Antrag: | Handeln – und zwar jetzt! Maßnahmen für ein klimaneutrales Land |
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Antragsteller*in: | BAG Globale Entwicklung (dort beschlossen am: 25.10.2019) |
Status: | Geprüft |
Verfahrensvorschlag: | Erledigt durch: WKF-10 (ehm V-29)-105 |
Eingereicht: | 25.10.2019, 21:10 |
WKF-07-1206: Handeln – und zwar jetzt! Maßnahmen für ein klimaneutrales Land
Verfahrensvorschlag zu WKF-10 (ehm V-29)-105: Antragstext
Von Zeile 105 bis 115 (WKF-10 (ehm V-29): Klimakrise: eine Frage globaler Gerechtigkeit):
Die bisher für die internationale Klimafinanzierung von den Green Climate Fund internationalIndustrieländern in Kopenhagen zugesagten 100 Milliarden US-Dollar jährlich ab 2020 decken nicht annähernd die bestehenden und zu erwartenden Bedarfe – umso mehr, als ausdrücklich nur Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen abgedecktinbegriffen sind, der Ausgleich von Schäden und Verlusten ((Loss and Damage)Damage) aber nicht. Wir setzen uns dafür ein, dass die 100 Milliarden US-Dollar nicht nur sichergestellt, sondern aufgestockt werden, explizit auch für Maßnahmen zur Prävention und Reduktion klimabedingter Vertreibung. Konkret wollen wir denDen deutschen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung wollen wir dabei gemäß Verursacherprinzip auf den fairen Anteil von jährlich acht Milliarden Eurorund zehn Prozent anheben und langfristig ohne Verrechnungaus öffentlichen Mitteln erbringen, mit der Entwicklungszusammenarbeit darstellendenen dann auch weitere private Mittel mobilisiert werden können. Dazu wollenVor diesem Hintergrund plädieren wir dafür, die Ausgaben für internationale Klimafinanzierung um jährlich 1,2 Milliarden800 Millionen Euro zusätzlich fürsowie die öffentlicheweiteren Ausgaben für offizielle Entwicklungszusammenarbeit sowie 800 Millionen(ODA) um jährlich 1,2 Milliarden Euro zu erhöhen, bis das jahrzehntealte Versprechen, mindestens 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für denglobale Entwicklung auszugeben, endlich erfüllt ist. Danach wollen wir die Klimagelder weiter anwachsen lassen mit dem Ziel, die Zusätzlichkeit der Zusagen zur internationalen Klima-Klimafinanzierung gegenüber dem 0,7-Prozent-Ziel mittelfristig sicherzustellen. und Biodiversitätsschutz bereitstellenWir richten diese Gelder strikt an den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen aus.
Die Klimakrise führt zu einschneidenden Veränderungen in der Welt – schon heute. Für
Millionen von Menschen weltweit ist die Erderwärmung längst kein theoretisches Phänomen
mehr. Tagtäglich erleben sie die Zerstörung ihrer Gegenwart. Klimakrise bedeutet für sie
Wüstenbildung, Ernteverlust, Versalzung der Böden, Wasserknappheit, Überschwemmung oder
Hitzewelle. Extreme Wetterereignisse nehmen zu, Ökosysteme und Lebensgrundlagen werden
zerstört, Hunger und Armut verschärft.
Klimakrise, das ist aber auch der unermessliche Verlust von sicherem Zuhause, von Heimat,
von jahrtausendealten Kulturgütern. Die Zahl der Vertriebenen durch klimabedingte Ereignisse
hat sich seit den 70er-Jahren vervierfacht. Heute werden innerstaatlich mehr Menschen durch
umweltbedingte Katastrophen wie Fluten und Stürme als durch Gewalt und Konflikte vertrieben.
Das Internal Displacement Monitoring Centre geht in der Zeit von 2008 bis 2017 von
durchschnittlich mehr als 24 Millionen erstmals Vertriebenen pro Jahr aus. Tendenz:
steigend.
Mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens im Jahr 2015 und der Verabschiedung des
Regelbuches in Kattowitz hat die Staatengemeinschaft die Klimakrise als gemeinsame, globale
Herausforderung anerkannt und sich darauf verständigt, die Erderwärmung auf unter zwei Grad
Celsius und möglichst unter 1,5 Grad Celsius bis 2100 zu beschränken. Expert*innen zufolge
befinden wir uns momentan auf dem Weg hin zu einer Erderwärmung von mindestens 3,2 Grad
gegenüber vorindustrieller Zeit. Zahlreiche Schätzungen liegen deutlich höher. Bereits zwei
Grad Erderwärmung würden derweil ausreichen, um ganze Staaten wie das im Pazifik liegende
Tuvalu komplett verschwinden zu lassen.
Als – historisch wie aktuell – Hauptmitverursacher der Erderwärmung und als weltweit
einflussreiche Multiplikatoren kommt es vor diesem Hintergrund ganz entscheidend auf
Deutschland und die Europäische Union an. Die eigene, ambitionierte Umsetzung des Pariser
Klimaabkommens und der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung müssen oberste Priorität
erlangen. Wir müssen mit bestem Beispiel vorangehen, internationaler Vorreiter im
Klimaschutz werden und die globale Nachhaltigkeitsagenda spürbar beschleunigen. Das jüngst
verabschiedete, völlig unzureichende „Klimapaket“ und der erschreckende Mangel greifbarer
Ergebnisse im Rahmen des letzten High Level Political Forum zur Umsetzung der nachhaltigen
Entwicklungsziele haben erneut gezeigt: Die aktuelle Bundesregierung wird dem nicht
ansatzweise gerecht.
Dabei wird das Zeitfenster, in dem wir noch gegensteuern können, um die schlimmsten Folgen
der Klimakrise abzumildern, bedrohlich klein. Wir bleiben deshalb dabei: Deutschland muss
eine umfassende Kehrtwende in allen Sektoren einleiten, ein besonderes Augenmerk auf
Politikkohärenz und strukturelle Reformen legen – und auf den Kurs zur Einhaltung der
Pariser Klimaziele und der Nachhaltigkeitsziele einlenken.
Selbst im besten Fall aber – wenn also die Emissionen drastisch reduziert werden sollten –
werden weiterhin und vermehrt Menschen im Kontext der Klimakrise ihr bisheriges Zuhause
verlassen müssen, um überleben zu können. Entsprechend ist und bleibt es zwar
selbstverständlich unsere Priorität, die Klimakrise mit allen Mitteln einzudämmen und dafür
zu sorgen, dass möglichst wenige Menschen ihre bisherige Heimat überhaupt verlassen müssen.
Letzten Endes ist es aber auch unsere Aufgabe und Verantwortung als Industriestaaten, eine
Antwort auf die Phänomene klimabedingter Migration und Flucht zu geben.
Global gerecht handeln, Menschenrechte schützen
In vielfacher Hinsicht ist die Klimakrise eine Krise der globalen Gerechtigkeit: Während
sich auch bei uns die extremen Wetterereignisse verdichten, trifft die Klimakrise in erster
Linie den globalen Süden – und damit just jene Regionen dieses Planeten, die historisch
betrachtet am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben. In den betroffenen Regionen
wiederum sind besonders jene betroffen, deren Existenz auf natürlichen Ressourcen beruht und
die die geringsten Möglichkeiten haben, sich vor Naturgefahren zu schützen oder auf
klimatische Veränderungen zu reagieren: Frauen, Kinder, Minderheiten.
Dabei wirkt die Klimakrise nicht nur unmittelbar auf die Lebensrealität vor Ort ein, sondern
verschärft bereits bestehende Probleme zum Teil erheblich. Konflikte um immer knappere
Ressourcen nehmen zu. Elementare Menschenrechte wie das Recht auf Nahrung, Wasser, Wohnen,
Bildung, Gesundheit, eine saubere Umwelt und ein Leben in Würde – Menschenrechte also, die
im globalen Süden ohnehin unter besonderem Druck stehen – werden infolge der Klimakrise
zunehmend verletzt.
Der klimapolitische Stillstand der Industrienationen ist somit auch deshalb nicht weiter
hinnehmbar, da der Status Quo zu einer steten Verletzung universeller Menschenrechte in
anderen Teilen der Welt führt. Im Umkehrschluss sind die konsequente, gender-responsive und
inklusive Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und der Agenda 2030 für nachhaltige
Entwicklung nicht nur klima- oder entwicklungspolitisch geboten – sondern Ausdruck
historischer Verantwortung, globaler Gerechtigkeit und des Menschenrechtsschutzes zugleich.
Mit dem Pariser Klimaabkommen haben wir uns dem Ziel der Klimagerechtigkeit verpflichtet.
Auf Grundlage „gemeinsamer, aber unterschiedlicher Verantwortlichkeiten“ wurde vereinbart,
dass Länder mit großem ökologischem Fußabdruck entsprechend Verantwortung übernehmen und mit
den Ländern des globalen Südens nach gemeinsamen Lösungen suchen. Die konsequente
Implementierung der vereinbarten Maßnahmen ist also bei Weitem kein Almosen. Vielmehr stehen
wir – historisch, aber auch vertraglich – in der Verantwortung für Weltzusammenhänge, die
wir mitverursacht haben und weiterhin mit verursachen.
Das bedeutet dann auch, aktiv die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte einzufordern
und zu verteidigen. Beides nämlich – der Schutz der Menschenrechte und der Einsatz gegen die
Klimakrise – sind zwei Seiten derselben Medaille, führt die Klimakrise doch ebenso zu
Menschenrechtsverletzungen wie letztere die Anpassung an die Klimakrise erschweren. Die
Kriminalisierung von Menschen- und nicht zuletzt Frauenrechtsverteidiger*innen weltweit
erfordert eine gleichsam deutliche und spürbare Reaktion der internationalen
Staatengemeinschaft wie die systematische Verfolgung der derzeit besonders gefährdeten
Landrechts- und Umweltaktivist*innen.
Natürlicherweise kommt vor diesem Hintergrund dem UN-Menschenrechtsrat sowie bestehenden UN-
Sonderberichterstatter*innen – für Umwelt und Menschenrechte, für die Menschenrechte von
Migrant*innen, für die Menschenrechte von Binnenvertriebenen – eine entscheidende Rolle zu.
Wir setzen uns dafür ein, dass Menschenrechtsverstöße im Kontext der Klimakrise nicht
zuletzt auf UN-Ebene noch sehr viel stärker in den Fokus rücken, genauer klassifiziert und
menschenrechtliche Entwicklungen im Kontext klimabedingter Migration und Flucht gezielter
beobachtet werden.
Zugleich setzen wir uns für eine völkerrechtliche Verankerung der UN-Leitprinzipien für
Wirtschaft und Menschenrechte ein. Der bisherige Ansatz, auf unternehmerische
Selbstverpflichtung zu setzen, ist gescheitert. Eine wirksame Ausrichtung globaler
Produktions- und Lieferprozesse auf die strikte Einhaltung der völkerrechtlich verbrieften
Menschenrechte – inklusive der Menschenrechte dritter Generation, insbesondere des Rechts
auf eine saubere Umwelt – setzt ein verbindliches UN-Rahmenwerk voraus. Vor diesem
Hintergrund bietet insbesondere der Binding-Treaty-Prozess auf Ebene der Vereinten Nationen
die konkrete Chance, ein globales und rechtsverbindliches Abkommen zu erreichen. Diesen
Prozess wollen wir unterstützen.
Resilienzaufbau und Anpassungsmaßnahmen verstärken, Schäden und Verluste kompensieren
Mit dem Pariser Klimaabkommen und der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung haben sich
Deutschland und andere Industrienationen dazu verpflichtet, die Gefahren für die
verletzlichsten Menschen abzuwenden und deren Widerstandskraft gegen die Erderwärmung
stärken zu helfen. Das bedeutet, von der Klimakrise besonders betroffene Länder technisch
wie finanziell zu unterstützen und sie nicht mit den Folgen der Erderwärmung allein zu
lassen. Deutschland und die Europäische Union sollten sich international dafür stark machen,
dass den vom Klimawandel betroffenen Menschen in ihren Heimatländern eine umfangreiche
internationale Unterstützung zur Anpassung an den Klimawandel und eine gerechte Kompensation
für entstandene Schäden zukommt.
Die bisher für die internationale Klimafinanzierung von den Green Climate Fund internationalIndustrieländern in Kopenhagen zugesagten 100 Milliarden US-Dollar
jährlich ab 2020 decken nicht annähernd die bestehenden und zu erwartenden Bedarfe – umso
mehr, als ausdrücklich nur Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen abgedecktinbegriffen sind, der
Ausgleich von Schäden und Verlusten ((Loss and Damage)Damage) aber nicht. Wir setzen uns dafür ein,
dass die 100 Milliarden US-Dollar nicht nur sichergestellt, sondern aufgestockt werden,
explizit auch für Maßnahmen zur Prävention und Reduktion klimabedingter Vertreibung. Konkret
wollen wir denDen deutschen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung wollen wir dabei gemäß Verursacherprinzip auf den fairen Anteil
von jährlich acht Milliarden Eurorund zehn Prozent anheben und langfristig ohne Verrechnungaus öffentlichen Mitteln erbringen, mit der
Entwicklungszusammenarbeit darstellendenen dann auch weitere private Mittel mobilisiert werden können. Dazu wollenVor diesem Hintergrund plädieren wir dafür, die Ausgaben für internationale Klimafinanzierung um jährlich 1,2 Milliarden800 Millionen Euro
zusätzlich fürsowie die öffentlicheweiteren Ausgaben für offizielle Entwicklungszusammenarbeit sowie 800 Millionen(ODA) um jährlich 1,2 Milliarden Euro zu erhöhen, bis das jahrzehntealte Versprechen, mindestens 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für denglobale Entwicklung auszugeben, endlich erfüllt ist. Danach wollen wir die Klimagelder weiter anwachsen lassen mit dem Ziel, die Zusätzlichkeit der Zusagen zur
internationalen Klima-Klimafinanzierung gegenüber dem 0,7-Prozent-Ziel mittelfristig sicherzustellen. und Biodiversitätsschutz bereitstellenWir richten diese Gelder strikt an den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen aus.
Zugleich wollen wir zusätzliche Mittel für Schäden und Verluste, unter anderem auch für
Umsiedlungen im Rahmen klimabedingter Migrationsbewegungen, bereitstellen. Dazu wollen wir
einen globalen Verursacherfonds zur fairen Lastenverteilung schaffen. Vorschläge
einschlägiger Expert*innen zu dessen teilweisen Finanzierung reichen von einer Climate
Damages Tax über eine international erhobene Abgabe auf Flugtickets bis hin zum anteiligen
Ertrag aus Steuern auf CO2, Finanztransaktionen oder Vermögen. Entsprechende Debatten gehen
nur schleppend voran; auch die Bundesregierung agiert, gemessen an der tatsächlichen
Dringlichkeit, sträflich zurückhaltend. Das wollen wir ändern. Wir wollen, dass sich
Deutschland proaktiv an einer zielgerichteten Debatte über die Einrichtung eines globalen
Verursacherfonds, über dessen Ausmaß, über eine Beitragsgewichtung gemäß Verursacherprinzip
sowie über mögliche Finanzierungsinstrumente beteiligt. Spürbarer Fortschritt auf diesem
komplexen Gebiet ist überfällig und dürfte entscheidend sein für die Frage, ob wir es als
internationale Staatengemeinschaft schaffen, die Erderwärmung nicht nur drastisch
einzudämmen, sondern unsere globale Antwort auf die Klimakrise solidarisch und gerecht
auszugestalten.
Ebenso wird es darauf ankommen, effektiven Rechtsschutz für diejenigen zu ermöglichen, die
durch die Folgen der Klimakrise konkrete Schäden und Verluste erleiden – insbesondere,
solange die Verursacherstaaten selbst nicht bereit sind, ausreichende finanzielle Mittel für
den Umgang mit Loss and Damage zur Verfügung zu stellen. Deshalb setzen wir uns für die
Stärkung des Rechtswegs und des Instruments der Klimaklagen ein, unter anderem indem wir
finanzielle Mittel für Pionierklagen und strategische Prozessführung bereitstellen. Auch
wollen wir die Debatte um Klimarisikoversicherungen aktiv vorantreiben und dazu beitragen,
diese gemäß Verursacherprinzip auszugestalten und in ein breiteres Konzept zur
Risikominimierung einzubetten.
Schließlich wollen wir im Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe
gezielt Risikoregionen auf klimatische Veränderungen und den Katastrophenfall vorbereiten
helfen. Unter anderem wollen wir in Frühwarnsysteme investieren und Partnerländer dabei
unterstützen, die Schaffung eines erhöhten Bewusstseins für umwelt- und klimapolitische
Belange im Bildungs- und Ausbildungswesen voranzutreiben. Außerdem setzen wir uns dafür ein,
dass Maßnahmen zur Risikominderung in den jeweiligen nationalen Systemen verankert und mit
wirksamen Rechtsvorschriften untermauert werden.
