Veranstaltung: | 2. Ordentlicher Länderrat 2017 |
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Tagesordnungspunkt: | BTW Aussprache zur Bundestagswahl |
Antragsteller*in: | Bundesvorstand (dort beschlossen am: 28.09.2017) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 28.09.2017, 13:12 |
BTW-01: Dringlichkeitsantrag: Zukunft wird aus Mut gemacht – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nach der Bundestagswahl
Antragstext
Bei der Bundestagswahl haben 4.157.564 Wählerinnen und Wähler uns Grünen ihre
Stimme anvertraut – und damit haben wir unser bisher zweitbestes Ergebnis
erreicht. Diese Menschen haben sich für starken Klimaschutz, gelingende
Integration in einer offenen und freien Gesellschaft, soziale Gerechtigkeit und
ein starkes, solidarisches Europa ausgesprochen. Wir danken ihnen für ihr
Vertrauen. Es ist uns Verpflichtung, mit vollem Einsatz für unsere Werte
einzustehen und für unsere Ziele zu kämpfen.
Wir haben uns mit diesem Ergebnis behauptet nach einem für uns nicht einfachen
Wahlkampf. Gerade in den letzten Tagen vor der Wahl konnten wir noch mal sehr
viele Bürgerinnen und Bürger für uns gewinnen. Besonders stark haben wir bei
jungen Menschen und Frauen abgeschnitten. Dennoch haben wir unsere Ziele, ein
deutlich zweistelliges Wahlergebnis zu holen und dritte Kraft zu werden, leider
nicht erreichen können. Dazu haben wir in den ostdeutschen Bundesländern bis auf
Brandenburg auf bereits niedrigem Niveau weiter verloren. Unser grünes
Wahlergebnis werden wir in den kommenden Wochen und Monaten gemeinsam von allen
Seiten gründlich beleuchten, um daraus für kommende Wahlen zu lernen. Wir werden
unsere Anstrengungen verstärken, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Ostdeutschland
voranzubringen.
Insgesamt macht uns das Ergebnis dieser Bundestagswahl sehr nachdenklich.
Deutschland rückt nach rechts. Mit der AfD ziehen in großer Zahl völkische und
teils rechtsextreme Abgeordnete in den Deutschen Bundestag ein. Ihre Wahl ist zu
großen Teilen Ausdruck von Protest und Enttäuschung und eines schwindenden
Zusammenhalts in der Gesellschaft. Wir werden es ihr nicht durchgehen lassen,
mit gezielten Grenzüberschreitungen Debatten zu dominieren. Wir setzen weiter
auf Zukunft, Empathie, Tatkraft und Zusammenhalt statt auf Hass und Hetze. Die
Antwort auf die neue Rechte muss zum einem die klare Abgrenzung und
demokratische Auseinandersetzung in der konkreten Sache sein. Zum anderen ist es
Aufgabe der kommenden Bundesregierung der Spaltung unseres Landes
entgegenzuwirken und den Zusammenhalt dieser Gesellschaft zu stärken. Wir wollen
den demokratischen Diskurs neu beleben und den Parlamentarismus stärken durch
mehr Debatte und mehr politische Leidenschaft in der politischen Arbeit.
Das Parteiensystem ändert sich und die Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten
werden komplizierter. Die Bundestagswahl nachvollzieht damit eine Entwicklung,
die wir in den Ländern seit einiger Zeit bereits miterleben. Wir gehen damit
verantwortungsvoll um. Das bedeutet auch, dass wir unseren Kurs der
Eigenständigkeit ernst nehmen. Wir regieren derzeit in zehn Ländern in acht
verschiedenen Konstellationen – mit einer klaren Verortung als Partei der linken
Mitte. Diese Verortung gibt uns Kraft und Klarheit für die anstehenden
Herausforderungen.
