Veranstaltung: | 1. Ordentlicher Länderrat 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | EP Debatte zur Europawahl - Kommt, wir bauen das neue Europa |
Antragsteller*in: | Bundesvorstand (dort beschlossen am: 06.05.2019) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 13.06.2023, 08:35 |
A1: Europa braucht Zusammenhalt, Klimaschutz und Deine Stimme!
Antragstext
Am 26. Mai haben wir es in der Hand: Wir können Europa stark machen. So stark,
dass wir gemeinsam das Klima und damit unsere Zukunft retten. So stark, dass
Gerechtigkeit und Solidarität ein Leben in Würde möglich macht und zwischen den
Staaten für Ausgleich sorgt. So stark, dass Frieden, Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Freiheit das ist, was von Europa ausstrahlt. Europa
stark machen heißt, unser gemeinsames europäisches Haus in die Zukunft zu bauen
und Veränderungen mutig und menschlich anzupacken. Mit einer klaren Idee, mit
viel Zuversicht und Kraft.
Wir haben diese Idee, wir haben die Zuversicht und wir haben die Kraft. Überall
in Europa fordern die Menschen Veränderung. Nicht nur hier, sondern in vielen
Ländern Europas erleben wir eine grüne Welle. Und diese macht uns zu starken
Partnerinnen und Partnern für alle, die nach vorne schauen, auf ein Europa des
Klimaschutzes, der Gerechtigkeit und der Demokratie.
Wer Europa nicht seinen Feinden, den Rechtextremen und Nationalisten überlassen
will, muss es weiter bauen. Die Aussicht auf Veränderung erzeugt Hoffnung, durch
Veränderung können wir Herausforderungen bestehen. Der Status Quo schafft keine
Leidenschaft. Deshalb bieten wir bei dieser Wahl auch eine Alternative zur
Zukunftsblockade der letzten Jahre.
Die bereits spürbaren Folgen der Klimakatastrophe, das drastische Artensterben,
die Bedrohung unserer Demokratie durch das Wiederaufflammen des Nationalismus
sowie das Auseinanderklaffen zwischen Arm und Reich zeigen, wie dringend
notwendig ein Europa der Kooperation, der Handlungsfähigkeit und der weiteren
Integration ist. Ein Europa, das zusammenhält. Ein Europa, das sich neu
begründet – ökologisch, sozial und demokratisch.
Wer den Planeten retten will, fängt mit Europa an
Uns bleibt noch etwa ein Jahrzehnt Zeit, um die schlimmsten Folgen der
Klimakrise abzuwenden. Deshalb ist diese Europawahl für die Rettung des Planeten
so entscheidend. Europa muss vorangehen, wenn wir die Ziele des Pariser
Klimaabkommens noch erreichen wollen. Deshalb wollen wir Grüne eine
ambitionierte Klimapolitik in Europa voranbringen. Dazu gehört, dass wir so
schnell wie möglich aus der Verstromung von Kohle aussteigen. Denn mit einem
Ausstoß von 750 bis 1.200 g CO2 pro Kilowattstunde ist Kohlestrom die mit
Abstand klimaschädlichste Art der Stromerzeugung. Unser Ziel ist ein EU-weiter
Kohleausstieg – bis 2030. Bereits heute hat rund ein Drittel der EU-Staaten
solch einen Kohleausstiegsbeschluss gefasst. Und wo Grüne in Europa regieren,
zeigen sie, was beim Klimaschutz möglich ist: Das schwedische Klimagesetz
verpflichtet jede Regierung, einen Klimaschutzplan vorzulegen – mit dem Ziel,
das Land bis 2045 klimaneutral zu machen. Luxemburg wird ab 2020 als erstes Land
der Welt seinen öffentlichen Personennahverkehr kostenlos machen.