Migration, Flucht und Vertreibung im Kontext der Klimakrise
Selbst, wenn wir es schaffen sollten, die Ziele von Paris vollumfänglich einzuhalten, bleibt
die Erderwärmung eine Realität. Menschen werden gezwungen sein, umzusiedeln – weil ihr Boden
vertrocknet, weil durch den steigenden Meeresspiegel ihre Häuser unterspült werden, weil der
nahegelegene Staudamm unter der Last der schmelzenden Gletscher zu bersten droht. Die
Internationale Organisation für Migration (IOM) definiert klimabedingte Migrant*innen vor
diesem Hintergrund als „Personen oder Personengruppe, die aufgrund plötzlicher oder
fortschreitender deutlicher Veränderungen der ihr Leben beeinflussenden Umwelt- und
Lebensbedingungen gezwungen sind oder sich veranlasst sehen, ihre Heimat zu verlassen, sei
es zeitweise oder permanent, und die sich innerhalb ihres Heimatlandes oder über dessen
Grenzen hinaus bewegen“.
Wie viele Menschen letztlich betroffen sein werden, ist schwer zu erfassen. Aktuelle
Schätzungen variieren stark. Denn erstens wissen wir nicht, wie hoch die Erderwärmung
letztlich ausfallen wird. Zweitens hängt vieles davon ab, wie verletzlich Menschen im
jeweiligen Einzelfall gegenüber Klimaveränderungen sind – und wie gut sie sich daran
anpassen können. Drittens erfolgt Migration, so es denn tatsächlich dazu kommt, in den
seltensten Fällen aus nur einem, trennscharf zu ermittelndem Grund. Persönliche Erwägungen,
Umweltaspekte und die Klimakrise stehen in einem komplexen Verhältnis zueinander. Umwelt-
und Klimaveränderungen verlaufen oft schleichend, was die Ermittlung einer konkreten
Kausalität weiter erschwert. Und es muss auch nicht jede Entscheidung, sein Zuhause zu
verlassen, endgültig sein. Kurzum: Klimabedingte Migration ist ein komplexer Prozess.
Entsprechend unterschiedlich sind aktuelle Modellrechnungen. Die jüngste Studie des UN-
Klimarats (IPCC) geht davon aus, dass selbst beim Erreichen des zwei-Grad-Ziels bis zum Jahr
2050 bis zu 280 Millionen Menschen vertrieben werden, innerhalb ihres jeweiligen Landes und
über die Grenzen hinaus. Die Weltbank wiederum geht in ihrer Groundswell-Studie aus dem Jahr
2018 von einem Szenario von 140 Millionen klimabedingt Vertriebenen allein in Sub-Sahara-
Afrika, Südasien und Südamerika bis 2050 aus. Allerdings legt sie auch dar, dass circa 80
Prozent der Vertreibung durch ambitionierte Minderung und Anpassung vermeidbar seien. In
jedem Fall wird es darauf ankommen, die bestehenden Datenlücken auf dem Gebiet der
klimabedingten Migration, Flucht und Vertreibung bestmöglich zu schließen und entsprechende
Forschungsvorhaben zu unterstützen – gerade auch mit Blick auf komplexe Phänomene wie
Migrationsbewegungen infolge schleichender Umweltveränderungen. Dafür machen wir uns stark.
Gleichzeitig gibt es Situationen, die sich deutlich klarer darstellen lassen. Insbesondere
die Bewohner*innen tiefergelegener Inselstaaten, vor allem im Pazifik, sind mit der
Notwendigkeit einer mittelfristigen Umsiedlung sehr direkt konfrontiert. Erderwärmung
bedeutet für sie nicht nur den Verlust von materiellen Gütern und Staatsgebiet, womöglich
gar von de facto oder de jure Staatsangehörigkeit; die Klimakrise wird mit allerhöchster
Wahrscheinlichkeit auch hohe finanzielle Kosten verursachen – und die Aufgabe von heiligem
Land und traditioneller Lebensweise, von Kultur und Souveränität bewirken. All das gilt es,
frühzeitig und planbar anzugehen. Das Unvermeidbare wird nicht vermieden werden, indem wir
uns einer vorausschauenden Reaktion verweigern.
Die Unterscheidung und Analyse unterschiedlicher Formen klimawandelbedingter
Wanderungsbewegungen jedenfalls sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass wir adäquate
Instrumente und Politiken entwerfen. Insbesondere wird es darauf ankommen, dass wir
Möglichkeiten vorausschauender Planung für die Betroffenen schaffen; dass diese also
selbstbestimmt und frühzeitig über eine mögliche Umsiedlung entscheiden können; dass es aber
auch Orte gibt, an denen sie sich niederlassen können. Andererseits wird es natürlich auch
zu Situationen plötzlicher Flucht im Kontext der Klimakrise kommen, nach Stürmen oder
Überschwemmungen zum Beispiel – die erwiesenermaßen durch die Klimakrise verstärkt oder
beschleunigt werden.
Erste konkrete Fallbeispiele unterstreichen vor diesem Hintergrund die Komplexität und
Vielschichtigkeit klimabedingter Migration, Flucht und Vertreibung. In Äthiopien
beispielsweise spricht das Auswärtige Amt von fast drei Millionen Binnenvertriebenen.
Darunter seien nach Schätzungen rund eine halbe Million aufgrund von klimatischen Faktoren,
primär infolge anhaltender Dürre geflohen. Andere Expert*innen gehen hingegen von circa 1,4
Millionen Menschen aus, die im Kontext der Klimakrise vertrieben wurden.
In jedem Fall wirkt die Klimakrise in Äthiopien wie ein Multiplikator bereits bestehender
Probleme und Konflikte; sie interagiert mit anderen Faktoren auf vielfache Weise und führt
zu wechselseitiger Verstärkung. Nichtstun ist keine Option. Die internationale Gemeinschaft,
allen voran die Industriestaaten müssen Antworten finden auf Fragen von Verantwortlichkeit
und Schutzbedarfen, von globaler Gerechtigkeit, von völkerrechtlichen Handlungsoptionen. Wir
wollen uns dieser Mammutaufgabe stellen.
Bestehende internationale Prozesse unterstützen, Ownership und Koordinierung sicherstellen
Im Bereich der klimabedingten Migration, Flucht und Vertreibung bestehen international
bereits unterschiedlichste politische Prozesse, Plattformen und Mechanismen. Innerhalb der
internationalen Klimaarchitektur gibt es den Warschau-Mechanismus für Verluste und Schäden,
der im Rahmen der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) eine Taskforce on Displacement eingerichtet
hat. Diese hat erste Empfehlungen schon vorgelegt. Ein Mitglied der Taskforce wiederum ist
die Platform on Disaster Displacement als eine staatengeleitete Plattform mit Sitz in Genf,
die mit verschiedenen Stakeholdergruppen mögliche Lösungsansätze im Bottom-up-Verfahren
entwickelt sowie zur Verbesserung der globalen Datenlage und -analyse beiträgt. Sie hat sich
insbesondere der Förderung des Austauschs bestehender guter Praktiken zwischen beteiligten
Staaten und Akteur*innen verschrieben, die Katastrophenvertriebenen bereits seit Jahren
freiwillig und basierend auf solidarisch-humanitären Erwägungen grenzüberschreitend Aufnahme
und Schutz gewähren. Dabei treibt die Plattform die Umsetzung der Empfehlungen der Agenda
for the Protection of Cross-Border Displaced Persons in the Context of Disaster and Climate
Change, also der Nansen-Schutzagenda international voran und setzt sich beispielsweise dafür
ein, dass deren Ansätze in internationalen Verträgen verankert werden.
Wir werten es als großen Fortschritt, dass im Dezember 2018 der Komplex klimabedingter
Migration, Flucht und Vertreibung im Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre
Migration sowie im Globalen Pakt für Flüchtlinge aufgenommen wurde. Bedauerlicherweise
bleibt die Umsetzung dieser Vereinbarungen für die Vertragsstaaten nur freiwillig, der
internationale Wille dazu zögerlich. Wir sprechen uns für eine konsequente Implementierung
und eine angemessene finanzielle wie strukturelle Unterstützung auch durch die deutsche
Bundesregierung aus.
Eines jedenfalls ist offenkundig: Es wird den einen großen internationalen Wurf zum Umgang
mit klimabedingter Migration, Flucht und Vertreibung auf absehbare Zeit nicht geben. Wir
machen uns deshalb dafür stark, dass Deutschland bestehende Arbeitsprozesse nach Kräften
politisch und finanziell unterstützt, sich gegenüber anderen Staaten insbesondere aus dem
Kreis der Industrieländer für diese Prozesse einsetzt, deren enge Anbindung an
Zivilgesellschaft und Forschung sicherstellt sowie gemeinsam mit möglichst vielen weiteren
Staaten bislang erarbeitete Empfehlungen und bestehende effektive Praktiken tatsächlich auch
umsetzt. Unter anderem wollen wir die Empfehlungen aus dem Globalen Pakt für sichere,
geordnete und reguläre Migration sowie dem Globalen Pakt für Flüchtlinge auf nationaler wie
europäischer Ebene vorantreiben. Auch die Empfehlungen der Taskforce on Displacement wollen
wir aufgreifen und in nationale wie europäische Politik integrieren.
Sämtliche Projekte und Politiken zum Schutz von klimabedingt Vertriebenen müssen dabei einem
menschenrechtsbasierten, partizipativen Ansatz folgen und die Rechte der besonders
verletzlichen Menschen sicherstellen. Gerade weil Frauen und Mädchen, marginalisierte
Gruppen und nicht zuletzt Indigene auf besondere Weise von der Klimakrise betroffen sind,
wollen wir ihnen eine Schlüsselfunktion in der Bewältigung zukommen lassen. Durch ihre
Lebenssituation sind sie oft die Ersten, die sich anpassen müssen, entwickeln das
entsprechende Wissen und Können – was sie zu Expert*innen und Gestalter*innen eines
nachhaltigen Wandels werden lässt.
Auf dem Weg hin zu Lösungsansätzen ist auch die Selbstbestimmung der betroffenen Staaten
essentiell. Der überwiegende Teil klimabedingter Migration, Flucht und Vertreibung findet
jeweils innerhalb eines betroffenen Landes oder in der Region statt. Umso zentraler wird es
sein, alle Debatten und Verhandlungen über eine vorausschauende und planbare Umsiedlung,
über Versorgung und Integration, über regionale Lösungsansätze und Mechanismen gemeinsam mit
den Betroffenen zu führen, Ownership sicherzustellen und die notwendige Finanzierung
gemeinsam zu garantieren.
Zugleich finden auch innerhalb und zwischen den einzelnen Arbeitsprozessen grundlegende
Überlegungen statt, wie sich die vielen Multi-Stakeholder-Prozesse auf den unterschiedlichen
Ebenen noch kohärenter koordinieren ließen. Dieses Ansinnen unterstützen wir ausdrücklich.
Nicht etwa im Widerspruch zum bestehenden Bottom-up-Ansatz; auch nicht, um einzelne
Initiativen institutionell zu binden; sehr wohl aber mit dem Ziel, dem Bereich
klimabedingter Vertreibung die notwendige Aufmerksamkeit zu verschaffen sowie perspektivisch
internationales Engagement und staatliche Verbindlichkeit auf Ebene aller
Unterzeichnerstaaten der UN-Klimarahmenkonvention zu steigern. Vor diesem Hintergrund machen
wir uns dafür stark, die Themenkomplexe „Schäden und Verluste“ sowie „klimabedingte
Migration, Flucht und Vertreibung“ – und damit die Arbeit der Taskforce on Displacement im
Rahmen der UNFCCC-Architektur – systematisch und in angemessenem Umfang auf der Tagesordnung
der jährlichen UN-Klimakonferenzen zu verankern. Auch unterstützen wir die unter anderem von
der Platform on Disaster Displacement geäußerte Idee, die Koordinierung innerhalb der
Vereinten Nationen sowie zwischen deren Agenturen zusätzlich durch die Einberufung eines
Sonderbeauftragen (Special Representative) beziehungsweise eines Sonderberaters (Special
Advisor) für klimabedingte Migration, Flucht und Vertreibung in der Struktur des UN-
Generalsekretariats zu verbessern.
Klimabedingte Migration: sicher, selbstbestimmt, planbar
Der Umgang mit Migration wird in Zeiten der Klimakrise zu einem ethischen Prüfstein für die
internationale Staatengemeinschaft. Was für Migration im Allgemeinen gilt, gilt auch im
Kontext der Klimakrise: Wir müssen Wege eröffnen, klimabedingte Migration sicher,
selbstbestimmt und möglichst planbar zu gestalten. Ganz im Sinne von Artikel 13 der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte setzen wir uns dafür ein, dass umweltinduzierte
beziehungsweise klimabedingte Migration rechtzeitig, würdevoll, selbstbestimmt, sicher und
vor allem legal ermöglicht wird – und dass den Betroffenen das Recht garantiert wird,
innerhalb ihres Landes, in der Region und gegebenenfalls über die eigene Region hinaus
umzusiedeln.
Die Umsetzung des Globalen Paktes für sichere, geordnete und reguläre Migration ist da ein
wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Insgesamt müssen sich Deutschland und Europa
deutlich stärker engagieren – bilateral ebenso wie im Rahmen internationaler Kooperationen.
Unter anderem haben wir deshalb ein Konzept für ein modernes Einwanderungsrecht mit
Punktesystem vorgelegt und sprechen uns für eine vereinfachte, gegebenenfalls auch temporäre
Arbeitsmigration aus – grundlegend und im Kontext der Klimakrise.
Die internationale Staatengemeinschaft muss sich darauf einigen, wie sie mit dem erwartbaren
Verlust ganzer Staatsgebiete umzugehen gedenkt. Wir machen uns dafür stark, dass
entsprechende Debatten und Verhandlungen mit deutlich mehr Nachdruck geführt werden als
bislang. Natürlich wird es auch hier darauf ankommen, eine frühzeitige und selbstbestimmte
Umsiedlung zu ermöglichen. Aber es geht um viel mehr. Wenn absehbar ist, dass beispielsweise
Inselstaaten im Pazifik vollständig verschwinden, müssen wir dringend festlegen, welche
Konsequenzen daraus für die Gewässerhoheit entstehen, insbesondere aber, ob die bisherigen
Bewohner*innen automatisch auch ihre Staatsangehörigkeit verlieren – und welche
völkerrechtlichen Folgen das für sie und ihren Schutzanspruch mit sich bringt. Für uns hat
es dabei oberste Priorität, dafür Sorge zu tragen, dass Staatenlosigkeit de facto und de
jure verhindert wird.
Vor diesem Hintergrund wollen wir auch die Idee eines Klimapasses international
vorantreiben, dessen individueller Ansatz den Betroffenen ermöglicht, selbstbestimmt über
ihre Migration zu entscheiden. Konkret böte der Klimapass von der Erderwärmung existenziell
bedrohten Personen die Option, Zugang zu Schutz und letztlich staatsbürgergleichen Rechten
in weitgehend sicheren Ländern zu erlangen – in der Region, gegebenenfalls auch in Europa
und weltweit. In einer ersten Phase sollte der Klimapass den Bevölkerungen kleiner
Inselstaaten, deren Staatsgebiet durch den Klimawandel unbewohnbar werden wird, angeboten
werden – um ihnen eine frühzeitige Umsiedlung in Würde zu ermöglichen und dem Verlust
grundlegender Rechte vorzubeugen. Als Aufnahmeländer stehen insbesondere Staaten mit
historisch oder gegenwärtig hohen Treibhausgasemissionen und somit großem Anteil an der
Erderwärmung in der Verantwortung.
Regionale Lösungsansätze müssen gestärkt sowie technisch und finanziell unterstützt werden,
bis hin zu lokalen Vereinbarungen über Mobilität und Rechtsschutz von Saisonarbeiter*innen,
Nomad*innen oder Viehtreiber*innen. Da es häufig Frauen und Kinder sowie Alte sind, die in
sozioökonomisch unterversorgten Regionen zurückbleiben, sollten sich auch Deutschland und
die Europäische Union im Rahmen ihrer Programme zur Stärkung von Anpassung und Resilienz
gezielt für alternative Einkommensmöglichkeiten und entsprechende Fortbildungsmaßnahmen
stark machen.
Klimabedingte Flucht: Versorgung sicherstellen, Schutzlücken schließen
Schon heute trägt die Klimakrise dazu bei, dass die Konkurrenz um knappe Ressourcen zunimmt,
bestehende Konflikte befeuert oder neue ausgelöst werden. Dadurch können Situationen
entstehen, die einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechen – und
damit internationales Asylrecht begründen.
Zugleich nehmen Naturkatastrophen wie Fluten und Stürme in Intensität, Ausmaß und Häufigkeit
zu – auch infolge der Klimakrise. Der Zusammenhang zu Erderwärmung und Klimakrise ist
komplex, aber wissenschaftlich anerkannt. Menschen aber, die vor plötzlichen
Extremwetterereignissen fliehen, sei es nun temporär oder dauerhaft, fallen bislang in eine
völkerrechtliche Schutzlücke. Insgesamt fällt im Kontext der Klimakrise nur ein Bruchteil
der Fluchtbewegungen unter den etablierten Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention. Das
entsprechende Vakuum müssen wir dringend auf anderem Wege füllen.
