Antrag: | Grüne Wasserstoffstrategie |
---|---|
Antragsteller*in: | Tarek Al-Wazir (KV Offenbach-Stadt) und 19 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 35%) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Modifizierte Übernahme |
Eingereicht: | 22.10.2019, 13:08 |
V-09-071: Grüne Wasserstoffstrategie
Verfahrensvorschlag: Antragstext
Von Zeile 70 bis 71:
zusätzlicher Bedarf von 650 TWh an regenerativem Strom entstehen. Dieser Wert übersteigt den aktuellen deutschen StromverbrauchStromverbrauchs. Nimmt man den Bedarf im Luftverkehr hinzu, wird deutlich, dass Wasserstoff- Produktion in Deutschland auch langfristig allenfalls einen Bruchteil des heutigen Bedarfs decken kann.
Der Weg in eine klimaverantwortliche Zukunft ist für unser Land Herausforderung und Chance
zugleich. Klug durchdacht und umgesetzt, wird die dringend notwendige Neuausrichtung unseres
Energiesystems zum Sprungbrett in die Energiewelt von morgen. Das bedeutet nicht nur den
Umbau des heutigen Stromsystems. Auch die Sektoren Verkehr, Wärme, Landwirtschaft und
Industrie dürfen spätestens zur Mitte des Jahrhunderts keine klimaaggressiven Emissionen
mehr produzieren. Für uns Grüne ist die intelligente Verknüpfung der einzelnen Sektoren kein
fernes Zukunftsszenario. Wer in 30 Jahren in einer gut vernetzten und sauberen Energiewelt
leben möchte, muss hier und heute die Weichen in Richtung Zukunft stellen – mit klarer
Vision und klugen Konzepten.
Die Produktion von erneuerbar erzeugtem Wasserstoff bietet vielfältige Möglichkeiten, in
allen Sektoren Treibhausgase einzusparen: Grüner Wasserstoff kann dabei helfen, dass
energieintensive Industrieprozesse sauberer werden oder Schwerlastverkehr ohne schädliche
Emissionen vorankommt. Gleichzeitig ist für uns klar, dass überall dort, wo direkte
Stromanwendungen möglich sind, diese auch bevorzugt genutzt werden. Denn wegen der
Umwandlungsverluste der Elektrolyse ist eine direkte Stromanwendung effizienter als die
Produktion und Nutzung von Grünem Wasserstoff. Wichtig ist daher, dass Wasserstoff in
Regionen des Landes mit hohem Anteil Erneuerbarer Energien produziert und wie alle
Energieträger entsprechend seiner besonderen Vorteile effizient und gezielt eingesetzt wird.
Hohe Umwandlungsverluste auf der einen Seite, vergleichsweise gute Speicherbarkeit und hohe
Energiedichte auf der anderen Seite bestimmen die Anwendungsfelder, in denen Wasserstoff
künftig eine unverzichtbare Rolle spielen wird.
Wasserstoff wird vor allem dort zur Alternative für fossile Brennstoffe, wo
batterieelektrische Antriebe aufgrund fehlender Reichweite an ihre Grenzen stoßen und es
größere Fahrzeuge als Autos anzutreiben gilt. Mit Brennstoffzellen angetriebene LKW und
Busse reduzieren nicht bloß CO2-Emissionen, sie sorgen auch für bessere Luft. Oberleitungs-
Lkw, neue leistungsstärkere Batteriekonzepte und eine deutlich bessere Güterbahn könnten
allerdings zukünftig auch im Schwerlastverkehr eine effiziente Alternative sein. Auch im
Schiffsverkehr könnten Wasserstoff und strombasierte Flüssigkraftstoffe eine wichtige Rolle
für den Klimaschutz spielen. Auf der Schiene sollte Strom direkt genutzt werden, wo immer
dies möglich ist. Aber auf langen, verkehrsarmen Strecken, die nicht rasch elektrifiziert
werden können und stattdessen von dreckigen und schwerfälligen Dieselloks befahren werden,
können Wasserstoffzüge neben batterieelektrischen Antrieben eine sinnvolle Lösung
darstellen.
Großes Potenzial für die Nutzung von Grünem Wasserstoff besteht auch in Industriezweigen,
die wenig technische Möglichkeiten zur Dekarbonisierung besitzen. Durch den Einsatz von
Grünem Wasserstoff werden klimaneutrale Hochöfen in der Stahlindustrie und klimaneutrale
Chemieparks möglich – als wichtige Schritte zur Dekarbonisierung und Standortsicherung der
energieintensiven Industrie in Deutschland. Der in der chemischen Industrie benötigte
Wasserstoff wird derzeit oft aus Erdgas gewonnen. Mit Grünem Wasserstoff aus Ökostrom gäbe
es auch hier eine klimafreundliche Alternative.
Und auch unser Stromsystem kann von der Wasserstoffproduktion profitieren: Die seltenen Tage
im Jahr, an denen weder Wind weht noch die Sonne scheint, können mit Hilfe von Wasserstoff
gut gemeistert werden. Zu Zeiten, in denen erneuerbar produzierter Strom reichlich verfügbar
ist, kann er in Wasserstoff umgewandelt und somit langfristig gespeichert werden. Scheint
die Sonne einmal nicht und der Wind bleibt aus, wird der gespeicherte Wasserstoff
rückverstromt und stabilisiert damit das Gesamtsystem. Wasserstoff ist eine von mehreren
möglichen Formen der Sektorkopplung und eine Speicherform neben anderen - im Vergleich
verlustärmeren - Speichertechnologien wie zum Beispiel Batteriespeicher,
Pumpspeicherkraftwerke oder Druckluftspeicher.
Die vielfältigen Potenziale einer deutschen Wasserstoffwirtschaft werden auch von jungen und
junggebliebenen Unternehmerinnen und Unternehmern erkannt. An vielen Orten in Deutschland
gibt es ambitionierte Gründerinnen und Gründer, die nur darauf warten, mit innovativen Ideen
ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten. Doch leider machen die derzeitigen politisch-
rechtlichen Rahmenbedingungen die besten Ideen unwirtschaftlich. Das Problem: Der Strompreis
wird völlig verzerrt, weil die Regierung seit Jahren die notwendige Reform der Abgaben und
Umlagen verweigert.
In Europa haben sich bereits einige Länder auf den Weg gemacht, Wasserstoffstrategien zu
formulieren, um sich auch industriepolitisch und bei der Technologieentwicklung frühzeitig
zu positionieren. International nehmen das Interesse und die Zahl der Projekte rapide zu.
Gerade für Länder, in denen die Sonne sehr viel scheint, bieten sich neue Märkte abseits des
Handels mit fossilen Rohstoffen. Auch Deutschland ist gefragt, jetzt die Rahmenbedingungen
zu schaffen, Chancen in der Technologienentwicklung zu nutzen und die strategischen
Weichenstellungen vorzunehmen.
Leitbilder einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland
Am günstigsten und naturverträglichsten ist natürlich die Kilowattstunde, die gar nicht erst
erzeugt wird. Deshalb gilt für uns der Grundsatz: „Efficiency first!“. Die zukünftigen
Herausforderungen in der chemischen Industrie zeigen uns beispielhaft, wie wichtig der
Effizienzgedanke ist. Soll die Herstellung chemischer Produkte, z.B. von Kunststoff oder
Arzneimitteln, bis zum Jahr 2050 komplett klimaneutral sein, könnte dafür in Deutschland ein
zusätzlicher Bedarf von 650 TWh an regenerativem Strom entstehen. Dieser Wert übersteigt den
aktuellen deutschen StromverbrauchStromverbrauchs. Nimmt man den Bedarf im Luftverkehr hinzu, wird deutlich, dass Wasserstoff- Produktion in Deutschland auch langfristig allenfalls einen Bruchteil des heutigen Bedarfs decken kann.
Mit der Grünen Wasserstoffstrategie wollen wir unser Land in eine Zukunft mit sauberer
Wärme, sauberem Strom, sauberer Industrie und sauberer Mobilität führen. An diesen Kriterien
orientieren wir die Ausgestaltung der Wasserstoffstrategie. Wasserstoff kann und soll unser
Land klimaverantwortlich machen. Daraus leiten sich für uns drei Leitbilder ab:
1. Gut für das Klima durch den Einsatz Erneuerbarer Energien
In der Grünen Wasserstoffstrategie wird nahezu ausschließlich erneuerbarer Strom eingesetzt
und dies nur in einem Umfang, der die Flankierung des Kohleausstiegs durch den Ausbau
Erneuerbarer Energien nicht gefährdet. Eine bloße Zertifizierung mit Grünstromzertifikaten
reicht uns dabei nicht. Wir wollen Wasserstoff zu Zeiten produzieren, in denen mehr
erneuerbarer Strom erzeugt, als verwendet werden kann. Ansonsten würde die
Wasserstoffproduktion dem Netz nämlich Grünen Strom entziehen, der andernorts durch Kohle-
oder Atomstrom ersetzt werden müsste, um die Nachfrage zu decken. Damit würde der
Wasserstoff indirekt aus Atom oder Kohle produziert, was nicht nur die Glaubwürdigkeit der
ganzen Wasserstoffwirtschaft untergraben würde, sondern auch klima- und umweltbelastend
wäre. Zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme gehört auch, dass Wasserstoff nur während
bestimmter erneuerbarer Erzeugungsspitzen zu 100 % aus regenerativen Energiequellen erzeugt
werden kann, solange der Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung nicht abgeschlossen ist.
Bis dahin achten wir auf einen maßvollen Zubau der Wasserstofftechnologie, der sich gezielt
an den Bedürfnissen der Energiewende orientiert.
Elementare Voraussetzung für eine klimaverantwortliche Wasserstoffstrategie ist daher, dass
der Ausbau der Erneuerbaren Energien endlich wieder Fahrt aufnimmt. Wir brauchen -
zusätzlich zu dem für Wasserstoff verbrauchten Strom – genug Ökostrom, um den Atom- und
Kohleausstieg ohne Schwierigkeiten und kostengünstig hinzubekommen. Derzeit sorgt die
Bundesregierung nicht einmal für die Hälfte des Ausbautempos bei den Erneuerbaren, welches
wir allein für den Kohleausstieg bräuchten. Der Ausbau von Wind an Land lag schon letztes
Jahr nur noch bei der Hälfte der gewohnten Geschwindigkeit und ist nun auf ein dramatisches
Maß abgestürzt. So werden zukünftig keine relevanten Mengen an zusätzlichem erneuerbaren
Strom für die Wasserstofferzeugung bereit stehen. Dieses Problem muss zwingend gelöst
werden, damit Wasserstoff seinen Platz in der erneuerbaren Zukunft einnehmen kann.
2. Gut für die Versorgungssicherheit durch Orientierung an der aktuellen Lage im Stromnetz
Für das Klima ist der Clou des Wasserstoffes jedoch seine Speicherbarkeit. Diesen Vorteil
muss er ausspielen, um seinen Platz im Team der Energiewende-Technologien einzunehmen. Das
bedeutet, dass Wasserstoff dann und dort produziert wird, wo viel erneuerbarer Strom zur
Verfügung steht. Es ist offensichtlich, dass eine große Stromentnahme während eines Tages
mit wenig Wind und Sonne oder hinter einem Netzengpass kein sinnvoller Beitrag zu einer
klimaverantwortlichen Energiewirtschaft sein kann. Man sagt, dass die Wasserstoffproduktion
„netzdienlich“ organisiert werden muss, sich also an der jeweils aktuellen Lage im Stromnetz
mit Erzeugungs- und Verbrauchsspitzen vor und hinter den Netzengpässen orientieren soll. So
wird auch verhindert, dass die Wasserstoffstrategie zusätzlichen Netzausbau auslöst.
3. Gut für neue Jobs in Deutschland durch Entwicklung einer echten Zukunftstechnologie
Heute ist die Wasserstoffwirtschaft in vielen Bereichen noch teurer als fossile
Energieträger, stößt auf regulatorische Schwierigkeiten oder scheitert am notwendigen Raum
für erneuerbare Stromerzeugungsanlagen in Deutschland. Es gibt aber kaum ein glaubwürdiges
Szenario für eine klimaverantwortliche Energiewirtschaft, in der Wasserstoff keine Rolle
spielen würde. Die Technik wird also mit Sicherheit gebraucht. Und da wir beim Klimaschutz
keine Zeit zu verlieren haben, ist es die Verantwortung der Politik, die Rahmenbedingungen
so zu setzen, dass der Einsatz und damit die Weiterentwicklung der Technologie so schnell
wie möglich erfolgen. So könnten schon bald neue Arbeitsplätze in Deutschlandland entstehen.
Die Grüne Wasserstoffwirtschaft steht weltweit vor dem Durchbruch und ist eines der
zentralen Industriefelder der Zukunft.
Instrumente & Maßnahmen
Es ist höchste Zeit, dass nicht nur über Wasserstoff gesprochen wird, sondern die
politischen Rahmenbedingungen den Aufbruch in die nächste Phase der Energiewende ermöglichen
und anschieben. Dazu fordern wir zur Umsetzung der drei Leitbilder folgende politische
Weichenstellungen:
1. Ausbau der Erneuerbaren Energien
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist in der laufenden Legislaturperiode eingebrochen. Um
die Erneuerbaren entsprechend unseres ersten Leitbildes wieder auf Zielgeschwindigkeit zu
bringen, schlagen wir folgende Entscheidungen vor:
- Schaffung klarer Investitionssicherheit für Erneuerbare-Energien-Anlagen über den
ganzen Zeitraum bis mindestens 2030. Zum Beispiel dauert die Planung und Genehmigung
von Windparks meist mehrere Jahre, weshalb die kurzfristige Ausrufung von
Sonderausschreibungen nicht die notwendige Wirkung entfalten kann.
