Antrag: | Unsere grüne Friedens- und Außenpolitik |
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Antragsteller*in: | Ottmar von Holtz (KV Hildesheim) und 21 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 18%) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 25.10.2019, 13:47 |
V-32-018: Unsere grüne Friedens- und Außenpolitik
Antragstext
Von Zeile 17 bis 19 einfügen:
Gerade herrscht auf der politischen Weltbühne zudem das Prinzip der Sicherheit durch Einschüchterung und Dominanz. Diesen Sicherheitsbegriff müssen wir umkehren. Sicherheit ist dagegen für uns die Gewährleistung der universellen Menschenrechte und umfasst auch die Beteiligung
Von Zeile 21 bis 22 einfügen:
Aspekte, reproduktive und sexuelle Rechte, Ernährungssouveränität, gerechte Ressourcenverteilung und die Freiheit von Not und Furcht, die durch eine unabhängige Justiz und den Rechtsstaatsprinzipien verpflichtete Polizei garantiert wird.
Die internationalen Beziehungen durchlaufen dramatische Veränderungen. Dabei nehmen auch
Spannungen und Widersprüche zu, auf die grüne Friedens- und Außenpolitik Antworten finden
muss. Der Verbrauch von Ressourcen und Umweltverschmutzung bedrohen unsere Lebensgrundlage.
Der zunehmende Reichtum ist außerdem extrem ungleich verteilt. Was für einige Überfluss
verspricht, bedeutet für viele Armut, Ausbeutung und Leidensdruck. Noch nie waren die
Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Ländern und Kulturen so vielfältig. Doch der Kontakt
mit ”anderen” wird nicht leichter. In Filterblasen sprechen wir immer öfter und
verständnisloser über- statt miteinander.
All dies erhöht das Eskalationsrisiko lokaler und globaler Konflikte. Umwelt-, Wirtschafts-,
und soziale Krisen, aber auch militärische Auseinandersetzungen, Krieg und Flucht sind zu
weltpolitischen Alltagserscheinungen geworden. Oft hängen sie miteinander zusammen und
verschärfen sich gegenseitig. Die zunehmende Polarisierung von Diskursen und Politik
verhindert, dass Probleme bei ihren Ursachen angegangen werden. Die Propagierung
kurzfristiger militärischer Lösungsansätze macht sie sogar noch schlimmer. Extrembeispiele
dafür sind Kriege „gegen Terror“ oder „gegen Drogen“, oder die unkritische Aufrüstung
vermeintlicher Verbündeter in Krisenregionen durch Waffenexporte.
Gerade herrscht auf der politischen Weltbühne zudem das Prinzip der Sicherheit durch
Einschüchterung und Dominanz. Diesen Sicherheitsbegriff müssen wir umkehren. Sicherheit ist dagegen
für uns die Gewährleistung der universellen Menschenrechte und umfasst auch die Beteiligung
am politischen und öffentlichen Leben, Bildungs- und Chancengleichheit, gesundheitliche
Aspekte, reproduktive und sexuelle Rechte, Ernährungssouveränität, gerechte
Ressourcenverteilung und die Freiheit von Not und Furcht, die durch eine unabhängige Justiz und den Rechtsstaatsprinzipien verpflichtete Polizei garantiert wird.
Kern unserer außenpolitischen Bemühungen muss es sein, systematisch auf globale Entspannung
und Überwindung von Gegensätzen hinzuarbeiten. Dadurch gewinnen wir gegenseitiges Vertrauen
zur dringend gebotenen gemeinschaftlichen Lösung globaler Schicksalsfragen. International
müssen Deutschland und die EU dazu trotz Gegenwind noch intensiver auf eine Verrechtlichung
und Institutionalisierung unseres globalen Miteinanders hinwirken. Dies bedeutet, das
Völkerrecht und multinationale Institutionen zu verteidigen, zu stärken und
weiterzuentwickeln. Gleiches gilt für das internationale Strafrecht und den Internationalen
Strafgerichtshof. Wir stehen ein für die Stärke des Rechts statt dem Recht des Stärkeren.
Das geht nur effektiv, wenn wir uns selbst konsequent an internationale Abkommen und Normen
halten und uns unserer eigenen geschichtlichen Verantwortung bewusst sind.
Grüne Friedens- und Außenpolitik ist im besten Sinne radikal. Sie will die Probleme bei den
Ursachen packen und denkt grundsätzlich präventiv. Kein Genozid fällt einfach so vom Himmel,
keine Krise kommt ohne Vorboten. Und kein Krieg ist unausweichlich. Grüne Friedens- und
Außenpolitik ist deshalb auch kreativ. Sie versucht Entscheidungen zu vermeiden, bei denen
Politik zwischen zwei Übeln wählen muss. Mit Dialog, Empathie und Vorstellungskraft bemühen
wir uns immer um gewaltfreie Ansätze zur Bearbeitung von Konflikten.
Das Gewaltverbot des Art. 2 (4) der VN-Charta ist eine große Errungenschaft. Militärische
Lösungen für Konflikte gibt es nicht. Kampfeinsätze sind für uns höchstens letztes Mittel,
und immer Ausdruck eines Scheiterns.
Der Einsatz von Militär ist nur zum Selbst- und Bündnisschutz, auf dem Territorium eines um
militärischen Beistand bittenden Staates, sowie im Rahmen völkerrechtskonformer Missionen
mit Mandat der Vereinten Nationen, nämlich zur Wahrung des Weltfriedens, im Falle eines
Genozids oder bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit, zu rechtfertigen.
Militär kann allenfalls als ein Instrument zur Verhinderung solcher Verbrechen beitragen und
Bedingungen für Verhandlungslösungen schaffen. Wir werden Einsätzen der Bundeswehr nur mit
einem Mandat der Vereinten Nationen zustimmen. Jeder militärische Einsatz hat zugleich einen
hohen Preis. Es darf keinen militärischen Einsatz ohne einen Plan für die Konfliktnachsorge
und ohne Ausstiegs- und Abzugsstrategie geben.
Zudem braucht es gegenseitiges Verständnis: Internationale und Interkulturelle Sensibilität
und Solidarität müssen auf allen Ebenen gefördert werden. Dazu gehören möglichst allen
Menschen zugängliche Möglichkeiten des Austausches. Mobilität, Bildung und Kultur sind
hierbei wichtige Säulen. Bezüglich bestehender, sowie möglicher neuer Konflikte, braucht es
zudem deutlich stärkere Aufklärung und Analysefähigkeiten, sowohl in den außenpolitischen
Institutionen wie auch in unseren Gesellschaften insgesamt. Unsere Außenpolitik muss hierauf
aufbauen und jeweils die Sichtweisen aller Beteiligten miteinbeziehen, anstatt populistisch
und konfliktverschärfend primär irgendeine „Heimkurve“ zu adressieren.