Mit Blick auf die Situation von Binnenvertriebenen machen wir uns vor diesem Hintergrund für
die konsequente Umsetzung der UN-Leitlinien betreffend Binnenvertreibung (Guiding Principles
on Internal Displacement) stark, die ausdrücklich auch Fälle von „natürlichen oder vom
Menschen verursachten Katastrophen“ und damit auch Extremwetterereignisse abdecken – und die
Betroffenen explizit „vor der zwangsweisen Rückführung an einen Ort oder Neuansiedlung an
einem Ort“ schützen, „an dem ihr Leben, ihre Sicherheit, ihre Freiheit und/oder ihre
Gesundheit gefährdet wären“.
Insgesamt entfalten aktuell regionale flüchtlingspolitische Ansätze die größte, wenn auch
weiterhin begrenzte Schutzwirkung auf Betroffene. Diese Ansätze wollen wir unterstützen,
darauf wollen wir aufbauen. Die Afrikanische Flüchtlingskonvention beispielsweise sieht
Flüchtlingsschutz auch nach Ereignissen vor, die eine „erhebliche Störung der öffentlichen
Ordnung“ mit sich bringen. Auch die lateinamerikanische Cartagena Declaration erweist sich
vom Wortlaut her auf Extremwetterereignisse anwendbar.
Insbesondere die von der Afrikanischen Union aufgelegte Kampala-Konvention aber betrachten
wir als inspirierende Blaupause, da sie den Umgang mit Vertriebenen im Kontext der
Klimakrise aufgreift sowie Rechte und Garantien zugunsten von Binnengeflüchteten
festschreibt. Die mangelhafte Ratifizierung der Kampala-Konvention ist ein Missstand, den
nicht zuletzt Deutschland in seinen Beziehungen zu den Mitgliedstaaten der Afrikanischen
Union stets thematisieren sollte.
Vereinzelt geäußerten Vorschlägen, die Genfer Flüchtlingskonvention als solche zwecks
Überarbeitung zu öffnen, stellen wir uns gemeinsam mit zahlreichen flüchtlingspolitischen
Institutionen und Initiativen entgegen. Der Erarbeitung eines gesonderten Protokolls
wiederum stehen wir nicht prinzipiell ablehnend gegenüber, erachten die Chance einer
zeitnahen Einigung angesichts komplexer Definitions- und Umsetzungsfragen allerdings als
äußerst gering.
Für die adäquate humanitäre Unterstützung von Katastrophenvertriebenen wollen wir die
internationale humanitäre Hilfe erhöhen und deren schnelle Koordinierung gewährleisten. Wir
setzen uns für eine frühzeitige Übergangshilfe und einen schnellen Wiederaufbau vor Ort ein,
damit Dörfer und Städte, damit Infrastruktur insgesamt rasch und entlang lokaler
Schwerpunktsetzung wieder aufgebaut werden können.
Schließlich wollen wir Katastrophenvertriebenen eine existenzsichernde Unterstützung zur
Verfügung stellen helfen, damit überhaupt erst die Chance auf einen würdevollen Neuanfang
entsteht. Auch Rückkehrer*innen sind prinzipiell auf finanzielle Unterstützung und
Starthilfe angewiesen. Wir schlagen vor, die notwendigen Mittel über den globalen
Verursacherfonds zu generieren. Beispiele wie Uganda, wo Geflüchteten der Zugang zu
Ackerland ermöglicht wurde, zeigen eindrücklich, wie wenig es bisweilen braucht, um das
Ankommen zu erleichtern – und letztlich auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der
aufnehmenden Region spürbar zu fördern.
Zusätzlich wollen wir gemäß den Empfehlungen des Globalen Paktes für sichere, geordnete und
reguläre Migration die Kategorie des subsidiären Schutzes im Rahmen der EU-
Anerkennungsrichtlinie (2011/95/EU) auf Katastrophenvertriebene ausweiten. Zugleich wird es
nationale Lösungen benötigen. Unter anderem wollen wir deshalb die Familienzusammenführung
wieder stärken und die im Schengen-Kodex vorgesehene Möglichkeit humanitärer Visa
konsequenter nutzen – was letztlich auch den Betroffenen klimabedingter Flucht zugutekommen
könnte. Grundsätzlich wollen wir großzügige und verlässliche Aufnahmekontingente über das
Resettlement-Programm des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) ermöglichen:
Deutschland und die anderen EU-Staaten sollten ihren Anteil an dem jährlichen, vom UNHCR
ermittelten Resettlement-Bedarf entsprechend ihrer Wirtschaftskraft erfüllen.
Klimapolitik: international, feministisch, intersektional
Gerade Frauen und Mädchen leiden überdurchschnittlich unter den klimatischen Veränderungen.
Sie stehen nicht nur größeren Risiken und Hürden entgegen, sondern werden vielfach auch
durch gesellschaftlich-kulturelle Normen und Rollenbilder strukturell benachteiligt. Sie
haben häufig einen ungleichen Zugang zu Ressourcen wie Zeit und Geld, zu Bildung und
gesundheitlicher Versorgung, zu Beschäftigungsmöglichkeiten und Landrechten. Darunter leiden
Resilienz ebenso wie Anpassungsfähigkeit – ein Zustand, der im Zusammenhang der Klimakrise
umso benachteiligender wirkt und konkrete Menschenrechtsverletzungen zur Folge hat.
Ähnliches gilt für Minderheiten und marginalisierte Gruppen. Im brasilianischen
Amazonasgebiet beispielsweise leben fast 400 indigene Völker, die auf das intakte Ökosystem
ökonomisch und kulturell angewiesen sind. Schätzungen zufolge sind bereits 150 Millionen
Indigene von den Folgen des Klimawandels betroffen. Sehr häufig leben sie in sensiblen
Ökosystemen wie kleinen Inselstaaten oder Atollen im Pazifik, in tropischen Regenwäldern, in
arktischen Regionen, im Hochland der Anden und des Himalaya oder in den Wüstengebieten
Afrikas; in Lebenswelten also, die stärker und unmittelbarer von der Klimakrise betroffen
sind als andere.
Unsere Klimapolitik ist deshalb nicht nur internationalistisch, sondern zugleich
feministisch und intersektional. Sie fasst die besondere Situation von Frauen und Mädchen,
zugleich aber auch die Belange marginalisierter Gruppen ins Auge und nutzt die herausragende
Rolle all dieser Akteur*innen. Gerade weil Frauen und marginalisierte Gruppen auf besondere
Weise von der Klimakrise betroffen sind, kommt ihnen eine Schlüsselfunktion in der
Bewältigung zu. Im Umkehrschluss heißt das: Klimaschutz und Klimaanpassungsmaßnahmen sind
stets auch Gelegenheit, bestehende Strukturen der Ungleichheit – bezogen auf die Verteilung
von Macht und Ressourcen, zum Beispiel – aufzubrechen und damit mehr Gerechtigkeit,
gleichwertige Lebensverhältnisse und Gleichberechtigung zu schaffen.
Unser prioritäres Ziel ist es, neben der eigentlichen Eindämmung der Klimakrise deren
humanitäre Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Für uns leitet sich aus dem
Verursacherprinzip konkrete, globale Verantwortung ab. Ambitionierter Klimaschutz, die
Steigerung von Resilienz sowie ein vorausschauendes, am Menschen und seinen Bedürfnissen
orientiertes Handeln sind dabei nicht nur Ausdruck von Klimagerechtigkeit, sondern ebenso
Voraussetzung einer weltweiten Friedensdividende. Auch in unserer Klimapolitik stellen wir
deshalb den Menschen in all seiner Würde und mit all seinen Rechten in den Mittelpunkt. Der
stete Blick auf das Wissen und die Belange der besonders verletzlichen Menschen und
marginalisierte Gruppen ist bei alledem kein beliebiger, sondern der Schlüssel schlechthin,
um nachhaltige und friedliche Strukturen in Zeiten der Klimakrise zu festigen.
Wir sind überzeugt: Eine gleichberechtigte, gendergerechte Gesellschaft hat bessere
Aussichten, ihre Umwelt zu schützen und die Klimakrise zu überwinden. Die Klimakrise ist
nicht genderneutral; unsere Gegenmaßnahmen dürfen es auch nicht sein.
Antragstext
Nach Zeile 1206 einfügen:
- Wir werden in Kooperation mit Ländern des globalen Südens im Rahmen der Agenda 2030 die sozial-ökologische Transformation vorantreiben, um die Klimakrise entgegenzuwirken. Die Klimakrise hat jetzt schon die Landschaften vieler Länder verändert, wir werden unsere Partnerländer darin unterstützen, Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen und ihre Resilienz zu stärken.
„Wenn wir jetzt versagen, werden unsere Kinder uns nicht verzeihen.“[1]
Mit diesen Worten verpflichtete sich die Weltgemeinschaft 2015 in Paris, die Erhitzung des
Planeten bis zum Ende des Jahrhunderts auf „deutlich unter 2 Grad, möglichst 1,5 Grad“ zu
halten und perspektivisch nur noch so viel Treibhausgase auszustoßen, wie das natürliche
Ökosystem aufnehmen kann. Die Industriestaaten sollten voranschreiten und bis Mitte des
Jahrhunderts klimaneutral werden.
Doch das Gegenteil ist passiert. Zu Recht demonstrieren weltweit Millionen Menschen auf der
Straße für den Schutz der Erde. Denn der Ausstoß von Treibhausgasen[2] ist weltweit
ungebrochen. Mehr als 36 Milliarden Tonnen CO2 emittiert unsere noch immer auf fossilen
Energien wie Kohle, Öl und Gas basierende Weltwirtschaft jedes Jahr. Das heizt die
Atmosphäre immer weiter auf. Die Klimakrise spitzt sich dramatisch zu. Die vergangenen vier
Jahre waren weltweit die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Bereits jetzt ist
die globale Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Niveau um etwa 1
Grad[3] angestiegen. Die Eisschilde schmelzen immer schneller und der Anstieg des
Meeresspiegels verdoppelt sich. Werden die für das Weltklimasystem sensiblen Kipppunkte
erreicht, steuert die Erde auf eine Erhitzung von vier und mehr Grad zu. Irreversible
Kipppunkte, wie das Abtauen der Permafrostböden, sind zum Teil schon jetzt erreicht – über
70 Jahre früher als wissenschaftlich angenommen. Landstriche werden überflutet, trocknen aus
und werden unbewohnbar. Am stärksten von der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen
betroffen sind die Ärmsten der Armen. Im Globalen Süden sind viele Menschen aufgrund von
Dürren oder Meeresspiegelanstiegen bereits jetzt gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.
Auch in Deutschland ist die Klimakrise angekommen. Auf den Feldern, in den Wäldern. Mehr als
180.000 Hektar Waldfläche, was 250.000 Fußballfeldern entspricht, sind bereits durch die
Klimaveränderung zerstört. Doch statt vier Jahre nach dem Pariser Abkommen endlich zu
reagieren, verabschiedete die Bundesregierung nun ein Klimapaket, was das 1,5-Grad-Limit
endgültig beerdigt und selbst für einen 2-Grad-Pfad viel zu wenig ist. Damit wird
Deutschland seiner internationalen Klimaverantwortung nicht gerecht. Denn gemäß dem
Sachverständigenrat für Umweltfragen[4] ergibt sich aus dem jüngsten Sonderbericht des UN-
Weltklimarats IPCC für uns bei gleichmäßiger Aufteilung auf die Weltbevölkerung ein
verbleibendes nationales Kohlenstoffbudget von 6.600 Millionen Tonnen CO2 ab 2020[5]. Bei
fortdauernden Emissionen auf heutigem Niveau wäre das Budget in weniger als neun Jahren
verbraucht, bei einer linearen Reduktion rund um 2035. Ein längerer Zeitverlauf zur
Treibhausgasneutralität bis 2050, wie auf europäischer Ebene angestrebt, erfordert
überproportionale Reduktionserfolge in den nächsten Jahren.
Daran wird deutlich: Die Uhr tickt und wir müssen schnell und zügig umsteuern. Je rascher
wir die Emissionen senken, desto länger reicht unser CO2-Budget, um den Übergang in die
klimaneutrale Gesellschaft gemeinsam gestalten zu können. Jedes weitere Jahr hingegen, in
dem nichts getan wird, verschärft die Krise, da sich CO2 in der Luft ansammelt und der
Erhitzung der Atmosphäre weiter Vorschub leistet. Wir brauchen eine Radikalität, die sich in
entschlossenem Handeln ausdrückt, und eine Fokussierung der Debatte auf die nächsten fünf
Jahre statt auf Langfristziele.
Jetzt wird über den EU-Haushalt für die kommenden Jahre entschieden. Jetzt wird entschieden,
ob wir die europäische Landwirtschaftspolitik neu justieren. Es geht jetzt darum, den Ausbau
des Schienenverkehrs voranzubringen. Jetzt müssen wir entscheiden, ob öffentliche Mittel für
Infrastruktur auch für Öl- und Gaspipelines ausgegeben werden. Es gilt jetzt zu entscheiden,
wie wir aus Handelsabkommen mit gravierenden Auswirkungen auf das Klima rauskommen. Die EU
muss als eine Hauptverursacherin der Klimakrise ambitioniert vorangehen – jetzt! Europa hat
die historische Verantwortung vorzumachen, wie das Wirtschaften in planetaren Grenzen
demokratisch erreicht werden kann.
Der Aufbruch ins klimaneutrale Zeitalter lohnt sich
Ohne Zweifel sind die Herausforderungen enorm. Wir sehen aber auch nie dagewesene Chancen
für eine neue Lebensqualität und nachhaltigen Wohlstand. Klimaschutz macht unsere Städte
grüner, leiser, sauberer und sicherer. Er hilft, die Artenvielfalt zu bewahren. Er macht uns
unabhängig von russischem Gas und saudischem Öl. Klimaschutz eröffnet unseren Unternehmen
neue Geschäftsfelder. Er schafft neue Arbeitsplätze und sichert bestehende.
Ja, Klimaschutz kostet viel Geld. Aber es ist volkswirtschaftlich völlig klar, dass uns kein
Klimaschutz deutlich mehr kosten wird: Der Stern-Report machte bereits 2006 deutlich, dass
die jährlichen Kosten für Maßnahmen zur Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration bei
etwa einem Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts liegen. Die jährlichen Kosten einer
ungebremsten Klimaerhitzung hingegen werden dem Verlust von mindestens fünf Prozent des
globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Wenn man eine breitere Palette von Risiken und
Einflüssen berücksichtigt, könnten die Schäden sogar auf 20 Prozent oder mehr ansteigen.
Zudem wird Klimaschutz enorme neue Werte schaffen: Wirtschaftsstudien sehen ein
Geschäftspotenzial von etwa elf Billionen Euro durch neue, digital-basierte klimafreundliche
Geschäftsmodelle im Jahr 2030. Die sozial-ökologischen Innovationen in allen Sektoren können
Europa zu deutlich mehr Wohlstand verhelfen.
Wir müssen im Hier und Heute eine erhebliche Transformation einleiten. Und wir werden das
nur gemeinsam als Gesellschaft schaffen. Die dafür notwendigen tiefgreifenden Änderungen
werden nicht für alle einfach. Arbeitsplätze werden wegfallen, neue werden entstehen.
Menschen werden neu lernen und sich verändern müssen. Deshalb ist eine aktive politische
Gestaltung dieser Veränderung ebenso wichtig wie ihre kluge soziale Absicherung und Balance.
Klimaschutz erfordert eine aktive Arbeitsmarkt- und Weiterbildungspolitik, eine sozial faire
Rückerstattung der CO2-Bepreisung, eine kluge Regional- und Strukturpolitik. Und schließlich
gilt: Die notwendigen Veränderungen werden nur demokratisch gelingen, also wenn wir es
schaffen, gemeinsam die notwendigen Veränderungen und Handlungskonsequenzen anzugehen, neue
Wege auszuhandeln und so die Menschen mit auf den Weg nehmen.
Am 20. September 2019 haben wir zwei Parallelwelten erlebt: Auf der einen Seite standen
weltweit mehrere Millionen Menschen, die für Klimaschutz auf die Straße gegangen sind. Auf
der anderen Seite sahen wir eine völlig ermüdete Koalition, die nicht in der Lage war, mehr
als Trippelschritte zu liefern.
Für uns bedeutet das: Jetzt erst recht! Die Gesellschaft ist viel weiter als die deutsche
Bundesregierung. Wir starten einen neuen Anlauf in der Klimapolitik: Wir machen ein Angebot
an all jene, die vorangehen wollen, von Fridays for Future über Gewerkschaften, progressive
Unternehmer*innen bis hin zu Klimakommunen, Kulturschaffenden und allen, die sich noch
anschließen wollen. Gemeinsam, im Bündnis mit ihnen wollen wir die Wende in der Klimapolitik
schaffen und die Chancen des Klimaschutzes für mehr Gerechtigkeit und Zusammenhalt nutzen.