- Aufhebung der Deckelung für Photovoltaikanlagen.
- Entbürokratisierung des Betriebs von Mieterstromprojekten.
- Bereitstellung von mehr Flächen für den Ausbau der Windkraft. Hier gilt es, sowohl im
Planungs- und Genehmigungsrecht unnötige Hürden abzubauen, als auch Informationen zur
Bedeutung und den Auswirkungen von Windenergie zur Verfügung zu stellen.
- Maßnahmen für eine einheitlichere Beteiligung an den Kosten der Energiewende (bspw.
über die Netzentgelte) von Regionen mit viel Windkraft und Regionen mit weniger
Windkraft.
- finanzielle Beteiligung der Kommunen an den Einnahmen aus den Windparks verbessern.
- Erhöhung der Ausbauzahlen für Offshore-Windkraftanlagen auf 30 GW bis 2035. Wegen der
langen Planungszeiten ist hier schnelles Handeln erforderlich.
2. Nutzen statt Abschalten
Das Stromnetz kann und soll nicht jede produzierte Grüne Kilowattstunde aufnehmen und
transportieren. Schon heute werden in Zeiten von Netzengpässen Erneuerbare-Energien-Anlagen
abgeschaltet, der Strom wird nicht produziert. Dabei ist auch der Strom vor dem Engpass ein
wertvolles Gut. Es wäre sehr viel intelligenter, ihn zum Beispiel für die Produktion von
Wasserstoff zu nutzen. Ein konkreter Gesetzentwurf liegt seit Jahren vor. Leider mangelt es
am politischen Willen zur Umsetzung. Wir wollen, dass der Strom vor dem Netzengpass den
Betreibern von Wasserstoff-Anlagen und anderen Spontan-Nutzern kostengünstig zur Verfügung
gestellt wird, anstatt ihn gar nicht zu produzieren. Wenn der Betreiber dafür einen kleinen
Unkostenbeitrag zahlt, können damit sogar die Stromkunden entlastet werden. Wird das Windrad
abgeregelt, zahlt nämlich logischerweise niemand für den Strom.
3. Reform der Abgaben und Umlagen
Der Strom hinter den Netzengpässen allein wird aber nicht reichen, um die
Wasserstoffwirtschaft in Gang zu bringen. Zum einen ist es zu wenig – derzeit ungefähr 1%
des deutschen Stromverbrauchs. Zum anderen fällt er nicht verlässlich an. Schon die
Fertigstellung einer Stromleitung kann ganze Gebiete wieder zuverlässig ins Stromnetz
einbinden. Investitionen in Wasserstofftechnologie brauchen mehr Investitionssicherheit. Die
Produktion von Wasserstoff kann deshalb langfristig nur erfolgen, wenn es gelingt, die
Produktionskosten deutlich zu senken. Die zentrale Rolle spielen hier die Abgaben und
Entgelte, die nicht nur aus diesem Grund dringend reformiert werden müssen. Ziel der Reform
muss es sein, Erneuerbare günstiger zu machen. Das bedeutet, die Kosten für den
Stromverbrauch zeitlich und lokal spezifisch deutlich abzusenken und somit die netzdienliche
Produktion von Wasserstoff im Markt lukrativ zu machen. Zudem helfen auch ehrlichere CO2-
Preise für fossile Energieträger, die im Wettbewerb mit erneuerbarem Wasserstoff unlautere
Vorteile genießen, da die Umweltschäden derzeit von der Allgemeinheit getragen werden. Die
Leidtragenden dieser Ungerechtigkeit sind zukünftige Generationen, die weder die Chance
haben zu protestieren, noch von den Bequemlichkeiten profitieren, die mit dem massenhaften
Abbrennen fossiler Energieträger einhergehen.
4. Innovationsräume für Technologieentwicklung schaffen
Innovationsräume können ein wichtiger Baustein für den zukünftigen Markteinstieg von Grünem
Wasserstoff sein. Zusätzlich zu den oben genannten Instrumenten ist Technologieförderung in
der Wasserstoffindustrie sinnvoll. Hier bieten die Reallabore der Energiewende einen guten
Anknüpfungspunkt. Wir schlagen zusätzlich klar abgegrenzte, aber nicht auf bestimmte
Projekte beschränkte Experimentierräume vor, in denen zeitlich spezifisch die
Strombezugskosten so gesenkt werden, dass die Innovationslust der Unternehmen für die
Entwicklung, Erprobung und Bewertung verschiedener Technologien und Geschäftsmodelle geweckt
wird. Zugleich werden hier nicht nur Technologien und Geschäftsmodelle weiterentwickelt,
sondern auch Innovationen in der Regulierung real getestet. Geografisch sollen diese in
Netzgebieten entstehen, in denen bereits viele Erneuerbare–Energien-Anlagen errichtet wurden
und derzeit vielfach abgeschaltet werden.
Eine weitere Chance für innovative Lösungen bietet der Kohleausstieg. Auf ehemaligen
Kraftwerksstandorten und Tagebauflächen könnten neue große Wind- und Solarparks einen Teil
ihres Stromes zur Produktion von Wasserstoff verwenden und die Netzknoten der ehemaligen
Kohlekraftwerke genutzt werden, um die Stromversorgung an den wenigen Tagen im Jahr zu
gewährleisten, an denen weder Wind noch Sonne nennenswert liefern. Die Kombination von
Erneuerbaren Energien und Wasserstoffproduktion soll an Standorten erfolgen, welche durch
den Strukturwandel im Energiesystem besonders betroffen sind.
Neben den technischen Lösungen sollte daran geforscht werden, wie die Gesamtstrategie
Wasserstoff sich sinnvoll in die Energiewende einfügt. Wasserstoff wird auch zukünftig nur
in begrenzten Mengen zur Verfügung stehen. Daher ist es wichtig zu diskutieren, in welchen
Wirtschaftssektoren dieser am besten und klimaeffizientesten eingesetzt wird.
5. Importstrukturen für Wasserstoff
Es ist absehbar, dass die auch bei uns entwickelte Wasserstofftechnik nicht nur in
Deutschland zur Anwendung kommen wird. Andere Länder machen sich ebenfalls auf den Weg in
die erneuerbare Zukunft. Wir werden in Deutschland aufgrund von beschränkter
Flächenverfügbarkeit nicht genügend erneuerbaren Strom produzieren können, um die
Energienachfrage zu decken. Vermutlich gilt das sogar dann, wenn wir deutlich sparsamer im
Umgang mit Energie werden, was unumgänglich ist und erstes Ziel bleiben muss. Deshalb ist es
klug, Importmöglichkeiten von erneuerbarem Wasserstoff vorsichtig auszutesten, Erfahrungen
zu sammeln und ein Signal zu setzen, das unser Interesse an sauberer Energie in die Welt
sendet. Gerade für Länder, in denen z.B. viel Sonne scheint oder der Wind stärker weht,
bietet die Produktion von Wasserstoff einen neuen Markt abseits von (fossilen) Rohstoffen
und der Produktion von ausreichend Ökostrom für den eigenen Bedarf. Dabei achten wir von
Anfang an auf die strikte Einhaltung von Menschenrechten. Ein interessantes politisches
Instrument könnte eine zunächst sehr niedrige, aber langsam ansteigende Quote für
erneuerbares Kerosin im Flugverkehr sein, das auf Grundlage von erneuerbarem Wasserstoff aus
dem In- und Ausland produziert wird. Aufbauend auf diesen Erfahrungen zu verfügbaren Mengen
aus dem Ausland, Menschenrechtsstandards und den praktikablen Transportwegen können wir in
Deutschland dann verlässlicher abschätzen, welchen Beitrag Wasserstoff zur Energieversorgung
der Zukunft in unserem Land und in Europa leisten kann, soll und wird.
Antragstext
Von Zeile 70 bis 71 einfügen:
zusätzlicher Bedarf von 650 TWh an regenerativem Strom entstehen. Dieser Wert übersteigt den aktuellen deutschen Stromverbrauch. Nimmt man den Bedarf im Luftverkehr hinzu, wird deutlich dass Wasserstoff- bzw. E-Fuel-Produktion in Deutschland auch langfristig allenfalls einen Bruchteil des Bedarfs decken kann.
Der Weg in eine klimaverantwortliche Zukunft ist für unser Land Herausforderung und Chance
zugleich. Klug durchdacht und umgesetzt, wird die dringend notwendige Neuausrichtung unseres
Energiesystems zum Sprungbrett in die Energiewelt von morgen. Das bedeutet nicht nur den
Umbau des heutigen Stromsystems. Auch die Sektoren Verkehr, Wärme, Landwirtschaft und
Industrie dürfen spätestens zur Mitte des Jahrhunderts keine klimaaggressiven Emissionen
mehr produzieren. Für uns Grüne ist die intelligente Verknüpfung der einzelnen Sektoren kein
fernes Zukunftsszenario. Wer in 30 Jahren in einer gut vernetzten und sauberen Energiewelt
leben möchte, muss hier und heute die Weichen in Richtung Zukunft stellen – mit klarer
Vision und klugen Konzepten.
Die Produktion von erneuerbar erzeugtem Wasserstoff bietet vielfältige Möglichkeiten, in
allen Sektoren Treibhausgase einzusparen: Grüner Wasserstoff kann dabei helfen, dass
energieintensive Industrieprozesse sauberer werden oder Schwerlastverkehr ohne schädliche
Emissionen vorankommt. Gleichzeitig ist für uns klar, dass überall dort, wo direkte
Stromanwendungen möglich sind, diese auch bevorzugt genutzt werden. Denn wegen der
Umwandlungsverluste der Elektrolyse ist eine direkte Stromanwendung effizienter als die
Produktion und Nutzung von Grünem Wasserstoff. Wichtig ist daher, dass Wasserstoff in
Regionen des Landes mit hohem Anteil Erneuerbarer Energien produziert und wie alle
Energieträger entsprechend seiner besonderen Vorteile effizient und gezielt eingesetzt wird.
Hohe Umwandlungsverluste auf der einen Seite, vergleichsweise gute Speicherbarkeit und hohe
Energiedichte auf der anderen Seite bestimmen die Anwendungsfelder, in denen Wasserstoff
künftig eine unverzichtbare Rolle spielen wird.
Wasserstoff wird vor allem dort zur Alternative für fossile Brennstoffe, wo
batterieelektrische Antriebe aufgrund fehlender Reichweite an ihre Grenzen stoßen und es
größere Fahrzeuge als Autos anzutreiben gilt. Mit Brennstoffzellen angetriebene LKW und
Busse reduzieren nicht bloß CO2-Emissionen, sie sorgen auch für bessere Luft. Oberleitungs-
Lkw, neue leistungsstärkere Batteriekonzepte und eine deutlich bessere Güterbahn könnten
allerdings zukünftig auch im Schwerlastverkehr eine effiziente Alternative sein. Auch im
Schiffsverkehr könnten Wasserstoff und strombasierte Flüssigkraftstoffe eine wichtige Rolle
für den Klimaschutz spielen. Auf der Schiene sollte Strom direkt genutzt werden, wo immer
dies möglich ist. Aber auf langen, verkehrsarmen Strecken, die nicht rasch elektrifiziert
werden können und stattdessen von dreckigen und schwerfälligen Dieselloks befahren werden,
können Wasserstoffzüge neben batterieelektrischen Antrieben eine sinnvolle Lösung
darstellen.
Großes Potenzial für die Nutzung von Grünem Wasserstoff besteht auch in Industriezweigen,
die wenig technische Möglichkeiten zur Dekarbonisierung besitzen. Durch den Einsatz von
Grünem Wasserstoff werden klimaneutrale Hochöfen in der Stahlindustrie und klimaneutrale
Chemieparks möglich – als wichtige Schritte zur Dekarbonisierung und Standortsicherung der
energieintensiven Industrie in Deutschland. Der in der chemischen Industrie benötigte
Wasserstoff wird derzeit oft aus Erdgas gewonnen. Mit Grünem Wasserstoff aus Ökostrom gäbe
es auch hier eine klimafreundliche Alternative.
Und auch unser Stromsystem kann von der Wasserstoffproduktion profitieren: Die seltenen Tage
im Jahr, an denen weder Wind weht noch die Sonne scheint, können mit Hilfe von Wasserstoff
gut gemeistert werden. Zu Zeiten, in denen erneuerbar produzierter Strom reichlich verfügbar
ist, kann er in Wasserstoff umgewandelt und somit langfristig gespeichert werden. Scheint
die Sonne einmal nicht und der Wind bleibt aus, wird der gespeicherte Wasserstoff
rückverstromt und stabilisiert damit das Gesamtsystem. Wasserstoff ist eine von mehreren
möglichen Formen der Sektorkopplung und eine Speicherform neben anderen - im Vergleich
verlustärmeren - Speichertechnologien wie zum Beispiel Batteriespeicher,
Pumpspeicherkraftwerke oder Druckluftspeicher.
Die vielfältigen Potenziale einer deutschen Wasserstoffwirtschaft werden auch von jungen und
junggebliebenen Unternehmerinnen und Unternehmern erkannt. An vielen Orten in Deutschland
gibt es ambitionierte Gründerinnen und Gründer, die nur darauf warten, mit innovativen Ideen
ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten. Doch leider machen die derzeitigen politisch-
rechtlichen Rahmenbedingungen die besten Ideen unwirtschaftlich. Das Problem: Der Strompreis
wird völlig verzerrt, weil die Regierung seit Jahren die notwendige Reform der Abgaben und
Umlagen verweigert.
In Europa haben sich bereits einige Länder auf den Weg gemacht, Wasserstoffstrategien zu
formulieren, um sich auch industriepolitisch und bei der Technologieentwicklung frühzeitig
zu positionieren. International nehmen das Interesse und die Zahl der Projekte rapide zu.
