Veranstaltung: | 2. Bundesfrauenrat 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | Grüne Strukturen – auf dem Weg zur Hälfte der Macht |
Status: | Beschluss |
Beschlossen am: | 19.10.2019 |
Eingereicht: | 27.03.2023, 14:58 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Grüne Strukturen - auf dem Weg zur Hälfte der Macht
Beschlusstext
Wir Bündnisgrüne wachsen - das ist großartig. Wir sind nun schon 90.000 Mitglieder und
täglich werden es mehr. Aber wir wachsen nicht nur an Mitgliedern, sondern auch unsere
Aufgaben werden mehr, vielfältiger und größer. Mit erfolgreichen Wahlen kommen neue Mandate
und Ämter hinzu, die wir ausfüllen wollen und müssen.
Seit 1986 ist in unserem Frauenstatut als Bestandteil der Satzung verankert, dass mindestens
die Hälfte der Macht in unserer Partei den Frauen gehören soll. Diesen Anspruch wollen wir
auch in Zukunft erfüllen. Dabei ist für uns klar: Frauen sind alle, die sich selbst so
definieren.
Deswegen müssen wir unsere Strukturen fit machen für die neue Zeit. In einigen Bereichen
sind wir schon gut aufgestellt, an anderen Stellen können wir noch besser werden. Wichtig
ist uns dabei, im Sinne von Intersektionalität alle Frauen zu stärken.
Der Bundesfrauenrat von Bündnis 90/Die Grünen macht dazu folgende Vorschläge und fordert die
entsprechenden Partei-Ebenen auf hier Angebote zu machen:
Was der Bundesverband tun soll:
Weiterbildungen speziell für Frauen
Die Erfahrung hat gezeigt, dass Seminare, zum Beispiel zu Themen wie Rhetorik, sicheres
Auftreten, Verhandlungsführung von Frauen, sehr gerne und mit großem Gewinn wahrgenommen
werden, wenn sie speziell für Frauen angeboten werden. Diese Weiterbildungen sind daher
etwas absolut sinnvolles, das wir als Partei insgesamt ausbauen sollten, denn es stärkt
Frauen selbstbewusst in ihren jeweiligen Fachgebieten Aufgaben und Funktionen zu übernehmen.
Bisher hängt es jedoch von den jeweiligen Vorständen auf unterschiedlichen Ebenen ab, ob
spezifische Angebote für die weiblichen Mitglieder gemacht werden. Der Bundesverband hat
deshalb 2019 erstmals einen Frauenkommunikationskongress veranstaltet,bei dem insgesamt ca.
50 Frauen aus dem ganzen Bundesgebiet zusammen gekommen sind, um sich ein Wochenende lang in
verschiedenen Workshops weiterzubilden - zu Rhetorik, Vernetzung oder Präsenz. Jeder
Landesvorstand sowie die Grüne Jugend hatte dabei die Möglichkeit, zwei bis drei Frauen
vorzuschlagen, die daran teilnehmen konnten. Solche Angebote sollen verstetigt werden.
Deswegen fordert der Bundesfrauenrat den Bundesvorstand auf einmal pro Jahr einen solchen
Frauenkommunikationskongress zu veranstalten.
Was die Landesverbände tun sollen:
Mentoring:
Mentoringprogramme, also Programme, bei der eine erfahrene Frau einer Frau am Anfang des
politischen Wegs zur Seite steht, sind ein enorm wichtiger Beitrag zur Stärkung von Frauen.
Die Mentee wird dabei in bestehende Netzwerke der Mentorin eingeführt und lernt selbst
welche zu knüpfen. Mentorin und Mentee beraten sich gegenseitig (auch die Mentee kann
Feedback an die Mentorin geben). Es sollte ein verlässliches, aber zeitlich befristetes,
Programm sein, bei dem auch Weiterbildungsseminare eine Rolle spielen können, aber nicht
müssen. Die Beziehung zwischen Mentee und Mentorin kann sich auch darüber hinaus
weiterentwickeln und bestehen bleiben. Aktuell hängt auch die Frage, inwiefern
Mentoringprogramme angeboten werden, davon ab, ob ein Vorstand auf Landes- oder Kreis-Ebene
das Thema Stärkung von Frauen politisch für prioritär hält. Einige Kreis- und
Landesverbänden führen bereits großartige Mentoring-Programme durch, sie sollten aber
flächendeckend angeboten werden.
Der Bundesfrauenrat fordert daher die Landesverbände auf, falls noch nicht realisiert,
eigene Mentoringprogramme zu entwickeln, zu beginnen und dauerhaft durchzuführen. Auch eine
Einbeziehung von Frauen der Grünen Jugend vor Ort ist sinnvoll. Eine Anleitung für die
Entwicklung solcher Mentoringprogramme gibt es vom Bundesverband.
Seminare für Frauen in der Kommunalpolitik:
Einige Landesverbände haben eigene Seminare für Frauen in der Kommunalpolitik. Auch hierbei
geht es um den Austausch erfahrener und neuer Kommunalpolitikerinnen. Gerade auf kommunaler
Ebene ist es wichtig, sich mit der Stärkung von Frauen zu beschäftigen, denn hier klaffen
Anspruch und Wirklichkeit der Gleichstellung besonders auseinander. Nur 10 Prozent der
Bürgermeister*innen sind Frauen, daher haben wir insbesondere auf dieser Ebene noch einiges
zu tun.