Feministische Außenpolitik
Die Hälfte der Macht den Frauen* - das muss auch in der Außen- und Sicherheitspolitik
gelten! Frauen* bestimmen bisher nur selten mit, wenn es um die großen außenpolitischen
Herausforderungen und Konflikte geht. Dabei sind sie* besonders drastisch von Kriegen,
Krisen und Umweltzerstörung betroffen. Frauen* sollen jedoch nicht als Opfer stigmatisiert
werden, sondern als Akteur*innen für Frieden und Sicherheit auftreten. Ein gerechtes und
friedliches Zusammenleben ist nur durch konsequente Teilhabe und Einbeziehung der
Perspektive von Frauen* und marginalisierten Gruppen möglich.
Wir verfolgen einen intersektionalen Ansatz. Das heißt, dass wir besonders aufmerksam sind
für Überschneidung von verschiedenen Diskriminierungsformen. Systematische Benachteiligung
von Teilen der Bevölkerung beim Zugang zu Macht und Ressourcen birgt ein erhebliches
Konfliktpotenzial. Darum treten wir für eine Welt ein, in der alle ohne Gewalt und
Unterdrückung leben können.
Krisen und Kriege treffen Frauen* und andere verletzliche Gruppen in besonderer Heftigkeit
und ihre Perspektive bleibt dennoch unberücksichtigt. Sexualisierte und genderbasierte
Gewalt wird vermehrt in und nach Konflikten ausgeübt, teils bewusst als Kriegswaffe
eingesetzt. Konfliktanalysen müssen in allen Phasen des Konfliktzyklus auch die
Genderperspektive einbeziehen. Das gilt von der Erarbeitung von Frühwarnmechanismen bis hin
zu Nothilfe und Wiederaufbau. Solche feministischen Analysen bilden die Grundlage für
politische Entscheidungen.
Die Erfahrungen von Frauen* müssen in die Verhandlungsrunden einfließen. Aufgrund ihrer
Sozialisierung und spezifischen Betroffenheit haben Frauen* oft einen Blick für
tieferliegende, strukturelle Ursachen von Konflikten und können daher zu besseren Lösungen
beitragen. Ihre Einbindung in Prozesse der Friedensförderung und Konfliktprävention darf
sich nicht auf bloße Anwesenheit beschränken, sondern muss auch Entscheidungsmacht umfassen,
im zivilen und im militärischen Bereich.
Unsere feministische Außenpolitik sorgt für grundlegende gesellschaftliche Veränderung: Wir
wollen mit Diversität gegen homogene Machtzirkel und diskriminierende Netzwerke kämpfen.
Wenn es lokale, möglichst unabhängige Frauen*organisationen gibt, sollen sie Zugang zu
Verhandlungen und Öffentlichkeit erhalten. Wo noch keine solchen Organisationen bestehen,
soll der Aufbau unterstützt werden. Gerade in Post-Konflikt-Situationen und
Staatenbildungsprozessen sollte die Chance genutzt werden, die Entwicklung von
Frauen*rechten und -partizipation zu unterstützen.
Auch Männer und Jungen profitieren von Gleichstellung und müssen dazu beitragen,
Frauenrechte und Teilhabe voranzutreiben. Um dem Problem von „militarisierter Maskulinität“
zu begegnen, müssen wir patriarchalische und aggressive Männlichkeitsbilder in Frage
stellen. Dies wird auch Männern und Jungen zugutekommen, die selbst an stereotypisierten
Erwartungen an sie leiden, oder ebenfalls negativ von den Auswirkungen männlich dominierter
Politik betroffen sind.
So umgesetzt ist eine feministische Außenpolitik ein Gewinn für alle Seiten. Mit ihr bauen
wir verschiedene Formen der Benachteiligung ab und fördern so Stabilität und Frieden.
Abrüstung, Rüstungskontrolle und kooperative Sicherheit
Friedenspolitik heißt Konflikte annehmen und gewaltfrei bearbeiten. Grundlage einer
gewaltfreien Konfliktbearbeitung ist zum einen, die gegenseitigen Positionen, Interessen und
Bedürfnisse zu achten. Dies erfordert andererseits, auf Waffengewalt und Drohungen zu
verzichten. Die Bereitschaft zur wechselseitigen Entwaffnung und Aufgabe gegenseitiger
Drohungen ist also Dreh und Angelpunkt für gewaltfreie Konfliktbearbeitung.
Abrüstung, Rüstungskontrolle und Strukturen kooperativer Sicherheit zielen darauf ab,
gewaltfreie Konfliktbearbeitung zu verstetigen. Durch Verhandeln, Vereinbaren und Überwachen
von Regeln und Grenzen für Bewaffnung wird das Gewaltpotential von Konflikten geschrumpft.
Darüber hinaus bildet sich ein institutioneller Rahmen für Vertrauensbildung und gewaltfreie
Konfliktbearbeitung. Dahinter steckt die Überzeugung, dass die Wahrung von Frieden mit einem
kooperativen Sicherheitsverständnis besser gelingt als mit kompetitiven Konzepten von
Sicherheit. Dieser Gedanke hat nach dem Ende des Kalten Krieges die sicherheitspolitische
Zusammenarbeit beflügelt und zahlreiche Übereinkommen für Abrüstung, Rüstungskontrolle und
Institutionen kooperativer Sicherheit ermöglicht.
Die abrüstungs- und rüstungskontrollpolitischen Errungenschaften wurden jedoch nicht
konsequent gepflegt und ausgebaut. Stattdessen setzte sich immer wieder der Geist
kompetitiver Sicherheit durch. Den begrenzenden Einigungen über Abrüstung und
Rüstungskontrolle in bestimmten Bereichen wurde durch gezielte Aufrüstung und
Neuentwicklungen von Waffensystemen in anderen Bereichen ausgewichen. Bündnisstrukturen
wurden nicht durch Strukturen kooperativer Sicherheit ersetzt, sondern ausgedehnt und für
neue Aufgaben verstärkt. Hinzu kommt die Aufrüstung neuer Regional- und Weltmächte.
Inzwischen zersetzt die weltweite Rüstungsspirale samt ihrer kompetitiven Sicherheitslogik
auch die bereits geschaffene Abrüstungs- und Rüstungskontrollarchitektur insgesamt. Europa
ist von diesem Vertrags- und Regelzerfall besonders betroffen. Um Abrüstung,
Rüstungskontrolle und kooperative Sicherheit wieder voranzubringen, müssen wir uns von
Sicherheitsegoismen und Blockdenken lösen, die ganze Bandbreite von Waffensystemen in den
Blick nehmen und Verträge sowie Institutionen neu aufstellen.
