Soll mit einem CO2-Preis ein bestimmtes Ziel erreicht werden, muss er nach der Lenkungswirkung bestimmt werden. Es wird also untersucht, bei welcher Preiserhöhung die Menschen anfangen, z. B. Fahrrad statt Auto zu fahren oder das Haus zu dämmen, um Energie zu sparen (vereinfacht gesagt). Ein Preis mit hinreichender Lenkungswirkung stellt sich theoretisch in einem funktionierenden Zertifikatehandel ein.
Es gibt auch Studien darüber, wie hoch ein CO2-Preis sein muss, um bestimmte Ziele zu erreichen. Die aktuell bekannteste Studie ist die von MCC und PIK (Edenhofer et al.) von Juli 2019 (PDF). Dazu kursierte Ende September auch ein Sharepic mit einem Vergleich des Klimapakets der Bundesregierung und "dem Preis, den die Wissenschaft fordert". Die da kolportierten 130 €/t sind allerdings nur der Preis, der geeignet ist, das nationale Klimaziel für die Nicht-ETS-Sektoren zu erreichen, welches nach EU-Lastenteilungsverordnung bei -38 % bis 2030 gegenüber 2005 liegt. Dieses Ziel ist meilenweit davon entfernt, mit dem Klimaabkommen von Paris kompatibel zu sein.
Wichtig ist Abbildung 6.2 auf Seite 68 der PDF. Die Grafik zeigt, dass ein Preis von 400 €/t eine Treibhausgasreduzierung in den Nicht-ETS-Sektoren von ca. 50 % bis 2030 gegenüber 2005 erwarten ließe. Real brauchen wir, um das Paris-Ziel erreichen zu können, eine deutlich höhere Reduzierung als 50 %. Der CO2-Preis müsste entsprechend deutlich oberhalb von 400 €/t liegen, um das zu erzielen. Diesen Sachverhalt haben die Autor*innen der Studie vom Potsdam-Institut bestätigt.
(Die Lenkungswirkung im ETS-Bereich, also im Emissionshandel, ist schon bei geringeren CO2-Preisen deutlich höher.)
Die Frage, ob wir einen Einstiegspreis von 60, 85 oder 110 Euro pro Tonne fordern, und ob der CO2-Preis jährlich um 10 oder 20 Euro pro Tonne steigt, suggeriert also fälschlicherweise, dass das die Größenordnung ist, in der der Preis liegen müsste. Wir gaukeln den Menschen und den Unternehmen damit Planungssicherheit vor, obwohl wir wissen, dass der Preis in Wirklichkeit viel stärker ansteigen wird, wenn die Mechanismen so greifen wie geplant. Und wir verpassen damit die Chance, Investitionen in Klimaschutz wirtschaftlich noch attraktiver zu machen. Dabei kommt es gerade am Anfang an, möglichst schnell möglichst deutlich die Emissionen zu senken.
Stattdessen fordern wir einen Einstiegspreis von 100 Euro pro Tonne, der bis 2030 so weit ansteigt, wie es das CO2-Budget erfordert, welches uns zum Einhalten des Paris-Abkommens noch bleibt. Und das ist eben nach oben genannter Studienlage im Bereich mehrerer Hundert Euro. Selbst 100 Euro pro Tonne als Einstiegspreis bedeuten nur 30 Cent pro Liter Benzin – so viel teurer waren Kraftstoffe in der Vergangenheit schon einmal, und es hat nicht dazu geführt, dass alle Autos stehen gelassen wurden.
Auch ein CO2-Preis dieser Höhe ist sozial gerecht, wenn die Einnahmen in voller Höhe und ohne Anrechnung auf Transferleistungen wieder ausgeschüttet werden. Eine solche Rückverteilung als Klimaprämie führt sogar zu einer Umverteilung von oben nach unten und damit zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Das gilt in besonderem Maße, wenn CO2-Preis und Klimaprämie höher ausfallen.
Das Ziel dieses Klimaantrags von Bundesvorstand und BAGen war es, die Wahrheit zu sagen und das zu fordern, was erforderlich ist – und nicht das, was populär ist. Dabei sollten wir auch beim CO2-Preis bleiben.
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