Veranstaltung: | 43. Bundesdelegiertenkonferenz Leipzig |
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Tagesordnungspunkt: | EL Wahl Europaliste |
Antragsteller*in: | Erik Marquardt (Berlin-Treptow/Köpenick KV) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 03.11.2018, 23:11 |
EL-35: Bewerbung: Erik Marquardt
Bewerbungstext
Liebe Freundinnen und Freunde,
„Wahrheit ist, was der Mensch nicht ändern kann“, schrieb Hannah Arendt in ihrem Essay Wahrheit und Politik. Sie schrieb es in dem Bewusstsein, dass Politik nicht nur aus dem Wettstreit um die besten Lösungen von Problemen in der Realität besteht, sondern dass auch die Realität von Problemen selbst immer wieder umkämpft ist und aus Lügen politisches Kapital geschlagen werden kann. Ich habe das Essay vor ein paar Tagen nochmal gelesen und es schien mir aktueller denn je.
Wenn wir heute über den Populismus in ganz Europa reden und über Strategien dagegen nachdenken, dann haben wir vor allem die Aufgabe, den populistischen Lügen und Diskursen Lösungen für die realen Herausforderungen entgegenzustellen und sie attraktiv zu gestalten und so zu erzählen, dass sie mächtiger werden als die einfachen aber falschen Antworten von rechts. Das ist eine große Aufgabe und es ist eine Aufgabe, der auch ich mich gemeinsam mit euch stellen will.
Deswegen bewerbe ich mich hiermit um einen aussichtsreichen Platz auf der Europaliste bei euch. Ich möchte die nächsten Jahre im Europaparlament für eine Asyl- und Migrationspolitik eintreten, die den Menschen in seiner Menschlichkeit und Würde in den Mittelpunkt ihres Antriebs stellt und dafür kämpfen, dass wir dem immer erfolgreicher wuchernden rechten Populismus in Europa und der Welt eine optimistische und mutige Politik entgegenstellen, die noch mehr Menschen begeistert
Robert Schuman, einer der Gründerväter der Europäischen Union sagte einmal, dass der Friede der Welt nicht gewahrt werden kann, ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen. Und wenn wir uns die aktuellen Bedrohungen - für unsere demokratischen Gesellschaften aber auch für die Europäische Union - anschauen, dann merken wir, dass wir sehr große schöpferische Anstrengungen brauchen, um ihnen entgegen zu treten.
In den letzten Jahren habe ich mich mit der Situation der Menschen auf der Flucht, Menschenrechten und der Asyl- und Migrationspolitik beschäftigt. Vielfach war ich auf den Fluchtrouten nach Europa unterwegs, in Afghanistan und bei Seenotrettungsmissionen auf dem Mittelmeer. Ich habe gesehen, dass die Werte der liberalen Demokratien in Europa nicht nur durch rechten Populismus in Parlamenten und auf der Straße bedroht werden, sondern dass diese Werte ganz real an den europäischen Außengrenzen mit Füßen getreten werden. Ich habe gespürt, wie der Gegenwind gegen zivile Seenotrettung immer stärker wurde und wie der Hass gegen die RetterInnen um sich greift.
Doch ich habe auch gesehen, wie sich tausende ehrenamtlich diesem Hass entgegen stellen und sich für Geflüchtete einsetzen. Ob bei lokalen Geflüchteteninitiativen oder der Seebrücke-Bewegung: dieses Engagement ist beeindruckend und wichtig und ich freue mich, teil dieser Bewegung sein zu dürfen.
In dutzenden Ausstellungen und mehreren hundert Vorträgen zur Asyl- und Migrationspolitik konnte ich von meinen Erfahrungen berichten. Ich habe knapp 200 Kreisverbände besucht und von meinen Erfahrungen berichtet, weil mir wichtig ist, dass wir uns auch innerparteilich austauschen und die Situation der Menschen anderswo noch intensiver in den Blick nehmen.
