Veranstaltung: | 1. Ordentlicher Länderrat 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 2 Das Land zusammenhalten: mit klimaneutralem Wohlstand, Gerechtigkeit, Sicherheit |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Länderrat |
Beschlossen am: | 17.06.2023 |
Antragshistorie: | Version 3 |
Das Land zusammenhalten: mit klimaneutralem Wohlstand, Gerechtigkeit, Sicherheit
Beschlusstext
Deutschland steht im Juni 2023 gut da: Gemessen an den erheblichen
Herausforderungen der letzten Monate ist es uns – Gesellschaft, Wirtschaft und
Politik – gelungen, die Energieversorgung sicherzustellen, die Wirtschaft durch
den Winter zu bringen und den sozialen Zusammenhalt zu erhalten. Wir haben als
GRÜNE in der Bundesregierung den maßgeblichen Beitrag dafür geleistet, die
Aufgaben zu bewältigen, vor die uns die Auswirkungen des russischen
Angriffskriegs auf die Ukraine als Gesellschaft gestellt haben. Wir übernehmen
Verantwortung und finden mit Pragmatismus und Tatkraft Wege, um die
Energieversorgung unseres Landes zu sichern und soziale Härten abzufedern.
Gleichzeitig mussten wir mit Kohle und Atomkraft vorübergehend auch Technologien
länger nutzen, die wir aus guten Gründen lieber gestern als morgen hinter uns
lassen wollen. Das haben wir getan, um die Versorgung zu sichern. Denn:
Verantwortung zu übernehmen, heißt für uns, auch schwierige Entscheidungen zu
treffen und Kompromisse zu finden, die für den Zusammenhalt nötig sind.
Und große Herausforderungen bleiben weiter bestehen: Nach langen Jahren des
Stillstands müssen wir in hohem Tempo unseren Wohlstand neu begründen:
klimaneutral. Wir müssen mit einer Infrastruktur für 100% Erneuerbare die
Voraussetzungen für gute Jobs schaffen, für bezahlbare Energie für alle, für die
Industrie von heute und morgen. Dafür müssen wir jetzt investieren. Die US-
Regierung unter Joe Biden hat mit dem Inflation Reduction Act auch Deutschland
und Europa ein Beispiel gegeben: wie mit kraftvoller Politik die Wende gelingen
kann. Diese Herausforderung nehmen wir an. Dafür brauchen wir jetzt umfassende
Investitionen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit und unseren Wohlstand zu sichern.
Dieser Winter hat klar gezeigt, dass Deutschland 100% Erneuerbare braucht: für
sicheren und billigen Strom aus Sonne und Wind – und um uns unabhängig zu machen
von Autokraten und Despoten wie Wladimir Putin. Er hat auch gezeigt, dass wir
Sicherheit, im Inneren wie im Äußeren, nicht als Selbstverständlichkeit
hinnehmen können. Und er hat gezeigt, was möglich ist, wenn wir zusammenstehen
und gemeinsam anpacken.
Dieser Winter hat unsere Gesellschaft als Ganzes herausgefordert. Und sie hat
diese Herausforderung angenommen: Private Haushalte und Unternehmen haben in
ungeahntem Ausmaß Energie gespart. Die Gesellschaft hat sich nicht spalten
lassen. Die Einschnitte aber, die viele angesichts der steigenden Energiepreise
und der Inflation trotz staatlicher Hilfen hinnehmen mussten, waren und sind
schmerzhaft.
Wir wollen ein Land gestalten, in dem sich die Menschen nicht darum sorgen
müssen, wie sie die Heizrechnung bezahlen und das Essen auf den Tisch stellen.
Das gilt besonders für Familien: Zusammenhalt kann nicht erwachsen, wenn Kinder
aus dem sozialen Leben ausgeschlossen werden, weil sich ihre Eltern die
Fußballschuhe oder das Geschenk zum Kindergeburtstag nicht leisten können.
Deswegen treiben wir die Einführung einer Kindergrundsicherung mit Nachdruck
voran. Damit Familien sorgen- und angstfreier leben können, es benachteiligten
Kindern besser geht und verdeckte Armut abgebaut wird, weil alle die
Unterstützung erhalten, auf die sie einen Anspruch haben.
Die großen Aufgaben unserer Zeit packen wir jetzt an und verlieren niemanden aus
dem Blick, denn wir haben gesehen, dass wir gemeinsam Krisen überwinden können:
Aus Zusammenhalt wächst Zuversicht.
