Veranstaltung: | 44. Bundesdelegiertenkonferenz Bielefeld |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 15.11.2019 |
Eingereicht: | 07.01.2020, 15:47 |
Tierschutzmaßnahmen ergreifen bei Schlachtung und Transport
Beschlusstext
Wir GRÜNE fordern, dass Tieren in der Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft zu keinem
Zeitpunkt ihres Lebens Schmerzen oder Qualen durch Menschen zugefügt bekommen. Dies gilt für
die Zeit des Aufwachsens ebenso wie für die Zeit danach: den Transport und die Schlachtung.
Aus diesem Grund, setzen wir uns für die nachfolgend beschriebenen Maßnahmen und
Veränderungen ein.
Tierschutz bei Tiertransporten
Wir wollen, dass so wenig wie möglich transportiert wird, so kurz wie möglich und so
tierschonend wie möglich – für alle Tiere, auch für Wirbellose. Außerdem streben wir an,
Lebendtransporte von Tieren zur Schlachtung möglichst zu vermeiden.
Um den unerträglichen Zuständen bei Transporten innerhalb der EU, aber auch über die
Außengrenzen der EU hinweg, dennoch schnellstmöglich ein Ende zu setzen, fordern wir:
- eine Pflicht, die Tiere zu einem nahe gelegenen Schlachthof zu bringen
- eine umfassende Neuregelung der Transportbedingungen, darunter ambitionierte
Vorschriften zur Beladungsdichte, Decken-/Käfighöhe, Belüftung und Klimatisierung
sowie eine Begrenzung der maximalen Transportzeit für Tiere innerhalb der EU vom
Versandort zum Bestimmungsort auf vier Stunden (sechs Stunden inklusive Be- und
Entladezeiten)
- regelmäßige Fort- und Weiterbildung der mit dem Transport betrauten Personen
- ein Verbot von Transporten nicht-entwöhnter Tiere
- keine Lebendexporte von Tieren (insbesondere zur Zucht, Mast, Schlachtung) in Länder
außerhalb der EU (mit Ausnahme der Schweiz, Liechtenstein und Norwegen) mehr zulassen,
weil dort keine Kontrollen mehr möglich sind
Zur Durchsetzung fordern wir:
- die Implementierung eines besseren Kontrollsystems
- dafür mehr Personal und bessere Qualifizierung in den zuständigen Behörden
- gemeinsame Kontrollgruppen von Polizei und Veterinärämtern und bessere Zusammenarbeit
mit den Staatsanwaltschaften bzw. Ordnungsbehörden
- eine Vereinheitlichung des Verwaltungshandelns
Für die Umsetzung bedarf es neuer gesetzlicher Regelungen auf Bundes- und EU-Ebene und
entsprechender Erlasse in den Bundesländern.
Tierschutzmaßnahmen bei der Schlachtung
Pro Jahr werden in Deutschland 745 Millionen Tiere geschlachtet. Dabei werden die Zahlen für
wirbellose Tiere, Kaninchen und Fische statistisch erst gar nicht erfasst.
Die Schlachtung eines Tieres bedeutet dabei in den meisten Fällen das Ende eines kurzen,
qualvollen Lebens, welches das Tier eingepfercht in Ställen verbracht hat, oft ohne je
Tageslicht gesehen zu haben. Die Ausbeutung beginnt bereits bei der Zucht (Zwangsbesamung,
Dauerträchtigkeit, Wegnahme des Nachwuchses, Fokus auf Leistungsmerkmalen – nicht auf dem
Tier) und endet schließlich mit der Schlachtung.
Töten ist so gut wie immer ein gewalttätiger Akt (Ausnahme: Erlösung von schwer verletzten
Tieren). Nach dem deutschen Tierschutzgesetz darf man Tiere nicht ohne vernünftigen Grund
töten. Was ein vernünftiger Grund ist, wurde in den letzten Jahren vor allem ökonomisch
beurteilt. Hier müssen wir stärker zu einer ethischen Abwägung kommen.
Ökologische Landwirtschaft bedeutet für die Tiere – verglichen mit der konventionellen
Landwirtschaft – zwar verbesserte Haltungsbedingungen. Geschlachtet wird aber in denselben
Schlachthöfen unter denselben schlechten Bedingungen. Dies belegen immer mehr Berichte, die
mittlerweile nicht mehr als Ausnahme, sondern als Regel zu sehen sind.
Problematisch ist zusätzlich, dass die Menschen, die in der industriellen Schlachtung damit
beauftragt werden, Tiere für unseren Konsum zu töten, meist in prekären Verhältnissen
beschäftigt werden. Oftmals sind sie traumatisiert, haben Suchtprobleme oder leiden an
Depression.