Vor der eigenen Haustüre zu kehren ist der erste Schritt. Rüstungsexporte in Krisengebiete
und an Staaten, die systematisch Menschenrechte verletzen, müssen gesetzlich verboten sein.
Nicht wirtschaftliche Erwägungen oder die eigene Rüstungsindustrie, sondern
friedenspolitische Zielsetzungen müssen entscheidend sein. Auch auf europäischer Ebene
müssen dem weltweiten Waffenhandel enge Grenzen gesetzt und die ausufernde Verbreitung
europäischer Waffen in die ganze Welt beendet werden. Dies sowohl im Interesse der eigenen
Sicherheit als auch, um der weltweiten Bewaffnung insbesondere von autoritären Staaten und
in Krisengebieten entgegen zu wirken.
Deutschland muss außerdem konsequent auf Nuklear- und andere Massenvernichtungswaffen
verzichten. Die hier stationierten Nuklearwaffen müssen abgezogen und der Ausstieg aus der
Nuklearenergie im zivilen wie im militärischen Bereich vollendet werden. Wir wollen eine
Verankerung von Nuklearenergie- und Nuklearwaffenfreiheit im Grundgesetz diskutieren.
International muss sich Deutschland für Verbot und die Ächtung aller
Massenvernichtungswaffen einsetzen und alle Verträge, die dieses Ziel verfolgen,
unterstützen. Dazu zählen heute auch der Nuklearer Nichtverbreitungsvertrag und der
Nuklearwaffenverbotsvertrag.
Wir treten für ein generelles Verbot von Waffensystemen ein, die grausam und unterschiedslos
töten und nicht mit dem humanitären oder Kriegsvölkerrecht vereinbar sind. Neben den
Massenvernichtungswaffen zählen hierzu Antipersonenminen und Streumunition. Die Entwicklung
neuer Systeme, die gegen diese Grundregeln verstoßen, lehnen wir ab und treten für deren
weltweites Verbot ein. Auch bewaffnete Drohen und Waffensysteme, die ohne effektive
menschliche Kontrolle Entscheidungen über Leben und Tod treffen können, lehnen wir für die
Bundeswehr ab und setzen uns für deren Ächtung und Verbot ein. Die weitere Militarisierung
des Weltraums nehmen wir nicht hin. Für all diese Kategorien braucht es klare internationale
Regeln bzw. Verbote, und Regime zur Sicherstellung ihrer Einhaltung.
Die zunehmende Ausweitung der militärischen Nutzung neuer Technologien betrifft auch
besonders den digitalen Raum. Hier treten wir für klare Grenzen und einen Verzicht auf die
offensive militärische Nutzung ein und sehen die Verantwortung für den Schutz der IT-
Infrastruktur im Innen- und nicht im Verteidigungsressort. Sie darf außerdem nicht gegen
Bürger*innen- und Menschenrechte ausgespielt werden, insbesondere nicht im Datenschutz.
Als Motor künftiger Abrüstungs- und Rüstungskontrollinitiativen soll das humanitäre
Völkerrecht dienen, das den Schutz der Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt. Mit dieser
Perspektive können wir auch künftigen militärtechnologischen Entwicklungen Grenzen setzen
und die gewaltfreie Konfliktbearbeitung fördern. Darum wollen wir das humanitäre Völkerrecht
stärken und weiterentwickeln.
Um Abrüstung, Rüstungskontrolle und kooperative Sicherheit wieder voranzubringen, müssen wir
uns von Sicherheitsegoismen und Blockdenken lösen. Wir wollen einen Paradigmenwechsel in der
Sicherheitspolitik und Strukturen der kooperativen Sicherheit auf- und ausbauen, die
perspektivisch kompetitiv ausgerichtete Sicherheitsallianzen ersetzen können. Hierzu müssen
auch Deutschland und die EU sich loslösen von einer kurzsichtigen, weil egoistischen
Sicherheitspolitik und den Prinzipien der Abschreckung und Abschottung.
Multilateralismus und seine wichtigsten Institutionen: EU und VN
Wir müssen anerkennen, dass es viele Akteur*innen in unserer globalen Realität gibt, die ihr
Handeln auf eine „Logik der Unsicherheit“ stützen. Damit müssen wir vor allem kurzfristig
auch pragmatisch umgehen. Wo immer möglich verfolgen wir aber einen anderen Ansatz. Dazu
gehören die zivile Krisenprävention und der verstärkte Einsatz diplomatischer Mittel.
Anstatt uns in die Ecke drängen zu lassen, wollen wir Verbündete suchen, die dem eine
solidarische und offene Perspektive auf die Welt entgegensetzen. ”Wir” muss dabei wegen
ihrer Kombination aus Gewicht und prinzipieller Einigungsfähigkeit wo möglich mindestens die
EU bedeuten, aber als Begriff immer werteorientiert erweiterbar bleiben.
Eurozentrismus, d.h. den primären oder ausschließlichen Bezug globaler Fragestellungen auf
uns, oder den Glauben, Europa wüsste oder könne alles besser, lehnen wir ab. Diese Denkweise
verhindert es oft, konstruktiv mit anderen zusammenzuarbeiten. Es ist im Gegenteil besonders
wichtig, die Sicht anderer auf Europa und Deutschland anzuerkennen und zu berücksichtigen.
Dies gilt insbesondere für Zusammenhänge, in denen letztere besondere historische
Verantwortung tragen, wie z.B. im Zusammenhang des Kolonialismus, der Shoah oder anderen
massiven Verbrechen. Deren Aufarbeitung darf nicht enden und muss immer die Perspektiven der
Opfer mit einbeziehen.
Die weitere Einigung und Entwicklung Europas im Sinne einer friedlichen EU darf nicht in
pauschaler Abgrenzung zu oder gar Dämonisierung von anderen Staaten erfolgen, sondern muss
mit Dialog und friedlichem Ausgleich und den Interessen aller im Blick einhergehen. So kann
sie mehr noch als ein Einigungsprozess nach innen, auch ein Friedens- und
Entwicklungsprozess nach außen sein. Dieses Potenzial wird heute noch zu wenig genutzt. Im
Gegenteil: Europas Verschleppung u.a. einer echten, mindestens EU-weit koordinierten
Energiewende gefährdet das Weltklima, während viele europäische Konsum- und Handelsmuster
vor allem Menschen andernorts die Existenzgrundlagen entziehen. Zudem treiben europäische
Waffenexporte Aufrüstungsspiralen und entsprechende Unsicherheitslogiken an, während
europäische Migrationspolitik einseitig auf Abschottung setzt und so den Tod vieler Menschen
zu verantworten hat.