Es ist die Aufgabe der demokratischen Parteien, mit diesem Wahlergebnis
verantwortlich umzugehen. Dazu gehört es, eine stabile Regierung in turbulenten
Zeiten zu bilden. Wir sind gut darauf vorbereitet, ernsthafte
Sondierungsgespräche zu führen. Wir haben vor der Wahl gesagt, dass wir bereit
sind, mit allen Parteien außer der AfD zu sprechen. Das gilt weiterhin. Das
betrachten wir als unsere demokratische Pflicht. Wir gehen in die Gespräche als
progressive Kraft und verstehen uns als Stimme der progressiv denkenden Menschen
in unserem Land.
Eine Einladung der CDU und CSU zu gemeinsamen Sondierungsgesprächen mit der FDP
nehmen wir an. Die Hürden für eine Zusammenarbeit sind hoch. Ob sie überwindbar
sind und ob die beteiligten Parteien bereit sind, sich zu bewegen, können wir
erst nach Gesprächen beurteilen. Es gibt keinen Automatismus für eine
Regierungsbeteiligung. Wenn Gespräche nicht konstruktiv verlaufen, dann werden
wir aus der Opposition für Veränderung kämpfen. Wir haben gezeigt, dass wir auch
aus der Opposition Entscheidendes bewegen können.
In den Gesprächen werden wir klar machen, dass wir ökologischen Fortschritt und
mehr soziale Gerechtigkeit in einem Land erreichen wollen, in dem das soziale
Gefüge brüchig wird. Wir wollen, dass Deutschland ein weltoffenes Land bleibt
und ein starkes, solidarisches Europa voranbringen, das Globalisierung
nachhaltig und gerecht gestaltet. Wir stehen für eine humane Flüchtlingspolitik
ein. Unsere Grundlage für diese Gespräche ist unser Wahlprogramm. Deutschland
kann sich keine weiteren vier Jahre Stillstand leisten. Entscheidend ist, ob wir
unsere zehn Kernvorhaben entschieden voranbringen können. Wir haben in der rot-
grünen Regierungszeit von 1998 bis 2005 gezeigt, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
dieses Land entscheidend vorangebracht haben. Das ist unser Anspruch.
Wir erteilen einer Sondierungsgruppe unter der Leitung von Katrin Göring-Eckardt
und Cem Özdemir das Mandat, diese Sondierungsgespräche für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zu führen. Weitere Mitglieder der Gruppe sind Annalena Baerbock, Agnieszka
Brugger, Reinhard Bütikofer, Katja Dörner, Robert Habeck, Britta Haßelmann,
Anton Hofreiter, Michael Kellner, Winfried Kretschmann, Simone Peter, Claudia
Roth und Jürgen Trittin.
Die Sondierungsgruppe wird den Stand fortlaufend mit dem Bundesvorstand und
Parteirat rückkoppeln. Sollten die Sondierungsgespräche so verlaufen, dass die
Sondierungsgruppe und der Bundesvorstand nach Beratung mit dem Parteirat die
Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfehlen, wird eine
Bundesdelegiertenkonferenz über deren Aufnahme entscheiden und eine grüne
Verhandlungsgruppe einsetzen. Die Bundesdelegiertenkonferenz am 21. Oktober 2017
wird verschoben bis sich der Zeitplan für Sondierungen zwischen CDU und CSU, FDP
und uns konkretisiert hat.
Über einen eventuellen Koalitionsvertrag entscheiden, wie bereits mit dem
Wahlprogramm beschlossen, die Parteimitglieder in einer Urabstimmung, deren
Ablauf die nächste Bundesdelegiertenkonferenz bestimmen wird. Wir werden dabei
einen schnellen Informationsprozess in die Partei gewährleisten und Räume zur
Diskussion anbieten. Der Bundesvorstand und Parteirat würden in diesem Fall auf
einer Bundesdelegiertenkonferenz am 26./27. Januar 2018 neu gewählt werden.
Sollten die Sondierungsgespräche im Laufe des Oktobers 2017 scheitern, würde
eine Bundesdelegiertenkonferenz am 1. und 2. Dezember 2017 mit Vorstandswahlen
stattfinden. Im Januar 2018 würde dann keine Bundesdelegiertenkonferenz
stattfinden.