Veranstaltung: | 44. Bundesdelegiertenkonferenz Bielefeld |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 15.11.2019 |
Eingereicht: | 07.01.2020, 16:42 |
Frauenrechte in der digitalen Welt wahren - für ein #NetzohneGewalt
Beschlusstext
Für ein Netz ohne Gewalt
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützt den Aufruf „Gegen den Rollback im Netz - Digitale Gewalt
geht uns alle an!“ mit dem Frauen, die sich schon seit langem gegen Hate Speech und digitale
Gewalt einsetzen, auf die geschlechtsspezifischen Aspekte dieser Angriffe im Netz hinweisen.
Es ist gut, dass inzwischen die verbale sexualisierte Gewalt im Netz gegen politisch aktive
Frauen in der Öffentlichkeit und den Medien mehr Beachtung findet. Aus den
Frauenberatungsstellen und von Aktivistinnen aber wissen wir, dass es längst auch einen
deutlichen Zuwachs digitaler Gewalt und Hass im Alltag von Frauen gibt.
Frauen sind besonders Zielscheibe von Hassrede und digitaler Gewalt, sie werden damit an
gesellschaftlicher Teilnahme gehindert, äussern ihre Meinung weniger. Wie in den 70/80er
Jahren, als das Ausmaß von häuslicher Gewalt öffentlich thematisiert und politisch
angegangen wurde, müssen wir nun darauf hinweisen, dass Frauen von digitaler Gewalt
besonders betroffen sind. Das ist Angriff auf ihre Persönlichkeitsrechte, auf ihre
Meinungsfreiheit und die Beteiligungsrechte der Frauen und damit unserer Gesellschaft
insgesamt.
Sexismus, Rassismus, Queerfeindlichkeit, Behindertenfeindlichkeit stecken hinter den
heftigen Attacken die viele Menschen erleiden müssen. Diese Attacken betreffen massiv
Schwarze Frauen und Frauen of Color sowie nicht-binäre, trans* und inter* Personen.
Hasskommentare, Doxing, Online-Stalking, unerlaubt verbreitete Nacktfotos zählen zu den
„neuen“ Gewaltformen. Vorhandene strukturelle Diskriminierung wird dadurch noch verstärkt.
Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist von Beginn an ein Anliegen von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN. Wir wollen eine starke Stimme sein für eine gesellschaftliche und rechtliche
Gleichstellung und die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen. Wir haben viel erreicht
und wollen diese Fortschritte auch in einer digitalisierten Gesellschaft weiter
vorantreiben. Gerade wenn Rechtspopulist*innen und Rechtsextreme einen Rollback in Sachen
Gleichberechtigung fordern und nicht selten selbst an digitaler Gewalt gegen marginalisierte
Gruppen beteiligt sind, ist unser Engagement gefordert.
Digitale Gewalt knüpft inzwischen auch in sozialen Nahbereich an bekannte Gewaltformen an,
verstärkt diese und bringt neue Herausforderungen mit sich, auf die es bisher keine
adäquaten Antworten gibt. Wir wollen das Problem digitaler Gewalt gegen Frauen im sozialen
Nahraum klar benennen und konsequent angehen.
Deshalb unterstützen wir die Forderungen des Aufrufs:
"1. Problembewusstsein schaffen!
- Wir fordern eine öffentliche Debatte, die die geschlechtsspezifischen Aspekte von
digitaler Gewalt und Hate Speech zum Schwerpunkt hat und die Verwobenheit mit anderen
Diskriminierungsformen wie z.B. Rassismus, Antisemitismus oder
Behindertenfeindlichkeit klar benennt
- Dazu braucht es reichweitenstarke Awarenesskampagnen durch öffentliche Institutionen
und politische Entscheidungsträger*innen, die digitale Gewalt und Hate Speech immer in
bestehende Gewaltformen und Machtverhältnisse einbetten
- Die Kampagnen sollen für die verschiedenen Formen digitaler Gewalt sensibilisieren,
Betroffenen vermitteln, wo sie Hilfe erhalten und Nicht-Betroffenen erklären, wie sie
unterstützen können
2. Strukturen schaffen, um Strafverfolgung durchzusetzen!
- Wir fordern die Einrichtung von Schwerpunkstaatsanwaltschaften zu digitaler Gewalt und
Hate Speech
- Strafverfolgungsbehörden und Gerichte müssen personell und technisch so ausgestattet
und ausgebildet werden, dass sie Strafrechtsverstöße im Netz den Bedürfnissen der
Betroffenen angemessen und zeitnah bearbeiten können
- Dafür müssen auch die Anzeigemöglichkeiten und zivilrechtlichen Schritte für
Betroffene bekannter gemacht werden, sowie die Hürden der Rechtsdurchsetzung in den
Blick genommen und abgebaut werden
- Polizei und Justiz müssen außerdem über die Angebote der Informations- und
Beratungsstellen zu digitaler Gewalt und Hate Speech informiert sein, um an diese
verweisen zu können
3. Bestehende Informations- und Beratungsstellen fördern und ausbauen!
- Es besteht bereits ein breites Netz an Informations- und Beratungsstellen, die zu
geschlechtsspezifischer Gewalt arbeiten und dabei auch Betroffenen von digitaler
Gewalt und Hate Speech helfen
- Diese Stellen müssen unabhängig arbeiten können und Betroffenen kosten- und
barrierefrei zur Verfügung stehen
- Hierfür muss die Finanzierung der Informations- und Beratungsstellen langfristig und
nachhaltig gewährleistet sein
- Die zuständigen Berater*innen müssen zu den verschiedenen Formen digitaler Gewalt und
ihrer Konsequenzen aus- und weitergebildet werden sowie die Möglichkeit haben, sich
technisch fortzubilden
- Social-Media-Dienstanbieter müssen noch stärker in die Pflicht genommen werden, indem
sie auch Kosten für das umfassende Beratungsangebot tragen und gleichzeitig die
Unabhängigkeit der Informations- und Beratungsstellen respektieren
4. Forschung zu geschlechtsspezifischer Gewalt aktualisieren und ausweiten!
- Beratungsstellen sehen bereits im Praxisalltag das wachsende Ausmaß von digitaler
Gewalt und Hate Speech
- Um Betroffene noch besser zu unterstützen sowie präventive Aufklärungsmaßnahmen
entwickeln zu können, muss die Arbeit der Beratungsstellen und zivilgesellschaftlicher
Initiativen unbedingt durch konkrete Daten aus Deutschland zu Häufigkeit,
Betroffenheit, unterschiedlichen Gewaltformen etc. unterfüttert werden
- Wir brauchen hierzu z.B. ein dringendes Update der repräsentativen Studie des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zu Gewalt gegen
Frauen in Deutschland aus dem Jahr 2004, denn der Studie fehlen wichtige Informationen
über geschlechtsspezifische digitale Gewalt
- Außerdem soll die Polizei geschlechtsspezifische Statistiken zu digitaler Gewalt
führen"
Der vollständige Aufruf findet sich hier: www.netzohnegewalt.org