Ziel dieses Antrags und unserer Politik ist es, einen radikal realistischen und
sektorenübergreifenden Maßnahmenplan vorzulegen Die entscheidende Messlatte ist dabei für
uns das nationale Klimabudget, also die Menge an Emissionen, die noch ausgestoßen werden
dürfen, um den deutschen Anteil am Pariser Abkommen einzuhalten; wissentlich, dass auch
Budgets nur modellhaft gerechnet sind und dass weder technologische noch gesellschaftliche
Entwicklungen linear verlaufen. Durch soziale und technologische Innovationen, die wir heute
noch gar nicht kennen können, werden unsere momentanen Annahmen selbstverständlich in den
kommenden Jahren angepasst werden müssen. Aber wir widersprechen allen, die daraus ableiten,
eigentlich müssen wir doch in der Gegenwart gar nichts tun, denn irgendwann kommt die
Wundertechnik, die alle unsere Probleme löst. Es ist genau umgekehrt: Positive Innovationen
und Eigeninitiative als Katalysatoren der Veränderung müssen durch Abschied vom alten
überhaupt erst ermöglicht sowie gefördert und angereizt werden. Wir müssen jetzt schnell
loslaufen, damit wir eine Chance haben, auf dem Weg zu lernen.
1. Ein Klimaschutzgesetz für einen verbindlichen planungs- und ordnungsrechtlichen Rahmen
Nur mit klar festgelegten Zielen und Zwischenzielen, verknüpft mit einem verbindlichen
Monitoring der Maßnahmen und Ergebnisse sowie verankerten Korrekturmechanismen bei
Zielverfehlung können wir wieder auf den erforderlichen Zielpfad von Paris beim Klimaschutz
kommen. Durch ein Klimaschutzgesetz müssen endlich Verbindlichkeiten innerhalb der
jeweiligen Sektoren und der zuständigen Ressorts festgeschrieben werden. Denn die
Verantwortung für das Erreichen der Klimaschutzziele kann nicht länger allein beim
Bundesumweltministerium liegen, sondern muss als Querschnitt der Regierung auch die
Ministerien, welche zuständig sind für Verkehr, Landwirtschaft, Bauen und Wirtschaft in die
Pflicht nehmen. Was wir brauchen ist eine Klimaregierung.
Dazu gehört auch, dass wir Klimaschutz ins Grundgesetz schreiben. Wir möchten:
- die international vereinbarten Klimaschutzziele in die Verfassung aufnehmen,
- eine „CO2-Bremse“, mit der jedes neue Gesetz auf seine „Klimawirksamkeit“ überprüft
werden soll („climate mainstreaming“), verbindlich in der Verfassung verankern. Damit
werden alle zukünftigen Gesetzesinitiativen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das
Klima zu überprüfen sein sowie Klimaschutz wird insgesamt besser einklagbar.
Zudem wollen wir ein Klimaschutzgesetz, das den Rahmen für alle Klimaschutzmaßnahmen bildet:
- klare Maßnahmen für alle Sektoren,
- klar festgelegte Ziele, Zwischenziele und CO2-Minderungspfade für alle Sektoren mit
dem verbindlichen Ziel, das Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen,
- dichte Kontrolle, ob die Maßnahmen wirken sowie empfindliche Sanktionen,
- gesetzliche Festlegung einer klimaneutralen öffentlichen Verwaltung.
Klare ordnungsrechtliche Maßnahmen müssen in einem Klimaschutzgesetz die zentrale Rolle
spielen. Alle großen umweltpolitischen Errungenschaften wurden über das Ordnungsrecht
erreicht. Zudem wäre es fatal, allein auf Preissignale zu setzen. Denn wollte man die
Klimaziele allein über die Bepreisung von CO2 erreichen, müsste dieser so hoch sein, dass er
unweigerlich zu erheblichen negativen sozialen Auswirkungen führen würde. Einige könnten
sich rauskaufen, andere nicht mehr teilhaben. Damit Klimaschutz eben nicht zu Lasten der
Menschen mit geringeren Einkommen geht, brauchen wir einen klugen Mix aus CO2-Preis,
Anreizen und Förderung sowie dem Ordnungsrecht. So kann man die jeweiligen Vorteile der
Instrumente nutzen und gleichzeitig Nachteile minimieren. Gut gemacht, wird der ordnende
Rahmen zum notwendigen Innovationstreiber.
Klar gibt es gegen Ordnungsrecht, also auch Verbote, immer Vorbehalte. Aber Regeln zu
setzen, also zu sagen, was geht und was nicht, ist Sinn von Politik und zugleich der beste
Innovationsmotor. Heute stört sich niemand mehr daran, dass Blei im Benzin verboten ist,
Asbest nicht mehr eingebaut werden darf und Weichmacher in Kinderspielzeug verboten sind.
Das gleiche gilt ganz besonders für den Bereich der Chemikalien. Nach Verboten entwickelt
die Branche meist innerhalb kürzester Zeit ungefährlichere Alternativen oder bereits
vorhandene Alternativen bekommen ihre Chance auf dem Markt. Deshalb machen wir Klimaschutz
mit definierten Zwischenzielen in einem nationalen Klimaschutzgesetz planbar und rechtlich
verbindlich.
2. Planungen beschleunigen
Die Energie- und Verkehrswende braucht zügige, bürger*innennahe und effiziente
Planungsprozesse. Zentrale Herausforderung dafür ist die Aufstockung und Qualifizierung von
Personal in den Planungs- und Genehmigungsbehörden. Seit 1990 wurde in den Kommunen knapp
die Hälfte des Bau- und Planungspersonals abgebaut. Daher ist es dringend erforderlich, hier
wieder Personal einzustellen. Wir werden den Kommunen und genehmigenden Behörden das Planen
und Steuern erleichtern. Durch planbare, verlässliche Investitionshilfen, finanzielle
Entlastung der Kommunen sowie leichtere Planungsinstrumente für Klimaschutz.
Zu einem wirkungsvollen ordnungsrechtlichen Rahmen gehört es auch, den Kommunen und
Genehmigungsbehörden das Planen und Steuern von Klimaschutzmaßnahmen zu erleichtern. Ebenso
bedarf es einer Modernisierung des Planungsrechts. Denn die Zeit läuft uns davon und wir
brauchen rasch Baugenehmigungen für Photovoltaik- und Windkraftanlagen,
Übertragungsleitungen wie auch Schienenverbindungen. Planungs- und Genehmigungsverfahren
können deutlich vereinfacht und beschleunigt werden, wenn man im Verkehrswegebau bei
Ersatzneubauten ohne Ausbau bzw. Erweiterung die Maßstäbe für Sanierungen statt für
Neubauten heranzieht.
Die Planungs-, Bau- und Realisierungszeiten sind zu lang und wir wollen sie für alle CO2-
mindernde Infrastruktur halbieren, indem
- wir eine Priorisierung der zu bauenden Infrastrukturprojekte vornehmen, auch, um sich
bei geringen Planungskapazitäten nicht zu verzetteln,
- frühzeitig Bürger*innen und Nichtregierungsorganisationen beteiligt werden und so die
Entwicklung von Optionen und Varianten sowie das frühe Ausräumen von Konflikten
ermöglicht wird,
- wir für Verkehrsprojekte eine bessere Verzahnung von Raumordnungs- und
Planfeststellungsverfahren gewährleisten, etwa indem die Untersuchungsergebnisse des
Raumordnungsverfahrens für das Planfeststellungsverfahren genutzt werden können; sich
wiederholende Verfahrensschritte in beiden Verfahren könnten zusammengeführt werden,
- die Regelungen des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren
für ÖPNV bei der anstehenden Novelle des Personenbeförderungsgesetzes übernommen
werden,
- Arten- und Naturschutz von vornherein in die Planungen einbezogen werden, um Verfahren
schneller und rechtssicherer zu machen. Für den erforderlichen Ausgleich bei
Eingriffen in die Natur müssen Kompensationsmaßnahmen verstärkt und vereinfacht
werden, auf die dann die Vorhabenträger*innen zurückgreifen können,
- wir die behördlichen Abstimmungsprozesse effizienter gestalten. Beim Artenschutz etwa
gibt es ein großes Potenzial für den Wissensaustausch zwischen Behörden und für
vorgezogene Großmaßnahmen über ein Ökokonto und andere Anrechnungsvereinfachungen,
- eine verbindliche Frist bis zur Eröffnung von Gerichtsverfahren bei gleichzeitiger
personeller Stärkung der Gerichte eingeführt wird.
3. Ökonomische Anreize richtig setzen
Ergänzend zum planungs- und ordnungsrechtlichen Rahmen wollen wir die notwendigen
ökonomischen Anreize setzen, damit der Klimaschutz vorankommt.
Dafür setzen wir auf eine CO2-Preiskomponente auf alle fossilen Brennstoffe über den
bestehenden europäischen Emissionshandel (ETS) hinaus. Dem Preis kommt in einer
Marktwirtschaft eine zentrale Steuerungswirkung zu. Wir brauchen eine ökologisch wirksame,
sozial gerechte und ökonomisch vernünftige CO2-Bepreisung. Das ist eine wesentliche
Voraussetzung dafür, dass erneuerbare Energien, Energieeffizienz und innovative
Klimaschutztechnologien sich durchsetzen. Das Umweltbundesamt schätzt die Kosten der
Schäden, die durch den Ausstoß einer Tonne CO2 entstehen, auf 180 Euro – in Preisen von 2016
gerechnet. Doch die Preiskomponente ist nur ein Hebel für Klimawirksamkeit neben den
ordnungsrechtlichen Maßnahmen wie dem Kohleausstieg.
Wir brauchen also einen Preis, der lenkt, Innovationen schafft und zugleich nicht sozial
verzerrt oder schnellere und wirkungsvollere ordnungsrechtliche Maßnahmen konterkariert. In
der Schweiz liegt der nationale Preis pro Tonne CO2 bei rund 90 Euro für fossile Brennstoffe
wie Heizöl, Erdgas oder Kohle. Globaler Spitzenreiter ist derzeit Schweden mit rund 110 Euro
pro Tonne CO2 für alle fossilen Brennstoffe. Als Sofortmaßnahmen werden wir uns für
Folgendes einsetzen:
- Die Energiesteuern im Bereich Verkehr und Wärme wollen wir mit einer CO2-Komponente
reformieren. Der Einstiegspreis in diesen Sektoren sollte aktuell bei 40 Euro liegen
und 2021 auf 60 Euro steigen, um etwas zu bewirken. Der Preis muss danach weiter
planbar ansteigen. Dafür schlagen wir für Deutschland ein unabhängiges Gremium vor,
das bis zu einer Einigung auf europäischer Ebene die Preissteigerung fortführt.
- Mit den Einnahmen senken wir die Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Minimum
ab und führen als sozialen Ausgleich ein Energiegeld für alle ein.
- Auf europäischer Ebene muss die Bundesregierung dementsprechend bei der Neufassungen
der Energiesteuerdirektive für eine ambitionierte CO2-Mindestbepreisung eintreten. Wir
werden uns dafür einsetzen, dass ein CO2-Preis im Non-ETS-Bereich europaweit
eingeführt wird.
- Im europäischen Emissionshandel, der vor allem Industrieanlagen und Kraftwerke
abdeckt, sollte Deutschland, idealerweise in Abstimmung mit anderen europäischen
Ländern wie Frankreich und die Niederlande, einen gemeinsamen Mindestpreis in Höhe von
40 Euro festlegen. Zeigt sich, dass der Mindestpreis keine Wirkung erzielt, muss hier
nachgesteuert werden.
- Wir wollen die Wirksamkeit der Marktstabilitätsreserve im europäischen
Emissionshandelssystem erhöhen, damit die immer noch vorhandenen überschüssigen
Emissionszertifikate stärker reduziert und schneller vom Markt genommen werden.
- Im Zuge der Stilllegung von Kraftwerksblöcken werden wir entsprechend den vom Netz
gehenden CO2-Emissionen Emissionszertifikate vom Markt nehmen, indem wir dafür das
nationale Versteigerungsbudget entsprechend kürzen. Damit wird vermieden, dass hier
eingesparte Emissionen an anderer Stelle in Europa emittiert werden können.
4. Umweltschädliche Subventionen abbauen
Damit ökonomische Anreize ihr volles Potenzial entfalten können und zusätzliche finanzielle
Spielräume für Zukunftsinvestitionen entstehen, wollen wir umwelt- und klimaschädliche
Subventionen konsequent abbauen. Insgesamt betragen diese in Deutschland über 57 Milliarden
Euro. Staatliche Subventionen, die dem Klima schaden, wollen wir endlich beenden, wie zum
Beispiel
- die Steuerbefreiung von Rohöl zur Plastikherstellung,
- dem immer noch gewährten Beschaffungszuschuss für neue Ölheizungen oder
- die Nichtbesteuerung von Kerosin.
5. Klimafreundlich wirtschaften
Klimaschutz geht nur in einem System, das klimafreundliches Verhalten belohnt und nicht wie
heute strukturell erschwert. Wir beschreiben im Rahmen des Antrags „Anders Wirtschaften für
nachhaltigen Wohlstand“ ausführlich unsere Vision für ein gesamthaftes positiv
transformiertes Wirtschaftssystem. Ausgewählte wesentliche Aspekte, die auch das Klima
betreffen, sind:
- Unseren gesellschaftlichen Erfolg wollen wir nicht mehr nur mit dem
Bruttoinlandsprodukt (BIP) berechnen, sondern darüber hinaus auch unseren Erfolg im
Klimaschutz in die gesellschaftliche Wohlstandsmessung und -steuerung integrieren, wie
etwa den absoluten CO2-Ausstoß. So verändern wir die gesellschaftliche Wahrnehmung und
Prioritätensetzung im Einklang mit den planetaren Grenzen im Sinne des neuen
Wohlstandskonsenses.
- Entsprechend ändern wir auf betriebswirtschaftlicher Ebene die Buchhaltungsregeln und
Erfolgsrechnung hin zu einer nachhaltigen Bilanzierung von Unternehmen, die nicht nur
den finanziellen, sondern auch den ökologischen Wert von Unternehmen misst und
steuert. Hier wollen wir praxisnah mit führenden Wirtschaftsinitiativen
zusammenarbeiten und Konzepte wie das der Gemeinwohlökonomie aufgreifen.
- In der Digitalisierung fördern wir gezielt klimawirksame Innovation, damit sie ihr
Potenzial für die notwendige Suffizienz, Effizienzsteigerungen und Dematerialisierung
entfalten kann und nicht unkontrollierbaren Schaden durch immer mehr Energiehunger
anrichtet. Auch mithilfe der Digitalisierung könnten wir es schaffen, wirtschaftliches
Wachstum von steigenden CO2-Emissionen zu entkoppeln.
- Bei öffentlichen Investitionen und der Vergabe wenden wir auf allen politischen Ebenen
sozial-ökologische Kriterien bei der Entscheidungsfindung und Planung an.
- Wir stärken die kommunalen Ebenen. Gesetzliche Rahmenbedingungen dürfen die
Kreativität und regional spezifische Maßnahmen und Erfordernisse zum Schutz des Klimas
und zur Einhaltung der Klimaziele in den Kommunen nicht blockieren. Kommunen müssen
zum Vorbild anderer voranschreiten können.
- Klimaagenturen mit beratender Funktion geben „Best Practice“-Beispiele weiter,
unterstützen bei Förderanträgen und organisieren Bildungsveranstaltungen und
Bürger*innenforen.
- Wir brauchen eine Kampagne für das Handwerk und Umschulungsangebote, auch für
Unternehmen, und oft in Verbindung mit digitalen Technologien. Der immense Ausbau der
Erneuerbaren, die Sanierung von Gebäuden, das 100.000-Wärmepumpen-Programm oder auch
die intensivere Öko-Landwirtschaft – der Klimaschutz wird zig Tausende neue Jobs
bringen, vor allem in Technologie und Handwerk.
6. Sektorspezifische Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaschutzziele
Um die Ziele des Klimaschutzgesetzes in den einzelnen Sektoren zu erreichen, wollen wir die
nachfolgenden Maßnahmen auf den Weg bringen:
6a. Stromerzeugung erneuerbar
Derzeit liegen die ausgestoßenen Mengen CO2 für die Energiewirtschaft bei über 300 Millionen
Tonnen jährlich, das sind über 30 Prozent. Das ist meilenweit von einem Pfad zur Einhaltung
der Pariser Klimaziele entfernt. Schlimmer noch: Deutschland hinkt beim Ausbau der
erneuerbaren Energien weit hinterher. Sie sind jedoch das Herzstück jedes Klimaschutzes. Um
die Pariser Klimaziele zu erreichen, ist der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien nicht
mehr nur entscheidend für wirksamen und erfolgreichen Klimaschutz im Strombereich, sondern
auch der Wärme- und Verkehrssektor werden zukünftig auf elektrischer Basis betrieben und
massiv erneuerbare Energie benötigen. Hinzu kommt der zusätzliche Bedarf an erneuerbarem
Strom, um Wasserstoff und andere Gase (zum Beispiel als Speicher oder für erneuerbare
Treibstoffe) zu produzieren, gerade auch für den Stahl- und den Chemiebereich. Es geht nun
also nicht mehr nur um die 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien zur reinen
Elektrizitätsversorgung, die wir 2030 erreichen wollen, sondern um 100 Prozent erneuerbaren
Strom für eine klimaneutrale Wirtschaft insgesamt.
