Veranstaltung: | 2. Bundesfrauenrat 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | FF Frauenhausfinanzierung |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Bundesfrauenrat |
Beschlossen am: | 15.09.2023 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Beschluss des Bundesfrauenrats zur Frauenhausfinanzierung
Beschlusstext
Gewalt gegen Frauen ist Alltag in Deutschland: Jede Stunde erleben 13 Frauen Gewalt in ihrer
Partnerschaft. Jeden Tag versucht ein Mann seine (Ex-)Partnerin umzubringen. Jeden dritten
Tag wird eine Frau von ihrem (Ex-)Partner ermordet.
Die seit Jahren hohen, sogar steigenden Zahlen zeigen, dass es in Deutschland ein massives
strukturelles Problem von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen gibt. Dennoch ist das
Hilfesystem für Gewaltbetroffene chronisch unterfinanziert: Viele schutzsuchende Frauen,
häufig mit Kindern, finden keine bedarfsgerechte Unterkunft und Unterstützung. So steht
bisher bundesweit nur ein Drittel der benötigten Frauenhausplätze zur Verfügung.
Wir Grüne setzen uns dafür ein, dass jede Frau ein Leben frei von Gewalt führen kann.
Konkret heißt das, dass die Umsetzung der Istanbulkonvention ein zentrales Anliegen unserer
feministischen Politik ist. Dem strukturellen Problem der geschlechtsspezifischen Gewalt
gegen Frauen muss mit verpflichtenden Maßnahmen in Bund, Ländern und Kommunen
entgegengetreten werden, denn Gewaltschutz ist kein „Nice-to-Have“.
Es war daher ein wichtiger Erfolg der bündnisgrünen Verhandler*innen erstmals die
Einrichtung eines bundeseinheitlichen Rechtsrahmens sowie einer Beteiligung des Bundes an
der Regelfinanzierung des Schutz- und Hilfesystems im Sinne der Istanbulkonvention im
Koalitionsvertrag zu verankern.
Die grüne Familienministerin hat in ihrem Haus das Thema Gewaltschutz als Priorität für die
Legislatur gesetzt. So konnten gemeinsam mit den grünen Verantwortungsträger*innen in Bund
und Ländern bereits wichtige Schritte zur Umsetzung der Istanbulkonvention gegangen werden:
- Die von der Vorgängerregierung eingelegten Vorbehalte gegen Art. 59 IK, der besonders
Frauen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus schützt, sowie gegen Art. 44 werden von der
Ampel-Koalition nicht weitergetragen. Damit gilt die Istanbulkonvention in Deutschland
endlich ohne Wenn und Aber. Das Innenministerium muss die Gesetzeslage jedoch auch
noch anpassen.
- Das BMFSFJ (Grüne) hat eine staatliche Koordinierungsstelle eingerichtet, die nun eine
ressortübergreifende politische Strategie gegen Gewalt entwickelt, bei welcher
Gewaltprävention und die Rechte der Betroffenen im Mittelpunkt stehen.
- Im Deutschen Institut für Menschenrechte ist eine unabhängige Berichterstattungsstelle
eingesetzt, die den Prozess der Umsetzung der Istanbulkonvention stetig überwacht und
begleitet.
- Das bis 2024 laufende Bundesförderprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ wurde
vom BMFSFJ in vollständig gesichert und wurde in der Praktikabilität verbessert. Über
2024 hinaus muss dies weiterentwickelt werden. Das ist das erklärte Ziel der grünen
Familienministerin.
- Die Familienministerin ist mit dem Runden Tisch „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“
mitten im intensiven Prozess zur bundeseinheitlichen Regelung der
Frauenhausfinanzierung, in dem die effektivste und praktikabelste Lösung für das
ambitionierte Projekt der Bundesbeteiligung unter Einbezug der Expertise von Ländern,
Kommunen und Verbänden erarbeitet wird.
Zur Halbzeit dieser Legislaturperiode gilt es nun, den bundesweiten Ausbau der
Gewaltschutzinfrastruktur weiter voranzutreiben. Als Bundesfrauenrat ist es uns ein
Kernanliegen, allen Betroffenen von Gewalt Schutz und Hilfe zu gewährleisten. Um unsere
Verantwortungsträger*innen in Bund und Ländern bei der Umsetzung zu unterstützen, fordern
wir daher:
- Ein möglichst rasches Voranschreiten und Abschluss der Prozesse um einen
bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Frauenhausfinanzierung und
Ausbau der Frauengewaltinfrastruktur (Beratungsstellen) mit einer erstmaligen
Beteiligung des Bundes an der Regelfinanzierung des Hilfesystems.
- Den bedarfsgerechten Ausbau der Gewaltschutzinfrastruktur, insbesondere unter
Berücksichtigung der besonderen Bedarfe vulnerabler Gruppen wie etwa Frauen mit
Behinderung, queere Menschen oder geflüchteter Frauen.
- Die bessere rechtliche Absicherung des Gewaltschutzes im Umgangs- und Sorgerecht und
eine Verbesserung der Regelung im Aufenthaltsrecht für gewaltbetroffene Migrantinnen
und geflüchtete Frauen.
- Die flächendeckende Bereitstellung von medizinischer Akutversorgung nach
Vergewaltigung im Sinne der Istanbulkonvention, insbesondere die Behebung der
Regelungslücken im Bereich der Finanzierung von Vertraulicher Spurensicherung.
Wir begrüßen den Bericht des Europarlaments zur neuen Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt
gegen Frauen und häusliche Gewalt und insbesondere die verpflichtende Umsetzung der in der
Istanbul-Konvention festgeschriebenen Standards für Schutzplätze und Beratungsstellen, Wir
fordern die Bundesregierung auf, diese Standards in den Verhandlungen zwischen Parlament und
Rat zu unterstützen.
Als Bundesfrauenrat von Bündnis ‘90/Die Grünen setzen wir uns schon lange und mit Vehemenz
dafür ein, dass Gewaltschutz selbstverständlicher Bestandteil in einer Demokratie ist und
darum als gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen verankert wird. Dem
strukturellen Problem geschlechtsspezifischer Gewalt muss endlich mit strukturellen
politischen Antworten begegnet werden. Denn ein Leben ohne von Gewalt ist ein Menschenrecht!