Zusammenhalt gründet auf klimaneutralen Wohlstand. Schon heute basieren viele
unternehmerische Erfolgsgeschichten auf nachhaltigem Wirtschaften. Sie sind Teil
einer Wirtschaft, zu der auch energieintensive Industrien gehören, die wir heute
und in Zukunft brauchen. Auch sie haben sich auf den Weg zu einer nachhaltigen
Arbeitsweise gemacht. Wenn wir jetzt die Weichen stellen, wenn wir auf
Innovation und Erfindungsreichtum setzen, können wir daraus noch mehr gerechten
Wohlstand von morgen machen. Denn nur durch 100% Erneuerbare Energien bleiben
wir wettbewerbsfähig und erfolgreich. Viele Unternehmen und Unternehmer*innen
gehen gerade jetzt voran, stellen ihre Produktionen um, setzen auf neue
Technologien und haben gleichzeitig das Wohl ihrer Mitarbeiter*innen im Blick.
Wir unterstützen diese Entwicklung durch eine gute Politik. Wir schaffen
Planungssicherheit. Wir bauen die Infrastruktur, damit Menschen und Unternehmen
klimaneutralen Wohlstand schaffen können. Gleichzeitig schaffen wir verlässliche
Strukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge: Von der Kita bis hin zur Feuerwehr
und Polizei. Wir sorgen dafür, dass die Sicherung und Erneuerung des Wohlstands
allen zugutekommt.
Zusammenhalt entsteht vor Ort: wo Menschen zusammen leben und arbeiten, sei es
auf dem Dorf oder in den Wohnvierteln, in Fabrik und Büro, auf dem Bauernhof
oder im Laden um die Ecke. Wir machen Politik, damit Lebensqualität erhalten
bleibt und neue entsteht, damit Menschen Rückhalt finden und mit Zuversicht in
die Zukunft blicken können.
Für die Menschen wirtschaften
Die Wirtschaft in Deutschland befindet sich im Wandel. Sie wird klimaneutral
Wertschöpfung generieren und die Potenziale der Digitalisierung nutzen. Der
Staat unterstützt sie dabei, den Prozess positiv zu gestalten und damit im
globalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben. Er sorgt angesichts der sich
verändernden technologischen Grundlagen für die nötige Infrastruktur,
verbindliche Standards und eine verlässliche Planungsgrundlage für die
Umstellung auf 100% erneuerbares Wirtschaften. Nur wir alle zusammen, der Staat,
die Unternehmen und die Menschen können das Ziel des klimagerechten Wohlstands
gemeinsam erreichen. Das setzen wir in dieser Regierung um: So schaffen wir die
Voraussetzungen und den Spielraum für unternehmerisches Handeln heute und in der
Zukunft – und für dauerhaften Wohlstand, der allen zugutekommt.
Wirtschaft muss den Mensch im Mittelpunkt haben: erfüllende und gut bezahlte
Arbeit ermöglichen, Wohlstand erzeugen und die natürlichen Lebensgrundlagen
bewahren. Klimagerechte Innovationen sind eine Grundlage für die krisenfeste
Zukunft von morgen und bieten Chancen für alle. Beim Recycling von Baustoffen,
beim Einbau von Wärmepumpen, in der Entwicklung von Stromspeichern, beim Aufbau
intelligenter Stromnetze, oder beim Bau neuer Züge können Millionen moderner,
gut bezahlter Jobs gesichert werden oder neu entstehen. Wir wollen diese Chancen
nutzen und die Voraussetzungen für gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne
schaffen. Diese anstehenden Veränderungen gestalten wir ökologisch und sozial.
Einiges dafür ist schon getan: Mit der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns
auf 12 Euro haben wir eine Gehaltserhöhung von fast 6 Millionen Beschäftigten in
Deutschland erreicht und den ausgeprägten Niedriglohnsektor in Deutschland
deutlich reduziert. Der Schutz durch einen Tarifvertrag für gute
Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung muss darüber hinaus für viel mehr
Beschäftigte zur Realität werden. Mit einem Bundestariftreuegesetz wollen wir
daher einen Tarifvertrag zur Voraussetzung bei der öffentlichen Auftragsvergabe
machen. Auch Streiks während eines Arbeitskampfs sind ein legitimer Weg, um
faire Löhne durchzusetzen, wenn Verhandlungen stocken. Das Streikrecht darf
deshalb nicht eingeschränkt werden. Eine starke betriebliche Mitbestimmung ist
unerlässlich, damit Beschäftigte ihren Arbeitsplatz und die Zukunft ihrer
Unternehmen aktiv mitgestalten können. Mitbestimmung im Betrieb ist auch ein
Beitrag zur Stärkung der Demokratie. Deshalb stärken wir Betriebsräten
gesetzlich den Rücken und wollen Praktiken unterbinden, die die Gründung und
Arbeit von Betriebsräten behindern. Für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen
und Männern fordert uns die EU-Lohntransparenzrichtlinie zum Handeln auf. Wir
wollen sie zügig in deutsches Recht umsetzen, um die ungleiche Verteilung von
Einkommen und in Folge auch Vermögen entlang der Geschlechtergrenzen zu
verringern.