Der stockende Ausbau und die Politik der Bundesregierung führen dazu, dass wir uns derzeit
aber nur auf einem Ausbaupfad von maximal 45 Prozent bewegen. Das ist auch das größte
Hindernis für den Kohleausstieg, den wir sofort beginnen und schnell abschließen müssen. Die
von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission hat nun endlich einen Plan zum
Kohleausstieg vorgelegt. Es ist nicht unser Plan, aber das Einzige, was wir derzeit in einem
gesellschaftlich vereinbarten Kompromiss haben. Gerade mit Blick auf das Enddatum, das nicht
Paris-kompatibel ist, gibt es Korrekturbedarf – deshalb haben die am Ergebnis beteiligten
Umweltverbände und Wissenschaftler*innen Revisionsklauseln verankert und ein Sondervotum
abgegeben. Entscheidend ist jetzt, das verbleibende CO2-Budget für den Stromsektor deutlich
zu reduzieren. Das heißt viele Kraftwerke schnell und zeitnah abzuschalten, um 2030 auch aus
der Kohle aussteigen zu können. Wir machen uns daher dafür stark:
- über ein Kohleausstiegsgesetz in den nächsten drei Jahren mindestens rund ein Viertel
der Braunkohlekapazitäten und ein Drittel der Steinkohlekapazitäten abzuschalten,
- einen verbindlichen und möglichst entschädigungsfreien Abschaltplan für
Kohlekraftwerke für die Zeit nach 2022,
- die Strukturförderung an konkrete Abschaltungen und den Ausbau erneuerbarer Energien
sowie weiterer Energiewende-Infrastruktur vor Ort zu koppeln.
Zentral dafür wird sein, ob wir den Ausbau der Erneuerbaren und des Energiesystems umgehend
und massiv voranbringen.
Das Missmanagement der Bundesregierung hat den Ausbau der erneuerbaren Energien fast zum
Erliegen gebracht. Durch die letzten Novellen ist aus dem extrem erfolgreichen Erneuerbare-
Energien-Gesetz, dem am häufigsten kopierten Gesetz der Welt, mittlerweile eher ein Anti-
Erneuerbare-Energien-Gesetz geworden: Den Erneuerbaren wurden Deckel und andere Hindernisse
zur Verhinderung von schnellem Wachstum vorgegeben. Das ist der eigentliche Skandal.
Wir wollen den Ausbau der Erneuerbaren mit großer Geschwindigkeit wieder in Gang bringen.
Konkret soll die installierte Leistung von Wind onshore in den nächsten zehn Jahren
mindestens verdoppelt, die für offshore verfünffacht und die für PV (Dach, Fassaden und
Freiflächen) auf 250 Gigawatt (GW) angehoben werden. Damit sowie mit massiver
Energieeinsparung kann Deutschland seinen Stromverbrauch komplett erneuerbar decken und auch
noch einen Teil der Sektorenkopplung. Klar ist: Die Energiewende mit 100 Prozent
Erneuerbaren kann nur gelingen, wenn wir sie endlich umfassend europäisch denken und
zugleich die Potenzial der Bürger*innen-Energiewende wieder heben.
Für die erneuerbaren Energien in den Bereichen Industrie, Wärme, Verkehr wollen wir
Energiepartnerschaften mit den Nachbarstaaten der Europäischen Union aus dem Sonnengürtel
zur Produktion von solarem Wasserstoff schließen. Solche Energiepartnerschaften müssen auf
Augenhöhe und unter Einbeziehung der Bürger*innen in der Region verhandelt werden. Die
Vorteile müssen vor allem der Region zugutekommen, aus welcher die Energie geliefert wird.
Weder ist es nötig noch erstrebenswert, dass wir dezentrale Energieerzeugung zu kleinteilig
denken. Europa soll zu einem gemeinsamen Strommarkt auf der Basis von Erneuerbaren
zusammenwachsen. Dafür brauchen wir eine zu 100 Prozent erneuerbare und energieeffiziente
Europäische Union als Treiberin für die internationale Energiewende und ambitioniertere
europäische Klimaziele. Die Förderung von nachhaltiger Landwirtschaft, klimafreundlicher
Mobilität, Photovoltaik, Windenergie, Biomasse und anderen regenerativen Stromquellen auch
auf europäischer Ebene muss noch stärker vorangetrieben werden. Die Vernetzung der
verschiedenen erneuerbaren Quellen senkt den Bedarf am Ausbau erheblich. Je größer der Raum
und je vernetzter die Quellen, desto günstiger wird es und desto geringer ist der Bedarf am
Ausbau.
Im Sektor Strom müssen Effizienzgewinne schnell realisiert werden:
- strikte Effizienzvorgaben und Förderung von Effizienzgewinnen und Stromeinsparungen
für Energieversorger, Produktion, Industrie, Datenzentren, Gewerbe, bei Handel und
Dienstleistungen,
- eine „Langes Leben“-Produktoffensive (zum Beispiel Garantiehaftung von zwei auf fünf
Jahre anheben) sowie ein Förderprogramm „Dekarbonisierung für die Industrie“,
- Förderung von Stromeinsparungen im Haushaltsbereich durch kontinuierlich steigende
Effizienzvorgaben für Haushaltsgeräte, Umstellung auf LED-Beleuchtung und sparsamere
Rechnerleistungen.
Die Ausbau-Offensive im Bereich der erneuerbaren Stromerzeugung umfasst folgende Maßnahmen:
- Die Verhinderungs-Deckel beim Ausbau von Ökostrom müssen unverzüglich gestrichen
werden. Nur den Solardeckel aufzuheben, reicht nicht aus. Entsprechend des
Ausbaupfades müssen die planbaren Flächen deutlich erhöht werden. Der Europäische
Gerichtshof hat entschieden, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) keine Beihilfe
darstellt und deshalb nicht unter die Beschränkungen der Beihilferichtlinie der
Europäischen Union fällt.
- Vorrangregelung und Abnahmepflicht des erneuerbaren Stroms muss gesichert werden.
- Jährlicher Zubau von mindestens 5-6 GW Wind auf dem Land, ab Mitte der 2020er Jahre
von 7-8 GW.
- Eine Repowering-Offensive durch planungsrechtliche Verbesserungen und gesonderte
Ausschreibungen.
- Festlegung eines nationalen Flächenziels Windkraft von zwei Prozent der Landesfläche
und Verpflichtung der Länder, entsprechende Flächen auszuweisen, auf denen
Windenergieanlagen errichtet werden können.
- Wenn Windparks gebaut oder erweitert werden, sollen die anliegenden Gemeinden und
damit ihre Bürger*innen über eine Windpark-Abgabe finanziell an den Erträgen
teilhaben.
- Erhebliche Erleichterungen bei den Genehmigungen für Windenergieanlagen durch
Überprüfung bestehender Regelungen im Bereich Flugsicherung, Denkmal- und Naturschutz
sowie bei Abstandsregelungen und im Planungsrecht mit der Maßgabe, den Ausbau von
Erneuerbaren zu fördern. Im Artenschutz wollen wir bei guter Bestandsentwicklung die
Ausnahmegenehmigungen besser nutzen.
- Das Ausbauziel für Windenergie auf See ist auf 35 GW bis 2030 anzuheben. Dazu brauchen
wir im Durchschnitt einen jährlichen Zubau von etwa drei GW pro Jahr.
- Um bei Wind offshore schneller voranzukommen, wollen wir mit anderen Nord- und Ostsee-
Anrainerstaaten eine gemeinsame Raumplanung machen, die dann auch die Räume außerhalb
der einzelnen Hoheitsgebiete enthält und eine koordinierte Planung zur
Berücksichtigung des Artenschutzes, insbesondere den Vogelzug, erlaubt.
- Bei Photovoltaik akuter jährlicher Zubau von 10-12 GW pro Jahr als Dachanlagen, für
Gebäudefassaden und Freiflächen; ab Mitte der 2020er Anstieg auf 18-20 GW pro Jahr.
- Einführung einer Solarpflicht für Photovoltaik oder Solarthermie bei Neubauten.
- Ausbildungsprogramm für Fachkräfte für Solarenergie und Facharbeiter*innen in der
Solarzellenproduktion.
- Aufbau einer Multi-Gigawatt-Solarfabrik, unterstützt durch staatliche Bürgschaften.
Flächen effizient nutzen. Der immense Ausbau der Erneuerbaren, den wir brauchen, benötigt
Fläche. Für Windenergie an Land benötigen wir nicht mehr als zwei Prozent der Landesfläche.
Hinzu kommen gut drei Prozent der Ackerfläche für Photovoltaik. Dafür können wir nicht für
Lebensmittel genutzte Ackerfläche umwidmen: Potenzial bieten Ackerflächen in einer
Größenordnung von ca. acht Prozent, die heute noch für Kraftstoffproduktion genutzt werden,
zudem kann der Bedarf an Biogas-Mais verringert werden, da die Energieerzeugung durch
Photovoltaik fünfzig- bis hundertfach flächeneffizienter ist. Landwirtinnen und Landwirte,
die in den bestehenden Energiepflanzen-Programmen ökonomisch gebunden sind, fördern wir
einkommensneutral, sodass sie auf Photovoltaik umsteigen können. Durch die Verbindung von
Agro-PV-Anlagen mit Permakultur können sogar höhere Erträge als heute erzielt werden.
Insgesamt streben wir für den Energiesektor an:
- Der bis ins Unermessliche gestiegene bürokratische Aufwand für eine eigene
Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und sonstige eigene Erneuerbaren-Anlagen zur
Stromlieferung an Dritte sowie die damit verbundenen, mittlerweile kaum mehr zu
verstehenden steuerrechtlichen Regelungen müssen harmonisiert, deutlich reduziert und
vereinfacht werden.
- Den Ausbau von PV-Strom vom Dach als Mieterstrom wollen wir insbesondere im
Mieterstromgesetz radikal vereinfachen und steuerliche Hemmnisse und Bürokratie
abbauen. Die Vermarktung und Verwendung auch über das Herstellungsgebäude hinaus im
Quartier muss lohnend und einfach werden. Die Verpachtung von Dächern und die
Vermarktung von PV-Strom vom Dach im Quartier muss einfach und lohnend werden, für
Erzeuger*innen und Nutzer*innen.
- Auflegen eines Förderprogramms für 100.000 Stromspeicher, um die dezentrale
Ökostromversorgung zu erleichtern.
- Anreize für Investor*innen, Anwohner*innen und Anliegergemeinden von Wind- und
Solarenergieanlagen schaffen, u.a. durch Forschungs- und Förderprogramme für
Agrophotovoltaik zur gleichzeitigen Nutzung von Fläche für Landwirtschaft und
Energieproduktion sowie Pflichtanteile erneuerbarer Wärme wie Solarthermie bei der
Modernisierung von Altbauten.
- Länder und Kommunen bei der Lösung von Konflikten, zum Beispiel zwischen Windanlagen
und Naturschutz unterstützen, anstatt sie wie bisher alleine zu lassen.
- Die Sektorkopplung voranbringen, den Strommarkt gemäß den europäischen Vorgaben
reformieren und die Digitalisierung der Stromversorgung vorantreiben.
- Eine Anschlussfinanzierung für bestehende Biomasseanlagen, um die Stromerzeugung aus
Bioenergie zu erhalten. Die Anschlussfinanzierung soll daran geknüpft sein, dass die
Bioenergieanlagen flexibilisiert werden und dann Strom erzeugen, wenn wenig Wind- und
Solarenergie zur Verfügung steht, und sie möglichst weitgehend auf Rest- und
Abfallstoffe sowie Gülle umgestellt werden.
- Fairere Gestaltung der Umlagen und Entgelte zwischen Verbraucher*innen, der Industrie
und kleineren und mittleren Unternehmen.
- Europarechtliche Vorgaben im Energiemarktdesign so schnell wie möglich in nationales
Recht umsetzen, um der Bürgerenergie Flügel zu verleihen: So kann jede*r auf Dach oder
Balkon Strom erzeugen und abgabenfrei selbst verbrauchen oder an Nachbar*innen
verkaufen.
- Deutschland muss den Vertrag über die Energiecharta kündigen, damit fossile
Infrastruktur ausländischer Eigentümer*innen entschädigungsfrei stillgelegt werden
kann.
Parallel dazu setzen wir auf:
- eine Förderung der inländischen, nachhaltigen Batteriezellenproduktion und einer damit
verbundenen Kreislaufwirtschaft,
- die konsequente Umstrukturierung des Energiemarktdesigns und der energiebezogenen
Abgaben, Entgelte und Umlagen mit der Zielvorgabe 100 Prozent Erneuerbare bis 2030.
Dazu gehören starke Anreize für Sektorkopplung und Speicherung,
- Forschungsunterstützung für die Wasserstoff-Industrie über ein Investitionsprogramm
„Grüner Wasserstoff“. Gefördert werden sollen u.a. die erneuerbare
Wasserstofferzeugung und Speicherung, Wasserstoff-Dunkelflautenspeicher in Gaskavernen
und der Einsatz in Industrieprozessen.
6b. Energiewende im Wärmesektor und bei Gebäuden
Die Energiewende in Gebäuden kommt seit Jahren nicht schnell genug voran. Die Sanierungsrate
zur Energieeinsparung und der Anteil an Wärme aus erneuerbaren Energien reichen bei Weitem
nicht aus und stagnieren auf niedrigstem Niveau. Mit einem „Weiter so“ würde es hundert
Jahre dauern, einen klimaneutralen Gebäudebereich zu schaffen – wir brauchen ihn aber
viermal so schnell, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Daher müssen wir jetzt gemeinsam
mit allen Eigentümerinnen und Eigentümern, die in der Regel keine Bau- oder
Planungsexpert*innen sind, allen Mieterinnen und Mietern einen Aufbruch hin zu ökologisch
modernen Gebäuden schaffen. Mit Zuschüssen und zinslosen staatlichen Sanierungskrediten mit
wahlweise langen Laufzeiten unterstützen wir Eigenheimbesitzer*innen bei der energetischen
Gebäudemodernisierung. Ein CO2-Preis auf Heizstoffe macht Klima-Modernisierung
wirtschaftlicher als bisher. Damit alle Eigentümer*innen und Mieter*innen bei der
Energiewende in Gebäuden mitmachen und partizipieren können, braucht es zusätzlich passende
Regeln, Anreize und Informationen. Dazu gehört auch die steuerliche Förderung als Anreiz für
energetische Sanierung. Gerade private Eigenheimbesitzer*innen benötigen steuerliche Anreize
zur Gebäudemodernisierung. Der Steuerbonus muss klimapolitisch wirksam ausgestaltet sein. Es
dürfen darum nur Maßnahmen gefördert werden, die nachweislich auf dem vom Pariser Abkommen
vorgegebenen Minderungspfad liegen. Durch eine progressionsunabhängige Abschreibung müssen
alle gleichermaßen davon profitieren, und die Sonderabschreibung muss analog zur KfW-
Förderung ausgestaltet sein.
Wie im Stromsektor gehört auch beim Heizen und Kühlen die Zukunft den erneuerbaren Energien.
Wir wollen
- einen Systemwechsel erreichen: Dort, wo es die Besiedlungsstruktur ermöglicht, weg von
der Einzelbefeuerungsanlage und der Einzelhausbetrachtung hin zu einer
Quartiersbetrachtung und zu Nah- bzw. Fernwärmenetzen, die dann aus verschiedenen
erneuerbaren Quellen gespeist werden können,
- dass alle Kommunen ein Energiemanagement durchführen müssen und einen Energiebericht
verfassen, damit überhaupt Daten erhoben, Maßnahmen umgesetzt und nachgesteuert werden
kann. Kommunen haben sich zukünftig nicht nur um ihren eigenen Gebäudebestand zu
kümmern. Kommunen werden wir dabei finanziell unterstützen, eine datenbasierte
Wärmeplanung für einen klimaverträglichen Umbau der Wärmeversorgung in den einzelnen
Quartieren aufzulegen. Diese Wärmeplanung wird Grundlage für eine Förderung der
nötigen Investitionen sein,
- den vorgeschriebenen Anteil an erneuerbaren Energien bei Neubau und Bestand deutlich
anheben,
- den Passivhausstandard für alle Neubauten sowie Fassaden- oder Dachbegrünung sowie
Plus-Energiegebäude fördern,
- eine Ausbildungsoffensive im Handwerk und Baugewerbe, um die notwendige Sanierungsrate
überhaupt zu ermöglichen.
