des BuntGrün-Netzwerkes Berlin im
Diversitätsrat vor. Durch die Neugründung weiterer Netzwerke in anderen
Landesverbänden ist es notwendig, diese auch im Diversitätsrat zu repräsentieren. Das
Präsidium des Diversitätsrates wird deshalb zur BDK 2023 eine Satzungsänderung
vorschlagen, die vorsieht, dass das bundesweite Netzwerk von BuntGrün zwei Delegierte
in den Diversitätsrat entsendet.
- In unserem Vielfaltsstatut geben wir uns die Aufgabe, Diskriminierungsfälle innerhalb
grüner Strukturen aktiv zu bearbeiten und Betroffene vor Diskriminierung und Rassismus
zu schützen. Hierfür benötigt es Strukturen, die eine Bearbeitung von
Diskriminierungsfällen auf allen Ebenen der Partei gewährleistet. Mit der Ombudsstelle
bei Fällen von sexualisierter Gewalt gibt es bereits eine Struktur, die dies
ermöglicht. Wir erkennen aber auch, dass es bei Diskriminierungsfällen anderer Art
eine Leerstelle gibt, und sich Betroffene häufig alleingelassen füllen. Deshalb soll
eine Taskforce unter Beteiligung von Betroffenen, Expert*innen und hauptamtlich
Beschäftigten der Partei bis zum ersten Quartal 2024 Empfehlungen für den Aufbau einer
Struktur machen, die die effektive Bearbeitung von Diskriminierungsfällen
gewährleistet.
- Auf Grundlage der Ergebnisse der Vielfaltserhebung 2023 wird der Diversitätsrat die
Umsetzung des Vielfaltsstatuts evaluieren und die weiteren Maßnahmen gemäß §2 Abs. 1
des Vielfaltsstatuts diskutieren.
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