Veranstaltung: | 44. Bundesdelegiertenkonferenz Bielefeld |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Margarete Bause (KV München) und 31 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 34%) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.10.2019, 17:51 |
V-41: #StandwithHK – Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Hongkong unterstützen
Antragstext
China erlebt in Hongkong momentan die größten Massendemonstrationen seit der gewaltsamen
Niederschlagung der Demokratiebewegung am Tian'anmen Platz im Jahre 1989. Die im Juni
gestarteten Proteste mobilisieren Millionen. Zeitweise beteiligte sich mehr als ein Viertel
der Bevölkerung daran. Auslöser war der Widerstand gegen das umstrittene
Auslieferungsgesetz. Kritiker*innen sehen in der Gesetzesvorlage einen massiven Angriff auf
die gesetzlich verbriefte Autonomie Hongkongs, auf Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte und
als Zeichen der wachsenden Einflussnahme Pekings in der Sonderverwaltungszone. Trotz der
Erklärung der Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam im Juni, die Gesetzesentwürfe auf Eis
zu legen und der im September folgenden Ankündigung diese formell zurückzuziehen, halten die
Proteste an. Neben der formellen Rücknahme der beiden Gesetzesänderungsentwürfe stehen
mittlerweile umfassende politische Reformen im Fokus der Demonstrationen. Diese beinhalten
insbesondere die Einführung eines allgemeinen Wahlrechts sowie die unabhängige Aufarbeitung
der Polizeigewalt.
Die Hongkonger Polizei nutzt die Gewalttaten einer kleinen Anzahl von Demonstrierenden als
Vorwand, um mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen mehrheitlich friedlich Demonstrierende
vorzugehen. Auch militante prochinesische Schlägertrupps konnten gegen Unbeteiligte vorgehen
ohne von der Polizei daran gehindert zu werden. Mehrere tausend Menschen wurden im Rahmen
der Proteste festgenommen, zahlreiche weitere wurden schwer verletzt und zum Teil dauerhaft
geschädigt. Demonstrantinnen berichteten von sexueller Belästigung und systematischen
sexuellen Übergriffen durch staatliche Sicherheitsakteure. Neun Menschen nahmen sich aus
Verzweiflung über die Entwicklungen das Leben.
Trotz zunehmend massiver Repressionen und umfassender Versammlungsverbote durch die
Hongkonger Behörden sowie militärischer Machtdemonstrationen vonseiten Pekings lässt sich
die Demokratiebewegung in Hongkong nicht einschüchtern. Damit verteidigen sie die
Grundwerte, die auch unsere Gesellschaft tragen: Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit
und die Achtung der Menschenrechte.
Zeitgleich versucht die chinesische Staatsführung auch die Meinungs- und
Versammlungsfreiheit in Deutschland einzuschränken. Anfragen der grünen Bundestagsfraktion
belegen die Einschüchterungsversuche und das ungenierte Wirken von Spitzeln der chinesischen
Volksrepublik in Deutschland, das sich insbesondere gegen Unterstützer*innen der Hongkonger
Demokratiebewegung richtet.
Mit Blick auf die friedliche Revolution in Deutschland kommt uns hier eine besondere
Verantwortung zu, die Demokratiebewegung in Hongkong zu unterstützen. Denn auch als die
Bürger*innen der DDR vor dreißig Jahren gegen die SED-Diktatur auf die Straße gingen, schien
ihr Freiheitskampf chancenlos. Zu allmächtig war das autoritäre Regime, zu präsent die
Bilder des Tian'anmen Massakers vom 04. Juni 1989. Dass sie ihre Stimme trotzdem für
Freiheit und Demokratie erhoben, kann man ihnen nicht hoch genug anrechnen. Ihr
Freiheitskampf veränderte nicht nur die Welt wie wir sie heute kennen - er zeigte auch, wie
erfolgreich David gegen Goliath sein kann.