Von zentraler Bedeutung ist die möglichst rasche Einführung eines CO2-
Mindestpreises im Europäischen Emissionshandel (ETS). Denn trotz jüngster Reform
entfaltet der Emissionshandel auf absehbare Zeit nicht genug Anreize, damit sich
Klimaschutz wirklich lohnt. Zusätzlich zum ETS im Strombereich wollen wir für
die anderen Sektoren einen CO2-Preis in ganz Europa. Dafür soll Deutschland mit
Nachbarstaaten wie Frankreich, den Niederlanden und Luxemburg vorangehen und als
regionale Staatengruppe zusammen einen CO2-Preis einführen. Diese Abgabe auf CO2
soll aufkommensneutral ausgestaltet sein und in Form einer Pro-Kopf-Auszahlung
als Energiegeld an die Bürgerinnen und Bürger zurückfließen. Damit entlasten wir
insbesondere ärmere Haushalte und erreichen gleichzeitig eine soziale
Umverteilungswirkung. Zugleich schaffen wir mit dem CO2-Preis dringend benötigte
Investitionsanreize für klimaschonende Technologien wie E-Mobilität, wir stärken
den Ausbau von Erneuerbaren Energien sowie von Effizienzmaßnahmen.
Neben einer Steuerung über den Preis, um Klimaschädliches teurer und
Klimaschonendes billiger zu machen, braucht es weitere Maßnahmen, um die Pariser
Klimaziele über alle Sektoren zu erreichen. Insbesondere im Verkehrsbereich
drängt die Zeit auf Veränderung – um das Klima zu schützen und um unseren
Wohlstand auch in Zukunft zu sichern. Unser Ziel ist, der Neuzulassung von Autos
mit fossilem Verbrennungsmotor innerhalb der EU ab 2030 ein Ende zu setzen.
Dafür braucht es härtere europäische CO₂-Grenzwerte für Neuwagen, eine Förderung
der europäischen Ladeinfrastruktur und eine EU-weite Quote für abgasfreie
Neuwagen. Wir Grüne treiben damit den Technologiewandel voran und schaffen die
nötigen infrastrukturellen, fiskalischen und politischen Voraussetzungen für
eine abgasfreie Mobilität.
Gleichzeitig brauchen wir in Europa gut vernetzte und grenzüberschreitende
öffentliche Schienenwege. Wir können den innereuropäischen Flugverkehr nur
begrenzen, wenn wir den Wettbewerbsvorteil für Airlines gegenüber der Bahn
beenden und die Steuersubvention für Kerosin endlich streichen. Genauso wollen
wir als Alternative in ein flächendeckendes europäisches Schnellzug- und
Nachtzug-Netz investieren.
Nur gemeinsam in Europa schaffen wir es, das massenhafte Artensterben zu beenden
und damit die zweite große ökologische Krise unserer Zeit in den Griff zu
bekommen. Aktuell sind ca. eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben
bedroht. Doch Europa kann mit einer klugen Landwirtschafts- und Fischereipolitik
das Sterben beenden und den Reichtum der Natur erhalten.
Keine andere Branche wird mehr gefördert und damit stärker von europäischer
Politik beeinflusst als die Landwirtschaft, und kaum eine andere Branche trägt
derzeit so stark zum Artensterben bei. Wir wollen deshalb eine europäische
Agrarpolitik, bei der der Schutz von Klima, Boden, Wasser, Artenvielfalt und
Tieren im Mittelpunkt steht. Eine neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) soll dafür
sorgen, dass die Fördergelder für eine echte Transformation hin zu einer für
Mensch, Natur und Umwelt nachhaltigen Landwirtschaft verwendet werden und den
Ausbau der ökologischen Landwirtschaft, eine natur- und artgerechte
Landwirtschaft sowie eine artgerechte und flächengebundene Tierhaltung gezielt
unterstützt. Auch sollen künftig Betriebe gefördert werden, die weniger oder gar
keine Pestizide einsetzen und damit Insekten und Arten schützen.