Europa kann einen Unterschied machen, wenn es um Menschenrechte, Frieden, Sicherheit und
Freiheit geht, auch über seine Grenzen hinweg! Wir wollen uns darum für ein Gemeinsames Haus
Europa einsetzen. Dafür braucht es eine starke EU, aber auch viel Engagement für
Institutionen wie die OSZE und die Zusammenarbeit im Europarat. Unsere Vision eines
außenpolitisch starken Europas ist eine zivile, eine inklusive, eine solidarische Stärke,
die aus einer menschenrechtsorientieren Politik friedensstiftend wirkt. Den aktuellen Fokus
in der EU auf eine Union der Verteidigung lehnen wir ab. Er beschränkt Europas
Friedenspotenziale und führt zu weiterer Aufrüstung. Eine wie auch immer geartete nukleare
Bewaffnung einer EU-Armee ist für uns nicht akzeptabel. Eine EU-Armee ist für uns nur
diskutabel, sofern ihr Einsatz (vergleichbar mit der Bundeswehr) an einen EU-
Parlamentsvorbehalt gebunden ist und sie durch Synergie-Effekte insgesamt deutlich
Rüstungsausgaben einspart. Sie darf aber nicht unsere Sicht und Prioritäten bezüglich
nachhaltiger Konfliktbehandlung bestimmen. Stattdessen liegt unser Schwerpunkt in der
Früherkennung und Prävention und wir fordern, die finanziellen Mittel dafür, anstatt für
Militär, auszuweiten.
Seit vielen Jahren wird gefordert, dass Europa, bzw. die EU, „weltpolitikfähig“, d.h. geeint
handlungsfähig, werden solle. Jedoch: Europas außen- und sicherheitspolitische Einigung, so
wie wir sie uns vorstellen, kann sich nur in der Zuwendung zum Multilateralen Dialog
vollziehen. Multilateralismus bedeutet, dass zentrale Akteure ihre Politik im gegenseitigen
Respekt miteinander absprechen und gemeinsam handeln. Nur so können wir auch den Grundstein
setzen für einen globalen Ordnungsrahmen, der zur neuen, multipolaren Ära passt und dem
Ausgleich dienlich ist.
Die Vereinten Nationen (VN) haben sich in den ereignisreichen und wechselhaften Jahrzehnten
ihrer Existenz als Institution mit zahlreichen Unterorganisationen stark erweitert, um
globalen Herausforderungen besser begegnen zu können. Zentrale Probleme der politischen
Steuerung und Entscheidungsfindung in ihren Gremien wurden jedoch nach einer kurzen, durch
das Ende des Kalten Krieges bedingten Hoffnungsphase wieder offensichtlicher. Hinweise auf
Missstände sollen von uns aber keine Pauschalkritik sein, wie sie oft gerade von denen
kommt, die effektiven Multilateralismus ausbremsen - Gerade weil wir die VN als die primäre
Akteurin und Verhandlungsort für globale Fragen stärken wollen, kritisieren wir ihren
aktuellen Zustand.
Vor allem der VN-Sicherheitsrat als nach wie vor das zentrale Gremium, das
friedenserhaltende und friedenserzwingende Maßnahmen beschließen kann, wird seinen
Anforderungen nicht gerecht. Seine Zusammensetzung ist nicht repräsentativ: Viele Länder mit
sehr großen Bevölkerungen (z.B. Indien) sitzen hier nicht dauerhaft mit am Tisch. Und das
einsame Vetorecht seiner fünf ständigen Mitglieder wird oft für Sonderinteressen
missbraucht, selbst wenn diese viele Menschen zu Leid, Elend, Unterdrückung und Tod
verdammen. Multilaterale Strukturen wie der VN-Sicherheitsrat müssen dahingehend reformiert
werden, dass sie demokratischer, repräsentativer als auch weniger blockadeanfällig werden.
Deshalb fordern wir eine Reformierung der Sitzverteilung im VN-Sicherheitsrat und des
Vetorechts. Gleichzeitig müssen regionale Institutionen wie zum Beispiel die Afrikanische
Union weiter gestärkt und die Kooperation mit ihnen ausgebaut werden.
Zudem mangelt es an ausreichender Ausstattung zahlreicher VN-Organisationen, um ihre
wachsenden Aufgaben angemessen zu erfüllen. Dies gilt für die finanzielle und auch die
personelle Ausstattung. Vor allem wenn Gefahr im Einsatz droht, wie im Falle von
Polizist*innen oder Soldat*innen, zögern gerade die reicheren Staaten, darunter Deutschland,
ihren Fähigkeiten gemäß mit anzupacken. Ehrlicher und effektiver Multilateralismus bedeutet
für uns nicht „nur“, in für den Weltfrieden kritischen Situationen die Einhaltung
internationaler rechtlicher Normen zu fordern, sondern auch, sich an entsprechend
beschlossenen Maßnahmen nach Kräften zu beteiligen.
Unser Respekt und unsere Wertschätzung gelten all jenen, die die in der VN-Charta
verankerten Werte und Menschenrechte mit Leben füllen und in der Welt vertreten. Dazu
gehören international wie national insbesondere auch Diplomat*innen, Aktive der
Entwicklungszusammenarbeit, zivile Krisenhelfer*innen, sowie die Angehörigen von
Streitkräften. Sie alle wollen wir anhören und nehmen sie in unseren außen- und
friedenspolitischen Positionierungen ernst.
weitere Antragsteller*innen
- Tobias Lindner (KV Germersheim)
- Franziska Brantner (KV Heidelberg)
- Marcel Ernst (KV Göttingen)
- David Vaulont (KV Freiburg)
- Michael Knoll (KV Berlin-Pankow)
- Ingo Henneberg (KV Freiburg)
- Rainer Lagemann (Steinfurt KV)
- Jan Seifert (KV Berlin-Mitte)
- Jonas Wille (KV Darmstadt)
- Felix Beutler (KV Berlin-Lichtenberg)
- Christa Markl-Vieto Estrada (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Michael Hack (KV Wetterau)
- Doris Wagner (München KV)
- Inga Kretzschmar (KV Lippe)
- Bastian Hermisson (KV Berlin-Mitte)
- Robin Wagener (KV Lippe)
- Gregor Möllring (Hannover RV)
- Patrick Drenske (Hannover RV)
- Omid Nouripour (KV Frankfurt)
- Stefan Gelbhaar (Berlin-Pankow KV)
- Janik Feuerhahn (KV Berlin-Pankow)
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Gerade herrscht auf der politischen Weltbühne zudem das Prinzip der Sicherheit durch Einschüchterung und Dominanz. Diesen Sicherheitsbegriff müssen wir umkehren. Sicherheit ist dagegen für uns die Gewährleistung der universellen Menschenrechte und umfasst auch die Beteiligung
Von Zeile 21 bis 22 einfügen:
Aspekte, reproduktive und sexuelle Rechte, Ernährungssouveränität, gerechte Ressourcenverteilung und die Freiheit von Not und Furcht, die durch eine unabhängige Justiz und den Rechtsstaatsprinzipien verpflichtete Polizei garantiert wird.