Gerade für Länder, in denen die Sonne sehr viel scheint, bieten sich neue Märkte abseits des
Handels mit fossilen Rohstoffen. Auch Deutschland ist gefragt, jetzt die Rahmenbedingungen
zu schaffen, Chancen in der Technologienentwicklung zu nutzen und die strategischen
Weichenstellungen vorzunehmen.
Leitbilder einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland
Am günstigsten und naturverträglichsten ist natürlich die Kilowattstunde, die gar nicht erst
erzeugt wird. Deshalb gilt für uns der Grundsatz: „Efficiency first!“. Die zukünftigen
Herausforderungen in der chemischen Industrie zeigen uns beispielhaft, wie wichtig der
Effizienzgedanke ist. Soll die Herstellung chemischer Produkte, z.B. von Kunststoff oder
Arzneimitteln, bis zum Jahr 2050 komplett klimaneutral sein, könnte dafür in Deutschland ein
zusätzlicher Bedarf von 650 TWh an regenerativem Strom entstehen. Dieser Wert übersteigt den
aktuellen deutschen Stromverbrauch. Nimmt man den Bedarf im Luftverkehr hinzu, wird deutlich dass Wasserstoff- bzw. E-Fuel-Produktion in Deutschland auch langfristig allenfalls einen Bruchteil des Bedarfs decken kann.
Mit der Grünen Wasserstoffstrategie wollen wir unser Land in eine Zukunft mit sauberer
Wärme, sauberem Strom, sauberer Industrie und sauberer Mobilität führen. An diesen Kriterien
orientieren wir die Ausgestaltung der Wasserstoffstrategie. Wasserstoff kann und soll unser
Land klimaverantwortlich machen. Daraus leiten sich für uns drei Leitbilder ab:
1. Gut für das Klima durch den Einsatz Erneuerbarer Energien
In der Grünen Wasserstoffstrategie wird nahezu ausschließlich erneuerbarer Strom eingesetzt
und dies nur in einem Umfang, der die Flankierung des Kohleausstiegs durch den Ausbau
Erneuerbarer Energien nicht gefährdet. Eine bloße Zertifizierung mit Grünstromzertifikaten
reicht uns dabei nicht. Wir wollen Wasserstoff zu Zeiten produzieren, in denen mehr
erneuerbarer Strom erzeugt, als verwendet werden kann. Ansonsten würde die
Wasserstoffproduktion dem Netz nämlich Grünen Strom entziehen, der andernorts durch Kohle-
oder Atomstrom ersetzt werden müsste, um die Nachfrage zu decken. Damit würde der
Wasserstoff indirekt aus Atom oder Kohle produziert, was nicht nur die Glaubwürdigkeit der
ganzen Wasserstoffwirtschaft untergraben würde, sondern auch klima- und umweltbelastend
wäre. Zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme gehört auch, dass Wasserstoff nur während
bestimmter erneuerbarer Erzeugungsspitzen zu 100 % aus regenerativen Energiequellen erzeugt
werden kann, solange der Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung nicht abgeschlossen ist.
Bis dahin achten wir auf einen maßvollen Zubau der Wasserstofftechnologie, der sich gezielt
an den Bedürfnissen der Energiewende orientiert.
Elementare Voraussetzung für eine klimaverantwortliche Wasserstoffstrategie ist daher, dass
der Ausbau der Erneuerbaren Energien endlich wieder Fahrt aufnimmt. Wir brauchen -
zusätzlich zu dem für Wasserstoff verbrauchten Strom – genug Ökostrom, um den Atom- und
Kohleausstieg ohne Schwierigkeiten und kostengünstig hinzubekommen. Derzeit sorgt die
Bundesregierung nicht einmal für die Hälfte des Ausbautempos bei den Erneuerbaren, welches
wir allein für den Kohleausstieg bräuchten. Der Ausbau von Wind an Land lag schon letztes
Jahr nur noch bei der Hälfte der gewohnten Geschwindigkeit und ist nun auf ein dramatisches
Maß abgestürzt. So werden zukünftig keine relevanten Mengen an zusätzlichem erneuerbaren
Strom für die Wasserstofferzeugung bereit stehen. Dieses Problem muss zwingend gelöst
werden, damit Wasserstoff seinen Platz in der erneuerbaren Zukunft einnehmen kann.
2. Gut für die Versorgungssicherheit durch Orientierung an der aktuellen Lage im Stromnetz
Für das Klima ist der Clou des Wasserstoffes jedoch seine Speicherbarkeit. Diesen Vorteil
muss er ausspielen, um seinen Platz im Team der Energiewende-Technologien einzunehmen. Das
bedeutet, dass Wasserstoff dann und dort produziert wird, wo viel erneuerbarer Strom zur
Verfügung steht. Es ist offensichtlich, dass eine große Stromentnahme während eines Tages
mit wenig Wind und Sonne oder hinter einem Netzengpass kein sinnvoller Beitrag zu einer
klimaverantwortlichen Energiewirtschaft sein kann. Man sagt, dass die Wasserstoffproduktion
„netzdienlich“ organisiert werden muss, sich also an der jeweils aktuellen Lage im Stromnetz
mit Erzeugungs- und Verbrauchsspitzen vor und hinter den Netzengpässen orientieren soll. So
wird auch verhindert, dass die Wasserstoffstrategie zusätzlichen Netzausbau auslöst.
3. Gut für neue Jobs in Deutschland durch Entwicklung einer echten Zukunftstechnologie
Heute ist die Wasserstoffwirtschaft in vielen Bereichen noch teurer als fossile
Energieträger, stößt auf regulatorische Schwierigkeiten oder scheitert am notwendigen Raum
für erneuerbare Stromerzeugungsanlagen in Deutschland. Es gibt aber kaum ein glaubwürdiges
Szenario für eine klimaverantwortliche Energiewirtschaft, in der Wasserstoff keine Rolle
spielen würde. Die Technik wird also mit Sicherheit gebraucht. Und da wir beim Klimaschutz
keine Zeit zu verlieren haben, ist es die Verantwortung der Politik, die Rahmenbedingungen
so zu setzen, dass der Einsatz und damit die Weiterentwicklung der Technologie so schnell
wie möglich erfolgen. So könnten schon bald neue Arbeitsplätze in Deutschlandland entstehen.
Die Grüne Wasserstoffwirtschaft steht weltweit vor dem Durchbruch und ist eines der
zentralen Industriefelder der Zukunft.
Instrumente & Maßnahmen
Es ist höchste Zeit, dass nicht nur über Wasserstoff gesprochen wird, sondern die
politischen Rahmenbedingungen den Aufbruch in die nächste Phase der Energiewende ermöglichen
und anschieben. Dazu fordern wir zur Umsetzung der drei Leitbilder folgende politische
Weichenstellungen:
1. Ausbau der Erneuerbaren Energien
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist in der laufenden Legislaturperiode eingebrochen. Um
die Erneuerbaren entsprechend unseres ersten Leitbildes wieder auf Zielgeschwindigkeit zu
bringen, schlagen wir folgende Entscheidungen vor:
- Schaffung klarer Investitionssicherheit für Erneuerbare-Energien-Anlagen über den
ganzen Zeitraum bis mindestens 2030. Zum Beispiel dauert die Planung und Genehmigung
von Windparks meist mehrere Jahre, weshalb die kurzfristige Ausrufung von
Sonderausschreibungen nicht die notwendige Wirkung entfalten kann.
- Aufhebung der Deckelung für Photovoltaikanlagen.
- Entbürokratisierung des Betriebs von Mieterstromprojekten.
- Bereitstellung von mehr Flächen für den Ausbau der Windkraft. Hier gilt es, sowohl im
Planungs- und Genehmigungsrecht unnötige Hürden abzubauen, als auch Informationen zur
Bedeutung und den Auswirkungen von Windenergie zur Verfügung zu stellen.
- Maßnahmen für eine einheitlichere Beteiligung an den Kosten der Energiewende (bspw.
über die Netzentgelte) von Regionen mit viel Windkraft und Regionen mit weniger
Windkraft.
- finanzielle Beteiligung der Kommunen an den Einnahmen aus den Windparks verbessern.
- Erhöhung der Ausbauzahlen für Offshore-Windkraftanlagen auf 30 GW bis 2035. Wegen der
langen Planungszeiten ist hier schnelles Handeln erforderlich.
2. Nutzen statt Abschalten
Das Stromnetz kann und soll nicht jede produzierte Grüne Kilowattstunde aufnehmen und
transportieren. Schon heute werden in Zeiten von Netzengpässen Erneuerbare-Energien-Anlagen
abgeschaltet, der Strom wird nicht produziert. Dabei ist auch der Strom vor dem Engpass ein
wertvolles Gut. Es wäre sehr viel intelligenter, ihn zum Beispiel für die Produktion von
Wasserstoff zu nutzen. Ein konkreter Gesetzentwurf liegt seit Jahren vor. Leider mangelt es
am politischen Willen zur Umsetzung. Wir wollen, dass der Strom vor dem Netzengpass den
Betreibern von Wasserstoff-Anlagen und anderen Spontan-Nutzern kostengünstig zur Verfügung
gestellt wird, anstatt ihn gar nicht zu produzieren. Wenn der Betreiber dafür einen kleinen
Unkostenbeitrag zahlt, können damit sogar die Stromkunden entlastet werden. Wird das Windrad
abgeregelt, zahlt nämlich logischerweise niemand für den Strom.
3. Reform der Abgaben und Umlagen
Der Strom hinter den Netzengpässen allein wird aber nicht reichen, um die
Wasserstoffwirtschaft in Gang zu bringen. Zum einen ist es zu wenig – derzeit ungefähr 1%
des deutschen Stromverbrauchs. Zum anderen fällt er nicht verlässlich an. Schon die
Fertigstellung einer Stromleitung kann ganze Gebiete wieder zuverlässig ins Stromnetz
einbinden. Investitionen in Wasserstofftechnologie brauchen mehr Investitionssicherheit. Die
Produktion von Wasserstoff kann deshalb langfristig nur erfolgen, wenn es gelingt, die
Produktionskosten deutlich zu senken. Die zentrale Rolle spielen hier die Abgaben und
Entgelte, die nicht nur aus diesem Grund dringend reformiert werden müssen. Ziel der Reform
muss es sein, Erneuerbare günstiger zu machen. Das bedeutet, die Kosten für den
Stromverbrauch zeitlich und lokal spezifisch deutlich abzusenken und somit die netzdienliche
Produktion von Wasserstoff im Markt lukrativ zu machen. Zudem helfen auch ehrlichere CO2-
Preise für fossile Energieträger, die im Wettbewerb mit erneuerbarem Wasserstoff unlautere
Vorteile genießen, da die Umweltschäden derzeit von der Allgemeinheit getragen werden. Die
Leidtragenden dieser Ungerechtigkeit sind zukünftige Generationen, die weder die Chance
haben zu protestieren, noch von den Bequemlichkeiten profitieren, die mit dem massenhaften
Abbrennen fossiler Energieträger einhergehen.
4. Innovationsräume für Technologieentwicklung schaffen
Innovationsräume können ein wichtiger Baustein für den zukünftigen Markteinstieg von Grünem
Wasserstoff sein. Zusätzlich zu den oben genannten Instrumenten ist Technologieförderung in
der Wasserstoffindustrie sinnvoll. Hier bieten die Reallabore der Energiewende einen guten
Anknüpfungspunkt. Wir schlagen zusätzlich klar abgegrenzte, aber nicht auf bestimmte
Projekte beschränkte Experimentierräume vor, in denen zeitlich spezifisch die
Strombezugskosten so gesenkt werden, dass die Innovationslust der Unternehmen für die
Entwicklung, Erprobung und Bewertung verschiedener Technologien und Geschäftsmodelle geweckt
wird. Zugleich werden hier nicht nur Technologien und Geschäftsmodelle weiterentwickelt,
sondern auch Innovationen in der Regulierung real getestet. Geografisch sollen diese in
Netzgebieten entstehen, in denen bereits viele Erneuerbare–Energien-Anlagen errichtet wurden
und derzeit vielfach abgeschaltet werden.
Eine weitere Chance für innovative Lösungen bietet der Kohleausstieg. Auf ehemaligen
Kraftwerksstandorten und Tagebauflächen könnten neue große Wind- und Solarparks einen Teil
ihres Stromes zur Produktion von Wasserstoff verwenden und die Netzknoten der ehemaligen
Kohlekraftwerke genutzt werden, um die Stromversorgung an den wenigen Tagen im Jahr zu
gewährleisten, an denen weder Wind noch Sonne nennenswert liefern. Die Kombination von
Erneuerbaren Energien und Wasserstoffproduktion soll an Standorten erfolgen, welche durch
den Strukturwandel im Energiesystem besonders betroffen sind.
Neben den technischen Lösungen sollte daran geforscht werden, wie die Gesamtstrategie
Wasserstoff sich sinnvoll in die Energiewende einfügt. Wasserstoff wird auch zukünftig nur
in begrenzten Mengen zur Verfügung stehen. Daher ist es wichtig zu diskutieren, in welchen
Wirtschaftssektoren dieser am besten und klimaeffizientesten eingesetzt wird.