Denn die Transformation der Wirtschaft wird von Menschen getragen, von ihrem
Einsatz und Erfindungsgeist. Dafür brauchen wir mehr Fachkräfte. Ein Baustein
der Fachkräftesicherung ist eine vorausschauende Arbeitsmarktpolitik. Sie kann
bspw. in Krisenzeiten durch Kurzarbeitergeld Arbeitslosigkeit verhindern, gibt
Beschäftigten Sicherheit und fördert bei Bedarf wichtige Qualifzierungen. Für
einen guten Übergang innerhalb der Arbeitswelt braucht es bessere Umstiegswege.
Sicherheit entsteht dadurch, dass Menschen sich auf neue berufliche
Herausforderungen, auch in anderen Sektoren, vorbereiten können, ohne aus ihrem
Arbeitsverhältnis auszuscheiden. So fördern wir gute Arbeit und verhindern
Arbeitslosigkeit, bevor sie entsteht. Deswegen schaffen wir ein
Qualifizierungsgeld, das Beschäftigten die Möglichkeit gibt, zusammen mit ihren
Kolleginnen und Kollegen berufliche Kompetenzen für neue Aufgaben in ihrem
Unternehmen zu erwerben. Darüber hinaus setzen wir uns weiter für die Einführung
der Bildungszeit ein, die Arbeitnehmer*innen eine bezahlte Freistellung zu den
Konditionen des Kurzarbeitergeldes für eine Weiterbildung ermöglicht, aber bspw.
auch, um ein Studium oder eine Ausbildung nachzuholen. Der Meisterbrief sollte
wie ein Studium kostenfrei werden. Und wir drängen weiter auf Strukturreformen
des BAföG und des Aufstiegs-BAföG, damit von der Erzieher*in in Ausbildung bis
zur Schreiner-Gesell*in in der Meisterausbildung alle, die sie brauchen, eine
soziale Unterstützung für ihren Bildungsweg bekommen. Mit der
Ausbildungsgarantie unterstützen wir alle jungen Menschen auf dem Weg zum
Berufsabschluss.
Neben der Aus- und Weiterbildung wollen wir durch eine bessere Vereinbarkeit mit
den Lebensumständen insbesondere Frauen ermöglichen, ihre Arbeitszeit
auszuweiten. Viele Frauen möchten gerne mehr arbeiten, werden aber durch die
Rahmenbedingungen daran gehindert. Hier liegt das größte kurzfristige Potenzial,
Fachkräfte zu gewinnen. Dazu gehört neben verlässlicher Kinderbetreuungs- und
Pflegeinfrastruktur das Ende der negativen Erwerbsanreize u.a. durch die
Lohnsteuerklassen 3 und 5 . Zudem soll durch den Abbau der Minijobs und die
Überwindung der sogenannten Teilzeitfalle die sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung von Frauen erhöht werden.
Mit einem modernen Einwanderungsrecht schließlich steigen wir endlich in den
globalen Wettbewerb um Fachkräfte ein. Arbeitskräfte aus dem Ausland sollen sich
einfacher auf dem Arbeitsmarkt bewerben können. Die Berufserfahrung aus dem
Ausland wird besser berücksichtigt und die Anerkennung von Qualifikationen
erleichtert. Wir führen eine Chancen-Karte ein, mit der Menschen zur
Arbeitsplatzsuche zu uns kommen können. Familienfreundliche Regelungen sind
dabei ein Muss. Auch mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht haben wir schon einen
wichtigen Beitrag gegen den Arbeitskräftemangel geleistet. Viele bislang nur
geduldete Menschen erhalten damit die Perspektive auf ein dauerhaftes
Bleiberecht, um hier leben und arbeiten zu können.
All das sind entscheidende Beiträge gegen den Arbeits- und Fachkräftemangel,
eines der größten Risiken für unseren Wohlstand.