Nur ein soziales Europa ist ein starkes Europa
Jede und jeder soll ein Leben in Würde führen können. Noch klaffen die
Lebensverhältnisse innerhalb und zwischen den Mitgliedsstaaten der EU stark
auseinander. Etwa weil große Konzerne versuchen, Staaten gegeneinander
auszuspielen, und die Länder in einen Wettbewerb um die niedrigsten Steuern und
Löhne geraten. Hier helfen keine nationalistischen Antworten, sondern nur die
Europäisierung sozialer Standards. Deshalb wollen wir verbindliche soziale
Mindeststandards und Mindestlöhne in der gesamten Europäischen Union.
In der Europäischen Union gehen jährlich Milliarden durch Steuerumgehung
verloren. Diese Gelder fehlen den Staaten der EU zur Finanzierung des sozialen
Zusammenhalts, also von Bildung, Schulen, Gesundheitssystemen, Bahnstrecken und
zur Reparatur maroder Brücken. Das ist auch ein Grund, weswegen es in den
vergangenen Jahren in vielen Ländern zu Kürzungen von öffentlichen Leistungen
und zu Sozialabbau gekommen ist. Wir können dieses Problem nur europäisch lösen,
weil große Unternehmen sonst die einzelnen Staaten gegeneinander ausspielen.
Dafür wollen wir als eine kurzfristig umsetzbare Maßnahme eine europäische
Digitalkonzernsteuer einführen. Internetriesen wie google oder facebook
verschieben ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer und entgehen so der Besteuerung.
Damit entziehen sie sich ihrer Verantwortung für die Finanzierung öffentlicher
Aufgaben. Auch verschaffen sie sich Vorteile gegenüber kleineren
Digitalunternehmen und Start-Ups und verdrängen diese vom Markt. Unser Ziel ist,
dass künftig Unternehmen dort Steuern auf ihre Gewinne zahlen, wo diese
anfallen. Es ist die Große Koalition in Deutschland, die diese Reform blockiert.
SPD und Union stellen sich damit schützend vor google und Co. Ebenso sollen alle
Großunternehmen öffentlich machen, in welchen Ländern sie wie viele Gewinne
gemacht und Steuern bezahlt haben. Auch diesen Vorschlag der EU-Kommission
blockieren der SPD-Finanzminister Scholz und die große Koalition in Brüssel.
Als nächsten Schritt brauchen wir eine gemeinsame Unternehmensbesteuerung in
Europa. Denn durch den noch bestehenden Steuerwettbewerb zwischen den EU-Ländern
sinken die Steuern der Konzerne immer weiter und werden mehr und mehr auf die
Bürger*innen verlagert, die sich ihnen nicht entziehen können. Die Ungleichheit
nimmt zu. Unser Ziel ist ein europäischer Mindeststeuersatz für die
Unternehmensbesteuerung. Ein Teil der Einnahmen soll in den europäischen
Haushalt fließen und damit gesamteuropäische Projekte wie etwa Erasmus für alle
jungen Europäer*innen oder ein europaweites Schienennetz finanzieren.
Ein mutiges Europa lässt sich keine Angst machen
Europa ist eine Werteunion. Sie steht für die Achtung der Menschenwürde, der
Freiheit, der Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der
Menschenrechte. Wenn dieses Fundament angekratzt, ausgehöhlt oder untergraben
wird, wie aktuell etwa von den Regierungen Polens, Österreichs, Italiens,
Ungarns oder Rumäniens, wo etwa die Pressefreiheit angegriffen, Frauenrechte
eingeschränkt, Korruption gefördert oder Minderheiten und Geflüchtete weiter
ausgegrenzt werden, dann wollen wir das nicht hinnehmen. Deswegen wollen wir die
Grundrechte der Menschen in Europa und in den Mitgliedsländern stärken. Die
Grundrechtecharta der EU gilt bislang allerdings unmittelbar nur für europäische
Gesetze und Organe und nicht für das Handeln nationaler Regierungen. Wir wollen
deshalb erreichen, dass die in der Charta enthaltenen Grundrechte im national
vorgesehenen Instanzenweg auch gegenüber den jeweiligen Nationalstaaten
einklagbar werden.