Bei Seminaren für Frauen in der Kommunalpolitik sollte es zum Beispiel um gezielte Schulung
(z.b. beim Thema Kommunalhaushalte oder ähnliches) gehen. Frauen sollen damit ermutigt
werden, sich auch in Themen einzubringen, die die klassischerweise von Männern dominiert
werden.
Der Bundesfrauenrat fordert die Landesverbände auf, ggf. zusammen mit den
kommunalpolitischen Vereinigungen, Seminare für Frauen in der Kommunalpolitik anzubieten und
diese dauerhaft durchzuführen.
Was die Kreis- und Ortsverbände tun sollen:
Sprungbrettprogramme:
Sprungbrettprogramme dienen dazu, neue oder junge Frauen an die Parteistrukturen
herangeführen. Im Gegensatz zum Mentoringprogramm werden Sprungbrettprogramme als
“Gruppenangebot” durchgeführt. Es werden z.B. Seminare oder Gespräche mit erfahrenen
Parteimitgliedern angeboten, Einführungen gegeben, wie eine Partei grundsätzlich
funktioniert, gemeinsam Gremiensitzungen oder informelle Treffen besucht, Diskussionsrunden
veranstaltet oder gemeinsame Aktivitäten (Plakatieren oder ähnliches) durchgeführt. Im
Vordergrund stehen dabei, neben der Wissensvermittlung über das Funktionieren einer Partei,
die Vernetzung und gegenseitige Stärkung der Teilnehmerinnen, um sich in den
Parteistrukturen zurechtzufinden.
Frauen-Vernetzungstreffen:
Eine besonders einfach zu organisierende Variante ist es, Vernetzungstreffen für Frauen
anzubieten. Dabei kann es sich zum Beispiel um ein gemeinsames Frühstück, einen regelmäßigen
Stammtisch oder ein anderes Event handeln, zu dem nur die Frauen eines Kreisverbandes
eingeladen werden. Hier können sich die Frauen im geschützten Raum austauschen, gegenseitig
stärken und “Banden bilden” für die Arbeit in der Partei.
Der Bundesfrauenrat fordert die Kreisverbände auf, regelmäßig Sprungbrettprogramme oder
Frauen-Vernetzungstreffen durchzuführen. Es ist zentral, dass wir direkt auf der kommunalen
Ebene Frauen stärken, damit sie sich in der Partei einbringen und ggf. einmal ein Amt oder
Mandat übernehmen möchten. Hier lohnt sich ebenfalls eine Zusammenarbeit mit der Grünen
Jugend vor Ort.
Was alle Ebenen tun sollen:
Geschlechtergerechtigkeit ist ein Grundwert unserer Partei. Diesen gilt es immer wieder neu
zu diskutieren und zu leben. Auf allen Ebenen unserer Partei können und sollten folgende
Punkte umgesetzt werden:
Frauenstatut erklären und bekannt machen
Wer neu in eine Partei kommt, kann nicht sofort alle Regelungen kennen. Gerade das
Frauenstatut sollten wir deshalb immer wieder bekannt machen, weil es eine Grundlage Grüner
Politik und ein Alleinstellungsmerkmal unserer Partei ist. Ob bei Neumitglieder-Treffen oder
bei Kreisverbands-Sitzungen: Wichtig ist, regelmäßig die Instrumente des Frauenstatuts wie
Mindestquotierung, quotierte Redelisten, Frauenvotum und Frauen-Veto zu erklären und auf die
Einhaltung dieser Regelungen zu achten. Das ist keine Aufgabe, die allein den Frauen
zufällt. Alle Mitglieder sollten sich darum bemühen.
Politische Kultur
Wir wollen nicht nur, dass Frauen mindestens die Hälfte der Macht haben, wir wollen auch die
politische Kultur so gestalten, dass alle Menschen Lust haben, sich an Politik zu
beteiligen. Deswegen soll auf allen Partei-Ebenen darauf geachtet werden, dass bestimmte
Dinge eingehalten werden, die es allen erleichtern, teilzuhaben:
Sitzungsmanagement: Sitzungen sollten gut moderiert werden und so kurz sein wie nötig.
Quotierte Redelisten sollten bei grünen Veranstaltungen eine Selbstverständlichkeit
sein. Und auch Redezeitbegrenzungen, die auch für lokale “Promis” und “Platzhirsche”
gelten, tragen zu einer besseren Sitzungskultur und gutem Zeitmanagement bei.
Sexismus: Sexismus und alle anderen Formen von Herabwürdigung haben bei uns keinen
Platz. Darauf zu achten ist Aufgabe aller Parteimitglieder, insbesondere derjenigen,
die Sitzungen leiten etc.
Familienfreundlichkeit: Kinderbetreuung oder die Möglichkeit zur Finanzierung von
Betreuung sollte grundsätzlich für alle Veranstaltungen angeboten werden.
Sitzungszeiten sollen so gelegt werden, dass sie auch für Menschen, die sich um Kinder
kümmern wahrgenommen werden können. Außerdem ist es gerade für Menschen, die
Sorgearbeit leisten, hilfreich, wenn es Angebote zur Mitarbeit gibt, die
projektbezogen, zeitlich überschaubar und planbar sind.