Daher solidarisiert sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit den friedlich demonstrierenden
Hongkonger*innen und fordert:
- die Bundesregierung dazu auf, sich mit den friedlichen Demonstranten und
Demonstrantinnen in der Sonderverwaltungszone Hongkong in ihrem Einsatz für
Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte solidarisch zu erklären und die
friedliche Demokratiebewegung in Hongkong im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden
Möglichkeiten zu unterstützen;
- die Bundesregierung dazu auf, die Behörden in Hongkong und der Volksrepublik China
aufzufordern, den Schutz der Menschenrechte und die im Hongkonger Grundgesetz (Basic
Law) für alle Bürgerinnen und Bürger verankerten Freiheiten zu gewährleisten;
- alle Landesregierungen, die Bundesregierung sowie die EU-Kommission dazu auf, in
Gesprächen und Verhandlungen mit der chinesischen Staatsregierung stets auf die
Achtung des völkerrechtlich verbindlichen Hongkonger Grundgesetzes (Basic Law) und
insbesondere des Grundsatzes „Ein Land - Zwei Systeme“ hinzuweisen;
- die Bundesregierung dazu auf, an die Regierung der Sonderverwaltungszone Hongkong zu
appellieren ihre nationalen wie internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen
einzuhalten, insbesondere die im Hongkonger Grundgesetz (Basic Law) garantierten Rede-
, Presse- und Publikationsfreiheit sowie Vereinigungs-, Versammlungs- und
Demonstrationsfreiheit, als auch den Internationalen Pakt über bürgerliche und
politische Rechte;
- die Bundesregierung dazu auf, gegenüber der Regierung der Sonderverwaltungszone
Hongkong darauf hinzuwirken, dass sichergestellt ist, dass Rechtsvorschriften und -
auslegungen auch künftig mit ihren internationalen Menschenrechtsverpflichtungen
vollständig im Einklang stehen, darunter mit den Bestimmungen des Internationalen
Paktes über bürgerliche und politische Rechte und des Übereinkommens der Vereinten
Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung
oder Strafe;
- die Bundesregierung dazu auf, gegenüber der Regierung der Sonderverwaltungszone
Hongkong darauf hinzuwirken die angekündigte formelle Rücknahme des Gesetzes über
flüchtige Straftäter und Rechtshilfe in Strafsachen aus dem Jahr 2019 umgehend
umzusetzen;
- die Bundesregierung dazu auf, sich gegenüber der Regierung der Sonderverwaltungszone
Hongkong dafür einzusetzen, dass das Recht aller Menschen sich friedlich zu versammeln
geschützt und geachtet wird und Menschen nicht allein aufgrund ihrer Beteiligung an
friedlichen Versammlungen strafrechtlichen Sanktionen unterworfen werden;
- die Bundesregierung dazu auf, sich gegenüber der Regierung der Sonderverwaltungszone
Hongkong für eine unabhängige, unparteiische, effektive und zeitnahe Aufarbeitung der
Polizeigewalt und dem zögerlichen Eingreifen der Polizei bei den gewalttätigen
Übergriffen auf Protestierende in der U-Bahnstation Yuen Long West Rail am 21. Juli
einzusetzen sowie dafür die Ergebnisse der Aufarbeitung öffentlich zugänglich zu
machen;
- die Bundesregierung dazu auf, gegenüber der Regierung der Sonderverwaltungszone
Hongkong deutlich zu machen, dass das Vorgehen der Sicherheitskräfte verhältnismäßig
und in Einklang mit den UN Grundprinzipien für die Anwendung von Gewalt und den
Gebrauch von Schusswaffen durch Vollzugsbeamte („UN Basic Principles on the Use of
Force and Firearms by Law Enforcement Officials“) sein muss;
- die Bundesregierung dazu auf, sich gegenüber der Regierung der Sonderverwaltungszone
Hongkong für eine systematische Reform einzusetzen, um eine direkte Wahl für das Amt
des/der Regierungschef/in und zum Legislativrat einzuführen und ein Wahlsystem zu
etablieren, das demokratisch, fair, offen und transparent ist und den Menschen der
Sonderverwaltungszone Hongkong bei dem Verfahren zur Auswahl aller Führungspositionen
ein aktives und ein passives Wahlrecht einräumt;
- die Bundesregierung dazu auf, in Gesprächen mit der Regierung der
Sonderverwaltungszone Hongkong für die Einsetzung einer unabhängigen
Menschenrechtsinstitution zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte, im Einklang
mit den Pariser Prinzipien, zu werben;
- die Bundesregierung dazu auf, sich für ein friedliches Konfliktmanagement zwischen der