5. Importstrukturen für Wasserstoff
Es ist absehbar, dass die auch bei uns entwickelte Wasserstofftechnik nicht nur in
Deutschland zur Anwendung kommen wird. Andere Länder machen sich ebenfalls auf den Weg in
die erneuerbare Zukunft. Wir werden in Deutschland aufgrund von beschränkter
Flächenverfügbarkeit nicht genügend erneuerbaren Strom produzieren können, um die
Energienachfrage zu decken. Vermutlich gilt das sogar dann, wenn wir deutlich sparsamer im
Umgang mit Energie werden, was unumgänglich ist und erstes Ziel bleiben muss. Deshalb ist es
klug, Importmöglichkeiten von erneuerbarem Wasserstoff vorsichtig auszutesten, Erfahrungen
zu sammeln und ein Signal zu setzen, das unser Interesse an sauberer Energie in die Welt
sendet. Gerade für Länder, in denen z.B. viel Sonne scheint oder der Wind stärker weht,
bietet die Produktion von Wasserstoff einen neuen Markt abseits von (fossilen) Rohstoffen
und der Produktion von ausreichend Ökostrom für den eigenen Bedarf. Dabei achten wir von
Anfang an auf die strikte Einhaltung von Menschenrechten. Ein interessantes politisches
Instrument könnte eine zunächst sehr niedrige, aber langsam ansteigende Quote für
erneuerbares Kerosin im Flugverkehr sein, das auf Grundlage von erneuerbarem Wasserstoff aus
dem In- und Ausland produziert wird. Aufbauend auf diesen Erfahrungen zu verfügbaren Mengen
aus dem Ausland, Menschenrechtsstandards und den praktikablen Transportwegen können wir in
Deutschland dann verlässlicher abschätzen, welchen Beitrag Wasserstoff zur Energieversorgung
der Zukunft in unserem Land und in Europa leisten kann, soll und wird.
weitere Antragsteller*innen
- Felix Beutler (KV Berlin-Lichtenberg)
- Karin Müller (KV Kassel-Stadt)
- Daniela Wagner (KV Darmstadt)
- Reiner Daams (KV Solingen)
- Jens Schabacher (KV Bremen-Mitte)
- Dennis Paustian-Döscher (KV Hamburg-Wandsbek)
- Martin Kirsch (KV Gießen)
- Marcel Ernst (KV Göttingen)
- Leander Hirschsteiner (KV München)
- Jonas Wille (KV Darmstadt)
- Bettina Hoffmann (KV Schwalm-Eder)
- Kordula Schulz-Asche (KV Main-Taunus)
- Nicolá Lutzmann (KV Heidelberg)
- Andreas Bühler (KV Karlsruhe)
- Inga Kretzschmar (KV Lippe)
- Gabriele C. Klug (KV Köln)
- Bruno Jöbkes (KV Kleve)
- Theresa Theune (KV Berlin-Pankow)
- David Vaulont (KV Freiburg)
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Von Zeile 70 bis 71:
zusätzlicher Bedarf von 650 TWh an regenerativem Strom entstehen. Dieser Wert übersteigt den aktuellen deutschen StromverbrauchStromverbrauchs. Nimmt man den Bedarf im Luftverkehr hinzu, wird deutlich, dass Wasserstoff- Produktion in Deutschland auch langfristig allenfalls einen Bruchteil des heutigen Bedarfs decken kann.
Der Weg in eine klimaverantwortliche Zukunft ist für unser Land Herausforderung und Chance
zugleich. Klug durchdacht und umgesetzt, wird die dringend notwendige Neuausrichtung unseres
Energiesystems zum Sprungbrett in die Energiewelt von morgen. Das bedeutet nicht nur den
Umbau des heutigen Stromsystems. Auch die Sektoren Verkehr, Wärme, Landwirtschaft und
Industrie dürfen spätestens zur Mitte des Jahrhunderts keine klimaaggressiven Emissionen
mehr produzieren. Für uns Grüne ist die intelligente Verknüpfung der einzelnen Sektoren kein
fernes Zukunftsszenario. Wer in 30 Jahren in einer gut vernetzten und sauberen Energiewelt
leben möchte, muss hier und heute die Weichen in Richtung Zukunft stellen – mit klarer
Vision und klugen Konzepten.
Die Produktion von erneuerbar erzeugtem Wasserstoff bietet vielfältige Möglichkeiten, in
allen Sektoren Treibhausgase einzusparen: Grüner Wasserstoff kann dabei helfen, dass
energieintensive Industrieprozesse sauberer werden oder Schwerlastverkehr ohne schädliche
Emissionen vorankommt. Gleichzeitig ist für uns klar, dass überall dort, wo direkte
Stromanwendungen möglich sind, diese auch bevorzugt genutzt werden. Denn wegen der
Umwandlungsverluste der Elektrolyse ist eine direkte Stromanwendung effizienter als die
Produktion und Nutzung von Grünem Wasserstoff. Wichtig ist daher, dass Wasserstoff in
Regionen des Landes mit hohem Anteil Erneuerbarer Energien produziert und wie alle
Energieträger entsprechend seiner besonderen Vorteile effizient und gezielt eingesetzt wird.
Hohe Umwandlungsverluste auf der einen Seite, vergleichsweise gute Speicherbarkeit und hohe
Energiedichte auf der anderen Seite bestimmen die Anwendungsfelder, in denen Wasserstoff
künftig eine unverzichtbare Rolle spielen wird.
Wasserstoff wird vor allem dort zur Alternative für fossile Brennstoffe, wo
batterieelektrische Antriebe aufgrund fehlender Reichweite an ihre Grenzen stoßen und es
größere Fahrzeuge als Autos anzutreiben gilt. Mit Brennstoffzellen angetriebene LKW und
Busse reduzieren nicht bloß CO2-Emissionen, sie sorgen auch für bessere Luft. Oberleitungs-
Lkw, neue leistungsstärkere Batteriekonzepte und eine deutlich bessere Güterbahn könnten
allerdings zukünftig auch im Schwerlastverkehr eine effiziente Alternative sein. Auch im
Schiffsverkehr könnten Wasserstoff und strombasierte Flüssigkraftstoffe eine wichtige Rolle
für den Klimaschutz spielen. Auf der Schiene sollte Strom direkt genutzt werden, wo immer
dies möglich ist. Aber auf langen, verkehrsarmen Strecken, die nicht rasch elektrifiziert
werden können und stattdessen von dreckigen und schwerfälligen Dieselloks befahren werden,
können Wasserstoffzüge neben batterieelektrischen Antrieben eine sinnvolle Lösung
darstellen.
Großes Potenzial für die Nutzung von Grünem Wasserstoff besteht auch in Industriezweigen,
die wenig technische Möglichkeiten zur Dekarbonisierung besitzen. Durch den Einsatz von
Grünem Wasserstoff werden klimaneutrale Hochöfen in der Stahlindustrie und klimaneutrale
Chemieparks möglich – als wichtige Schritte zur Dekarbonisierung und Standortsicherung der
energieintensiven Industrie in Deutschland. Der in der chemischen Industrie benötigte
Wasserstoff wird derzeit oft aus Erdgas gewonnen. Mit Grünem Wasserstoff aus Ökostrom gäbe
es auch hier eine klimafreundliche Alternative.
Und auch unser Stromsystem kann von der Wasserstoffproduktion profitieren: Die seltenen Tage
im Jahr, an denen weder Wind weht noch die Sonne scheint, können mit Hilfe von Wasserstoff
gut gemeistert werden. Zu Zeiten, in denen erneuerbar produzierter Strom reichlich verfügbar
ist, kann er in Wasserstoff umgewandelt und somit langfristig gespeichert werden. Scheint
die Sonne einmal nicht und der Wind bleibt aus, wird der gespeicherte Wasserstoff
rückverstromt und stabilisiert damit das Gesamtsystem. Wasserstoff ist eine von mehreren
möglichen Formen der Sektorkopplung und eine Speicherform neben anderen - im Vergleich
verlustärmeren - Speichertechnologien wie zum Beispiel Batteriespeicher,
Pumpspeicherkraftwerke oder Druckluftspeicher.
Die vielfältigen Potenziale einer deutschen Wasserstoffwirtschaft werden auch von jungen und
junggebliebenen Unternehmerinnen und Unternehmern erkannt. An vielen Orten in Deutschland
gibt es ambitionierte Gründerinnen und Gründer, die nur darauf warten, mit innovativen Ideen
ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten. Doch leider machen die derzeitigen politisch-
rechtlichen Rahmenbedingungen die besten Ideen unwirtschaftlich. Das Problem: Der Strompreis
wird völlig verzerrt, weil die Regierung seit Jahren die notwendige Reform der Abgaben und
Umlagen verweigert.
In Europa haben sich bereits einige Länder auf den Weg gemacht, Wasserstoffstrategien zu
formulieren, um sich auch industriepolitisch und bei der Technologieentwicklung frühzeitig
zu positionieren. International nehmen das Interesse und die Zahl der Projekte rapide zu.
Gerade für Länder, in denen die Sonne sehr viel scheint, bieten sich neue Märkte abseits des
Handels mit fossilen Rohstoffen. Auch Deutschland ist gefragt, jetzt die Rahmenbedingungen
zu schaffen, Chancen in der Technologienentwicklung zu nutzen und die strategischen
Weichenstellungen vorzunehmen.
Leitbilder einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland
Am günstigsten und naturverträglichsten ist natürlich die Kilowattstunde, die gar nicht erst
erzeugt wird. Deshalb gilt für uns der Grundsatz: „Efficiency first!“. Die zukünftigen
Herausforderungen in der chemischen Industrie zeigen uns beispielhaft, wie wichtig der
Effizienzgedanke ist. Soll die Herstellung chemischer Produkte, z.B. von Kunststoff oder
Arzneimitteln, bis zum Jahr 2050 komplett klimaneutral sein, könnte dafür in Deutschland ein
zusätzlicher Bedarf von 650 TWh an regenerativem Strom entstehen. Dieser Wert übersteigt den
aktuellen deutschen StromverbrauchStromverbrauchs. Nimmt man den Bedarf im Luftverkehr hinzu, wird deutlich, dass Wasserstoff- Produktion in Deutschland auch langfristig allenfalls einen Bruchteil des heutigen Bedarfs decken kann.
Mit der Grünen Wasserstoffstrategie wollen wir unser Land in eine Zukunft mit sauberer
Wärme, sauberem Strom, sauberer Industrie und sauberer Mobilität führen. An diesen Kriterien
orientieren wir die Ausgestaltung der Wasserstoffstrategie. Wasserstoff kann und soll unser
Land klimaverantwortlich machen. Daraus leiten sich für uns drei Leitbilder ab:
1. Gut für das Klima durch den Einsatz Erneuerbarer Energien
In der Grünen Wasserstoffstrategie wird nahezu ausschließlich erneuerbarer Strom eingesetzt
und dies nur in einem Umfang, der die Flankierung des Kohleausstiegs durch den Ausbau
Erneuerbarer Energien nicht gefährdet. Eine bloße Zertifizierung mit Grünstromzertifikaten
reicht uns dabei nicht. Wir wollen Wasserstoff zu Zeiten produzieren, in denen mehr
erneuerbarer Strom erzeugt, als verwendet werden kann. Ansonsten würde die
Wasserstoffproduktion dem Netz nämlich Grünen Strom entziehen, der andernorts durch Kohle-
oder Atomstrom ersetzt werden müsste, um die Nachfrage zu decken. Damit würde der
Wasserstoff indirekt aus Atom oder Kohle produziert, was nicht nur die Glaubwürdigkeit der
ganzen Wasserstoffwirtschaft untergraben würde, sondern auch klima- und umweltbelastend
wäre. Zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme gehört auch, dass Wasserstoff nur während
bestimmter erneuerbarer Erzeugungsspitzen zu 100 % aus regenerativen Energiequellen erzeugt
werden kann, solange der Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung nicht abgeschlossen ist.
Bis dahin achten wir auf einen maßvollen Zubau der Wasserstofftechnologie, der sich gezielt
an den Bedürfnissen der Energiewende orientiert.
Elementare Voraussetzung für eine klimaverantwortliche Wasserstoffstrategie ist daher, dass
der Ausbau der Erneuerbaren Energien endlich wieder Fahrt aufnimmt. Wir brauchen -
zusätzlich zu dem für Wasserstoff verbrauchten Strom – genug Ökostrom, um den Atom- und
Kohleausstieg ohne Schwierigkeiten und kostengünstig hinzubekommen. Derzeit sorgt die
Bundesregierung nicht einmal für die Hälfte des Ausbautempos bei den Erneuerbaren, welches
wir allein für den Kohleausstieg bräuchten. Der Ausbau von Wind an Land lag schon letztes
Jahr nur noch bei der Hälfte der gewohnten Geschwindigkeit und ist nun auf ein dramatisches
Maß abgestürzt. So werden zukünftig keine relevanten Mengen an zusätzlichem erneuerbaren
Strom für die Wasserstofferzeugung bereit stehen. Dieses Problem muss zwingend gelöst
werden, damit Wasserstoff seinen Platz in der erneuerbaren Zukunft einnehmen kann.
2. Gut für die Versorgungssicherheit durch Orientierung an der aktuellen Lage im Stromnetz
Für das Klima ist der Clou des Wasserstoffes jedoch seine Speicherbarkeit. Diesen Vorteil
muss er ausspielen, um seinen Platz im Team der Energiewende-Technologien einzunehmen. Das
bedeutet, dass Wasserstoff dann und dort produziert wird, wo viel erneuerbarer Strom zur
Verfügung steht. Es ist offensichtlich, dass eine große Stromentnahme während eines Tages
mit wenig Wind und Sonne oder hinter einem Netzengpass kein sinnvoller Beitrag zu einer
klimaverantwortlichen Energiewirtschaft sein kann. Man sagt, dass die Wasserstoffproduktion
„netzdienlich“ organisiert werden muss, sich also an der jeweils aktuellen Lage im Stromnetz
mit Erzeugungs- und Verbrauchsspitzen vor und hinter den Netzengpässen orientieren soll. So
wird auch verhindert, dass die Wasserstoffstrategie zusätzlichen Netzausbau auslöst.