Infrastruktur für klimaneutralen Wohlstand schaffen
Arbeitskraft, Unternehmergeist und Innovationen können ihre Potenziale nur
entfalten, wenn die materiellen Grundlagen gegeben sind. Ein zentraler Baustein
ist eine sichere, souveräne und verantwortungsvolle Rohstoffversorgung der
Industrie. Diese muss auf verschiedenen Säulen basieren, um zu hohe
Abhängigkeiten von einzelnen Handelspartnern zu reduzieren und vor
Lieferengpässen zu wappnen. Vorschläge dafür hat das
Wirtschaftsministeriumvorgelegt. Diese werden nun konsequent umgesetzt.
Durch den Ausbau zukunftsfähiger Infrastruktur gewährleisten wir die
langfristige Energiesicherheit, die Unternehmen dringend brauchen. So sichern
wir die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts – und damit den Wohlstand des Landes
und gute Jobs. Dabei spielt die Wasserstoffwirtschaft eine entscheidende Rolle.
In der Industrie wird grüner Wasserstoff vorrangig für die klimaneutrale
Produktion von Grundstoffen wie Stahl- oder Chemieerzeugnissen benötigt, deren
Herstellung nicht elektrifiziert werden kann. Mit einem Gesetz zur Schaffung
eines Wasserstoff-Kernnetzes schaffen wir einen wichtigen Schritt zur
Neuausrichtung der Energieversorgung unserer Industrie. Außerdem haben wir
sichergestellt, dass die neu gebauten Flüssiggasterminals spätestens ab dem Jahr
2043 nur noch zur Anlandung von klimaneutralem Wasserstoff genutzt werden.
Wir fördern gezielt die Erforschung und Produktion von Zukunftstechnologien und
sorgen dafür, dass die Weiterentwicklung und Herstellung von wichtigen
Bausteinen für die Wirtschaft wie Computerchips, Wärmepumpen und Batteriezellen
in Europa einen attraktiven Standort finden. Damit schaffen wir das Fundament
für unseren wirtschaftlichen Wohlstand und garantieren unsere Unabhängigkeit in
Schlüsseltechnologien. Viele dieser Schlüsseltechnologien aber haben wir schon
heute zur Hand. Sie sind das Ergebnis von Forschung und Innovation vieler
Jahrzehnte. Wir müssen die Entwicklungsschritte von der Erfindung über die
Qualifizierung einer neuen Technik und die Prototypenphase bis zur Marktreife
zusammendenken: Technologie ernst zu nehmen, heißt auch, sie einzusetzen, wenn
sie einen Beitrag zum Leben der Menschen und zur Erhaltung unserer
Lebensgrundlagen liefern kann. Es ist jetzt auch die Verantwortung des Staates,
dafür zu sorgen, dass die Gesellschaft die Früchte moderner Technologien wie
Wärmepumpen, Solarzellen und Batteriespeichern ernten kann. Dazu muss er einen
Beitrag leisten, damit sie schnell und zuverlässig zum Einsatz kommen.
Zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung für morgen erreichen wir mit der
Umstellung auf 100% erneuerbare Quellen. Dazu beschleunigen wir den Ausbau bei
Wind und Sonne auf Rekordtempo. Die Einführung intelligenter Stromzähler trägt
dazu bei, den Stromverbrauch zu optimieren und die Netzstabilität zu
gewährleisten, indem sie Echtzeitinformationen über den Stromverbrauch liefern.
Sie dient als Grundlage für flexible, günstige Strompreise, die den Verbrauch in
Zeiten geringer Nachfrage fördern. Zusammen mit der Planungsbeschleunigung für
Windkraft und Übertragungsnetze sowie deren besserer Verbindung mit den
Nachbarländern sichern wir die preiswerte Energieversorgung auf Dauer ab. Mit
diesem verlässlichen und günstigen Strom können Heizungen und Fahrzeuge
preiswert betrieben werden. Die dafür notwendigen Investitionen werden wir für
alle solidarisch ermöglichen.
Durch die Einführung eines Industriestrompreises für energieintensive Prozesse,
der an den Ausbau der Erneuerbaren Energien gekoppelt ist, wollen wir
Unternehmen bei der Gestaltung einer klimaneutralen Produktion unterstützen und
sichern Arbeitsplätze in Deutschland. Hierfür wollen wir der Industrie den
Zugang zu klugen Instrumenten erleichtern, wie etwa Power-Purchasing-Agreements
(PPAs) zwischen Unternehmen und den Erzeugern von erneuerbarer Energie, oder
Klimaschutzverträgen, die Preisschwankungen abfedern. Bis diese Instrumente
greifen, benötigt die energieintensive Industrie für die Übergangszeit einen
Brückenstrompreis in fester Höhe, der aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds
finanziert wird und an klare Verpflichtungen zum Standorterhalt, Tariftreue und
Transformation der Produktion geknüpft ist. Mit diesem Brückenstrompreis lassen
wir die positiven Effekte der Erneuerbaren schon heute wirksam werden: Günstigen
Strom, von Sonne und Wind, stellen wir für den Übergangszeitraum mit staatlicher
Hilfe sicher. So wirkt der grüne Aufbruch in klimagerechten Wohlstand schon
heute. Allgemein gilt für staatliche Förderung: Dort, wo der Staat
richtigerweise unterstützt, ist es richtig, dass er auch Ziele und
gemeinwohlorientierte Konditionen definiert.