Ein Austauschprogramm „Sonne statt Öl“ und Klima-Service für Eigentümer*innen. 16 der 19
Millionen Wohngebäude in Deutschland sind Ein- und Zweifamilienhäuser. Viele davon sind noch
vor der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1978 entstanden und bisher nicht energetisch
modernisiert. Die Eigentümer*innen und Mieter*innen dieser Gebäude sind in der Regel keine
Bauexperten. Sie brauchen daher einen einfachen Zugang zu den besten Klimainformationen und
Modernisierungen. Zentral ist für uns daher:
- ein Austauschprogramm „Sonne statt Öl“: ein Förderprogramm für den Tausch der
Ölheizung gegen eine moderne Heizung mit Sonnenwärme, Wärmepumpe oder Holz,
- dass Ölheizungen ab sofort und fossile Gasheizungen ab 2025 nicht mehr eingebaut
werden,
- der Ersatz der fossilen Erdgasversorgung,
- das Auflegen eines 100.000-Wärmepumpen-Programms. Mit Wärmepumpen können wir aus einer
Kilowattstunde (kWh) Strom rund vier kWh Wärme machen. Der Austausch von fossilen
Heizungen zu Wärmepumpen stellt mit Solarwärme und PV sowie saisonalen Speichern und
Wärmenetzen in der drängenden, kurzen Zeit eine große Chance auf rasche
Klimaneutralität des Gebäudebestands dar,
- ein kostenloser Klima-Service für Eigentümer*innen von Ein- und Zweifamilienhäusern:
Qualifizierte Energieberater*innen nehmen eine Vor-Ort-Analyse vor und erstellen einen
kostenlosen Sanierungsfahrplan fürs Haus. Ein solcher Klima-Fahrplan schlägt geeignete
Schritte vor, mit denen das Haus zum Niedrig-Energie-Gebäude mit erneuerbarer Wärme
werden kann,
- einen finanziellen Zuschuss für eine fachkundige Energie-Bauleitung: Die
Energieberater*in wird dazu als Bauleiter*in zur Umsetzung einzelner Schritte des
Klima-Fahrplans für das Haus tätig. Sie beauftragt alle Handwerkerinnen und Handwerker
und prüft deren Arbeit.
Klima-Check und Mieterschutz für Mieter*innen. Jeder Mieter, jede Mieterin soll wissen, wie
es um die eigene Wohnung bezüglich der Klimaziele und Heizkosten steht. Außerdem wollen wir
Mieterinnen und Mieter vor hohen Heiz- und Modernisierungskosten schützen. Dafür wollen wir:
- jeder Mieterin und jedem Mieter einen Gutschein für einen Klima-Check für ihre/seine
Wohnung geben, um ein kostenloses Heizgutachten auf Basis der aktuellen
Heizkostenabrechnung zu erstellen,
- klimagerechte Modernisierungen von Gebäuden und Wohnungen, die sich jede*r leisten
kann, möglichst ohne Erhöhung der Warmmiete. Für energetisch modernisierte Wohnungen
wollen wir einen Klimazuschuss zum Wohngeld einführen, damit sich auch Haushalte mit
kleinen Einkommen diese Wohnungen leisten können. Mit dem Förderprogramm „Gutes Klima
im Quartier“ fördern wir energetische Modernisierungen ganzer Stadtviertel ohne
Erhöhung der Warmmieten. Mit der sozialen Wohnraumförderung und bei kommunalen
Wohnungsunternehmen ermöglichen wir das ebenfalls in den Ländern und Kommunen. Im
Mietrecht senken wir die Modernisierungsumlage, d.h. die Mieterhöhung nach
Modernisierung, deutlich ab und kappen sie bei höchstens 1,50 Euro je Quadratmeter.
Aktionsplan Faire Wärme. Unser umfassender Aktionsplan Faire Wärme denkt die Bausteine der
Energiewende im Wärmesektor und in Gebäuden zusammen, für Wohnhäuser und Quartiere, Stadt
und Land. Dazu gehören:
- eine erhebliche Aufstockung der Mittel für erneuerbare Wärme, energetische
Modernisierung und saubere Wärmenetze – um Heizen ohne Klimaschaden zu ermöglichen,
- das Programm „Gutes Klima im Quartier“: ein Förderprogramm für die Quartierssanierung
ohne Erhöhung der Warmmieten, zur Klima-Modernisierung ganzer Stadtviertel und Dörfer
und ihrer Gebäude, gemeinsam geplant mit den Menschen und Unternehmen vor Ort,
- ein Steuerbonus für selbst nutzende Eigentümer*innen, die ihr Haus oder ihre Wohnung
klimafreundlich modernisieren wollen,
- endlich konsequenter Klimaschutz bei Bundesimmobilien: Klima-Fahrplan für die
bundeseigenen Liegenschaften und ein Aktionsprogramm klimaneutrale Bundesverwaltung;
Ziel: sämtliche Bundesliegenschaften werden bis zum Jahr 2030 klimaneutral,
- 200 Millionen Euro jährlich für qualifizierte Energieberatung wie Klima-Service und
Klima-Check.
Mehr Energieeffizienz. Die beste Energie ist diejenige, die gar nicht erst verbraucht wird.
Hier reichen die heutigen politischen Rahmenbedingungen für mehr Energiesparen und bessere
Energieeffizienz bei weitem nicht aus. Wir brauchen:
- Förderprogramme für die Nutzung ökologischer Bau- und Dämmstoffe,
- die Umsetzung des gültigen EU-Rechts in ein modernes Gebäudeenergiegesetz, das an
Energieeffizienz und dem CO2-Ausstoß ausgerichtet ist,
- Niedrigenergiehäuser als verpflichtenden Standard: das Passivhaus bei Neubauten, und
bei umfassender Modernisierung sowie Sanierung bestehender Altbauten soll das KfW-
Effizienzhaus 55 der Zielstandard sein,
- für energetische Modernisierungen staatliche Nullzins-Darlehen mit langen
Rücklaufzeiten, denn eine bessere Investition als Energieeinsparung gibt es nicht.
Wärmenetze dekarbonisieren und ausbauen. Ein relevanter Teil der Wärmeversorgung erfolgt
über Nah- und Fernwärmenetze. Doch derzeit wird das Potenzial der leitungsgebundenen Wärme
für den Klimaschutz nicht ausreichend genutzt. Das gilt hinsichtlich der Integration von
erneuerbaren Energien ebenso wie für die Nutzung von gewerblicher und industrieller Abwärme.
Wir wollen:
- Nahwärmenetze zielgerichtet ausbauen und die entsprechenden Förderprogramme erhöhen,
- ein Förderprogramm in Höhe von 400 Millionen Euro für 10.000 Wärmespeicher auflegen,
damit insbesondere Gemeinden oder Stadtteile mit Wärmenetzen mindestens einen großen
Wärmespeicher errichten können und so die Flexibilität im Wärme- und
Stromversorgungssystem erhöht wird,
- verpflichtende Emissionsminderungsziele für Fernwärmebetreiber,
- Wärmenetze für die Einspeisung erneuerbarer Wärme sowie industrieller und gewerblicher
Abwärme durch gesetzliche Regelungen öffnen, um auch die Nah- und Fernwärmeversorgung
so schnell wie möglich zu dekarbonisieren.
6c. Verkehrswende – mehr Mobilität mit weniger Verkehr
Rund 20 Prozent der deutschen Treibhausgase kommen aus dem Verkehrssektor. Von einem
Minderungspfad, der mit den Klimazielen von Paris vereinbar wäre, sind wir meilenweit
entfernt. Die Emissionen sind derzeit immer noch genauso hoch wie 1990, alle Klimaziele im
Verkehrssektor werden krachend verfehlt. Die zunehmenden Emissionen des von Deutschland
ausgehenden internationalen Luftverkehrs sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Allein
die durch unseren Verkehr verursachten Folgekosten liegen pro Jahr bei 149 Milliarden Euro.
Mobilität und Lebensqualität zusammenzubringen heißt: Verkehr vermeiden, verlagern und
klimafreundliche Verkehrsmittel miteinander vernetzen. Ein „Weiter so“ wäre nicht nur
ökologischer, sondern auch volkswirtschaftlicher Irrsinn. Um Klimaschädigung und
Verkehrsbelastungen wirksam zu vermindern, müssen wir eine umfassende Verkehrswende auf den
Weg bringen. Mit ihr geht die Ära des fossilen Verbrennungsmotors und eine einseitig auf
immer mehr Pkw- und Lkw-Verkehr ausgerichtete Infrastrukturentwicklung zu Ende.
Mit dem Ausbau von Schiene, ÖPNV und Radverkehr, der Vernetzung von Verkehrsangeboten, mit
neuen Sharing-Formen und der Antriebswende können wir den Energiebedarf des Verkehrs
vermindern, eine für alle Menschen bezahlbare Mobilität schaffen und die Klimaziele im
Verkehr erreichen. Wir können die Anzahl der Autos verringern, die heute Tag für Tag im Stau
stehen oder in Städten wertvolle Flächen vollstellen, und so Verkehrssicherheit und
Lebensqualität erhöhen, ohne unsere Mobilität zu vermindern.
Unsere Schwerpunkte für eine klimafreundliche Mobilität sind:
Überarbeitung des ordnungs-, finanz- und steuerpolitischen Rahmens der Verkehrspolitik.
Diesen Rahmen zu überarbeiten mit dem Ziel der Förderung sozialverträglicher, ökologischer
und technischer Maßnahmen heißt:
- den Bundesverkehrswegeplan komplett zu überarbeiten und als Bundesnetzplan für
Mobilität neu aufzustellen,
- den Kommunen das Recht zu geben, innerorts eigenständig und unbürokratisch über die
Einführung von Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaziele zu entscheiden: zum Beispiel
autofreie Innenstädte innerhalb ihrer Stadtgrenzen und/oder in Kooperation mit
benachbarten Kommunen gestalten, Fahrradstraßen und Fußwegenetze oder auch Tempolimits
einführen,
- den steuer- und finanzpolitischen Rahmen u.a. mit dem Ziel auszuschöpfen, den Kauf von
Autos mit fossilem Verbrennungsmotor auslaufen zu lassen und die Nutzung öffentlicher
Verkehrsangebote preiswert zu gestalten.
Die Bahn flott machen. In den letzten Jahrzehnten wurde einseitig in den Straßenbau
investiert, während Schieneninfrastruktur in großem Ausmaß zurückgebaut wurde. Jetzt ist die
Schiene dran! Zur Finanzierung wollen wir den bisherigen „Finanzierungskreislauf Straße“
auflösen, wonach Einnahmen aus der Lkw-Maut allergrößtenteils in den Straßenbau fließen.
Mauteinnahmen müssen auch der Bahn zugutekommen. Ab 2025 wollen wir keine neuen
Bundesstraßen mehr in Angriff nehmen, da Deutschland mit Straßen ausreichend erschlossen
ist, während bei den Schienenwegen erhebliche Nachholbedarfe aufzuarbeiten sind. Die Bahn
ist das Verkehrsmittel, das sich am einfachsten und mit der höchsten Energieeffizient
elektrifizieren lässt. Sie ist das Rückgrat der Verkehrswende. Es braucht jedoch erhebliche
Anstrengungen, damit sie diese Rolle endlich übernehmen kann:
- Innerdeutschen und grenzüberschreitenden Schienenverkehr stärken: fehlende
Verbindungen im Schienennetz herstellen, Elektrifizierungslücken schließen,
Passagierrechte europaweit stärken, Nachtzugverbindungen ausbauen.
- Um auch bei der Bahn das fossile Zeitalter auslaufen zu lassen, sind bis zum Jahr 2030
mindestens 75 Prozent der Bahnstrecken zu elektrifizieren. Die verbleibenden Strecken
sind entweder ebenfalls zu elektrifizieren oder die Züge werden auf alternative
Antriebe umgestellt.
- Bundesweiten Deutschlandtakt einführen: garantierte Anschlüsse, dichter Takt,
Abstimmung Fern- und Nahverkehr.
- Regionalisierungsmittel erhöhen mit dem Ziel, die Fahrgastzahlen in Zügen zu
verdoppeln.
- Technische Möglichkeiten ausschöpfen zur intelligenten Steuerung des Schienenverkehrs
sowie zur Steigerung der Nutzung, bspw. Taktverdichtung.
- Bessere Harmonisierung und Verstärkung des internationalen Bahnverkehrs zur
Beseitigung technischer Hemmnisse und für verbesserte Verbindungen; damit einhergehend
Anschlussgarantien und grenzüberschreitender Verbraucherschutz.
- Erstellung eines Reaktivierungskonzeptes für ungenutzte und stillgelegte
Schienenstrecken inklusive der Chance, bereits entwidmete, aber notwendige Trassen
wieder zu ertüchtigen.
Den öffentlichen Personenverkehr stärken. Damit alle bezahlbar, verlässlich und
klimaschonend von A nach B kommen, muss der Öffentliche Personenverkehr besser ausgebaut und
die Angebote verbessert werden. Dazu braucht es:
- ein Förderprogramm „Mobilität im ländlichen Raum“ mit eindeutigen Kriterien zugunsten
des Ausbaus von vernetzten Mobilitäts- und Fahrzeugangeboten,
- die deutliche Erhöhung der Mittel für den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs,
um die Kapazitäten und das Preis-Leistungs-Verhältnis zu verbessern,
- einen Mobilpass, um aus einer Hand mit allen Verkehrsmitteln – Busse, Bahnen, Share-
Bikes und -Cars – in ganz Deutschland unterwegs sein zu können,
- eine Mobilitätsgarantie für alle Menschen in Deutschland: durch gezielte Förderung
strukturschwacher Regionen allen Menschen Zugang zu einem regelmäßigen und
verlässlichen Nahverkehrsangebot ermöglichen,
- die Förderung von bundesweit zehn Kommunen im Rahmen von Modellprojekten , die auf
einen umlagefinanzierten und kostenfreien ÖPNV umsteigen wollen, indem wir die
rechtlichen Hürden für Kommunen abbauen,
- das Nutzen der Digitalisierung, um weitere Kapazitätserhöhungen und Flexibilisierungen
im ÖPNV zu erreichen,
- ein Investitionsprogramm für Oberleitungs- und Schienenfahrzeuge in den Städten
zugunsten eines engmaschigen Nahverkehrsnetzes (Trams, Trolleybusse, Straßenbahnen),
- die Erstellung eines bundesweiten Mobilitätskonzeptes, das den Umweltverbund auch im
Umland stärkt, inklusive eines bundesweiten Rad- und Fußwegekonzepts in Zusammenarbeit
mit den Bundesländern zugunsten einer sicheren Rad- und Fußwegeinfrastruktur mit allen
notwendigen technischen Nebenanlagen wie Servicestationen oder Notrufe.
Vorrang für Rad- und Fußverkehr. Schwer zu glauben, aber wahr: Einen großen Teil ihrer
täglichen Wege legen die Menschen zu Fuß oder mit dem Rad zurück. Und vier von zehn
Autofahrten in der Stadt sind unter fünf Kilometer – Distanzen, die leicht mit dem Fahrrad
oder sogar zu Fuß zurückgelegt werden können. Dem Fuß- und Radverkehr wird bislang aber
meist nur so viel Platz zugestanden, dass der Auto- und Lastwagenverkehr ungehindert rollen
kann. Höchste Zeit, dass diese klimafreundlichsten Fortbewegungen endlich nicht mehr
behindert, sondern gefördert und sicher gestaltet werden. Dazu braucht es:
- eine gerechte Verteilung und mehr Raum für Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen in
den Städten und Gemeinden sowie neue Möglichkeiten des Parkraummanagements durch
Änderung des Straßenverkehrsrechts,
- Modellprojekte für autofreie Innenstädte und die Förderung von City-Maut-Zonen,
- gemeinsame Bund-Länder-Kommunen-Programme zur Förderung von Rad- und Fußverkehr,
- eine Erhöhung der Mittel: Die Finanzierung fahrrad- und fußgängerfreundlicher Kommunen
muss sich an 100 Euro pro Einwohner*in pro Jahr orientieren,
- eine Rad- und fußverkehrsfreundliche Überarbeitung des Straßenverkehrsrechts, um
Radfahren und zu Fuß gehen als gleichberechtigte Verkehrsarten zu fördern und deutlich
sicherer und bequemer zu machen. Außerdem müssen Bußgelder für verkehrsgefährdendes
und fuß- und radverkehrsbehinderndes Verhalten erhöht werden,
- das Nutzen der Digitalisierung, um Sicherheit und Vorfahrt für Rad- und Fußverkehr
umzusetzen.