3. Gut für neue Jobs in Deutschland durch Entwicklung einer echten Zukunftstechnologie
Heute ist die Wasserstoffwirtschaft in vielen Bereichen noch teurer als fossile
Energieträger, stößt auf regulatorische Schwierigkeiten oder scheitert am notwendigen Raum
für erneuerbare Stromerzeugungsanlagen in Deutschland. Es gibt aber kaum ein glaubwürdiges
Szenario für eine klimaverantwortliche Energiewirtschaft, in der Wasserstoff keine Rolle
spielen würde. Die Technik wird also mit Sicherheit gebraucht. Und da wir beim Klimaschutz
keine Zeit zu verlieren haben, ist es die Verantwortung der Politik, die Rahmenbedingungen
so zu setzen, dass der Einsatz und damit die Weiterentwicklung der Technologie so schnell
wie möglich erfolgen. So könnten schon bald neue Arbeitsplätze in Deutschlandland entstehen.
Die Grüne Wasserstoffwirtschaft steht weltweit vor dem Durchbruch und ist eines der
zentralen Industriefelder der Zukunft.
Instrumente & Maßnahmen
Es ist höchste Zeit, dass nicht nur über Wasserstoff gesprochen wird, sondern die
politischen Rahmenbedingungen den Aufbruch in die nächste Phase der Energiewende ermöglichen
und anschieben. Dazu fordern wir zur Umsetzung der drei Leitbilder folgende politische
Weichenstellungen:
1. Ausbau der Erneuerbaren Energien
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist in der laufenden Legislaturperiode eingebrochen. Um
die Erneuerbaren entsprechend unseres ersten Leitbildes wieder auf Zielgeschwindigkeit zu
bringen, schlagen wir folgende Entscheidungen vor:
- Schaffung klarer Investitionssicherheit für Erneuerbare-Energien-Anlagen über den
ganzen Zeitraum bis mindestens 2030. Zum Beispiel dauert die Planung und Genehmigung
von Windparks meist mehrere Jahre, weshalb die kurzfristige Ausrufung von
Sonderausschreibungen nicht die notwendige Wirkung entfalten kann.
- Aufhebung der Deckelung für Photovoltaikanlagen.
- Entbürokratisierung des Betriebs von Mieterstromprojekten.
- Bereitstellung von mehr Flächen für den Ausbau der Windkraft. Hier gilt es, sowohl im
Planungs- und Genehmigungsrecht unnötige Hürden abzubauen, als auch Informationen zur
Bedeutung und den Auswirkungen von Windenergie zur Verfügung zu stellen.
- Maßnahmen für eine einheitlichere Beteiligung an den Kosten der Energiewende (bspw.
über die Netzentgelte) von Regionen mit viel Windkraft und Regionen mit weniger
Windkraft.
- finanzielle Beteiligung der Kommunen an den Einnahmen aus den Windparks verbessern.
- Erhöhung der Ausbauzahlen für Offshore-Windkraftanlagen auf 30 GW bis 2035. Wegen der
langen Planungszeiten ist hier schnelles Handeln erforderlich.
2. Nutzen statt Abschalten
Das Stromnetz kann und soll nicht jede produzierte Grüne Kilowattstunde aufnehmen und
transportieren. Schon heute werden in Zeiten von Netzengpässen Erneuerbare-Energien-Anlagen
abgeschaltet, der Strom wird nicht produziert. Dabei ist auch der Strom vor dem Engpass ein
wertvolles Gut. Es wäre sehr viel intelligenter, ihn zum Beispiel für die Produktion von
Wasserstoff zu nutzen. Ein konkreter Gesetzentwurf liegt seit Jahren vor. Leider mangelt es
am politischen Willen zur Umsetzung. Wir wollen, dass der Strom vor dem Netzengpass den
Betreibern von Wasserstoff-Anlagen und anderen Spontan-Nutzern kostengünstig zur Verfügung
gestellt wird, anstatt ihn gar nicht zu produzieren. Wenn der Betreiber dafür einen kleinen
Unkostenbeitrag zahlt, können damit sogar die Stromkunden entlastet werden. Wird das Windrad
abgeregelt, zahlt nämlich logischerweise niemand für den Strom.
3. Reform der Abgaben und Umlagen
Der Strom hinter den Netzengpässen allein wird aber nicht reichen, um die
Wasserstoffwirtschaft in Gang zu bringen. Zum einen ist es zu wenig – derzeit ungefähr 1%
des deutschen Stromverbrauchs. Zum anderen fällt er nicht verlässlich an. Schon die
Fertigstellung einer Stromleitung kann ganze Gebiete wieder zuverlässig ins Stromnetz
einbinden. Investitionen in Wasserstofftechnologie brauchen mehr Investitionssicherheit. Die
Produktion von Wasserstoff kann deshalb langfristig nur erfolgen, wenn es gelingt, die
Produktionskosten deutlich zu senken. Die zentrale Rolle spielen hier die Abgaben und
Entgelte, die nicht nur aus diesem Grund dringend reformiert werden müssen. Ziel der Reform
muss es sein, Erneuerbare günstiger zu machen. Das bedeutet, die Kosten für den
Stromverbrauch zeitlich und lokal spezifisch deutlich abzusenken und somit die netzdienliche
Produktion von Wasserstoff im Markt lukrativ zu machen. Zudem helfen auch ehrlichere CO2-
Preise für fossile Energieträger, die im Wettbewerb mit erneuerbarem Wasserstoff unlautere
Vorteile genießen, da die Umweltschäden derzeit von der Allgemeinheit getragen werden. Die
Leidtragenden dieser Ungerechtigkeit sind zukünftige Generationen, die weder die Chance
haben zu protestieren, noch von den Bequemlichkeiten profitieren, die mit dem massenhaften
Abbrennen fossiler Energieträger einhergehen.
4. Innovationsräume für Technologieentwicklung schaffen
Innovationsräume können ein wichtiger Baustein für den zukünftigen Markteinstieg von Grünem
Wasserstoff sein. Zusätzlich zu den oben genannten Instrumenten ist Technologieförderung in
der Wasserstoffindustrie sinnvoll. Hier bieten die Reallabore der Energiewende einen guten
Anknüpfungspunkt. Wir schlagen zusätzlich klar abgegrenzte, aber nicht auf bestimmte
Projekte beschränkte Experimentierräume vor, in denen zeitlich spezifisch die
Strombezugskosten so gesenkt werden, dass die Innovationslust der Unternehmen für die
Entwicklung, Erprobung und Bewertung verschiedener Technologien und Geschäftsmodelle geweckt
wird. Zugleich werden hier nicht nur Technologien und Geschäftsmodelle weiterentwickelt,
sondern auch Innovationen in der Regulierung real getestet. Geografisch sollen diese in
Netzgebieten entstehen, in denen bereits viele Erneuerbare–Energien-Anlagen errichtet wurden
und derzeit vielfach abgeschaltet werden.
Eine weitere Chance für innovative Lösungen bietet der Kohleausstieg. Auf ehemaligen
Kraftwerksstandorten und Tagebauflächen könnten neue große Wind- und Solarparks einen Teil
ihres Stromes zur Produktion von Wasserstoff verwenden und die Netzknoten der ehemaligen
Kohlekraftwerke genutzt werden, um die Stromversorgung an den wenigen Tagen im Jahr zu
gewährleisten, an denen weder Wind noch Sonne nennenswert liefern. Die Kombination von
Erneuerbaren Energien und Wasserstoffproduktion soll an Standorten erfolgen, welche durch
den Strukturwandel im Energiesystem besonders betroffen sind.
Neben den technischen Lösungen sollte daran geforscht werden, wie die Gesamtstrategie
Wasserstoff sich sinnvoll in die Energiewende einfügt. Wasserstoff wird auch zukünftig nur
in begrenzten Mengen zur Verfügung stehen. Daher ist es wichtig zu diskutieren, in welchen
Wirtschaftssektoren dieser am besten und klimaeffizientesten eingesetzt wird.
5. Importstrukturen für Wasserstoff
Es ist absehbar, dass die auch bei uns entwickelte Wasserstofftechnik nicht nur in
Deutschland zur Anwendung kommen wird. Andere Länder machen sich ebenfalls auf den Weg in
die erneuerbare Zukunft. Wir werden in Deutschland aufgrund von beschränkter
Flächenverfügbarkeit nicht genügend erneuerbaren Strom produzieren können, um die
Energienachfrage zu decken. Vermutlich gilt das sogar dann, wenn wir deutlich sparsamer im
Umgang mit Energie werden, was unumgänglich ist und erstes Ziel bleiben muss. Deshalb ist es
klug, Importmöglichkeiten von erneuerbarem Wasserstoff vorsichtig auszutesten, Erfahrungen
zu sammeln und ein Signal zu setzen, das unser Interesse an sauberer Energie in die Welt
sendet. Gerade für Länder, in denen z.B. viel Sonne scheint oder der Wind stärker weht,
bietet die Produktion von Wasserstoff einen neuen Markt abseits von (fossilen) Rohstoffen
und der Produktion von ausreichend Ökostrom für den eigenen Bedarf. Dabei achten wir von
Anfang an auf die strikte Einhaltung von Menschenrechten. Ein interessantes politisches
Instrument könnte eine zunächst sehr niedrige, aber langsam ansteigende Quote für
erneuerbares Kerosin im Flugverkehr sein, das auf Grundlage von erneuerbarem Wasserstoff aus
dem In- und Ausland produziert wird. Aufbauend auf diesen Erfahrungen zu verfügbaren Mengen
aus dem Ausland, Menschenrechtsstandards und den praktikablen Transportwegen können wir in
Deutschland dann verlässlicher abschätzen, welchen Beitrag Wasserstoff zur Energieversorgung
der Zukunft in unserem Land und in Europa leisten kann, soll und wird.
Antragstext
Von Zeile 70 bis 71 einfügen:
zusätzlicher Bedarf von 650 TWh an regenerativem Strom entstehen. Dieser Wert übersteigt den aktuellen deutschen Stromverbrauch. Nimmt man den Bedarf im Luftverkehr hinzu, wird deutlich dass Wasserstoff- bzw. E-Fuel-Produktion in Deutschland auch langfristig allenfalls einen Bruchteil des Bedarfs decken kann.
Der Weg in eine klimaverantwortliche Zukunft ist für unser Land Herausforderung und Chance
zugleich. Klug durchdacht und umgesetzt, wird die dringend notwendige Neuausrichtung unseres
Energiesystems zum Sprungbrett in die Energiewelt von morgen. Das bedeutet nicht nur den
Umbau des heutigen Stromsystems. Auch die Sektoren Verkehr, Wärme, Landwirtschaft und
Industrie dürfen spätestens zur Mitte des Jahrhunderts keine klimaaggressiven Emissionen
mehr produzieren. Für uns Grüne ist die intelligente Verknüpfung der einzelnen Sektoren kein
fernes Zukunftsszenario. Wer in 30 Jahren in einer gut vernetzten und sauberen Energiewelt
leben möchte, muss hier und heute die Weichen in Richtung Zukunft stellen – mit klarer
Vision und klugen Konzepten.
Die Produktion von erneuerbar erzeugtem Wasserstoff bietet vielfältige Möglichkeiten, in
allen Sektoren Treibhausgase einzusparen: Grüner Wasserstoff kann dabei helfen, dass
energieintensive Industrieprozesse sauberer werden oder Schwerlastverkehr ohne schädliche
Emissionen vorankommt. Gleichzeitig ist für uns klar, dass überall dort, wo direkte
Stromanwendungen möglich sind, diese auch bevorzugt genutzt werden. Denn wegen der
Umwandlungsverluste der Elektrolyse ist eine direkte Stromanwendung effizienter als die
Produktion und Nutzung von Grünem Wasserstoff. Wichtig ist daher, dass Wasserstoff in
Regionen des Landes mit hohem Anteil Erneuerbarer Energien produziert und wie alle
Energieträger entsprechend seiner besonderen Vorteile effizient und gezielt eingesetzt wird.
Hohe Umwandlungsverluste auf der einen Seite, vergleichsweise gute Speicherbarkeit und hohe
Energiedichte auf der anderen Seite bestimmen die Anwendungsfelder, in denen Wasserstoff
künftig eine unverzichtbare Rolle spielen wird.
Wasserstoff wird vor allem dort zur Alternative für fossile Brennstoffe, wo
batterieelektrische Antriebe aufgrund fehlender Reichweite an ihre Grenzen stoßen und es
größere Fahrzeuge als Autos anzutreiben gilt. Mit Brennstoffzellen angetriebene LKW und
Busse reduzieren nicht bloß CO2-Emissionen, sie sorgen auch für bessere Luft. Oberleitungs-
Lkw, neue leistungsstärkere Batteriekonzepte und eine deutlich bessere Güterbahn könnten
allerdings zukünftig auch im Schwerlastverkehr eine effiziente Alternative sein. Auch im
Schiffsverkehr könnten Wasserstoff und strombasierte Flüssigkraftstoffe eine wichtige Rolle
für den Klimaschutz spielen. Auf der Schiene sollte Strom direkt genutzt werden, wo immer
dies möglich ist. Aber auf langen, verkehrsarmen Strecken, die nicht rasch elektrifiziert
werden können und stattdessen von dreckigen und schwerfälligen Dieselloks befahren werden,
können Wasserstoffzüge neben batterieelektrischen Antrieben eine sinnvolle Lösung
darstellen.
Großes Potenzial für die Nutzung von Grünem Wasserstoff besteht auch in Industriezweigen,
die wenig technische Möglichkeiten zur Dekarbonisierung besitzen. Durch den Einsatz von
Grünem Wasserstoff werden klimaneutrale Hochöfen in der Stahlindustrie und klimaneutrale
Chemieparks möglich – als wichtige Schritte zur Dekarbonisierung und Standortsicherung der
energieintensiven Industrie in Deutschland. Der in der chemischen Industrie benötigte
Wasserstoff wird derzeit oft aus Erdgas gewonnen. Mit Grünem Wasserstoff aus Ökostrom gäbe
es auch hier eine klimafreundliche Alternative.