Für eine erfolgreiche Wirtschaft ist auch eine leistungsfähige und klimaneutrale
Transportinfrastruktur essenziell. Wir sorgen dafür, dass unsere Infrastruktur
nach Jahren der Vernachlässigung und der Sparprogramme endlich den dringend
notwendigen Investitionsschub erhält. Dazu gehören die Sanierung maroder Brücken
sowie die Reaktivierung und Modernisierung von Bahnstrecken. Dabei
berücksichtigen wir bereits heute die Lieferketten von morgen. In unseren Häfen
bauen wir Landstromanlagen und Betankungsanlagen für grüne Treibstoffe auf, um
eine klimaneutrale Schifffahrt zu gewährleisten. Durch den schnellen Aufbau
einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur für E-LKW wollen wir eine beschleunigte
Dekarbonisierung der Logistik ermöglichen. Hier brauchen wir mehr Tempo.
Wir schaffen jetzt die Rahmenbedingungen für eine zukunftsgerichtete
Digitalwirtschaft: sicher, innovativ und regelbasiert. Denn eine starke Branche,
in der Wirtschaft, Wissenschaft und Start-up-Szene gut vernetzt arbeiten können,
beschleunigt Innovationen. Wir wollen Deutschland schnell und erfolgreich zu
einer Gigabit-Wirtschaft und -Gesellschaft entwickeln. Mit dem Start zum Aufbau
des Dateninstituts haben wir bereits einen Grundstein dafür gelegt.
Datenverfügbarkeit und Datennutzung stoßen in Deutschland zum Teil noch auf hohe
Hürden und Hindernisse. Das Dateninstitut wird Daten im Sinne des Gemeinwohls
besser verfügbar und nutzbar machen.
Wohlstand vor Ort befördern
Konkret wird Politik dort, wo Menschen zusammen leben und arbeiten. Hier
entsteht Zusammenhalt, hier entsteht Wohlstand.
Erneut spielt die Wirtschaft eine entscheidende Rolle. Deshalb stärken wir die
Wirtschaft vor Ort. Das Hauptaugenmerk legen wir auf die Unterstützung des
Mittelstands: Kleine und mittlere Unternehmen sind Wirtschaftsmotor, treibende
Kräfte bei Innovationen und spielen durch langfristige Unternehmensstrategien
und soziale Verankerung oft eine wichtige Rolle für den Zusammenhalt einer
Region. Mittelständische Unternehmen wollen wir durch einen serviceorientierten
und unbürokratischen Staat unterstützen, der die Gründungskultur unterstützt und
nicht behindert. Vor allem aber wollen wir einen Staat, der Innovation in
lokalen Kontexten fördert und ermöglicht: Mit der in Gründung befindlichen DATI,
der Agentur für Transfer und Innovation, stärken wir die Zusammenarbeit von
Hochschulen, kleinen und mittleren Unternehmen und der Zivilgesellschaft, die
vor Ort Innovationen in die Praxis bringen. Damit bilden wir regionale
Wirtschaftsräume und gestalten die Zusammengehörigkeit.
Das bilden wir auch in der Wirtschaftsförderung ab. Unter Federführung des
Wirtschaftsministeriums haben wir eine grundlegende Reform der
Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaftsstruktur (GRW) umgesetzt und das für
die Strukturpolitik zentrale Förderinstrument endlich zeitgemäß aufgestellt.
Damit werden Fördergelder für strukturschwache Regionen nun wesentlich gezielter
an Unternehmen ausgeschüttet, die einen regionalen Fokus haben und regionale
Wertschöpfungsketten bilden. Regionale Wertschöpfung, Transformationsprozesse
hin zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Wirtschaft, Aspekte guter Arbeit
wie auch die regionale Daseinsvorsorge werden nun berücksichtigt. Damit können
Potenziale sogenannter strukturschwacher Regionen effektiver gehoben werden: ein
entscheidender Schritt zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse.