Demokratiebewegung und der Regierung der Sonderverwaltungszone Hongkong einzusetzen;
- die Bundesregierung dazu auf, Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik China in
allen politischen Dialogen mit chinesischen Behörden und Regierungsvertreter*innen
anzusprechen und die Regierung der Volksrepublik China an ihre völkerrechtliche
Verpflichtung zur Einhaltung der britisch-chinesischen gemeinsamen Erklärung zu
erinnern;
- die Bundesregierung dazu auf, gegenüber der Regierung der Volksrepublik China mit
Nachdruck deutlich zu machen, dass die Achtung universeller Menschenrechte und
völkerrechtlich verbindlicher Abkommen keine nationale Angelegenheit ist;
- die Bundesregierung dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, demokratische und
rechtstaatliche Institutionen in der Sonderverwaltungszone Hongkong zu fördern,
beispielsweise durch das Format eines regelmäßigen Richteraustauschs;
- die Bundesregierung dazu auf, geeignete Exportkontrollmechanismen und
Ausfuhrkontrollen zu schaffen, um der Volksrepublik China und insbesondere der
Sonderverwaltungszone Hongkong den Zugang zu Technologien zu verwehren, die bei der
Verletzung grundlegender Rechte zum Einsatz kommen;
- die europäische Kommission und das Europaparlament dazu auf, bei den bevorstehenden
EU-China Konsultationen die Achtung der Menschenrechte zur Grundlage der
Handelsbeziehungen zu machen;
- die Bundesregierung dazu auf, auf nationaler Ebene geeignete Möglichkeiten zu
schaffen, um Einzelpersonen, die an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind, nach
dem Vorbild des Magnitzky-Acts sanktionieren zu können;
- die Bundesregierung dazu auf, im Rat der europäischen Union auf die Umsetzung der
Entschließung des Europaparlaments zu einer europäischen Regelung für Sanktionen bei
Verstößen gegen die Menschenrechte hinzuwirken, damit Einzelpersonen, die an
Menschenrechtsverletzung beteiligt sind, nach dem Vorbild des Magnitzky-Acts
sanktioniert werden können;
- die Bundesregierung dazu auf, Versuche der Einflussnahme staatlicher chinesischer
Stellen auf Demonstrationsfreiheit, Unversehrtheit der Demonstrierenden und freie
Meinungsäußerung in Deutschland deutlich zu verurteilen, zu sanktionieren und
geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um entsprechende Einflussnahmen zu unterbinden und
die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Deutschland zu schützen und zu garantieren;
- alle Landesregierungen und die Bundesregierung dazu auf, die ihnen unterstehenden
Sicherheitsbehörden bezüglich des Agierens chinesischer Agent*innen in Deutschland zu
sensibilisieren;
- alle Landesregierungen und die Bundesregierung dazu auf, die ihnen unterstehenden
Sicherheitsbehörden anzuweisen, mit Nachdruck gegen durch ausländische
Nachrichtendienste gesteuerte Versuche der Einschränkung von Versammlungs- und
Meinungsfreiheit in Deutschland vorzugehen;
- die Bundesregierung dazu auf, gesetzgeberische Maßnahmen zu prüfen, um deutsche
Unternehmen vor politischer Einflussnahme durch die Volksrepublik China zu schützen.
weitere Antragsteller*innen
- Hannah Marie Neumann (Berlin-Lichtenberg KV)
- Peter Heilrath (KV München)
- Michael Kellner (KV Berlin-Pankow)
- Jamila Schäfer (München KV)
- Omid Nouripour (KV Frankfurt)
- Claudia Roth (KV Augsburg-Stadt)
- Claudia Müller (Vorpommern-Rügen KV)
- Ssaman Mardi (KV Regensburg-Stadt)
- Stefan Christoph (KV Regensburg-Stadt)
- Reinhard Bütikofer (KV Berlin-Mitte)
- Danyal Bayaz (Kurpfalz-Hardt KV)
- Henrike Hahn (KV München)
- Heidi Schiller (KV München)
- Hermann Josef Brem (KV München)
- Dieter Janecek (KV München)
- Franziska Brantner (Heidelberg KV)
- Maria Wißmiller (KV München)
- Tim Demisch (KV Berlin-Treptow/Köpenick)
- Kristian Warnholz (Pinneberg KV)
- Kai Gehring (KV Essen)
- Henrik Rubner (KV Berlin-Mitte)
- Eva Lettenbauer (KV Donau-Ries)
- Alexander König (KV Berlin-Charlottenburg/Wilmersdorf)
- Iordanis Daniel Mouratidis (KV Magdeburg)
- Achim Jooß (KV Ortenau)
- Dietmar Detert (KV Leipzig)
- Katrin Göring-Eckardt (KV Gotha)
- Simon Schulenberg (KV Berlin-Tempelhof/Schöneberg)
- Andreas Spranger (KV Leipzig)
- Philipp Lang (KV Stuttgart)
- Johannes Mihram (KV Berlin-Mitte)
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