Tempolimits. In erster Linie helfen Tempolimits, den Verkehr sicherer zu machen, und
Unfälle, Tote und Verletzte zu vermeiden. Aber sie tragen auch zu Lärm-, Umwelt- und zum
Klimaschutz bei. Sehr schnell umsetzbar sind:
- die Einführung eines allgemeines Sicherheitstempo von 130 km/h auf Autobahnen,
- die Einführung von Tempo 30 innerorts auf allen Straßen, indem Kommunen ermöglicht
wird, leichter darüber zu entscheiden,
- ein automatisiertes Verlangsamen vor besonderen Gefahrenzonen wie Kreuzungsbereichen,
Schulen oder Krankenhäusern,
- das Anschärfen des Bußgeldkatalogs für Falschparken und zu schnelles Fahren.
Emissionsfreie Mobilität voranbringen. Trotz Bahnausbaus und gut funktionierendem
Personennahverkehr wird in naher Zukunft das Auto weiterhin eine wichtige Rolle spielen –
insbesondere in ländlichen Räumen. Jetzt muss die Bundesregierung endlich die richtigen
politischen Rahmenbedingungen setzen, damit der Sprung in die Zukunft klimafreundlicher
Antriebe schnell und reibungslos gelingt und es neue Ideen für gemeinschaftliche
Nutzungskonzepte gibt:
- Spätestens ab 2030 sollen nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden.
- Die Förderung emissionsfreier Fahrzeuge soll durch eine Bonus-Malus-Regelung in der
Kfz-Steuer wirken, die kleine und energiearme Fahrzeuge belohnt und CO2-intensive
Fahrzeuge teurer macht, sowie durch Quoten für E-Autos. Diese Quoten sollen ab 2021
exponentiell ansteigen, damit bereits Mitte der 2020er Jahre drastisch weniger Autos
mit fossilem Verbrennungsmotor auf den Markt kommen.
- Die öffentliche Hand muss bei emissionsfreien Fahrzeugen mit gutem Beispiel vorangehen
und bspw. Dienstwagenflotten und Nutzfahrzeugparks schnell umstellen.
- Wir wollen den Ausbau und die Standardisierung der Ladeinfrastruktur für
Elektromobilität im öffentlichen und privaten Raum, die Entwicklung eines
flächendeckenden, engmaschigen öffentlichen Netzes von Ladestellen mit unkomplizierter
Handhabung und Abrechnung sowie mit transparenten Preisen, genauso wie den Abbau
bürokratischer Hürden für Ladestellen in Wohnhäusern.
- Wir wollen den Abbau von Subventionen für fossil betriebene Autos sowie steuerliche
Anreize für die Nutzung von Rad, Bus, Bahn und abgasarmer Autos statt die
Subventionierung schwerer Dienstwagen.
Flugverkehr vermeiden und die Subventionierung des Flugverkehrs beenden. Wir wollen nahezu
alle innerdeutschen Flüge und Kurzstreckenflüge ins benachbarte Ausland durch schnelle und
bezahlbare Alternativen mit der Bahn bis 2030 überflüssig machen. Dazu muss massiv in die
Schieneninfrastruktur und das Zugmaterial investiert und zugleich die Subventionierung des
Flugverkehrs beendet werden. Insgesamt muss der Flugverkehr klimafreundlicher gemacht
werden. Wir wollen:
- die Befreiung des Kerosins von der Energiesteuer beenden,
- die Mehrwertsteuer für alle Flugreisen einführen und eine Vervierfachung der Steuern
auf Flugreisen, solange Kerosin- und Mehrwertsteuer nicht im vollen Umfang erhoben
werden, dabei soll es eine Differenzierung nach Streckenlänge, Klasse und
Lärmbelastung geben sowie die Ausweitung auf Frachtflüge,
- die Subventionierung von Flughäfen stoppen,
- keine weiteren Start- und Landebahnen mehr genehmigen, sondern entsprechend des
wegfallenden Inlandsverkehrs reduzieren,
- die Start- und Landegebühren für besonders klimazerstörende, schadstoffreiche und
laute Flieger erhöhen,
- eine Initiative zur Festlegung ambitionierter CO2-Grenzwerte für Flugzeuge
international vorantreiben,
- die Forschung und Förderung von emissionsneutralen Flugzeugen und Kraftstoffen
fördern,
- Flüge mit Start und Ziel außerhalb der EU schnellstmöglich wieder in den Europäischen
Emissionshandel einbeziehen – ohne kostenlose Zuteilung von Zertifikaten,
- europäische und bilaterale Abkommen zur Erhebung einer Kerosinsteuer.
Den Güterverkehr dekarbonisieren. Der Güterverkehr nimmt immer weiter zu. Gleichzeitig
wächst der Anteil des Gütertransports auf der Straße, nicht aber auf der Schiene. Das wollen
wir umdrehen. Eine klimafreundliche Verkehrspolitik muss:
- die Lkw-Maut reformieren: Staffelung der Maut nach CO2-Ausstoß sowie Ausdehnung der
Lkw-Maut auf alle Straßen und alle Lkw über 3,5 Tonnen,
- schnell Güter von der Straße auf die Schiene bringen: dauerhafte Halbierung der
Trassenpreise, Ausbau der Schieneninfrastruktur,
- den Güterverkehr reduzieren durch regionale Wirtschaftskreisläufe und Verlagerung des
Restverkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsträger,
- den gesamten Güterverkehr – auf Straße, Schiene, Wasser und in der Luft – auf
erneuerbare Energien umstellen; dazu bedarf es umfangreicher Forschungs- und
Markteinführungsförderung,
- es mehr Pilotprojekte für oberleitungsgebundene E-Lkw geben. So wollen wir
klimafreundliche Alternativen im Güterverkehr stärken.
Mit der Binnen- und Seeschifffahrt die Klimaziele einhalten. Wir wollen:
- die Koordinierung und Konzeptionierung der Schifffahrt und der Häfen endlich in eine
verantwortliche zentrale Aufgabe des Bundes überführen, um die Klimaziele und die
Kapazitätsauslastung aller Häfen einzuhalten,
- klimafreundliche Antriebe zunächst auf EU-Ebene zum Standard machen,
- die Kreuzschifffahrt Auflagen und Bedingungen unterwerfen,
- mehr Güter von der Straße auf das Binnenschiff bringen, in dem wir zügig marode
Wasserstraßen umweltverträglich sanieren und ihren Erhalt und Modernisierung
langfristig sichern,
- schnell eine flächendeckende und verpflichtende Landstromversorgung in Häfen aufbauen,
- die Flottenerneuerung und Modernisierung der Binnenschifffahrt unterstützen, um
schnell zu emissionsfreien Antrieben zu kommen,
- den Seeschiffsverkehr in den EU-Emissionshandel einbeziehen,
- verbindliche Emissionsminderungsziele für die Seeschifffahrt – möglichst global, in
einem ersten Schritt jedoch von und zu Häfen in der Europäischen Union. Diese
Forderung hat Luxemburg bereits in den Rat der Mitgliedsstaaten eingebracht.
Ausbildungs- und Forschungsoffensive. Wir wollen:
- Die Forschung in Vernetzung und Digitalisierung von Verkehr darf nicht länger
vernachlässigt werden. Für neue Antriebe sowohl für Kraftfahrzeuge, für Schiffe und
vor allem für Flugzeuge brauchen wir innovativen Forschungsgeist. Deutschland hat die
Möglichkeit, zum globalen Spitzenreiter in diesem Sektor zu werden. Auch die Forschung
in die Vermeidung von Ultrafeinstaub muss höhere Priorität genießen.
- Die Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, dass die Ausbildung von Verkehrs- und
Stadtplaner*innen der klimafreundlichen Mobilität Rechnung trägt. Vorbilder sind hier
unsere europäischen Nachbarn Niederlande und Dänemark.
6d. Zukunftsfähige Industriepolitik
Auch die Industrie muss einen deutlich stärkeren Beitrag zum Klimaschutz leisten als bisher.
Die CO2-Emissionen sind gerade hier in den vergangenen Jahren nicht gesunken – trotz
europäischem Emissionshandel. Digitalisierung und andere neue Technologien wie der Einsatz
Künstlicher Intelligenz können helfen, ökologische Effizienz zu heben und die für eine
ökologische Wende der Wirtschaft dringend benötigten Innovationen auszulösen. Gleichzeitig
birgt gerade der immense Energiehunger der digitalen Transformation das Risiko, zum
Brandbeschleuniger der Klimakrise zu werden. Deshalb braucht es verbindliche
Energiestandards für Datenzentren, zum Beispiel über einen Top-Runner-Ansatz.
Die wichtigsten industriepolitischen Rahmenbedingungen und innovationspolitischen
Förderinstrumente sind vor diesem Hintergrund:
- Investitionen in CO2-freie Industrieprozesse tätigen: Stärkung des Emissionshandels,
bessere Abschreibungsmöglichkeiten, Fördergelder für Modellprojekte, gezielte
Forschungsförderung,
- erneuerbare Energien zur Eigennutzung günstiger machen: Verlängerung der
entsprechenden Regelungen im Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz,
- Anreize setzen: die bestehenden Regeln zum Schutz der Wettbewerbsfähigkeit der
energieintensiven Industrie zielgenauer ausrichten und Grenzausgleichsmaßnahmen
einführen, damit die Industrie vor möglichen Nachteilen im internationalen Wettbewerb
mit Staaten ohne vergleichbare Klimaschutzpolitik geschützt bleibt. Gleichzeitig soll
damit ein stärkerer Anreiz für die Industrie gegeben werden, in CO2-freie Technologien
zu investieren und CO2-sparsame Werkstoffe einzusetzen,
- Investitionen in CO2-freie Industrieprozesse ermöglichen: insbesondere in den
Bereichen Stahl, Chemie und Zement lohnen sich Investitionen in CO2-freie
Industrieprozesse meist erst bei sehr hohen CO2-Preisen, die das europäische
Emissionshandelssystem derzeit noch nicht abbildet. Damit sich solche Investitionen
für Unternehmen schon heute rechnen, wollen wir den Unternehmen die Differenz zwischen
dem aktuellen CO2-Preis und den tatsächlichen CO2-Vermeidungskosten erstatten, die
ihnen durch die Investitionen in neue Verfahren und Technologien entstehen („Carbon
Contract for Difference“),
- Klimafreundliche Leitmärkte schaffen: Umstellung der gesamten öffentlichen Beschaffung
auf klimafreundliche Produkte, Produktionsverfahren, Fahrzeuge, Immobilien; Einsatz
recycelter Werkstoffe; europaweite klimaschützende Produktstandards einführen,
- Quoten festlegen: Um den Umbau der energieintensiven Unternehmen planungssicherer zu
gestalten und perspektivisch finanzielle Förderung zu reduzieren, unterstützen wir die
Vorschläge auf europäischer Ebene im Zuge des angekündigten Klimapaketes, ansteigende
Quoten für klimaneutralen Stahl, Kunststoffe oder Zement in Autos oder auch Windrädern
und Gebäuden festzulegen,
- die zentralen innovationspolitischen Förderinstrumente gezielt auf die Bekämpfung der
Klimakrise ausrichten: Explizit klimafreundliche Innovationen werden bevorzugt
gefördert. Dies betrifft etwa die Startup-Förderung, die Forschungs- und
Entwicklungsförderung, die wir sozial-ökologisch ausrichten möchten, die Hightech-
Strategie, die KI-Strategie oder die neue Agentur für Sprunginnovationen,
- Systeminnovationen für eine klimaneutrale Wirtschaft identifizieren und fördern, zum
Beispiel durch die Ausdehnung von Förderformaten wie den Kopernikus-Projekten (z.B.
Power-to-Gas) auf weitere Politikfelder wie Landwirtschaft und Verkehr,
- die Vorgaben auf europäischer Ebene zur Kreislaufwirtschaft ausbauen: Durch eine
verstärkte Kreislaufwirtschaft können die CO2-Emissionen der vier wichtigsten
Industriesektoren (Kunststoff, Stahl, Aluminium und Zement) in Europa um die Hälfte
reduziert werden,
- klimaneutrale Kreislaufwirtschaft verankern: u.a. durch ein gesetzliches
Abfallvermeidungsziel für Verpackungsmüll von 110 Kilogramm pro Kopf bis 2030, durch
Ressourcenschonung und Recyclingfähigkeit von Produkten in der Ökodesign-Richtlinie,
durch die Einrichtung eines Forschungsinstituts zur Förderung der Kreislaufwirtschaft,
durch zunehmende Verpflichtung und Förderung zur Wiedereinspeisung von Plastik in die
Kunststoffproduktion.
6e. Landwirtschaft klimafreundlich und klimafest machen
Kein anderer Bereich ist so unmittelbar auf den Erhalt unserer Lebensgrundlagen angewiesen
wie die Land- und Forstwirtschaft. Dieser Sommer hat erneut deutlich gemacht: Die
Landwirtschaft ist schon heute sowohl Leidtragende als auch Mitverursacherin der Klimakrise
– und für uns auch ein Teil der Lösung. Unser Ziel ist ein klimaneutrales
Landwirtschaftssystem, in dem nicht nur klimaschädliche Gase reduziert werden, sondern es zu
einer langfristigen Kohlenstoffbindung in Boden und Bäumen kommt.
Die Landwirtschaft produziert heute größtenteils nach Bedingungen, die in eine Sackgasse für
Bäuerinnen und Bauern, für Umwelt und Klima führen. Das Motto ist „Wachse oder weiche!“,
produziere also intensiver und billiger. Wir müssen dieses System grundsätzlich ändern, so
dass ein umwelt-, tier- und klimafreundliches Wirtschaften sich eher lohnt als
industrialisierte Landwirtschaft. Die Agrarpolitik der Bundesregierung wie auch die EU-
Agrarpolitik tun aber genau das nicht und leisten so ihren Beitrag, die Klimakrise
anzuheizen. Immer mehr Landwirt*innen erkennen, dass dieser Weg in die Sackgasse führt.
Gemeinsam mit den Bäuer*innen wollen wir zu einer standortangepassten Tierhaltung kommen.
Auch beim Ackerbau ist spätestens seit der Dürre 2018 klar, dass wir eine Strategieänderung
brauchen. Wir wollen, dass Böden so bewirtschaftet werden, dass sie CO2 speichern und
Wetterextreme abpuffern. Und wir wollen darauf hinwirken, dass widerstandsfähigere Kulturen
und Sorten angebaut werden, um den Extremsommern – die in der Zukunft Normalität sein
könnten – besser trotzen zu können.
Unsere Ernährung trägt zu einem Fünftel zu unserer schlechten Klimabilanz bei. Vor allem der
übermäßige Fleischkonsum ist hierfür verantwortlich. Global betrachtet verursacht die
Erzeugung tierischer Lebensmittel mehr Klimagase als der gesamte Verkehrsbereich. Heute
wandert ein Drittel der weltweiten Getreideernte in die Futtertröge. Klar ist: Die
Produktion und der Konsum von Fleisch müssen sinken, Dumpingpreise der Vergangenheit
angehören.
Maßnahmen für eine klimagerechte Landwirtschafts- und Ernährungspolitik:
- Radikaler Umbau der EU-Agrarförderung (GAP) und Qualifizierung der Gelder der
Europäischen Agrarpolitik: Öffentliche Gelder sollen qualifiziert und spätestens ab
2027 nur in öffentliche Leistung investiert werden. Gefördert werden soll dann nur
noch eine klima- und tiergerechte, arten- und umweltschützende Landwirtschaft.
Deutschland hat über den Europäischen Rat Einfluss und Möglichkeit, diesen
Systemwechsel in der EU-Agrarpolitik einzufordern. Wir müssen alle bestehenden und
sich durch die GAP-Reform ergebenden Möglichkeiten nutzen, um eine klimagerechtere
Landwirtschaft voranzubringen.
- Ausweitung des Ökolandbaus bis 2025 auf mindestens 25 Prozent der Fläche: Dafür wollen
wir in den nächsten sieben Jahren eine Milliarde Euro Bundesmittel in den Ökolandbau
investieren.
- Umbau der industriellen Tierhaltung in tiergerechte Haltung: Die Landwirtschaft soll
ihre Tierhaltung art- und klimagerecht umbauen. Die Bestände sollen dabei reduziert
werden, der Tierbestand soll flächengebunden sein und maximal bei zwei
Großvieheinheiten pro Hektar liegen, perspektivisch noch darunter. Im Gegenzug soll es
eine Förderung für den Stallumbau geben. Damit reduzieren wir Methan- und Lachgas-
Emissionen und schützen Regenwälder vor Abholzung für europäischen Fleischkonsum und -
export. Diese Maßnahmen werden dazu führen, dass Fleisch teurer wird.
- Auflegen eines Brachflächenprogramms als Kurzfristmaßnahme: Landwirtinnen und
Landwirte, die ihren tierhaltenden Betrieb aufgeben wollen, sollen diesen an einen
staatlichen Fonds verkaufen können, der die Flächen in eine extensive Nutzung oder
Brache überführt.
- Verbot von Importen von Futtermitteln und Palmöl von gerodeten Flächen bzw. von
Flächen, für die natürliche Ökosysteme zerstört wurden durch gesetzliche Regelungen im
Rahmen des Waldaktionsplans auf EU-Ebene.