Zusammenhalt vor Ort ermöglichen
Nicht nur die Sicherung und Erneuerung unseres Wohlstandes, sondern auch soziale
Sicherheit, verlässliche Gesundheitsversorgung und eine hohe Lebensqualität sind
Bedingungen für Zusammenhalt. Die Aussicht auf eine faire, diskriminierungsfreie
gesellschaftliche und wirtschaftliche Teilhabe für alle ist dafür Voraussetzung.
Dazu gehört eine materielle Absicherung, ebenso wie soziale und kulturelle
Infrastruktur.
Demografischer Wandel, medizinischer Fortschritt und auch der Klimawandel sind
Herausforderungen für Gesundheit und Pflege. Verlässliche und qualitativ gute
Gesundheitsversorgung und Pflege sind für viele Menschen ein Gradmesser für das
Funktionieren unseres Gemeinwesens und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Leistungseinschränkungen und eine Privatisierung der Gesundheitsrisiken stehen
diesen Zielen entgegen. Deshalb treten wir für eine stabile und solidarische
Finanzierung von Pflege und Gesundheit ein. Wir haben eine umfassende
Krankenhausreform gestartet, die die Zukunft der stationären Versorgung gerade
auch in ländlichen Räumen sichert, Qualität stärkt und ökonomische Fehlanreize
beseitigt. Bei der Pflege haben wir erste Verbesserungen insbesondere für
pflegende Angehörige und für die Pflege im Quartier durchgesetzt. Weitere
Schritte müssen folgen, denn 4 von 5 Pflegebedürftigen werden zuhause gepflegt,
oft von Familienangehörigen. Pflegende Angehörige sind eine zu häufig
unsichtbare Säule unseres Gesundheitssystems. Wir wollen sie noch stärker
unterstützen, denn niemand darf arm davon werden, sich um seine Liebsten zu
kümmern.
Wir wollen starke Länder und Kommunen, die wir mit den großen Herausforderungen
nicht im Stich lassen dürfen. Statt am Sozialen zu sparen, brauchen wir
Investitionen in den sozialen Zusammenhalt vor Ort, um eine belastbare soziale
Infrastruktur und Daseinsvorsorge für alle Menschen zu sichern. Mit dem
Deutschlandticket sind wir einen wichtigen Schritt gegangen, um Mobilität
einfach und bezahlbar zugänglich zu machen. Nun gilt es, die Qualität der
Nahverkehrsangebote gerade im ländlichen Raum zu erhöhen und damit das Leben in
den Regionen konkret weiter zu verbessern. Bezahlbares Wohnen, eine
verlässliche, gut erreichbare Gesundheitsversorgung und nachhaltige Pflege,
gerechte Bildungschancen und hochwertige Betreuung, aber auch die Vielfalt an
kulturellen Einrichtungen und nach menschlichen Bedürfnissen gestalteten
öffentlichen Räumen schaffen Zusammenhalt und Lebensqualität für alle. Orte der
Begegnung, an denen zivilgesellschaftliche Gruppen, junge und ältere Menschen
sich jenseits ihrer Wohnung aufhalten können, Gemeinschaft leben, erleben und
frei gestalten können, sind wichtige Faktoren für den Zusammenhalt vor Ort. Sie
bieten Anknüpfungspunkte für bürgerschaftliches Engagement, das unverzichtbar
ist für unsere Demokratie. Mit dem Demokratiefördergesetz unterstützen wir den
Einsatz all derer, die sich täglich in Initiativen, Verbänden und Vereinen für
unsere Demokratie, für ein lebendiges, menschliches Miteinander und die Vielfalt
vor Ort einsetzen.
Das Ehrenamt braucht mehr Wertschätzung und Dank für die vielen Dienste und
Leistungen für unsere Gesellschaft. Wir wollen ehrenamtliche Tätigkeit besser
unterstützen und freiwilliges Engagement aktiv stärken. Dafür wollen wir wo
nötig z.B. Freistellungsregelungen angleichen und großzügiger ausgestalten. Wer
sich engagiert, darf keine Nachteile haben, im Gegenteil: Wertschätzende
Maßnahmen, z.B. die Einführung von Ehrenamtskarten, fördern wir aktiv.
Freiwilligendienste wollen wir attraktiver gestalten, indem sie auch in Teilzeit
geleistet werden können, die Taschengeldobergrenze angehoben wird und
Mobilitätskosten erstattet werden.
