Veranstaltung: | 2. Bundesfrauenrat 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | Was tun gegen Antifeminismus? |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Bundesfrauenrat |
Beschlossen am: | 18.10.2019 |
Eingereicht: | 23.10.2019, 12:59 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Antifeminismus vehement entgegentreten
Beschlusstext
Die sozialen Bewegungen haben die Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten grundsätzlich
verändert. Die Frauenbewegung machte die strukturelle Benachteiligung von Frauen in der
Gesellschaft sichtbar und kämpfte für die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung.
Denn diese war und ist in der Bundesrepublik noch lange keine Selbstverständlichkeit. Wir
müssen feststellen, dass wir auch heute noch nicht am Ziel sind. Frauen werden noch immer
schlechter bezahlt, tragen die Hauptlasten der Sorgearbeit und sind weitaus seltener in
Führungspositionen von Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Kultur und Sport vertreten. Die
wirkliche Gleichstellung der Geschlechter ist auch 70 Jahre nach Verabschiedung des
Grundgesetzes und 25 Jahre nach Inkrafttreten Zusatzes in Art. 3 Abs. 2 GG - „Der Staat
fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und
wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ – noch nicht eingelöst.
Gleichzeitig erleben wir in den letzten Jahren eine zunehmende antifeministische Bewegung.
Unter dem Vorwand einer vermeintlich “natürlichen” Ordnung und dem „gesunden
Menschenverstand“ machen reaktionäre, populistische und rechte Kräfte mobil gegen
Gleichstellungspolitik und versuchen offensiv die Grenzen des Sagbaren im Sinne
antifeministischer, LGBTIQ-feindlicher und rassistischer Positionen zu verschieben.
Vor allem die Frauen- und Genderpolitik ist zum Feindbild rechtspopulistischer und
rechtsextremer Ideologien geworden. Antifeminismus sowie traditionalistische und reaktionäre
Geschlechter- und Familienbilder sind dabei wesentliche Elemente des Rechtspopulismus und
Rechtsextremismus. Innerhalb rechtspopulistischer und rechtsextremer Vorstellungen spielt
die Kategorie „Geschlecht“ eine zentrale Rolle für die gesellschaftliche und soziale
Ordnung. Ihre Vorstellungen von Geschlecht und Familie entsprechen dabei einem klar
biologistischen Verständnis einer „natürlichen“ Ordnung zwischen Mann und Frau.
Antifeminismus stellt die Errungenschaften der Emanzipation und das Selbstbestimmungsrecht
von Frauen in Frage. Reproduktive Rechte, Gleichstellungsmaßnahmen und die Gender-Studies
stehen unter einem zunehmenden Druck von Rechts. Mit großer Sorge beobachten wir, dass
überall in Europa längst erreicht geglaubte Frauen- und Minderheitenrechte offensiv zur
Disposition gestellt werden. Das Erstarken des Rechtspopulismus und -extremismus in Europa
hat auch zum Erstarken des Antifeminismus geführt. Und auch über Europa hinaus erleben wir
beispielsweise einen US-Präsidenten, der seine Geringschätzung für Frauen und
marginalisierte Gruppen ganz ungeniert zur Schau trägt.
Feminismus und Migration erscheinen dabei gleichermaßen als gesellschaftliche Bedrohung und
werden als „innerer und äußere Feinde“ durch rechtspopulistische und rechtsextreme
Ideologien bekämpft. Gleichzeitig erleben wir immer wieder, dass frauenpolitische Themen
durch Rechtspopulisten instrumentalisiert werden. Insbesondere sexualisierte Gewalt gegen
Frauen wird immer wieder durch rechte Kräfte genutzt, um ein rassistisches Bild vermeintlich
zugewanderter sexueller Gewalt zu zeichnen, vor der es „deutsche Frauen“ zu schützen gelte.
Gleichermaßen werden auch andere Minderheitenrechte, wie beispielsweise die Rechte von
LSBTIQ, instrumentalisiert, wenn sie als vermeintlicher Beleg der Rückständigkeit von
zugewanderten Menschen genutzt werden können.
Wir stellen uns klar gegen diese Versuche der Vereinnahmung von Frauen- und
Minderheitenrechten durch rassistische Argumentationsmuster. Antiemanzipatorische Politik
und rassistische Ressentiments sind zwei Seiten derselben Medaille.
Für eine feministische Gesellschaft ohne Menschenfeindlichkeit
Gleichzeitig erleben wir eine große zivilgesellschaftliche Bewegung, die sich gegen Hass,
Hetze und die Spaltung der Gesellschaft stellt. Ob der Women’s March on Washington in den
USA, die Proteste in Polen gegen die Verschärfung des Abtreibungsrechts oder die mutigen
Aktivist*innen, die sich beispielsweise in der Türkei für die Rechte von LSBTIQ einsetzen,
ihnen allen gilt unsere Solidarität. Wir kämpfen gemeinsam mit all jenen, die sich
international für die Rechte von Frauen und LSBTIQ einsetzen.
Wir stehen für eine vielfältige und emanzipatorische Gesellschaft, in der die Menschen nach
ihren eigene Wünschen und Vorstellungen leben können. Der Vorstellung einer natürlichen
Geschlechterordnung erteilen wir genauso eine Absage wie traditionalistischen
Familienbildern, die Ein-Eltern-Familien und andere Familienformen als die heterosexuelle
Kernfamilie diffamieren.
Wir Grüne sind der Gegenentwurf zu allen Ewiggestrigen. Wir stehen für Vielfalt, Feminismus,
Antirassismus und die offene Gesellschaft. Gerade diese Grundüberzeugungen sind es, die wir
nach vorne stellen, um Antifeminismus, Nationalismus und Chauvinismus vehement
entgegenzutreten.