Veranstaltung: | 43. Bundesdelegiertenkonferenz Leipzig |
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Tagesordnungspunkt: | EL Wahl Europaliste |
Antragsteller*in: | Romeo Franz (Ludwigshafen-Stadt KV) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 19.10.2018, 20:25 |
EL-16: Bewerbung: Romeo Franz
Bewerbungstext
Liebe Freundinnen und Freunde,
die Europäische Union ist ein Erfolgsprojekt. Seit Jahrzehnten sichert sie den Frieden, verbindet Menschen unterschiedlicher Länder und fördert die Vielfalt der Kulturen und Regionen auf unserem Kontinent. Gemeinsam war Europa in der Lage, neue Freiheiten zu schaffen und für seine Bürgerinnen und Bürgern diese Freiheiten an vielen Stellen durch gemeinsame Standards abzusichern. Wir GRÜNE wissen das und genau deswegen sind wir die Europapartei.
Nichtsdestotrotz wurden viele drängenden Probleme noch nicht gelöst und es kommen neue Herausforderungen hinzu. Der gemeinsame Weg Europas wird immer häufiger in Frage gestellt. Ich bewerbe mich bei Euch für die GRÜNE Europaliste, um für ein Europa zu streiten, das seine Erfolge verteidigt, soziale Absicherung garantiert und Ausgrenzung, Diskriminierung und Korruption erfolgreicher bekämpft.
Mich in der Gesellschaft einzubringen, selber Verantwortung zu übernehmen und mich dem Widerstand gegen Rechts anzuschließen, ist auch ein ganz persönliches Anliegen. Deshalb bin ich gleich zu Beginn meines Mandats nach Italien gereist, um mit Betroffenen der von Innenminister Salvini geforderten ethnischen Erfassung aller Roma zu sprechen. Kurze Zeit später hatte ich Gelegenheit, eine rumänische Siedlung nahe der ungarischen Grenze zu besuchen. Was ich dort erlebt habe, kann ich kaum in Worte fassen. Eine Gruppe Menschen lebt dort unter menschenunwürdigen Bedingungen: kein Zugang zu fließendem Wasser, kaum genug zu essen und Häuser, wie sie wahrscheinlich anderswo im späten Mittelalter aussahen. Kinder sind dort in akuter Lebensgefahr – und das mitten in unserem Europa. Wer diese Lage einmal mit eigenen Augen gesehen hat, versteht auch, warum viele Angehörige der Roma lieber unter widrigen Umständen in den Großstädten Deutschlands oder Frankreichs leben möchten, als in ihrer eigenen Heimat.
Als Sohn einer Holocaustüberlebenden sehe ich es als meine Pflicht, unsere Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen. Nationalismus und Rassismus dürfen nie wieder das Leben von Millionen Menschen bedrohen oder gar zerstören. Und wir brauchen neue soziale Anstrengungen, denn Armut, soziale Benachteiligung, Ausgrenzung und Segregation im Bildungssystem sind nicht nur ein Nährboden für Rechtspopulismus und Neofaschismus. Sie sind auch Grundlage für weitere Diskriminierung, beispielsweise durch Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt, und gefährden deshalb den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Deswegen müssen wir Ausbeutung und Rechtspopulismus jenen Nährboden entziehen. Wenn uns das gelingt, dann gelingt uns auch die gleichberechtigte Teilhabe eines jeden Menschen in unserer Gesellschaft.Wir schaffen damit die Grundlage für sozialen Frieden in Europa.
Als Sinti kommen meine Familie und ich selbst aus einer benachteiligten Minderheit. Wir haben am eigenen Leib erfahren, was Ausgrenzung und Diskriminierung bedeuten. Auch aus diesem Grund habe ich mich vor über 25 Jahren entschieden, in der Bürgerrechtsarbeit aktiv zu werden. Mir ist dabei besonders wichtig, nicht nur über die Betroffenen zu sprechen, sondern den Dialog mit ihnen zu suchen und diese Menschen in die Prozesse und Lösungsfindung einzubinden. Nur bei einer Begegnung auf Augenhöhe können die Ursachen und die Folgen von Diskriminierung wirksam bekämpft werden. Ich habe viel Erfahrung damit, politisch Verantwortliche und Betroffene an einen Tisch zu bringen. Auf diesem Weg habe ich auch zum Staatsvertrag der Sinti und Roma mit dem Land Baden-Württemberg beigetragen.