Doch in der aktuellen Situation merke ich zunehmend, dass es nicht nur darum geht gut zu argumentieren, wie man die aktuellen Herausforderungen am besten bewältigen kann. Immer wieder werden nicht nur in den Online-Kommentarspalten sondern auch in europäischen Regierungen Menschenrechte so grundlegend in Frage gestellt, dass wir vor einer neuen, größeren Aufgabe stehen. Wenn wir es nicht schaffen, Mehrheiten für menschen- und völkerrechtlichen Errungenschaften und Grundsätze zu gewinnen, dann wird uns auch alles andere nicht gelingen. Wir sind wieder an dem Punkt, an dem wir nicht nur erklären müssen, dass Rassismus verwerflich ist, sondern auch warum er es ist. Wir können noch so gute Konzepte für die Integration und einen menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten in Europa haben, doch sie werden nur relevant und umsetzbar, wenn die öffentliche Meinung sich nicht grundlegend gegen das Asylrecht und Einwanderung wendet.
Die Menschen, die wir mit den NGO-Schiffen in den letzten Jahren auf dem Mittelmeer vor dem Ertrinken retten konnten, berichten von Vergewaltigungen, Folter, Kidnapping, Sklaverei und Tod in Libyen. Dass wir mit unseren Steuergeldern nun eine libysche Küstenwachenmiliz finanzieren, damit sie den Menschen den letzten Fluchtweg aus dieser Hölle versperrt, ist zutiefst beschämend. Besonders, weil der Europäische Gerichtshof bereits im Jahr 2012 entschieden hat, dass Rückführungen nach Libyen europäischem Recht widersprechen. Statt nun dafür zu sorgen, dass Menschen nicht zurückgeführt werden, finanziert die EU diese Milizen, um das zu tun, was eigentlich verboten ist.
Im Juni schrieb ich einen Gastartikel im Tagesspiegel in dem ich bei den Menschen um Entschuldigung bat, die sterben werden, weil europäische Regierungen die Seenotrettung zunehmend verhindern. Seitdem sind über 1000 Menschen - Frauen, Kinder und Väter im Mittelmeer ertrunken. Dass mehr gegen diejenigen vorgegangen wird, die diese Menschen retten wollten, als gegen das Sterben, ist widerlich. Und ich schäme mich immer noch und mich schmerzt der Gedanke, dass wir viele dieser Menschen hätten retten können.
Ja, es gibt keine Alternative zur europäischen Integration, denn es ist ein unrealistischer Irrsinn zu glauben, dass wir in einer globalisierten Welt mit einem Rückfall in Nationalstaatlichkeit noch Antworten auf die großen Fragen finden. Deswegen werden wir im Wahlkampf für Europa kämpfen, aber es wird auch darum gehen, für ein solidarisches Europa zu kämpfen, für das man sich nicht schämen muss. Ja - das Sterben im Mittelmeer ist nicht das einzige Problem der Europäischen Union. Doch für mich ist es eines der drängendsten, denn im Mittelmeer sterben nicht nur tausende Menschen, sondern mit ihnen auch die europäischen Werte. Sie zu verteidigen und Menschen davon zu überzeugen, dass Abschottung keine Lösung, sondern eine Kapitulation vor den Aufgaben des 21. Jahrhunderts ist, das möchte ich gemeinsam nicht nur im kommenden Wahlkampf, sondern auch für die nächste Legislatur im Europäischen Parlament machen. Deswegen würde ich mich freuen, wenn ihr mir auf der BDK im schönen Leipzig eure Stimme gebt.
Ich weiß, dass ich viele Themen ausgespart habe, aber ich kenne die Situation als BDK-Delegierter, wenn man 50 Bewerbungen mit hunderten Seiten zu lesen hat. Deswegen hoffe ich, dass ihr wenigstens bis hierhin lesen konntet und freue mich, wenn ihr mich zu weiteren Themen befragt und mir Feedback schickt.
Liebe Grüße, Erik
Mail: mail@erik-marquardt.de
Twitter, Instagram: @ErikMarquardt
facebook: Erik Marquardt
- 1987 in Neubrandenburg geboren
- Fotograf & Fotojournalist
Politik:
- bis 10/2014 Politischer Geschäftsführer und
- bis 10/2015 Bundessprecher GRÜNE JUGEND
- seit 11/2015 Mitglied im Parteirat Bündnis 90/DIE GRÜNEN
- 2017 Direktkandidat in Treptow-Köpenick
Außerdem:
- Vorsitzender civilfleet-support e.V.
- Vorstand im Institut Solidarische Moderne (ISM)
- Vorstand Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen & Wissenschaftler (BdWi)