Und auch unser Stromsystem kann von der Wasserstoffproduktion profitieren: Die seltenen Tage
im Jahr, an denen weder Wind weht noch die Sonne scheint, können mit Hilfe von Wasserstoff
gut gemeistert werden. Zu Zeiten, in denen erneuerbar produzierter Strom reichlich verfügbar
ist, kann er in Wasserstoff umgewandelt und somit langfristig gespeichert werden. Scheint
die Sonne einmal nicht und der Wind bleibt aus, wird der gespeicherte Wasserstoff
rückverstromt und stabilisiert damit das Gesamtsystem. Wasserstoff ist eine von mehreren
möglichen Formen der Sektorkopplung und eine Speicherform neben anderen - im Vergleich
verlustärmeren - Speichertechnologien wie zum Beispiel Batteriespeicher,
Pumpspeicherkraftwerke oder Druckluftspeicher.
Die vielfältigen Potenziale einer deutschen Wasserstoffwirtschaft werden auch von jungen und
junggebliebenen Unternehmerinnen und Unternehmern erkannt. An vielen Orten in Deutschland
gibt es ambitionierte Gründerinnen und Gründer, die nur darauf warten, mit innovativen Ideen
ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten. Doch leider machen die derzeitigen politisch-
rechtlichen Rahmenbedingungen die besten Ideen unwirtschaftlich. Das Problem: Der Strompreis
wird völlig verzerrt, weil die Regierung seit Jahren die notwendige Reform der Abgaben und
Umlagen verweigert.
In Europa haben sich bereits einige Länder auf den Weg gemacht, Wasserstoffstrategien zu
formulieren, um sich auch industriepolitisch und bei der Technologieentwicklung frühzeitig
zu positionieren. International nehmen das Interesse und die Zahl der Projekte rapide zu.
Gerade für Länder, in denen die Sonne sehr viel scheint, bieten sich neue Märkte abseits des
Handels mit fossilen Rohstoffen. Auch Deutschland ist gefragt, jetzt die Rahmenbedingungen
zu schaffen, Chancen in der Technologienentwicklung zu nutzen und die strategischen
Weichenstellungen vorzunehmen.
Leitbilder einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland
Am günstigsten und naturverträglichsten ist natürlich die Kilowattstunde, die gar nicht erst
erzeugt wird. Deshalb gilt für uns der Grundsatz: „Efficiency first!“. Die zukünftigen
Herausforderungen in der chemischen Industrie zeigen uns beispielhaft, wie wichtig der
Effizienzgedanke ist. Soll die Herstellung chemischer Produkte, z.B. von Kunststoff oder
Arzneimitteln, bis zum Jahr 2050 komplett klimaneutral sein, könnte dafür in Deutschland ein
zusätzlicher Bedarf von 650 TWh an regenerativem Strom entstehen. Dieser Wert übersteigt den
aktuellen deutschen Stromverbrauch. Nimmt man den Bedarf im Luftverkehr hinzu, wird deutlich dass Wasserstoff- bzw. E-Fuel-Produktion in Deutschland auch langfristig allenfalls einen Bruchteil des Bedarfs decken kann.
Mit der Grünen Wasserstoffstrategie wollen wir unser Land in eine Zukunft mit sauberer
Wärme, sauberem Strom, sauberer Industrie und sauberer Mobilität führen. An diesen Kriterien
orientieren wir die Ausgestaltung der Wasserstoffstrategie. Wasserstoff kann und soll unser
Land klimaverantwortlich machen. Daraus leiten sich für uns drei Leitbilder ab:
1. Gut für das Klima durch den Einsatz Erneuerbarer Energien
In der Grünen Wasserstoffstrategie wird nahezu ausschließlich erneuerbarer Strom eingesetzt
und dies nur in einem Umfang, der die Flankierung des Kohleausstiegs durch den Ausbau
Erneuerbarer Energien nicht gefährdet. Eine bloße Zertifizierung mit Grünstromzertifikaten
reicht uns dabei nicht. Wir wollen Wasserstoff zu Zeiten produzieren, in denen mehr
erneuerbarer Strom erzeugt, als verwendet werden kann. Ansonsten würde die
Wasserstoffproduktion dem Netz nämlich Grünen Strom entziehen, der andernorts durch Kohle-
oder Atomstrom ersetzt werden müsste, um die Nachfrage zu decken. Damit würde der
Wasserstoff indirekt aus Atom oder Kohle produziert, was nicht nur die Glaubwürdigkeit der
ganzen Wasserstoffwirtschaft untergraben würde, sondern auch klima- und umweltbelastend
wäre. Zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme gehört auch, dass Wasserstoff nur während
bestimmter erneuerbarer Erzeugungsspitzen zu 100 % aus regenerativen Energiequellen erzeugt
werden kann, solange der Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung nicht abgeschlossen ist.
Bis dahin achten wir auf einen maßvollen Zubau der Wasserstofftechnologie, der sich gezielt
an den Bedürfnissen der Energiewende orientiert.
Elementare Voraussetzung für eine klimaverantwortliche Wasserstoffstrategie ist daher, dass
der Ausbau der Erneuerbaren Energien endlich wieder Fahrt aufnimmt. Wir brauchen -
zusätzlich zu dem für Wasserstoff verbrauchten Strom – genug Ökostrom, um den Atom- und
Kohleausstieg ohne Schwierigkeiten und kostengünstig hinzubekommen. Derzeit sorgt die
Bundesregierung nicht einmal für die Hälfte des Ausbautempos bei den Erneuerbaren, welches
wir allein für den Kohleausstieg bräuchten. Der Ausbau von Wind an Land lag schon letztes
Jahr nur noch bei der Hälfte der gewohnten Geschwindigkeit und ist nun auf ein dramatisches
Maß abgestürzt. So werden zukünftig keine relevanten Mengen an zusätzlichem erneuerbaren
Strom für die Wasserstofferzeugung bereit stehen. Dieses Problem muss zwingend gelöst
werden, damit Wasserstoff seinen Platz in der erneuerbaren Zukunft einnehmen kann.
2. Gut für die Versorgungssicherheit durch Orientierung an der aktuellen Lage im Stromnetz
Für das Klima ist der Clou des Wasserstoffes jedoch seine Speicherbarkeit. Diesen Vorteil
muss er ausspielen, um seinen Platz im Team der Energiewende-Technologien einzunehmen. Das
bedeutet, dass Wasserstoff dann und dort produziert wird, wo viel erneuerbarer Strom zur
Verfügung steht. Es ist offensichtlich, dass eine große Stromentnahme während eines Tages
mit wenig Wind und Sonne oder hinter einem Netzengpass kein sinnvoller Beitrag zu einer
klimaverantwortlichen Energiewirtschaft sein kann. Man sagt, dass die Wasserstoffproduktion
„netzdienlich“ organisiert werden muss, sich also an der jeweils aktuellen Lage im Stromnetz
mit Erzeugungs- und Verbrauchsspitzen vor und hinter den Netzengpässen orientieren soll. So
wird auch verhindert, dass die Wasserstoffstrategie zusätzlichen Netzausbau auslöst.
3. Gut für neue Jobs in Deutschland durch Entwicklung einer echten Zukunftstechnologie
Heute ist die Wasserstoffwirtschaft in vielen Bereichen noch teurer als fossile
Energieträger, stößt auf regulatorische Schwierigkeiten oder scheitert am notwendigen Raum
für erneuerbare Stromerzeugungsanlagen in Deutschland. Es gibt aber kaum ein glaubwürdiges
Szenario für eine klimaverantwortliche Energiewirtschaft, in der Wasserstoff keine Rolle
spielen würde. Die Technik wird also mit Sicherheit gebraucht. Und da wir beim Klimaschutz
keine Zeit zu verlieren haben, ist es die Verantwortung der Politik, die Rahmenbedingungen
so zu setzen, dass der Einsatz und damit die Weiterentwicklung der Technologie so schnell
wie möglich erfolgen. So könnten schon bald neue Arbeitsplätze in Deutschlandland entstehen.
Die Grüne Wasserstoffwirtschaft steht weltweit vor dem Durchbruch und ist eines der
zentralen Industriefelder der Zukunft.
Instrumente & Maßnahmen
Es ist höchste Zeit, dass nicht nur über Wasserstoff gesprochen wird, sondern die
politischen Rahmenbedingungen den Aufbruch in die nächste Phase der Energiewende ermöglichen
und anschieben. Dazu fordern wir zur Umsetzung der drei Leitbilder folgende politische
Weichenstellungen:
1. Ausbau der Erneuerbaren Energien
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist in der laufenden Legislaturperiode eingebrochen. Um
die Erneuerbaren entsprechend unseres ersten Leitbildes wieder auf Zielgeschwindigkeit zu
bringen, schlagen wir folgende Entscheidungen vor:
- Schaffung klarer Investitionssicherheit für Erneuerbare-Energien-Anlagen über den
ganzen Zeitraum bis mindestens 2030. Zum Beispiel dauert die Planung und Genehmigung
von Windparks meist mehrere Jahre, weshalb die kurzfristige Ausrufung von
Sonderausschreibungen nicht die notwendige Wirkung entfalten kann.
- Aufhebung der Deckelung für Photovoltaikanlagen.
- Entbürokratisierung des Betriebs von Mieterstromprojekten.
- Bereitstellung von mehr Flächen für den Ausbau der Windkraft. Hier gilt es, sowohl im
Planungs- und Genehmigungsrecht unnötige Hürden abzubauen, als auch Informationen zur
Bedeutung und den Auswirkungen von Windenergie zur Verfügung zu stellen.
- Maßnahmen für eine einheitlichere Beteiligung an den Kosten der Energiewende (bspw.
über die Netzentgelte) von Regionen mit viel Windkraft und Regionen mit weniger
Windkraft.
- finanzielle Beteiligung der Kommunen an den Einnahmen aus den Windparks verbessern.
- Erhöhung der Ausbauzahlen für Offshore-Windkraftanlagen auf 30 GW bis 2035. Wegen der
langen Planungszeiten ist hier schnelles Handeln erforderlich.
2. Nutzen statt Abschalten
Das Stromnetz kann und soll nicht jede produzierte Grüne Kilowattstunde aufnehmen und
transportieren. Schon heute werden in Zeiten von Netzengpässen Erneuerbare-Energien-Anlagen
abgeschaltet, der Strom wird nicht produziert. Dabei ist auch der Strom vor dem Engpass ein
wertvolles Gut. Es wäre sehr viel intelligenter, ihn zum Beispiel für die Produktion von
Wasserstoff zu nutzen. Ein konkreter Gesetzentwurf liegt seit Jahren vor. Leider mangelt es
am politischen Willen zur Umsetzung. Wir wollen, dass der Strom vor dem Netzengpass den
Betreibern von Wasserstoff-Anlagen und anderen Spontan-Nutzern kostengünstig zur Verfügung
gestellt wird, anstatt ihn gar nicht zu produzieren. Wenn der Betreiber dafür einen kleinen
Unkostenbeitrag zahlt, können damit sogar die Stromkunden entlastet werden. Wird das Windrad
abgeregelt, zahlt nämlich logischerweise niemand für den Strom.
3. Reform der Abgaben und Umlagen
Der Strom hinter den Netzengpässen allein wird aber nicht reichen, um die
Wasserstoffwirtschaft in Gang zu bringen. Zum einen ist es zu wenig – derzeit ungefähr 1%
des deutschen Stromverbrauchs. Zum anderen fällt er nicht verlässlich an. Schon die
Fertigstellung einer Stromleitung kann ganze Gebiete wieder zuverlässig ins Stromnetz
einbinden. Investitionen in Wasserstofftechnologie brauchen mehr Investitionssicherheit. Die
Produktion von Wasserstoff kann deshalb langfristig nur erfolgen, wenn es gelingt, die
Produktionskosten deutlich zu senken. Die zentrale Rolle spielen hier die Abgaben und
Entgelte, die nicht nur aus diesem Grund dringend reformiert werden müssen. Ziel der Reform
muss es sein, Erneuerbare günstiger zu machen. Das bedeutet, die Kosten für den
Stromverbrauch zeitlich und lokal spezifisch deutlich abzusenken und somit die netzdienliche
Produktion von Wasserstoff im Markt lukrativ zu machen. Zudem helfen auch ehrlichere CO2-
Preise für fossile Energieträger, die im Wettbewerb mit erneuerbarem Wasserstoff unlautere
Vorteile genießen, da die Umweltschäden derzeit von der Allgemeinheit getragen werden. Die
Leidtragenden dieser Ungerechtigkeit sind zukünftige Generationen, die weder die Chance
haben zu protestieren, noch von den Bequemlichkeiten profitieren, die mit dem massenhaften
Abbrennen fossiler Energieträger einhergehen.
4. Innovationsräume für Technologieentwicklung schaffen
Innovationsräume können ein wichtiger Baustein für den zukünftigen Markteinstieg von Grünem
Wasserstoff sein. Zusätzlich zu den oben genannten Instrumenten ist Technologieförderung in
der Wasserstoffindustrie sinnvoll. Hier bieten die Reallabore der Energiewende einen guten
Anknüpfungspunkt. Wir schlagen zusätzlich klar abgegrenzte, aber nicht auf bestimmte
Projekte beschränkte Experimentierräume vor, in denen zeitlich spezifisch die
Strombezugskosten so gesenkt werden, dass die Innovationslust der Unternehmen für die
Entwicklung, Erprobung und Bewertung verschiedener Technologien und Geschäftsmodelle geweckt
wird. Zugleich werden hier nicht nur Technologien und Geschäftsmodelle weiterentwickelt,
sondern auch Innovationen in der Regulierung real getestet. Geografisch sollen diese in
Netzgebieten entstehen, in denen bereits viele Erneuerbare–Energien-Anlagen errichtet wurden
und derzeit vielfach abgeschaltet werden.