Die internationalen Beziehungen durchlaufen dramatische Veränderungen. Dabei nehmen auch
Spannungen und Widersprüche zu, auf die grüne Friedens- und Außenpolitik Antworten finden
muss. Der Verbrauch von Ressourcen und Umweltverschmutzung bedrohen unsere Lebensgrundlage.
Der zunehmende Reichtum ist außerdem extrem ungleich verteilt. Was für einige Überfluss
verspricht, bedeutet für viele Armut, Ausbeutung und Leidensdruck. Noch nie waren die
Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Ländern und Kulturen so vielfältig. Doch der Kontakt
mit ”anderen” wird nicht leichter. In Filterblasen sprechen wir immer öfter und
verständnisloser über- statt miteinander.
All dies erhöht das Eskalationsrisiko lokaler und globaler Konflikte. Umwelt-, Wirtschafts-,
und soziale Krisen, aber auch militärische Auseinandersetzungen, Krieg und Flucht sind zu
weltpolitischen Alltagserscheinungen geworden. Oft hängen sie miteinander zusammen und
verschärfen sich gegenseitig. Die zunehmende Polarisierung von Diskursen und Politik
verhindert, dass Probleme bei ihren Ursachen angegangen werden. Die Propagierung
kurzfristiger militärischer Lösungsansätze macht sie sogar noch schlimmer. Extrembeispiele
dafür sind Kriege „gegen Terror“ oder „gegen Drogen“, oder die unkritische Aufrüstung
vermeintlicher Verbündeter in Krisenregionen durch Waffenexporte.
Gerade herrscht auf der politischen Weltbühne zudem das Prinzip der Sicherheit durch
Einschüchterung und Dominanz. Diesen Sicherheitsbegriff müssen wir umkehren. Sicherheit ist dagegen
für uns die Gewährleistung der universellen Menschenrechte und umfasst auch die Beteiligung
am politischen und öffentlichen Leben, Bildungs- und Chancengleichheit, gesundheitliche
Aspekte, reproduktive und sexuelle Rechte, Ernährungssouveränität, gerechte
Ressourcenverteilung und die Freiheit von Not und Furcht, die durch eine unabhängige Justiz und den Rechtsstaatsprinzipien verpflichtete Polizei garantiert wird.
Kern unserer außenpolitischen Bemühungen muss es sein, systematisch auf globale Entspannung
und Überwindung von Gegensätzen hinzuarbeiten. Dadurch gewinnen wir gegenseitiges Vertrauen
zur dringend gebotenen gemeinschaftlichen Lösung globaler Schicksalsfragen. International
müssen Deutschland und die EU dazu trotz Gegenwind noch intensiver auf eine Verrechtlichung
und Institutionalisierung unseres globalen Miteinanders hinwirken. Dies bedeutet, das
Völkerrecht und multinationale Institutionen zu verteidigen, zu stärken und
weiterzuentwickeln. Gleiches gilt für das internationale Strafrecht und den Internationalen
Strafgerichtshof. Wir stehen ein für die Stärke des Rechts statt dem Recht des Stärkeren.
Das geht nur effektiv, wenn wir uns selbst konsequent an internationale Abkommen und Normen
halten und uns unserer eigenen geschichtlichen Verantwortung bewusst sind.
Grüne Friedens- und Außenpolitik ist im besten Sinne radikal. Sie will die Probleme bei den
Ursachen packen und denkt grundsätzlich präventiv. Kein Genozid fällt einfach so vom Himmel,
keine Krise kommt ohne Vorboten. Und kein Krieg ist unausweichlich. Grüne Friedens- und
Außenpolitik ist deshalb auch kreativ. Sie versucht Entscheidungen zu vermeiden, bei denen
Politik zwischen zwei Übeln wählen muss. Mit Dialog, Empathie und Vorstellungskraft bemühen
wir uns immer um gewaltfreie Ansätze zur Bearbeitung von Konflikten.
Das Gewaltverbot des Art. 2 (4) der VN-Charta ist eine große Errungenschaft. Militärische
Lösungen für Konflikte gibt es nicht. Kampfeinsätze sind für uns höchstens letztes Mittel,
und immer Ausdruck eines Scheiterns.
Der Einsatz von Militär ist nur zum Selbst- und Bündnisschutz, auf dem Territorium eines um
militärischen Beistand bittenden Staates, sowie im Rahmen völkerrechtskonformer Missionen
mit Mandat der Vereinten Nationen, nämlich zur Wahrung des Weltfriedens, im Falle eines
Genozids oder bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit, zu rechtfertigen.
Militär kann allenfalls als ein Instrument zur Verhinderung solcher Verbrechen beitragen und
Bedingungen für Verhandlungslösungen schaffen. Wir werden Einsätzen der Bundeswehr nur mit
einem Mandat der Vereinten Nationen zustimmen. Jeder militärische Einsatz hat zugleich einen
hohen Preis. Es darf keinen militärischen Einsatz ohne einen Plan für die Konfliktnachsorge
und ohne Ausstiegs- und Abzugsstrategie geben.
Zudem braucht es gegenseitiges Verständnis: Internationale und Interkulturelle Sensibilität
und Solidarität müssen auf allen Ebenen gefördert werden. Dazu gehören möglichst allen
Menschen zugängliche Möglichkeiten des Austausches. Mobilität, Bildung und Kultur sind
hierbei wichtige Säulen. Bezüglich bestehender, sowie möglicher neuer Konflikte, braucht es
zudem deutlich stärkere Aufklärung und Analysefähigkeiten, sowohl in den außenpolitischen
Institutionen wie auch in unseren Gesellschaften insgesamt. Unsere Außenpolitik muss hierauf
aufbauen und jeweils die Sichtweisen aller Beteiligten miteinbeziehen, anstatt populistisch
und konfliktverschärfend primär irgendeine „Heimkurve“ zu adressieren.