Viele Menschen lehnen aus diesen Gründen die sogenannte Nutztierhaltung ab.
Da wir im Sinne der Tiere jetzt handeln müssen, haben wir einen Forderungskatalog zur
sofortigen Umsetzung aufgesetzt. Dieser betrifft ausschließlich die Arbeit rund um den
Schlachthof. Zusätzlich bedarf es Strategien, um eine Ernährungswende und ein geändertes
Konsumverhalten in der Gesellschaft herbeizuführen. Um den Fleischkonsum zu reduzieren,
setzen wir auf Aufklärung über die Konsequenzen des Fleischkonsums, ein größeres Angebot an
vegetarischen und veganen Speisen in Schulen, Mensen und Kantinen, die Erforschung von
Alternativen zu Fleisch aus pflanzlichen Zutaten und eine Abkehr von der Exportorientierung.
Wenn wir dies alles umsetzen, helfen wir den Tieren, uns selbst und verbessern das Klima
merklich. Es gibt also keinen Grund zu warten.
Um das Leid der Tiere bei der Schlachtung zu mindern, fordern wir:
- Ende der Akkordschlachtung. Mitarbeiter*innen dürfen nicht unter Zeitdruck Tiere
betäuben und töten.
- Förderung von Weideschlachtung, mobiler und dezentraler regionaler Schlachtung.
- Erfassung von Tierschutzindikatoren durch die zuständigen amtlichen Veterinär*innen am
Schlachthof und Speicherung in einer zentralen Datenbank mit regelmäßiger Mitteilung
von Auffälligkeiten an den Herkunftsbetrieb sowie an die Veterinärbehörde.
- Die Entwicklung und zwingende Implementierung von Kontrollverfahren, die
gewährleisten, dass kein Tier seinen Schlachtprozess bei Bewusstsein erleben muss und
ohne Betäubung weiterverarbeitet wird.
- Verbot von CO2 als Betäubungsgas. In den großen Schlachthöfen wird derzeit zur
Betäubung von Schweinen und Geflügel Kohlendioxid angewendet. Dies führt während der
Betäubungsphase zu Erstickungssymptomen, Todesängsten, Abwehr- und Fluchtverhalten bei
den Tieren.
- Regelmäßige Qualifikation, Schulung und Weiterbildung sowie Monitoring des physischen
und psychischen Gesundheitszustandes der Schlachthofmitarbeiter*innen durch externe
Fachleute.
- Auskömmliche finanzielle und personelle Ausstattung der Veterinärämter und regelmäßige
Fortbildungen der amtlichen Tierärzt*innen zu tierschutzrelevanten Fragestellungen.
- Räumliche Trennung der Veterinärbehörde und des Schlachthofs, um die unabhängige
Arbeit der Mitarbeiter*innen der Veterinärbehörden zu gewährleisten.
- Umbau der Schlachthöfe für verbesserte Unterbringung und Treibwege der Tiere. Wartende
Tiere sollen die Tötung der Artgenossen weder sehen noch hören können.
- Zwingende, lückenlose Videoüberwachung am Schlachthof mit Kontrolle von unabhängiger
Stelle und Möglichkeit der Einsichtnahme.
Hintergrund zu Forderung Nr. 4:
In punkto Schlachtung bestehen derzeit zahlreiche Defizite. Aufgrund der enorm hohen
Schlachtzahlen kommt es immer wieder zu Fehlbetäubungen.
Dies betrifft vor allem die Schweineschlachtung. In großen Betrieben werden Schweine vor der
Tötung durch Setzen des Entbluteschnitts in der Regel mit Gas betäubt, weil dies eine
Betäubung von vielen Tieren in kurzer Zeit ermöglicht. Wird der Entbluteschnitt nicht
richtig gesetzt bzw. bestehen bei dem Tier anatomische Besonderheiten, kann es sein, dass
das Schwein vor der Weiterverarbeitung (Brühen etc.) wieder aus der Betäubung erwacht.
Dieses Risiko besteht insbesondere deshalb, weil nach Setzen des Entbluteschnitts keine
weitere Kontrolle auf Lebenszeichen stattfindet und die austretende Blutmenge aufgrund des
Einsatzes von sogenannten Blutstechanlagen zur Gewinnung von Lebensmittelblut optisch nicht
erkennbar ist. Es muss sicher gewährleistet werden, dass kein Tier lebend und bei
Bewusstsein in die Weiterverarbeitung gerät. Dies ist bereits aufgrund der derzeitigen
Gesetzeslage zwingend erforderlich. Gemäß § 12 Abs. 6 Satz 3 TierSchlV muss beim Entbluten
warmblütiger Tiere ein sofortiger starker Blutverlust gewährleistet und kontrollierbar sein.