Eine weitere Chance für innovative Lösungen bietet der Kohleausstieg. Auf ehemaligen
Kraftwerksstandorten und Tagebauflächen könnten neue große Wind- und Solarparks einen Teil
ihres Stromes zur Produktion von Wasserstoff verwenden und die Netzknoten der ehemaligen
Kohlekraftwerke genutzt werden, um die Stromversorgung an den wenigen Tagen im Jahr zu
gewährleisten, an denen weder Wind noch Sonne nennenswert liefern. Die Kombination von
Erneuerbaren Energien und Wasserstoffproduktion soll an Standorten erfolgen, welche durch
den Strukturwandel im Energiesystem besonders betroffen sind.
Neben den technischen Lösungen sollte daran geforscht werden, wie die Gesamtstrategie
Wasserstoff sich sinnvoll in die Energiewende einfügt. Wasserstoff wird auch zukünftig nur
in begrenzten Mengen zur Verfügung stehen. Daher ist es wichtig zu diskutieren, in welchen
Wirtschaftssektoren dieser am besten und klimaeffizientesten eingesetzt wird.
5. Importstrukturen für Wasserstoff
Es ist absehbar, dass die auch bei uns entwickelte Wasserstofftechnik nicht nur in
Deutschland zur Anwendung kommen wird. Andere Länder machen sich ebenfalls auf den Weg in
die erneuerbare Zukunft. Wir werden in Deutschland aufgrund von beschränkter
Flächenverfügbarkeit nicht genügend erneuerbaren Strom produzieren können, um die
Energienachfrage zu decken. Vermutlich gilt das sogar dann, wenn wir deutlich sparsamer im
Umgang mit Energie werden, was unumgänglich ist und erstes Ziel bleiben muss. Deshalb ist es
klug, Importmöglichkeiten von erneuerbarem Wasserstoff vorsichtig auszutesten, Erfahrungen
zu sammeln und ein Signal zu setzen, das unser Interesse an sauberer Energie in die Welt
sendet. Gerade für Länder, in denen z.B. viel Sonne scheint oder der Wind stärker weht,
bietet die Produktion von Wasserstoff einen neuen Markt abseits von (fossilen) Rohstoffen
und der Produktion von ausreichend Ökostrom für den eigenen Bedarf. Dabei achten wir von
Anfang an auf die strikte Einhaltung von Menschenrechten. Ein interessantes politisches
Instrument könnte eine zunächst sehr niedrige, aber langsam ansteigende Quote für
erneuerbares Kerosin im Flugverkehr sein, das auf Grundlage von erneuerbarem Wasserstoff aus
dem In- und Ausland produziert wird. Aufbauend auf diesen Erfahrungen zu verfügbaren Mengen
aus dem Ausland, Menschenrechtsstandards und den praktikablen Transportwegen können wir in
Deutschland dann verlässlicher abschätzen, welchen Beitrag Wasserstoff zur Energieversorgung
der Zukunft in unserem Land und in Europa leisten kann, soll und wird.
weitere Antragsteller*innen
- Felix Beutler (KV Berlin-Lichtenberg)
- Karin Müller (KV Kassel-Stadt)
- Daniela Wagner (KV Darmstadt)
- Reiner Daams (KV Solingen)
- Jens Schabacher (KV Bremen-Mitte)
- Dennis Paustian-Döscher (KV Hamburg-Wandsbek)
- Martin Kirsch (KV Gießen)
- Marcel Ernst (KV Göttingen)
- Leander Hirschsteiner (KV München)
- Jonas Wille (KV Darmstadt)
- Bettina Hoffmann (KV Schwalm-Eder)
- Kordula Schulz-Asche (KV Main-Taunus)
- Nicolá Lutzmann (KV Heidelberg)
- Andreas Bühler (KV Karlsruhe)
- Inga Kretzschmar (KV Lippe)
- Gabriele C. Klug (KV Köln)
- Bruno Jöbkes (KV Kleve)
- Theresa Theune (KV Berlin-Pankow)
- David Vaulont (KV Freiburg)
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zusätzlicher Bedarf von 650 TWh an regenerativem Strom entstehen. Dieser Wert übersteigt den aktuellen deutschen Stromverbrauch. Nimmt man den Bedarf im Luftverkehr hinzu, wird deutlich dass Wasserstoff- bzw. E-Fuel-Produktion in Deutschland auch langfristig allenfalls einen Bruchteil des Bedarfs decken kann.
Der Weg in eine klimaverantwortliche Zukunft ist für unser Land Herausforderung und Chance
zugleich. Klug durchdacht und umgesetzt, wird die dringend notwendige Neuausrichtung unseres
Energiesystems zum Sprungbrett in die Energiewelt von morgen. Das bedeutet nicht nur den
Umbau des heutigen Stromsystems. Auch die Sektoren Verkehr, Wärme, Landwirtschaft und
Industrie dürfen spätestens zur Mitte des Jahrhunderts keine klimaaggressiven Emissionen
mehr produzieren. Für uns Grüne ist die intelligente Verknüpfung der einzelnen Sektoren kein
fernes Zukunftsszenario. Wer in 30 Jahren in einer gut vernetzten und sauberen Energiewelt
leben möchte, muss hier und heute die Weichen in Richtung Zukunft stellen – mit klarer
Vision und klugen Konzepten.
Die Produktion von erneuerbar erzeugtem Wasserstoff bietet vielfältige Möglichkeiten, in
allen Sektoren Treibhausgase einzusparen: Grüner Wasserstoff kann dabei helfen, dass
energieintensive Industrieprozesse sauberer werden oder Schwerlastverkehr ohne schädliche
Emissionen vorankommt. Gleichzeitig ist für uns klar, dass überall dort, wo direkte
Stromanwendungen möglich sind, diese auch bevorzugt genutzt werden. Denn wegen der
Umwandlungsverluste der Elektrolyse ist eine direkte Stromanwendung effizienter als die
Produktion und Nutzung von Grünem Wasserstoff. Wichtig ist daher, dass Wasserstoff in
Regionen des Landes mit hohem Anteil Erneuerbarer Energien produziert und wie alle
Energieträger entsprechend seiner besonderen Vorteile effizient und gezielt eingesetzt wird.
Hohe Umwandlungsverluste auf der einen Seite, vergleichsweise gute Speicherbarkeit und hohe
Energiedichte auf der anderen Seite bestimmen die Anwendungsfelder, in denen Wasserstoff
künftig eine unverzichtbare Rolle spielen wird.
Wasserstoff wird vor allem dort zur Alternative für fossile Brennstoffe, wo
batterieelektrische Antriebe aufgrund fehlender Reichweite an ihre Grenzen stoßen und es
größere Fahrzeuge als Autos anzutreiben gilt. Mit Brennstoffzellen angetriebene LKW und
Busse reduzieren nicht bloß CO2-Emissionen, sie sorgen auch für bessere Luft. Oberleitungs-
Lkw, neue leistungsstärkere Batteriekonzepte und eine deutlich bessere Güterbahn könnten
allerdings zukünftig auch im Schwerlastverkehr eine effiziente Alternative sein. Auch im
Schiffsverkehr könnten Wasserstoff und strombasierte Flüssigkraftstoffe eine wichtige Rolle
für den Klimaschutz spielen. Auf der Schiene sollte Strom direkt genutzt werden, wo immer
dies möglich ist. Aber auf langen, verkehrsarmen Strecken, die nicht rasch elektrifiziert
werden können und stattdessen von dreckigen und schwerfälligen Dieselloks befahren werden,
können Wasserstoffzüge neben batterieelektrischen Antrieben eine sinnvolle Lösung
darstellen.
Großes Potenzial für die Nutzung von Grünem Wasserstoff besteht auch in Industriezweigen,
die wenig technische Möglichkeiten zur Dekarbonisierung besitzen. Durch den Einsatz von
Grünem Wasserstoff werden klimaneutrale Hochöfen in der Stahlindustrie und klimaneutrale
Chemieparks möglich – als wichtige Schritte zur Dekarbonisierung und Standortsicherung der
energieintensiven Industrie in Deutschland. Der in der chemischen Industrie benötigte
Wasserstoff wird derzeit oft aus Erdgas gewonnen. Mit Grünem Wasserstoff aus Ökostrom gäbe
es auch hier eine klimafreundliche Alternative.
Und auch unser Stromsystem kann von der Wasserstoffproduktion profitieren: Die seltenen Tage
im Jahr, an denen weder Wind weht noch die Sonne scheint, können mit Hilfe von Wasserstoff
gut gemeistert werden. Zu Zeiten, in denen erneuerbar produzierter Strom reichlich verfügbar
ist, kann er in Wasserstoff umgewandelt und somit langfristig gespeichert werden. Scheint
die Sonne einmal nicht und der Wind bleibt aus, wird der gespeicherte Wasserstoff
rückverstromt und stabilisiert damit das Gesamtsystem. Wasserstoff ist eine von mehreren
möglichen Formen der Sektorkopplung und eine Speicherform neben anderen - im Vergleich
verlustärmeren - Speichertechnologien wie zum Beispiel Batteriespeicher,
Pumpspeicherkraftwerke oder Druckluftspeicher.
Die vielfältigen Potenziale einer deutschen Wasserstoffwirtschaft werden auch von jungen und
junggebliebenen Unternehmerinnen und Unternehmern erkannt. An vielen Orten in Deutschland
gibt es ambitionierte Gründerinnen und Gründer, die nur darauf warten, mit innovativen Ideen
ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten. Doch leider machen die derzeitigen politisch-
rechtlichen Rahmenbedingungen die besten Ideen unwirtschaftlich. Das Problem: Der Strompreis
wird völlig verzerrt, weil die Regierung seit Jahren die notwendige Reform der Abgaben und
Umlagen verweigert.
In Europa haben sich bereits einige Länder auf den Weg gemacht, Wasserstoffstrategien zu
formulieren, um sich auch industriepolitisch und bei der Technologieentwicklung frühzeitig
zu positionieren. International nehmen das Interesse und die Zahl der Projekte rapide zu.
Gerade für Länder, in denen die Sonne sehr viel scheint, bieten sich neue Märkte abseits des
Handels mit fossilen Rohstoffen. Auch Deutschland ist gefragt, jetzt die Rahmenbedingungen
zu schaffen, Chancen in der Technologienentwicklung zu nutzen und die strategischen
Weichenstellungen vorzunehmen.
Leitbilder einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland
Am günstigsten und naturverträglichsten ist natürlich die Kilowattstunde, die gar nicht erst
erzeugt wird. Deshalb gilt für uns der Grundsatz: „Efficiency first!“. Die zukünftigen
Herausforderungen in der chemischen Industrie zeigen uns beispielhaft, wie wichtig der
Effizienzgedanke ist. Soll die Herstellung chemischer Produkte, z.B. von Kunststoff oder
Arzneimitteln, bis zum Jahr 2050 komplett klimaneutral sein, könnte dafür in Deutschland ein
zusätzlicher Bedarf von 650 TWh an regenerativem Strom entstehen. Dieser Wert übersteigt den
aktuellen deutschen Stromverbrauch. Nimmt man den Bedarf im Luftverkehr hinzu, wird deutlich dass Wasserstoff- bzw. E-Fuel-Produktion in Deutschland auch langfristig allenfalls einen Bruchteil des Bedarfs decken kann.
Mit der Grünen Wasserstoffstrategie wollen wir unser Land in eine Zukunft mit sauberer
Wärme, sauberem Strom, sauberer Industrie und sauberer Mobilität führen. An diesen Kriterien
orientieren wir die Ausgestaltung der Wasserstoffstrategie. Wasserstoff kann und soll unser
Land klimaverantwortlich machen. Daraus leiten sich für uns drei Leitbilder ab:
1. Gut für das Klima durch den Einsatz Erneuerbarer Energien
In der Grünen Wasserstoffstrategie wird nahezu ausschließlich erneuerbarer Strom eingesetzt
und dies nur in einem Umfang, der die Flankierung des Kohleausstiegs durch den Ausbau
Erneuerbarer Energien nicht gefährdet. Eine bloße Zertifizierung mit Grünstromzertifikaten
reicht uns dabei nicht. Wir wollen Wasserstoff zu Zeiten produzieren, in denen mehr
erneuerbarer Strom erzeugt, als verwendet werden kann. Ansonsten würde die
Wasserstoffproduktion dem Netz nämlich Grünen Strom entziehen, der andernorts durch Kohle-
oder Atomstrom ersetzt werden müsste, um die Nachfrage zu decken. Damit würde der
Wasserstoff indirekt aus Atom oder Kohle produziert, was nicht nur die Glaubwürdigkeit der
ganzen Wasserstoffwirtschaft untergraben würde, sondern auch klima- und umweltbelastend
wäre. Zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme gehört auch, dass Wasserstoff nur während
bestimmter erneuerbarer Erzeugungsspitzen zu 100 % aus regenerativen Energiequellen erzeugt
werden kann, solange der Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung nicht abgeschlossen ist.
Bis dahin achten wir auf einen maßvollen Zubau der Wasserstofftechnologie, der sich gezielt
an den Bedürfnissen der Energiewende orientiert.