Feministische Außenpolitik
Die Hälfte der Macht den Frauen* - das muss auch in der Außen- und Sicherheitspolitik
gelten! Frauen* bestimmen bisher nur selten mit, wenn es um die großen außenpolitischen
Herausforderungen und Konflikte geht. Dabei sind sie* besonders drastisch von Kriegen,
Krisen und Umweltzerstörung betroffen. Frauen* sollen jedoch nicht als Opfer stigmatisiert
werden, sondern als Akteur*innen für Frieden und Sicherheit auftreten. Ein gerechtes und
friedliches Zusammenleben ist nur durch konsequente Teilhabe und Einbeziehung der
Perspektive von Frauen* und marginalisierten Gruppen möglich.
Wir verfolgen einen intersektionalen Ansatz. Das heißt, dass wir besonders aufmerksam sind
für Überschneidung von verschiedenen Diskriminierungsformen. Systematische Benachteiligung
von Teilen der Bevölkerung beim Zugang zu Macht und Ressourcen birgt ein erhebliches
Konfliktpotenzial. Darum treten wir für eine Welt ein, in der alle ohne Gewalt und
Unterdrückung leben können.
Krisen und Kriege treffen Frauen* und andere verletzliche Gruppen in besonderer Heftigkeit
und ihre Perspektive bleibt dennoch unberücksichtigt. Sexualisierte und genderbasierte
Gewalt wird vermehrt in und nach Konflikten ausgeübt, teils bewusst als Kriegswaffe
eingesetzt. Konfliktanalysen müssen in allen Phasen des Konfliktzyklus auch die
Genderperspektive einbeziehen. Das gilt von der Erarbeitung von Frühwarnmechanismen bis hin
zu Nothilfe und Wiederaufbau. Solche feministischen Analysen bilden die Grundlage für
politische Entscheidungen.
Die Erfahrungen von Frauen* müssen in die Verhandlungsrunden einfließen. Aufgrund ihrer
Sozialisierung und spezifischen Betroffenheit haben Frauen* oft einen Blick für
tieferliegende, strukturelle Ursachen von Konflikten und können daher zu besseren Lösungen
beitragen. Ihre Einbindung in Prozesse der Friedensförderung und Konfliktprävention darf
sich nicht auf bloße Anwesenheit beschränken, sondern muss auch Entscheidungsmacht umfassen,
im zivilen und im militärischen Bereich.
Unsere feministische Außenpolitik sorgt für grundlegende gesellschaftliche Veränderung: Wir
wollen mit Diversität gegen homogene Machtzirkel und diskriminierende Netzwerke kämpfen.
Wenn es lokale, möglichst unabhängige Frauen*organisationen gibt, sollen sie Zugang zu
Verhandlungen und Öffentlichkeit erhalten. Wo noch keine solchen Organisationen bestehen,
soll der Aufbau unterstützt werden. Gerade in Post-Konflikt-Situationen und
Staatenbildungsprozessen sollte die Chance genutzt werden, die Entwicklung von
Frauen*rechten und -partizipation zu unterstützen.
Auch Männer und Jungen profitieren von Gleichstellung und müssen dazu beitragen,
Frauenrechte und Teilhabe voranzutreiben. Um dem Problem von „militarisierter Maskulinität“
zu begegnen, müssen wir patriarchalische und aggressive Männlichkeitsbilder in Frage
stellen. Dies wird auch Männern und Jungen zugutekommen, die selbst an stereotypisierten
Erwartungen an sie leiden, oder ebenfalls negativ von den Auswirkungen männlich dominierter
Politik betroffen sind.
So umgesetzt ist eine feministische Außenpolitik ein Gewinn für alle Seiten. Mit ihr bauen
wir verschiedene Formen der Benachteiligung ab und fördern so Stabilität und Frieden.
Abrüstung, Rüstungskontrolle und kooperative Sicherheit
Friedenspolitik heißt Konflikte annehmen und gewaltfrei bearbeiten. Grundlage einer
gewaltfreien Konfliktbearbeitung ist zum einen, die gegenseitigen Positionen, Interessen und
Bedürfnisse zu achten. Dies erfordert andererseits, auf Waffengewalt und Drohungen zu
verzichten. Die Bereitschaft zur wechselseitigen Entwaffnung und Aufgabe gegenseitiger
Drohungen ist also Dreh und Angelpunkt für gewaltfreie Konfliktbearbeitung.
Abrüstung, Rüstungskontrolle und Strukturen kooperativer Sicherheit zielen darauf ab,
gewaltfreie Konfliktbearbeitung zu verstetigen. Durch Verhandeln, Vereinbaren und Überwachen
von Regeln und Grenzen für Bewaffnung wird das Gewaltpotential von Konflikten geschrumpft.
Darüber hinaus bildet sich ein institutioneller Rahmen für Vertrauensbildung und gewaltfreie
Konfliktbearbeitung. Dahinter steckt die Überzeugung, dass die Wahrung von Frieden mit einem
kooperativen Sicherheitsverständnis besser gelingt als mit kompetitiven Konzepten von
Sicherheit. Dieser Gedanke hat nach dem Ende des Kalten Krieges die sicherheitspolitische
Zusammenarbeit beflügelt und zahlreiche Übereinkommen für Abrüstung, Rüstungskontrolle und
Institutionen kooperativer Sicherheit ermöglicht.
Die abrüstungs- und rüstungskontrollpolitischen Errungenschaften wurden jedoch nicht
konsequent gepflegt und ausgebaut. Stattdessen setzte sich immer wieder der Geist
kompetitiver Sicherheit durch. Den begrenzenden Einigungen über Abrüstung und
Rüstungskontrolle in bestimmten Bereichen wurde durch gezielte Aufrüstung und
Neuentwicklungen von Waffensystemen in anderen Bereichen ausgewichen. Bündnisstrukturen
wurden nicht durch Strukturen kooperativer Sicherheit ersetzt, sondern ausgedehnt und für
neue Aufgaben verstärkt. Hinzu kommt die Aufrüstung neuer Regional- und Weltmächte.
Inzwischen zersetzt die weltweite Rüstungsspirale samt ihrer kompetitiven Sicherheitslogik
auch die bereits geschaffene Abrüstungs- und Rüstungskontrollarchitektur insgesamt. Europa
ist von diesem Vertrags- und Regelzerfall besonders betroffen. Um Abrüstung,
Rüstungskontrolle und kooperative Sicherheit wieder voranzubringen, müssen wir uns von
Sicherheitsegoismen und Blockdenken lösen, die ganze Bandbreite von Waffensystemen in den
Blick nehmen und Verträge sowie Institutionen neu aufstellen.
