a. formal:
So, wie er im Moment dasteht, verlangt der Antrag S-01 etwas vollkommen Unzulässiges:
mit einem einfachen BDK-Beschluss soll die Geltung der Bundessatzung eingeschränkt werden.
Denn „Das Frauenstatut ist Bestandteil der Satzung“. Das steht in § 27 der Bundessatzung und wird in § 11 des Frauenstatutes selbst wiederholt ( https://cms.gruene.de/uploads/documents/Satzung_Bundesverband.pdf ). Aber das BAG-Statut hat keinen Satzungsstatus und soll ihn nach dem erklärten Willen der Bundesdelegiertenkonferenz auch gar nicht haben. Als die BDK Münster 2016 für die Regelungen zu den Bundesarbeitsgemeinschaften neu fasste, setzte sie in § 17 (4) fest: "Das Nähere regelt das BAG-Statut, welches vom Länderrat oder der mit einfacher Mehrheit beschlossen wird.“ ( https://cms.gruene.de/uploads/documents/S-03_Bundesarbeitgemeinschaften.pdf )
Eine Änderung des BAG-Statuts ist also offensichtlich kein satzungsändernder Beschluss. Die Geltung des Frauenstatuts (das ja Teil unserer Bundessatzung ist) darf eine solche Änderung daher auf keinen Fall einschränken. Kein „einfachrechtlicher“ BDK-Beschluss kann die Bundessatzung teilweise ausser Kraft setzen. Schon deshalb darf und kann der Antragssatz „Hierbei finden § 1 Sätze 4 und 5 des Frauenstatutes keine Anwendung." nicht beschlossen werden.
Angesichts dieses Versuches sollte die BDK Bielefeld sich zur Geltung der Bundessatzung bekennen und ausdrücklich erklären: Auch in den Bundesarbeitsgemeinschaften gilt die gesamte Bundessatzung und als deren integraler Bestandteil das Frauenstatut in voller Kraft und mit all seinen Bestimmungen.
b. materiell:
Ziel des Frauen*statuts ist die aktive Frauen*förderung, aber nicht die Verhinderung von Mitglieder-Aktivität.
Das Frauen*statut gestattet in einer bestimmten Lage - wenn nämlich sich keine Frau* zur Kandidatur bereit findet und auch nach nochmaliger gezielter Werbung immer noch keine Frau* antreten will - ausnahmsweise die Besetzung eines "ungraden" Listenplatzes mit einem Mann. Ein Zwangs-Freihalten von Listenplätzen auf unbestimmte Zeit, einen Wegfall von Delegiertenmandaten verordnet es also grade nicht, das Frauenstatut will kein Klaffen einer Lücke und keinen Entzug von Stimmrechten (etwa als "strafweise" Disziplinarmassnahme gegen Gliederungen, welche zu wenig für die Frauen*förderung tun). Solch repressiven Wünschen gibt das Frauen*statut bewusst und zu recht keinen Raum.
Das Frauen*statut geht von starken und regelungsbedürftigen Spannungen, aber nicht von einem antagonistischen Widerspruch zwischen grünen Frauen* und grünen Männern aus. Das Frauen*statut sieht und regelt daher die Auseinandersetzung zwischen den Geschlechtern nicht als ein Nullsummenspiel, in dem jeder Gewinn der einen Seite automatisch eine Niederlage der anderen Seite wäre. Frauen* sollen Männer nicht möglichst weit ins Abseits verdrängen, sondern ihnen satzungsmässig garantiert mit gleicher Stärke und Handlungsmöglichkeiten begegnen.
Dafür genügt dem Frauen*statut eine annähernde zahlenmässige Gleichheit. Es verlangt beispielsweise nicht von quotiert gewählten Vorständen, dass für jede vorübergehend verreiste oder erkrankte Vorstandsfrau* mindestens ein Vorstandsmann auf seine Mitsprache oder Mitentscheidung verzichtet, solange die Abwesende ihr Amt nicht ausübt. Es duldet auch in Delegiertenversammlungen - wie beispielsweise der BDK - ein real öfter mal vorkommendes leichtes Übergewicht von Männerstimmen im Sitzungsraum. Es vertraut auf die Fähigkeit grüner Frauen*, dennoch mit ihren Fragen, Vorschlägen und Forderungen durchzudringen. Dies, weil es bei grünen Männern ein annähernd gleich starkes Interesse und Aufgeschlossenheit für weib*liche ebenso wie für männliche Stimmen voraussetzt und erfahrungsgemäß beinah immer auch voraussetzen darf.
Da ein Mann gemäß Frauen*statut durchaus auch erster ordentlicher Delegierter werden kann - warum sollte dann ein als Ersatzdelegierter gewählter Mann ungeeignet sein, vertretungsweise die Aufgabe einer weib*lichen ordentlichen Delegierte zu übernehmen, wenn diese nicht zu einer Sitzung kommen kann?
Repräsentative Demokratie lebt von der Fähigkeit und Bereitschaft der Repräsentierenden, die Repräsentierten zu vertreten. Und zwar nicht nur die Mitglieder derjenigen Menschengruppen zu vertreten, zu denen sie selber gehören, sondern alle repräsentierten Bürger*innen in deren ganzer Vielfalt, dabei die Interessen aller mit zu bedenken und allen gerecht zu werden. Das Grundgesetz bestimmt in Artikel 38 (1) "Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages ... sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.".
Dem entsprechend sollten auch BAG-Delegierte die Vertretung aller Mitglieder eines Landesverbandes, einer Fraktion, einer Jugendorganisation, eines Bundesvorstandes oder einer anderen BAG, unabhängig von deren (biologischen und sozialen) Geschlecht übernehmen, das kann und darf von ihnen verlangt werden.
Es kommt nicht allzu oft vor, dass die erste ordentliche BAG-Delegierte und die erste BAG-Ersatzdelegierte einer Gliederung gleichzeitig verhindert sind. Aber wenn dieser Fall eintritt, dann sollte die auf dem zweiten, offenen Ersatzdelegiertenplatz gewählte Person ihre Stellvertretung übernehmen - auch dann, wenn es sich dabei um einen Mann handelt.
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