Elementare Voraussetzung für eine klimaverantwortliche Wasserstoffstrategie ist daher, dass
der Ausbau der Erneuerbaren Energien endlich wieder Fahrt aufnimmt. Wir brauchen -
zusätzlich zu dem für Wasserstoff verbrauchten Strom – genug Ökostrom, um den Atom- und
Kohleausstieg ohne Schwierigkeiten und kostengünstig hinzubekommen. Derzeit sorgt die
Bundesregierung nicht einmal für die Hälfte des Ausbautempos bei den Erneuerbaren, welches
wir allein für den Kohleausstieg bräuchten. Der Ausbau von Wind an Land lag schon letztes
Jahr nur noch bei der Hälfte der gewohnten Geschwindigkeit und ist nun auf ein dramatisches
Maß abgestürzt. So werden zukünftig keine relevanten Mengen an zusätzlichem erneuerbaren
Strom für die Wasserstofferzeugung bereit stehen. Dieses Problem muss zwingend gelöst
werden, damit Wasserstoff seinen Platz in der erneuerbaren Zukunft einnehmen kann.
2. Gut für die Versorgungssicherheit durch Orientierung an der aktuellen Lage im Stromnetz
Für das Klima ist der Clou des Wasserstoffes jedoch seine Speicherbarkeit. Diesen Vorteil
muss er ausspielen, um seinen Platz im Team der Energiewende-Technologien einzunehmen. Das
bedeutet, dass Wasserstoff dann und dort produziert wird, wo viel erneuerbarer Strom zur
Verfügung steht. Es ist offensichtlich, dass eine große Stromentnahme während eines Tages
mit wenig Wind und Sonne oder hinter einem Netzengpass kein sinnvoller Beitrag zu einer
klimaverantwortlichen Energiewirtschaft sein kann. Man sagt, dass die Wasserstoffproduktion
„netzdienlich“ organisiert werden muss, sich also an der jeweils aktuellen Lage im Stromnetz
mit Erzeugungs- und Verbrauchsspitzen vor und hinter den Netzengpässen orientieren soll. So
wird auch verhindert, dass die Wasserstoffstrategie zusätzlichen Netzausbau auslöst.
3. Gut für neue Jobs in Deutschland durch Entwicklung einer echten Zukunftstechnologie
Heute ist die Wasserstoffwirtschaft in vielen Bereichen noch teurer als fossile
Energieträger, stößt auf regulatorische Schwierigkeiten oder scheitert am notwendigen Raum
für erneuerbare Stromerzeugungsanlagen in Deutschland. Es gibt aber kaum ein glaubwürdiges
Szenario für eine klimaverantwortliche Energiewirtschaft, in der Wasserstoff keine Rolle
spielen würde. Die Technik wird also mit Sicherheit gebraucht. Und da wir beim Klimaschutz
keine Zeit zu verlieren haben, ist es die Verantwortung der Politik, die Rahmenbedingungen
so zu setzen, dass der Einsatz und damit die Weiterentwicklung der Technologie so schnell
wie möglich erfolgen. So könnten schon bald neue Arbeitsplätze in Deutschlandland entstehen.
Die Grüne Wasserstoffwirtschaft steht weltweit vor dem Durchbruch und ist eines der
zentralen Industriefelder der Zukunft.
Instrumente & Maßnahmen
Es ist höchste Zeit, dass nicht nur über Wasserstoff gesprochen wird, sondern die
politischen Rahmenbedingungen den Aufbruch in die nächste Phase der Energiewende ermöglichen
und anschieben. Dazu fordern wir zur Umsetzung der drei Leitbilder folgende politische
Weichenstellungen:
1. Ausbau der Erneuerbaren Energien
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist in der laufenden Legislaturperiode eingebrochen. Um
die Erneuerbaren entsprechend unseres ersten Leitbildes wieder auf Zielgeschwindigkeit zu
bringen, schlagen wir folgende Entscheidungen vor:
- Schaffung klarer Investitionssicherheit für Erneuerbare-Energien-Anlagen über den
ganzen Zeitraum bis mindestens 2030. Zum Beispiel dauert die Planung und Genehmigung
von Windparks meist mehrere Jahre, weshalb die kurzfristige Ausrufung von
Sonderausschreibungen nicht die notwendige Wirkung entfalten kann.
- Aufhebung der Deckelung für Photovoltaikanlagen.
- Entbürokratisierung des Betriebs von Mieterstromprojekten.
- Bereitstellung von mehr Flächen für den Ausbau der Windkraft. Hier gilt es, sowohl im
Planungs- und Genehmigungsrecht unnötige Hürden abzubauen, als auch Informationen zur
Bedeutung und den Auswirkungen von Windenergie zur Verfügung zu stellen.
- Maßnahmen für eine einheitlichere Beteiligung an den Kosten der Energiewende (bspw.
über die Netzentgelte) von Regionen mit viel Windkraft und Regionen mit weniger
Windkraft.
- finanzielle Beteiligung der Kommunen an den Einnahmen aus den Windparks verbessern.
- Erhöhung der Ausbauzahlen für Offshore-Windkraftanlagen auf 30 GW bis 2035. Wegen der
langen Planungszeiten ist hier schnelles Handeln erforderlich.
2. Nutzen statt Abschalten
Das Stromnetz kann und soll nicht jede produzierte Grüne Kilowattstunde aufnehmen und
transportieren. Schon heute werden in Zeiten von Netzengpässen Erneuerbare-Energien-Anlagen
abgeschaltet, der Strom wird nicht produziert. Dabei ist auch der Strom vor dem Engpass ein
wertvolles Gut. Es wäre sehr viel intelligenter, ihn zum Beispiel für die Produktion von
Wasserstoff zu nutzen. Ein konkreter Gesetzentwurf liegt seit Jahren vor. Leider mangelt es
am politischen Willen zur Umsetzung. Wir wollen, dass der Strom vor dem Netzengpass den
Betreibern von Wasserstoff-Anlagen und anderen Spontan-Nutzern kostengünstig zur Verfügung
gestellt wird, anstatt ihn gar nicht zu produzieren. Wenn der Betreiber dafür einen kleinen
Unkostenbeitrag zahlt, können damit sogar die Stromkunden entlastet werden. Wird das Windrad
abgeregelt, zahlt nämlich logischerweise niemand für den Strom.
3. Reform der Abgaben und Umlagen
Der Strom hinter den Netzengpässen allein wird aber nicht reichen, um die
Wasserstoffwirtschaft in Gang zu bringen. Zum einen ist es zu wenig – derzeit ungefähr 1%
des deutschen Stromverbrauchs. Zum anderen fällt er nicht verlässlich an. Schon die
Fertigstellung einer Stromleitung kann ganze Gebiete wieder zuverlässig ins Stromnetz
einbinden. Investitionen in Wasserstofftechnologie brauchen mehr Investitionssicherheit. Die
Produktion von Wasserstoff kann deshalb langfristig nur erfolgen, wenn es gelingt, die
Produktionskosten deutlich zu senken. Die zentrale Rolle spielen hier die Abgaben und
Entgelte, die nicht nur aus diesem Grund dringend reformiert werden müssen. Ziel der Reform
muss es sein, Erneuerbare günstiger zu machen. Das bedeutet, die Kosten für den
Stromverbrauch zeitlich und lokal spezifisch deutlich abzusenken und somit die netzdienliche
Produktion von Wasserstoff im Markt lukrativ zu machen. Zudem helfen auch ehrlichere CO2-
Preise für fossile Energieträger, die im Wettbewerb mit erneuerbarem Wasserstoff unlautere
Vorteile genießen, da die Umweltschäden derzeit von der Allgemeinheit getragen werden. Die
Leidtragenden dieser Ungerechtigkeit sind zukünftige Generationen, die weder die Chance
haben zu protestieren, noch von den Bequemlichkeiten profitieren, die mit dem massenhaften
Abbrennen fossiler Energieträger einhergehen.
4. Innovationsräume für Technologieentwicklung schaffen
Innovationsräume können ein wichtiger Baustein für den zukünftigen Markteinstieg von Grünem
Wasserstoff sein. Zusätzlich zu den oben genannten Instrumenten ist Technologieförderung in
der Wasserstoffindustrie sinnvoll. Hier bieten die Reallabore der Energiewende einen guten
Anknüpfungspunkt. Wir schlagen zusätzlich klar abgegrenzte, aber nicht auf bestimmte
Projekte beschränkte Experimentierräume vor, in denen zeitlich spezifisch die
Strombezugskosten so gesenkt werden, dass die Innovationslust der Unternehmen für die
Entwicklung, Erprobung und Bewertung verschiedener Technologien und Geschäftsmodelle geweckt
wird. Zugleich werden hier nicht nur Technologien und Geschäftsmodelle weiterentwickelt,
sondern auch Innovationen in der Regulierung real getestet. Geografisch sollen diese in
Netzgebieten entstehen, in denen bereits viele Erneuerbare–Energien-Anlagen errichtet wurden
und derzeit vielfach abgeschaltet werden.
Eine weitere Chance für innovative Lösungen bietet der Kohleausstieg. Auf ehemaligen
Kraftwerksstandorten und Tagebauflächen könnten neue große Wind- und Solarparks einen Teil
ihres Stromes zur Produktion von Wasserstoff verwenden und die Netzknoten der ehemaligen
Kohlekraftwerke genutzt werden, um die Stromversorgung an den wenigen Tagen im Jahr zu
gewährleisten, an denen weder Wind noch Sonne nennenswert liefern. Die Kombination von
Erneuerbaren Energien und Wasserstoffproduktion soll an Standorten erfolgen, welche durch
den Strukturwandel im Energiesystem besonders betroffen sind.
Neben den technischen Lösungen sollte daran geforscht werden, wie die Gesamtstrategie
Wasserstoff sich sinnvoll in die Energiewende einfügt. Wasserstoff wird auch zukünftig nur
in begrenzten Mengen zur Verfügung stehen. Daher ist es wichtig zu diskutieren, in welchen
Wirtschaftssektoren dieser am besten und klimaeffizientesten eingesetzt wird.
5. Importstrukturen für Wasserstoff
Es ist absehbar, dass die auch bei uns entwickelte Wasserstofftechnik nicht nur in
Deutschland zur Anwendung kommen wird. Andere Länder machen sich ebenfalls auf den Weg in
die erneuerbare Zukunft. Wir werden in Deutschland aufgrund von beschränkter
Flächenverfügbarkeit nicht genügend erneuerbaren Strom produzieren können, um die
Energienachfrage zu decken. Vermutlich gilt das sogar dann, wenn wir deutlich sparsamer im
Umgang mit Energie werden, was unumgänglich ist und erstes Ziel bleiben muss. Deshalb ist es
klug, Importmöglichkeiten von erneuerbarem Wasserstoff vorsichtig auszutesten, Erfahrungen
zu sammeln und ein Signal zu setzen, das unser Interesse an sauberer Energie in die Welt
sendet. Gerade für Länder, in denen z.B. viel Sonne scheint oder der Wind stärker weht,
bietet die Produktion von Wasserstoff einen neuen Markt abseits von (fossilen) Rohstoffen
und der Produktion von ausreichend Ökostrom für den eigenen Bedarf. Dabei achten wir von
Anfang an auf die strikte Einhaltung von Menschenrechten. Ein interessantes politisches
Instrument könnte eine zunächst sehr niedrige, aber langsam ansteigende Quote für
erneuerbares Kerosin im Flugverkehr sein, das auf Grundlage von erneuerbarem Wasserstoff aus
dem In- und Ausland produziert wird. Aufbauend auf diesen Erfahrungen zu verfügbaren Mengen
aus dem Ausland, Menschenrechtsstandards und den praktikablen Transportwegen können wir in
Deutschland dann verlässlicher abschätzen, welchen Beitrag Wasserstoff zur Energieversorgung
der Zukunft in unserem Land und in Europa leisten kann, soll und wird.
weitere Antragsteller*innen
- Felix Beutler (KV Berlin-Lichtenberg)
- Karin Müller (KV Kassel-Stadt)
- Daniela Wagner (KV Darmstadt)
- Reiner Daams (KV Solingen)
- Jens Schabacher (KV Bremen-Mitte)
- Dennis Paustian-Döscher (KV Hamburg-Wandsbek)
- Martin Kirsch (KV Gießen)
- Marcel Ernst (KV Göttingen)
- Leander Hirschsteiner (KV München)
- Jonas Wille (KV Darmstadt)
- Bettina Hoffmann (KV Schwalm-Eder)
- Kordula Schulz-Asche (KV Main-Taunus)
- Nicolá Lutzmann (KV Heidelberg)
- Andreas Bühler (KV Karlsruhe)
- Inga Kretzschmar (KV Lippe)
- Gabriele C. Klug (KV Köln)
- Bruno Jöbkes (KV Kleve)
- Theresa Theune (KV Berlin-Pankow)
- David Vaulont (KV Freiburg)
Kommentare
Detlef Matthiessen:
Wenn wir in Zukunft die Menge Atomfossilen Stroms durch EE ersetzen, ersetzen wir Erzeugungsarten mit bis zu 8000 Jahresvolllaststunden [fch] durch EE erzeugung mit teils < 1000 h (PV). Deshalb müssen erzeugungsstarke Zeitfenster regional "verdampfen", nicht die übergelagerten Netzebenen erreichen, z.B. durch Elektrolyseur-H2 oder andere Sektorenkopplung, weil die Netze auch bei engagiertem Ausbau an die Grenzen der Tragfähigkeit geraten (Stromnetze sind der Leistung geschuldet und nicht der Arbeit=Strommenge).
Daneben ist es nicht verboten, bei heute 80% Energieimport, in Zukunft EE-Gase oder Synthetic Fuels zu importieren. Marokko und andere arme Länder würden sich freuen.
Deshalb trage ich den Antrag nicht mit, weil er die Unmöglichkeit einer wasserstoffwirtschaft suggeriert.
Bei Fragen gerne 04351-751205 detlef Matthiessen
Theresa Theune:
Roland Schüren: