Veranstaltung: | 2. Bundesfrauenrat 2022 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 2 Regierungskommission zu reproduktiven Rechten |
Antragsteller*in: | Ulle Schauws |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 12.09.2022, 18:18 |
R-01: Versorgungslage verbessern - Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren
Antragstext
Der legale und sichere Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen ist ein elementarer Teil der
reproduktiven Gesundheit und ein unveräußerliches Menschenrecht von Frauen, das
selbstverständlich unabhängig von ihrem sozioökonomischen Status gilt und ermöglicht werden
muss.
Wir begrüßen die ersatzlose Streichung des §219a StGB als ersten wichtigen Schritt in
Richtung reproduktive Selbstbestimmung. Diese Streichung ermöglicht, dass ungewollt
Schwangere sich nun angemessen und sachlich über Schwangerschaftsabbrüche informieren
können. Ärzt*innen können endlich ohne Angst vor Strafanzeigen oder entsprechend rechtlichen
Folgen über Schwangerschaftsabbrüche, die sie anbieten und durchführen, informieren.
Als nächster Schritt muss die immer schwieriger werdende medizinische Versorgungslage bei
Schwangerschaftsabbrüchen in den Blick genommen werden, da die Zahl von Ärzt*innen, die
Abbrüche durchführen, enorm zurückgegangen ist. Ungewollt Schwangere müssen oftmals weite
Wege auf sich nehmen, eben weil die Versorgungslage in vielen Regionen nicht gewährleistet
ist.
Für diesen Missstand sorgt maßgeblich die weiter bestehende Kriminalisierung von
Schwangerschaftsabbrüchen. Dadurch, dass diese im Strafgesetzbuch geregelt (§218 StBG) sind,
werden Betroffene kriminalisiert und gesellschaftlich stigmatisiert. Die Verortung im
Strafgesetzbuch hat auch zur Folge, dass ungewollt Schwangere derzeit selbst für die Kosten
des Abbruchs aufkommen müssen, da ein strafrechtlich geregelter Eingriff nicht von den
Krankenkassen übernommen werden kann.
Dies führt auch dazu, dass die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen derzeit kein Teil
der medizinischen Ausbildung ist. Die unterschiedlichen Methoden und die Durchführung von
Schwangerschaftsabbrüchen werden auch auf Grund der gesetzlichen Lage Medizinstudierenden im
Studium nicht vermittelt. Es wird höchste Zeit, auf die so notwendige Verbesserung der Aus-,
Weiterbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten zum Schwangerschaftsabbruch hinzuwirken.
Dringend angezeigt ist jetzt, Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafgesetzbuches zu
regeln, um den Zugang für Betroffene zu erleichtern sowie darüber hinaus mit einer
Entkriminalisierung dafür zu sorgen, dass der gesellschaftliche Umgang mit
Schwangerschaftsabbrüchen enttabuisiert und entstigmatisiert wird.
Das Recht auf Beratung muss dabei unbedingt erhalten bleiben. Die Finanzierung der Arbeit
der Familienplanungs- und Schwangerschaftskonfliktberatung ist auszubauen und abzusichern,
damit Betroffene sich schnell und unkompliziert informieren und freiwillig beraten lassen
können.
Auch der Schutz der Beratungsstellen und Praxen vor sogenannten Gehsteigbelästigungen von
Abtreibungsgegner*innen muss durch wirksame gesetzliche Maßnahmen sichergestellt werden.
Deshalb fordert der Bundesfrauenrat die Bundesregierung auf, die im Koalitionsvertrag
verabredete Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin umgehend
einzusetzen. Dabei müssen die Regulierungen bezgl. des § 218 prioritär behandelt werden.
Der Bundesfrauenrat fordert, dass sich im Arbeitsprozess der Kommission die Expertise und
die Erfahrungen einer Bandbreite von Expert*innen widerspiegeln muss. Wichtig ist zudem,
dass neben Expert*innen aus der Wissenschaft und Politik auch Vertreter*innen aus der Praxis
sowie der großen zivilgesellschaftlichen Verbände miteinbezogen werden.
Der Bundesfrauenrat erwartet, dass die Kommission einen Abschlussbericht erstellt, der
konkrete Handlungsempfehlungen enthält und diese als Publikation veröffentlicht. Mit der
Einsetzung muss ein klarer Zeitplan für den Beginn und das Ende der Arbeit der Kommission
feststehen.
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