Zusammenhalt entsteht auch da, wo Menschen gemeinsam freiwillig für alle
anpacken. In Deutschland engagieren sich rund 1,8 Millionen Menschen
ehrenamtlich im Zivil- und Katastrophenschutz. Sie leisten Hilfe bei
Katastrophen oder Unfällen. Die Freiwilligen Feuerwehren gewährleisten, dass
flächendeckend und insbesondere im ländlichen Raum schnell und jederzeit Hilfe
zur Verfügung steht. Die Belastungen sind besonders angesichts der wachsenden
Herausforderungen durch Extremwetterereignisse enorm. Wir stärken das Ehrenamt
in Feuerwehr, THW und Hilfsorganisationen. Deshalb wollen wir die Ausrüstung
modernisieren. Dazu zählen moderne Liegenschaften, Fahrzeuge sowie eine gute
Ausstattung mit persönlicher Schutzkleidung.
Neben einer starken sozialen Infrastruktur vor Ort geht es andererseits darum,
die materiellen Grundlagen für Teilhabe an der Gesellschaft zu schaffen, gerade
in Zeiten hoher Lebenshaltungskosten. Mit umfangreichen Entlastungen und den
Energiepreisbremsen haben wir viele Familien in Deutschland konkret unterstützt.
Wir haben aber nicht nur kurzfristig mit verschiedenen Einmalzahlungen
entlastet, sondern setzen auch strukturelle, langfristige Reformen um, die
Deutschland gerechter machen und besser vor Krisen schützen. Mit der Einführung
des Bürgergeldes haben wir endlich Hartz IV abgelöst. Das Bürgergeld bedeutet
mehr soziale Sicherheit, besseren Schutz vor steigenden Preisen und ist eine
Weiterbildungsoffensive, die dauerhafte Perspektiven auf Beschäftigung schafft.
Daran arbeiten wir nun mit der Kindergrundsicherung weiter: In Deutschland lebt
seit Jahren kaum verändert jedes 5. Kind in Armut. Das hat gravierende Folgen
für ihre Bildungschancen, ihre Möglichkeiten, Talente zu entwickeln, und steht
einem möglichst unbeschwerten Kinderleben mit vielen Freunden im Weg.
Kinderarmut raubt Kindern Lebenschancen und dem Land Zukunftschancen.
Wir wollen alle Kinder nach ihren Bedürfnissen gut unterstützen, Familien, die
in verdeckter Armut leben, endlich erreichen und eine leistungsstarke,
verlässliche Absicherung für Kinder und ihre Familien aufbauen. Mit der
Kindergrundsicherung aus dem Familienministerium schützen wir vor Armut und
schaffen bessere Chancen für Kinder und Jugendliche. Wir machen die
Unterstützung für Kinder gerechter, einfacher und zugänglicher. Aus kompliziert
wird einfach, aus ungerecht wird gerecht. Wir investieren darin, dass alle
Kinder ausreichend finanziell abgesichert sind, um an Bildung teilzuhaben. Mit
der Kindergrundsicherung wachsen die Chancen der Kinder, der Jugendlichen und
der Wirtschaft.
Das Wissen um eine sicher bezahlbare Wohnung an dem Ort, wo man verwurzelt ist,
ist ein wesentlicher Faktor für gesellschaftliche Teilhabe und Zusammenhalt.
Doch angesichts der steigenden Mieten müssen viele Menschen um bezahlbares
Wohnen fürchten. Mit der größten Wohngeldreform in der Geschichte Deutschlands
haben seit diesem Jahr dreimal so viele Haushalte Anspruch auf eine
durchschnittlich doppelt so hohe Unterstützung wie bisher. Denn für uns ist
klar: Wohnen ist ein Menschenrecht, eine zentrale soziale Frage und muss für
alle bezahlbar sein. Wir wollen daher den Mieterschutz stärken und den sozialen
und gemeinnützigen Wohnungsbau fördern. Wir wollen die Mietpreisbremse
verlängern und verschärfen, die Kappungsgrenze absenken, den Kündigungsschutz
stärken und qualifizierte Mietspiegel einführen. Darüber hinaus setzen wir uns
dafür ein, Indexmieten zu begrenzen, die in Zeiten hoher Inflation zu hohen
zusätzlichen Belastungen der betroffenen Mieter*innen führen.
Wir wollen mehr öffentliche Investitionen in den sozialen Wohnungsbau und legen
hier ein besonderes Augenmerk auf den Einsatz erneuerbarer Energie zur
langfristigen Versorgung mit bezahlbarem Strom. Neben Mitteln für die soziale
Wohnbauförderung wollen wir die Neue Wohngemeinnützigkeit auf den Weg bringen,
ein zweites großes Förderprogramm für den gemeinnützigen Wohnungsbau. Damit
fördern wir auch unter aktuell schwierigen Rahmenbedingungen neue
Bauaktivitäten, stärken die Regionen und schaffen dauerhaft bezahlbaren
Wohnraum.