Aber nicht nur die einzelne Bürger*in, sondern auch die EU muss ihre Grundwerte
gegenüber nationalen Regierungen verteidigen können. So sollen die europäischen
Ausgaben künftig den europäischen Werten folgen. Dafür wollen wir die Vergabe
von europäischen Fördermitteln an die Einhaltung europäischer Grundwerte wie
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie binden.
Weil ein bloßer Entzug von Fördermitteln aber die breite Bevölkerung treffen
würde und nicht nur die jeweiligen Regierungen, wollen wir keine pauschale
Streichung der Mittel. Unser Ziel ist, dass europäische Fördermittel nicht mehr
von den entsprechenden Regierungen, sondern von den Europäischen Institutionen
direkt an Kommunen, Unternehmen und andere Fördermittelempfänger wie Initiativen
oder Projekte ausgegeben werden können. So kann die Vergabe von Fördermitteln an
die Einhaltung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundwerte gekoppelt werden
und das Geld kommt trotzdem dort an, wo es am meisten gebraucht und wo es
sinnvoll verwendet wird.
Wir Grüne wollen die Demokratie in Europa stärken. Durch eine Stärkung des
Europäischen Parlaments genauso wie durch die Aufwertung der Europäischen
Bürgerinitiative und einer Stärkung der Transparenzregeln. So soll das
Europäische Parlament in allen Bereichen gleichberechtigt mit dem Rat
entscheiden können und ein eigenes vollwertiges Initiativrecht für europäische
Gesetzgebung erhalten. Wir wollen den Frauenanteil in Führungspositionen auf 50
Prozent erhöhen und auch Führungsgremien in EU-Institutionen verpflichtend
paritätisch besetzen.
Wir wollen für alle verbleibenden Politikbereiche, in denen heute noch per
Einstimmigkeitsprinzip entschieden wird, Mehrheitsentscheidungen einführen. Das
betrifft hauptsächlich die Gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik sowie die
Steuerpolitik. Auch in allen Bereichen der Energiepolitik wollen wir im
Europäischen Rat das Prinzip von Mehrheitsentscheidungen durchsetzen, um die
bestehende Blockade für ein Europa der Erneuerbaren Energien zu brechen. Damit
stärken wir Europas Handlungsfähigkeit und verhindern, dass einzelne
Mitgliedsländer grundlegende Entscheidungen blockieren können.
Europa braucht Zusammenhalt, Klimaschutz und Deine Stimme
Wir können gemeinsam Europa stark machen – mit unseren Ideen, mit unseren
Zielen. Und mit Eurer Unterstützung: Wir wollen nach dem 26. Mai die größte
grüne Fraktion im Europaparlament stellen, die wir je hatten. Damit Deutschland
endlich eine laute Stimme für ein starkes Europa bekommt. Wir sind bereit,
Orientierung zu geben. Gerade jetzt, wo es die anderen nicht tun.
Auch bei der Wahl der künftigen Kommission wollen wir unseren Einfluss geltend
machen, um grüne Inhalte durchzusetzen. Dabei ist für uns klar: Wir werden
niemanden zur Kommissionspräsident*in wählen, die oder der sich nicht von den
Rechtsextremen und Nationalisten abgrenzt. Zudem werden wir auf starke grüne
Inhalte im Programm des Kommissionspräsidenten bestehen. Uns geht es um ein
Europa des Klimaschutzes, der Gerechtigkeit und der Demokratie. Für uns ist es
auch Voraussetzung, dass eine oder ein künftiger Kommissionspräsident*in bei der
Europawahl als Spitzenkandidat*in antritt. Denn es ist ein wichtiger
demokratischer Fortschritt in Europa, wenn die Bürgerinnen und Bürger
mitentscheiden können, wer künftig der Kommission vorsteht.
Geht also am 26. Mai wählen für Europa! Es geht um viel, um die Zukunft Europas.
Und das ist Eure Zukunft, es ist unsere Zukunft. Lassen wir es nicht zu, dass
andere über unser Leben und unser Schicksal in Europa bestimmen. Deshalb: Europa
braucht Zusammenhalt, Klimaschutz und deine Stimme!
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