Vor der eigenen Haustüre zu kehren ist der erste Schritt. Rüstungsexporte in Krisengebiete
und an Staaten, die systematisch Menschenrechte verletzen, müssen gesetzlich verboten sein.
Nicht wirtschaftliche Erwägungen oder die eigene Rüstungsindustrie, sondern
friedenspolitische Zielsetzungen müssen entscheidend sein. Auch auf europäischer Ebene
müssen dem weltweiten Waffenhandel enge Grenzen gesetzt und die ausufernde Verbreitung
europäischer Waffen in die ganze Welt beendet werden. Dies sowohl im Interesse der eigenen
Sicherheit als auch, um der weltweiten Bewaffnung insbesondere von autoritären Staaten und
in Krisengebieten entgegen zu wirken.
Deutschland muss außerdem konsequent auf Nuklear- und andere Massenvernichtungswaffen
verzichten. Die hier stationierten Nuklearwaffen müssen abgezogen und der Ausstieg aus der
Nuklearenergie im zivilen wie im militärischen Bereich vollendet werden. Wir wollen eine
Verankerung von Nuklearenergie- und Nuklearwaffenfreiheit im Grundgesetz diskutieren.
International muss sich Deutschland für Verbot und die Ächtung aller
Massenvernichtungswaffen einsetzen und alle Verträge, die dieses Ziel verfolgen,
unterstützen. Dazu zählen heute auch der Nuklearer Nichtverbreitungsvertrag und der
Nuklearwaffenverbotsvertrag.
Wir treten für ein generelles Verbot von Waffensystemen ein, die grausam und unterschiedslos
töten und nicht mit dem humanitären oder Kriegsvölkerrecht vereinbar sind. Neben den
Massenvernichtungswaffen zählen hierzu Antipersonenminen und Streumunition. Die Entwicklung
neuer Systeme, die gegen diese Grundregeln verstoßen, lehnen wir ab und treten für deren
weltweites Verbot ein. Auch bewaffnete Drohen und Waffensysteme, die ohne effektive
menschliche Kontrolle Entscheidungen über Leben und Tod treffen können, lehnen wir für die
Bundeswehr ab und setzen uns für deren Ächtung und Verbot ein. Die weitere Militarisierung
des Weltraums nehmen wir nicht hin. Für all diese Kategorien braucht es klare internationale
Regeln bzw. Verbote, und Regime zur Sicherstellung ihrer Einhaltung.
Die zunehmende Ausweitung der militärischen Nutzung neuer Technologien betrifft auch
besonders den digitalen Raum. Hier treten wir für klare Grenzen und einen Verzicht auf die
offensive militärische Nutzung ein und sehen die Verantwortung für den Schutz der IT-
Infrastruktur im Innen- und nicht im Verteidigungsressort. Sie darf außerdem nicht gegen
Bürger*innen- und Menschenrechte ausgespielt werden, insbesondere nicht im Datenschutz.
Als Motor künftiger Abrüstungs- und Rüstungskontrollinitiativen soll das humanitäre
Völkerrecht dienen, das den Schutz der Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt. Mit dieser
Perspektive können wir auch künftigen militärtechnologischen Entwicklungen Grenzen setzen
und die gewaltfreie Konfliktbearbeitung fördern. Darum wollen wir das humanitäre Völkerrecht
stärken und weiterentwickeln.
Um Abrüstung, Rüstungskontrolle und kooperative Sicherheit wieder voranzubringen, müssen wir
uns von Sicherheitsegoismen und Blockdenken lösen. Wir wollen einen Paradigmenwechsel in der
Sicherheitspolitik und Strukturen der kooperativen Sicherheit auf- und ausbauen, die
perspektivisch kompetitiv ausgerichtete Sicherheitsallianzen ersetzen können. Hierzu müssen
auch Deutschland und die EU sich loslösen von einer kurzsichtigen, weil egoistischen
Sicherheitspolitik und den Prinzipien der Abschreckung und Abschottung.
Multilateralismus und seine wichtigsten Institutionen: EU und VN
Wir müssen anerkennen, dass es viele Akteur*innen in unserer globalen Realität gibt, die ihr
Handeln auf eine „Logik der Unsicherheit“ stützen. Damit müssen wir vor allem kurzfristig
auch pragmatisch umgehen. Wo immer möglich verfolgen wir aber einen anderen Ansatz. Dazu
gehören die zivile Krisenprävention und der verstärkte Einsatz diplomatischer Mittel.
Anstatt uns in die Ecke drängen zu lassen, wollen wir Verbündete suchen, die dem eine
solidarische und offene Perspektive auf die Welt entgegensetzen. ”Wir” muss dabei wegen
ihrer Kombination aus Gewicht und prinzipieller Einigungsfähigkeit wo möglich mindestens die
EU bedeuten, aber als Begriff immer werteorientiert erweiterbar bleiben.
Eurozentrismus, d.h. den primären oder ausschließlichen Bezug globaler Fragestellungen auf
uns, oder den Glauben, Europa wüsste oder könne alles besser, lehnen wir ab. Diese Denkweise
verhindert es oft, konstruktiv mit anderen zusammenzuarbeiten. Es ist im Gegenteil besonders
wichtig, die Sicht anderer auf Europa und Deutschland anzuerkennen und zu berücksichtigen.
Dies gilt insbesondere für Zusammenhänge, in denen letztere besondere historische
Verantwortung tragen, wie z.B. im Zusammenhang des Kolonialismus, der Shoah oder anderen
massiven Verbrechen. Deren Aufarbeitung darf nicht enden und muss immer die Perspektiven der
Opfer mit einbeziehen.
Die weitere Einigung und Entwicklung Europas im Sinne einer friedlichen EU darf nicht in
pauschaler Abgrenzung zu oder gar Dämonisierung von anderen Staaten erfolgen, sondern muss
mit Dialog und friedlichem Ausgleich und den Interessen aller im Blick einhergehen. So kann
sie mehr noch als ein Einigungsprozess nach innen, auch ein Friedens- und
Entwicklungsprozess nach außen sein. Dieses Potenzial wird heute noch zu wenig genutzt. Im
Gegenteil: Europas Verschleppung u.a. einer echten, mindestens EU-weit koordinierten
Energiewende gefährdet das Weltklima, während viele europäische Konsum- und Handelsmuster
vor allem Menschen andernorts die Existenzgrundlagen entziehen. Zudem treiben europäische
Waffenexporte Aufrüstungsspiralen und entsprechende Unsicherheitslogiken an, während
europäische Migrationspolitik einseitig auf Abschottung setzt und so den Tod vieler Menschen
zu verantworten hat.