Im Europäischen Parlament kann ich Verhandlungsgeschick gut gebrauchen. Eines meiner großen Projekte für die kommende Legislaturperiode ist, einen Bildungsfond zu initiieren, der strukturell diskriminierte Menschen unterstützen soll, formelle Bildungsdefizite aufzuholen und ihre Bildungsbiografie selbst zu gestalten. Damit ein solcher Fond ein Erfolg wird, müssen Fördergelder der EU einfacher zugänglich sein, damit sie überhaupt abgerufen werden. Denn nur mit einer starken Zivilgesellschaft kann der Abbau von gesellschaftlicher Ausgrenzung gelingen. Noch dazu müssen wir unsere Anstrengungen erhöhen, Korruption zu bekämpfen. Sie ist eine entscheidende Ursache dafür, dass oft sogar schon genehmigte Fördergelder gar nicht bei den betroffenen Menschen ankommen. Leider werden marginalisierten Gruppen oft ihre Grundrechte vorenthalten. Das Recht auf Wohnen, auf Bildung und auf einen Zugang zu Arbeitsmarkt und Gesundheitswesen hat einen geringen Wert, wenn die Menschen es nicht für sich einfordern können. Das müssen wir ändern!
Vor fünf Jahren habt Ihr mir bereits Euer Vertrauen gegeben und es mir damit ermöglicht, im Juli 2018 ins Europäische Parlament einzuziehen. Als Nachrücker für Jan Philipp Albrecht war es für mich selbstverständlich, seine datenschutz- und netzpolitischen Projekte weiterzuführen. Ich freue mich, dass wir mit der gerade beschlossenen Resolution zu Facebook und politischer Einflussnahmen durch Firmen wie Cambridge Analytica einen grünen Erfolg erzielt haben. Natürlich setze ich nun andere Schwerpunkte. So streite ich im Innen- und Justizausschuss gerade für Mittel zur Sensibilisierung von Polizeikräften in den Bereichen Antidiskriminierung und Antirassismus im mehrjährigen Finanzrahmen der EU. Und meine Reise nach Rumänien soll auch nicht folgenlos bleiben. Gemeinsam mit der Europäischen Kommission und der Antikorruptionsbehörde der EU versuche ich, strukturelle Veränderungen zu erreichen und damit den Menschen vor Ort gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Ich werde alles dafür tun, unsere grüne Sozial- und Minderheitenpolitik in Europa zu verankern. Hierfür brauchen wir nicht nur Beharrlichkeit und Durchsetzungskraft, sondern auch einen Vermittler, der nicht das Trennende, sondern das Verbindende sucht und die Fähigkeit besitzt, Menschen an einen Tisch zu bringen. Diese Aufgabe möchte ich übernehmen und darum bitte ich um Eure Unterstützung.
Euer Romeo
Kontakt: romeo.franz@europarl.europa.eu
Foto: Europäisches Parlament / Philippe Buissin
- 52 Jahre alt, Musiker, verheiratet, 3 Kinder
- Aus Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz
- Berufenes Mitglied im Rat für die Angelegenheiten der Sinti und Roma in Baden-Württemberg
- Mitglied im Kunst- und Kulturbeirat zur Gedenkarbeit in Rheinland-Pfalz
- Seit 2011 Mitglied bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
- 2013 Bundestagskandidat in Rheinland-Pfalz
- 2014 Europakandidat auf Listenplatz 12
- Seit 2014 Geschäftsführer der Hildegard-Lagrenne-Stiftung