Zusammenhalt in Sicherheit entfalten
Zusammenhalt vor Ort kann sich nur in Sicherheit entfalten: Das Vertrauen aller
Bürger*innen in die Fähigkeit des Staates, Sicherheit zu gewährleisten – am
Bahnhof, auf dem Land ebenso wie in der Innenstadt – ist eine entscheidende
Grundlage für das Funktionieren unseres demokratischen Gemeinwesens.
Eine präsente und ansprechbare Polizei ist hierfür notwendig, eine Polizei, die
von überall erreichbar ist. Dafür sind eine gute personelle Ausstattung und gute
Ausbildung notwendig. Der demographische Wandel macht auch vor der Polizei nicht
Halt. Daher müssen wir alles daran setzen, den Polizeiberuf attraktiv zu
gestalten. Dafür braucht es flexiblere Arbeitsmodelle und gute
Entwicklungsmöglichkeiten für Polizist*innen. Wir wollen eine
Diversitätsoffensive und werben dafür, dass sich die Vielfalt unserer
Gesellschaft in der Polizei noch stärker widerspiegelt. Außerdem wollen wir den
Frauenanteil innerhalb der Polizei weiter erhöhen. Quereinstiegsmöglichkeiten
müssen geschaffen werden. Die Anzahl an Überstunden wollen wir reduzieren.
Damit sie Sicherheit für die Bürger*innen bieten kann, braucht die moderne
Polizei attraktive Arbeitsbedingungen, moderne Fahrzeuge und Ausstattung sowie
IT. Wir sorgen für zuverlässige und starke Investitionen, insbesondere in die
Liegenschaften. Vor allem aber kann die Polizei vor Ort nur dann zur Sicherheit
beitragen, wenn sie das Vertrauen aller Bürger*innen genießt und transparent
agiert. Wir wollen deshalb das Instrument des unabhängigen Polizeibeauftragten
stärken und ausbauen. Wir setzen uns dafür ein, dass flächendeckend
entsprechende Stellen eingerichtet werden und schaffen eine entsprechende Stelle
auf Bundesebene. Die Polizeibeauftragten sollen für Bürger*innen und
Polizist*innen gleichermaßen zur Verfügung stehen. Rechtsextreme und
Verfassungsfeinde müssen konsequenter und zügiger als bisher aus
Sicherheitsbehörden entfernt werden.
Schwere und Organisierte Kriminalität (OK) stellt eine Gefahr besonders für
lokale Wirtschaftskreisläufe dar – sie bringt Korruption und Gewalt mit sich.
Ihr Einfluss sorgt dafür, dass soziale, ökologische und wirtschaftliche
Standards unterlaufen werden. Lautere Geschäftsleute werden so verdrängt. Wir
wollen die Bekämpfung dieser Kriminalitätsformen zu einem Schwerpunkt machen und
die Kriminalpolizei sowie Justiz besser ausstatten.
Politisch motivierte Kriminalität und Hasskriminalität steigen seit Jahren stark
an und zeigen sich besonders häufig gegenüber Menschen, die sich für die
Gesellschaft vor Ort engagieren und Flagge zeigen für Demokratie und ein
solidarisches Miteinander. Gerade auf kommunaler Ebene haben Angriffe auf Amts-
und Mandatsträger*innen sowie Menschen, die sich für eine offene und liberale
Gesellschaft engagieren, besonders zugenommen. Besonders häufig sind davon
Frauen, queere Menschen sowie Menschen mit Migrationsgeschichte betroffen.
Antisemitische Gewalt nimmt ebenfalls erschreckend zu. Diese Entwicklung besorgt
uns sehr. Sie schwächt den Zusammenhalt, indem sie wichtige Stimmen aus der
Öffentlichkeit verdrängt. Unsere Solidarität gilt allen Opfern und Betroffenen
von rechtsextremen und rassistischen Angriffen und deren Angehörigen. Wir
wollen, dass in allen Bundesländern Beratungs- und Ansprechstellen zur Verfügung
stehen und bedrohte Menschen sicher sein können, dass alle Polizeidienststellen
ihnen zuverlässig zur Seite stehen und Schutz bieten. In Sachsen hat die
Justizministerin beispielsweise eine Zentrale Ansprechstelle für Opfer von
Rechtsextremismus und Antisemitismus bei der Generalstaatsanwalt geschaffen.