Europa kann einen Unterschied machen, wenn es um Menschenrechte, Frieden, Sicherheit und
Freiheit geht, auch über seine Grenzen hinweg! Wir wollen uns darum für ein Gemeinsames Haus
Europa einsetzen. Dafür braucht es eine starke EU, aber auch viel Engagement für
Institutionen wie die OSZE und die Zusammenarbeit im Europarat. Unsere Vision eines
außenpolitisch starken Europas ist eine zivile, eine inklusive, eine solidarische Stärke,
die aus einer menschenrechtsorientieren Politik friedensstiftend wirkt. Den aktuellen Fokus
in der EU auf eine Union der Verteidigung lehnen wir ab. Er beschränkt Europas
Friedenspotenziale und führt zu weiterer Aufrüstung. Eine wie auch immer geartete nukleare
Bewaffnung einer EU-Armee ist für uns nicht akzeptabel. Eine EU-Armee ist für uns nur
diskutabel, sofern ihr Einsatz (vergleichbar mit der Bundeswehr) an einen EU-
Parlamentsvorbehalt gebunden ist und sie durch Synergie-Effekte insgesamt deutlich
Rüstungsausgaben einspart. Sie darf aber nicht unsere Sicht und Prioritäten bezüglich
nachhaltiger Konfliktbehandlung bestimmen. Stattdessen liegt unser Schwerpunkt in der
Früherkennung und Prävention und wir fordern, die finanziellen Mittel dafür, anstatt für
Militär, auszuweiten.
Seit vielen Jahren wird gefordert, dass Europa, bzw. die EU, „weltpolitikfähig“, d.h. geeint
handlungsfähig, werden solle. Jedoch: Europas außen- und sicherheitspolitische Einigung, so
wie wir sie uns vorstellen, kann sich nur in der Zuwendung zum Multilateralen Dialog
vollziehen. Multilateralismus bedeutet, dass zentrale Akteure ihre Politik im gegenseitigen
Respekt miteinander absprechen und gemeinsam handeln. Nur so können wir auch den Grundstein
setzen für einen globalen Ordnungsrahmen, der zur neuen, multipolaren Ära passt und dem
Ausgleich dienlich ist.
Die Vereinten Nationen (VN) haben sich in den ereignisreichen und wechselhaften Jahrzehnten
ihrer Existenz als Institution mit zahlreichen Unterorganisationen stark erweitert, um
globalen Herausforderungen besser begegnen zu können. Zentrale Probleme der politischen
Steuerung und Entscheidungsfindung in ihren Gremien wurden jedoch nach einer kurzen, durch
das Ende des Kalten Krieges bedingten Hoffnungsphase wieder offensichtlicher. Hinweise auf
Missstände sollen von uns aber keine Pauschalkritik sein, wie sie oft gerade von denen
kommt, die effektiven Multilateralismus ausbremsen - Gerade weil wir die VN als die primäre
Akteurin und Verhandlungsort für globale Fragen stärken wollen, kritisieren wir ihren
aktuellen Zustand.
Vor allem der VN-Sicherheitsrat als nach wie vor das zentrale Gremium, das
friedenserhaltende und friedenserzwingende Maßnahmen beschließen kann, wird seinen
Anforderungen nicht gerecht. Seine Zusammensetzung ist nicht repräsentativ: Viele Länder mit
sehr großen Bevölkerungen (z.B. Indien) sitzen hier nicht dauerhaft mit am Tisch. Und das
einsame Vetorecht seiner fünf ständigen Mitglieder wird oft für Sonderinteressen
missbraucht, selbst wenn diese viele Menschen zu Leid, Elend, Unterdrückung und Tod
verdammen. Multilaterale Strukturen wie der VN-Sicherheitsrat müssen dahingehend reformiert
werden, dass sie demokratischer, repräsentativer als auch weniger blockadeanfällig werden.
Deshalb fordern wir eine Reformierung der Sitzverteilung im VN-Sicherheitsrat und des
Vetorechts. Gleichzeitig müssen regionale Institutionen wie zum Beispiel die Afrikanische
Union weiter gestärkt und die Kooperation mit ihnen ausgebaut werden.
Zudem mangelt es an ausreichender Ausstattung zahlreicher VN-Organisationen, um ihre
wachsenden Aufgaben angemessen zu erfüllen. Dies gilt für die finanzielle und auch die
personelle Ausstattung. Vor allem wenn Gefahr im Einsatz droht, wie im Falle von
Polizist*innen oder Soldat*innen, zögern gerade die reicheren Staaten, darunter Deutschland,
ihren Fähigkeiten gemäß mit anzupacken. Ehrlicher und effektiver Multilateralismus bedeutet
für uns nicht „nur“, in für den Weltfrieden kritischen Situationen die Einhaltung
internationaler rechtlicher Normen zu fordern, sondern auch, sich an entsprechend
beschlossenen Maßnahmen nach Kräften zu beteiligen.
Unser Respekt und unsere Wertschätzung gelten all jenen, die die in der VN-Charta
verankerten Werte und Menschenrechte mit Leben füllen und in der Welt vertreten. Dazu
gehören international wie national insbesondere auch Diplomat*innen, Aktive der
Entwicklungszusammenarbeit, zivile Krisenhelfer*innen, sowie die Angehörigen von
Streitkräften. Sie alle wollen wir anhören und nehmen sie in unseren außen- und
friedenspolitischen Positionierungen ernst.
weitere Antragsteller*innen
- Tobias Lindner (KV Germersheim)
- Franziska Brantner (KV Heidelberg)
- Marcel Ernst (KV Göttingen)
- David Vaulont (KV Freiburg)
- Michael Knoll (KV Berlin-Pankow)
- Ingo Henneberg (KV Freiburg)
- Rainer Lagemann (Steinfurt KV)
- Jan Seifert (KV Berlin-Mitte)
- Jonas Wille (KV Darmstadt)
- Felix Beutler (KV Berlin-Lichtenberg)
- Christa Markl-Vieto Estrada (KV Berlin-Steglitz/Zehlendorf)
- Michael Hack (KV Wetterau)
- Doris Wagner (München KV)
- Inga Kretzschmar (KV Lippe)
- Bastian Hermisson (KV Berlin-Mitte)
- Robin Wagener (KV Lippe)
- Gregor Möllring (Hannover RV)
- Patrick Drenske (Hannover RV)
- Omid Nouripour (KV Frankfurt)
- Stefan Gelbhaar (Berlin-Pankow KV)
- Janik Feuerhahn (KV Berlin-Pankow)
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