- Anpassung des deutschen Düngerechts an die Anforderungen der EU-Kommission für Klima-,
Natur- und Wasserschutz: Wir wollen vor allem für ohnehin belastete Gebiete neben
einem verbesserten Düngemanagement die Menge an Düngemitteln, die ausgebracht werden
darf, deutlich begrenzen. Wenn das Ordnungsrecht nicht zeitnah Erfolge erzielt, soll
ab 2022 eine Stickstoffabgabe erhoben werden.
- Fördern von Permakultur: Sie bietet höchste Produktivität auf minimalem Raum und ist
gut für Böden und Humus.
- Reduzierung der Fleischproduktion: Wir wollen über die Konsequenzen des Fleischkonsums
aufklären und setzen uns für mehr Selbstverständlichkeit von vegetarischer und veganer
Ernährung ein. Darum fördern wir ein größeres Angebot an vegetarischen und veganen
Speisen in Schulen, Mensen und Kantinen.
- Entwickeln von Alternativen zu Fleisch: Fleischersatz aus pflanzlichen Zutaten sowie
künstlich hergestelltes Fleisch werden zukünftig eine größere Rolle spielen. Die
Erforschung solcher Alternativen halten wir für richtig und wichtig, denn sie eröffnen
eine Perspektive, tierisches Eiweiß ohne Tierleid, Nitrat und mit deutlich geringerer
Klimabelastung herzustellen. Auch wenn sie noch nicht marktfähig sind, unterstützen
wir sie. Dies ist zudem ein Weg, um die Tierbestände zu reduzieren und die
Landwirtschaft zu extensiveren. Er sollte weiter gegangen werden.
- Förderung regionaler Produktion: Bei der Art und Weise, wie wir uns ernähren, setzen
wir auf regionale Versorgungsstrukturen und Wertschöpfungsketten in der Stadt, auf dem
Land und in der Gemeinschaftsverpflegung. Zugleich entwickeln wir nachhaltige
Ernährungsstrategien, worüber auch der Ausbau des Ökolandbaus unterstützt wird.
- Eindämmen von Lebensmittelverschwendung: Bis 2030 muss die Lebensmittelverschwendung
halbiert werden – das ist eins der internationalen Nachhaltigkeitsziele. Um das zu
erreichen, brauchen wir verbindliche Reduktionsziele für alle Stufen der
Wertschöpfungskette und einen gesetzlichen Wegwerfstopp für Supermärkte und
Lebensmittelproduzent*innen. Für lang haltbare Lebensmittel wie Nudeln oder
Hülsenfrüchte wollen wir das Mindesthaltbarkeitsdatum aufheben. Handels- oder EU-
Normen, die dazu führen, dass zu kleines oder unförmiges Obst und Gemüse gar nicht
erst die Supermarktregale erreicht, wollen wir abschaffen, Lebensmittelspenden
erleichtern und Containern straffrei machen.
Wälder schützen...
Wir brauchen Wälder, die der Klimakrise besser trotzen und dabei aktiven Klimaschutz
betreiben. Sie sind unverzichtbar für den Klimaschutz. Der Aufbau eines naturnahen, gesunden
Waldes kann viele Millionen Tonnen CO2 binden, bei nachhaltiger Nutzung des Holzes auch
dauerhaft. Aktuell ist der Wald von der Klimakrise bedroht, das liegt auch an den Fehlern
der Vergangenheit. Statt auf schnell wachsende Nadelholzplantagen zu setzen, brauchen wir
jetzt naturnahe Laubmischwälder mit standortheimischen Baumarten. Durch den Dürresommer 2018
und die Hitzeperioden dieses Jahres droht jetzt ein neues Waldsterben. Die Waldpolitik muss
daher auf allen Ebenen umsteuern:
- Umwandlung von Holzplantagen in naturnahe Wälder und ökologische Bewirtschaftung
gesetzlich festlegen und fördern; alte Wälder dauerhaft schützen und mit einem
Moratorium den Einschlag alter Bäume stoppen,
- Waldzukunftsfonds von einer Milliarde Euro für die nächsten Jahre als erste
Finanzspritze für den kranken Wald einführen; Förderung immer nach dem Prinzip
„öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen“ ausgeben,
- Wiederbewaldung mit standortheimischen Baumarten auf zerstörten Waldflächen, in Auen
und Niederungen fördern,
- fünf Prozent, perspektivisch zehn Prozent Urwaldflächen bundesweit festschreiben, in
öffentlichen Wäldern bereits heute zehn Prozent Urwaldfläche verbindlich machen,
- Holzverbrauch senken: Die wertvolle Ressource Holz muss effizient und nachhaltig
genutzt werden. Dafür wollen wir die Kaskadennutzung fördern, in der Holznutzung für
langlebige Produkte wie für den Bau und für Möbel an erster Stelle steht. Erst ganz am
Ende einer Nutzungskette sollten kurzlebige Holz- und Papierprodukte entstehen oder
Holz als Energieträger verbrannt werden. Die Nutzung von landbasierter Biomasse für
energetische Zwecke darf nicht weiter ausgebaut werden. Die direkte Verbrennung von
Frisch-Holz muss zurückgehen,
- Kohlenstoffsenke des Waldes durch Ausweisung von Naturwäldern verbunden mit einer
Reduktion des jährlichen Holzeinschlags und der Förderung von Waldflächen mit
natürlicher Waldentwicklung erhalten, um Anpassungsprozesse an die Klimakrise zu
ermöglichen,
- die Nutzung von landbasierter Biomasse für energetische Zwecke nicht weiter ausbauen,
die direkte Verbrennung von Frisch-Holz verringern, stattdessen durch Kaskadennutzung
aus weniger Holz mehr machen.
...und Moore auch.
Entwässerte Moore setzen Klimagase frei. Besonders landwirtschaftlich genutzte Moorböden,
die zwar nur sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands ausmachen,
emittieren 37 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft. Moorschutz
würde daher auf die Fläche gerechnet überproportional hohe Einsparungen in den
Treibhausgasen bedeuten. Daher ist Moorschutz wichtig und notwendig.
- Moore renaturieren: Die schnelle Wiedervernässung von Mooren ist von
überproportionalem Nutzen zur Einsparung von Treibhausgasen. Deshalb starten wir ein
gemeinsames großflächig wirksames Moorrenaturierungsprogramm von Bund und Ländern und
stoppen den Umbruch, die Entwässerung und die Zahlung von Agrarsubventionen für die
Bewirtschaftung entwässerter Moorböden ab 2021.
- 50 Prozent des entwässerten Waldes sollen bis 2030 wiedervernässt werden.
- Für alle bundeseigenen Moorflächen muss die Entwässerung bis 2030 gestoppt werden.
- Paludikultur, also die landwirtschaftliche Nutzung nasser Hoch- und Niedermoore,
wollen wir als Landwirtschaft anerkennen und in die Agrarförderung aufnehmen. Dazu
starten wir ein Investitionsprogramm und eine Klimaschutz-Flächenprämie.
- Aus der Gewinnung von Torf wollen wir aussteigen und Torf durch erneuerbare
Alternativen ersetzen.
6f. Green Finance
Der Finanzsektor ist entscheidend für mehr Klimaschutz. Mit einer breit angelegten Strategie
sorgen wir dafür, dass Anlagekapital in Zukunft Klimaschutz statt Klimazerstörung
finanziert:
- Alle Akteure – Banken, Versicherungsunternehmen und Rating-Agenturen – müssen Risiken,
die sich aus nicht nachhaltigen Investitionen ergeben, konsequent berücksichtigen. So
können Unternehmen, die Menschenrechte verletzen oder den Klimazielen von Paris
zuwider arbeiten, von den Anleger*innen auf den Finanzmärkten abgestraft werden. Das
heißt für sie höhere Zinsen und schlechterer Zugang zu Kapital.
Nachhaltigkeitskennziffern müssen in der Berichterstattung regelmäßig offengelegt
werden.
- Klimarisiken, die in Konzern- und Bankbilanzen schlummern, sollten bei der Bewertung
durch Rating-Agenturen und die Finanzmarktaufsicht berücksichtigt werden, zum Beispiel
durch Klima-Stresstests für Banken und Versicherungen oder durch Aufschläge bei
Eigenkapitalanforderungen zu Finanzierungen, die hohe Klima- und Umweltrisiken bergen.
- Damit Kleinanleger*innen von der grünen Finanzwende profitieren und ihr Geld mit gutem
Gewissen anlegen können, brauchen wir ein EU-Label für nachhaltige Finanzprodukte mit
starken ökologischen und sozialen Standards. Anhand eines einfachen
Klassifizierungssystems und klarer Standards für Grüne Anleihen können Anleger*innen
sich einfach über den Grad der Nachhaltigkeit ihrer Geldanlage informieren. Auch
werden sie bei jedem Beratungsgespräch verpflichtend gefragt, wie
Nachhaltigkeitskriterien in ihren Anlagen berücksichtigt werden sollen.
- Die Europäische Zentralbank muss ebenfalls ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Als
Sicherheiten sollte sie nur noch Vermögenswerte akzeptieren, die mit unseren
Klimaschutzzielen konform sind.
- Auch für die öffentliche Hand brauchen wir endlich neue Anlagerichtlinien, denn die
Pensionen für die Beamten oder auch für die Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit
müssen nach Klimaschutz- und Nachhaltigkeitskriterien angelegt werden. Der Bund kann
dem Markt für nachhaltige Geldanlagen wichtige Impulse geben. Dafür muss er seine
Investitionen in Kohle-, Öl- und Gas-Konzerne, die Geschäfte auf Kosten des Klimas
machen, beenden (Divestment).
7. Klimaschutz in Bildung und Wissenschaft
Wissenschaftliche Erkenntnisse sind für uns Grundlage politischer Entscheidungen. Sie zeigen
Lösungsansätze und Entscheidungsalternativen für große gesellschaftliche Probleme, wie zum
Beispiel den menschengemachten Klimawandel, auf. Aktuelle Studien, wie zum Beispiel zum
Schmelzen der Permafrostböden, zeigen, dass die Klimakrise bereits weiter fortgeschritten
ist als bisher angenommen. Der notwendige Weg, die globale Erhitzung zu begrenzen, erfordert
gesellschaftliche Auseinandersetzung, deren wissenschaftliche Begleitung sowie eine „Bildung
für nachhaltige Entwicklung" (BNE).
Die Pariser Klimaziele sowie wissenschaftliche Erkenntnisse umzusetzen, bedeutet auch
negative Emissionen – also das Rückholen von Kohlendioxid aus der Atmosphäre – bis Ende des
Jahrhunderts in erheblichem Umfang zu erreichen. Das kann zumindest teilweise gelingen,
indem CO2 in Wäldern oder Böden dauerhaft gebunden wird. Wir wollen deshalb Forschung und
Erprobung von Technologien für negative Emissionen unterstützen.
Gleichzeitig entbindet die Dringlichkeit der ökologischen Krisen uns nicht davon, genau
hinzuschauen und mögliche Risiken und Konsequenzen im Blick zu haben, wie schon bei der
Atomenergie, deren Gefahren und lange Strahlung jedes verantwortbare Maß menschlicher
Verantwortung überschreiten, oder bei der Freisetzung von gentechnisch veränderten
Organismen. Das gilt auch für technische Maßnahmen des „Geoengineerings“, mit denen in die
biogeochemischen Prozesse der Erde eingegriffen werden soll, etwa indem Meere gedüngt oder
Schwefelaerosole in der Stratosphäre ausgebracht werden, um die Wolken aufzuhellen und die
Sonneneinstrahlung zu reflektieren. Dem übergeordneten Ziel einer nachhaltigen Politik
entspricht das nicht. Wir werden alle Optionen am Vorsorgeprinzip und dem Prinzip der
Umkehrbarkeit messen: Was kurzfristig hilfreich erscheint, ist untauglich, wenn es in der
Folge neue Probleme schafft. Was Folgen mit sich bringt, die nicht wieder rückgängig gemacht
werden können, ist nicht der richtige Weg, denn er nimmt zukünftigen Generationen die
Freiheit. Daraus leiten wir die folgenden Forderungen ab:
- Klimagerechtigkeit muss in allen Bildungsinstitutionen (Kitas, Schulen,
Volkshochschulen, Hochschulen etc.) und non-formalen Bildungsorten auf allen Ebenen
besser verankert werden. Ausgehend von der zeitlich bedingten Notwendigkeit, muss
Bildung für nachhaltige Entwicklung im gesamten Bildungs- und Wissenschaftssystem
maßgeblich das Grundverständnis, die Strukturen, Inhalte und Ziele bestimmen.
- Für ein noch besseres Verständnis der ökologischen Herausforderungen braucht es unter
anderem Klima-, Energie- und Akzeptanzforschung, Forschung zur Zukunft der Arbeit und
(Agrar-)Wirtschaft, Überwindung der „Wissens-Verhaltens-Lücke" und Innovationen in der
Klimafolgenanpassung.
- Wir brauchen insgesamt mehr Vielfalt in allen Wissenschaftsbereichen. Dabei ist es für
uns zentral, dass die Wissenschaft frei und unabhängig von Verwertungsinteressen
bleibt. So müssen zum Beispiel einige Bundeszuwendungen verstetigt werden.
Anderenfalls werden unvorhersehbare, kreative Ideen und interessanter Dialog verloren
gehen.
- Wir wollen bestehende Grenzen zwischen den Wissenschaftsfeldern aufbrechen und trans-
und interdisziplinäre Zusammenarbeit unterstützen, auch in Zusammenarbeit mit der
Zivilgesellschaft. Deshalb setzen wir uns auch dafür ein, Forschung mit Anwohner*innen
sowie lokalen Initiativen in Reallaboren zu ermöglichen.
- Öffentlich finanzierte Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben schon immer einen
Vorbildcharakter gehabt, was nachhaltige Entwicklung betrifft. Sie müssen durch
klimagerechte Maßnahmen insbesondere bei Mobilität, eigenem Energiekonsum, Gebäude und
Beschaffung bis spätestens 2030 klimaneutral sein.
8. Soziale Maßnahmen für gerechten Klimaschutz
Unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden Menschen mit geringen Einkommen mehr als
Menschen mit hohen. Daher ist Klimapolitik immer auch Sozialpolitik. Zugleich ist klar, dass
Preiserhöhungen sozial ausgewogen sein müssen. Wir wollen den Klimaschutz als Gesellschaft
gemeinsam und fair miteinander gestalten. Die notwendige Transformation der Wirtschaft kann
nur gelingen, wenn sie ökologisch und gleichzeitig sozial ist. Die ökologische Frage ist
auch immer eine soziale Frage.
Wir stellen sicher, dass die Menschen von ökologisch-sozialer Modernisierung profitieren:
- Aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanzieren wir ein Energiegeld von zunächst 100
Euro, das jede Bürgerin und jeder Bürger erhält. Da Menschen mit niedrigem Einkommen
in der Regel weniger CO2 produzieren, profitieren sie überdurchschnittlich davon.
- Kaufpreisprämien müssen in niedrigeren Preissegmenten höher sein als in teureren
Preissegmenten.
- Wir wollen Energiearmut in Deutschland bekämpfen und Stromsperren verhindern, von
denen besonders häufig Menschen mit geringem Einkommen oder in schwierigen Lebenslagen
betroffen sind.
- Bei der Gebäudesanierung wollen wir ein Klimawohngeld einführen und so für Mieterinnen
und Mieter mit kleinem Einkommen warmmietneutrale Modernisierungen ermöglichen.
- Gute Bezahlung und gerechte Entlohnung bilden mit die Basis für ökologische
Kaufentscheidungen. Wir wollen das Tarifvertragssystem stärken, den Mindestlohn
erhöhen, Wege aus den Minijobs und dem Niedriglohnsektor ebnen und eine bessere
Bezahlung der sozialen Berufe durchsetzen.
- Der Klimaschutz wird in zahlreichen Branchen zu einem Strukturwandel führen. Dabei
wollen wir die Beschäftigten unterstützen. Weiterbildung und Qualifizierung sind dabei
entscheidend. Wir wollen ein Recht auf Weiterbildung einführen, die Beratung vor Ort
verbessern und vernetzen, eine sozial gerechte Weiterbildungsförderung schaffen, die
Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung weiterentwickeln und besonders
betroffene Branchen zielgenau unterstützen.
- Um Beschäftigte zu unterstützen, die aufgrund eines klimaschutzbedingten
technologischen Wandels absehbar neue Qualifikationen benötigen, schlagen wir ein
Klimaqualifizierungsgeld vor. Dies kommt insbesondere solchen Unternehmen zugute, die
auf Grund ihrer Größe und ihres Umsatzes nicht ohne weiteres einen eigenen
Qualifizierungsfonds einrichten können. Voraussetzung für den Bezug des
Klimaqualifizierungsgeldes ist ein gemeinsam zwischen den Betriebspartnern erstellter
Business- und Qualifizierungsplan, der klar regelt, welche Maßnahmen für den
Klimaschutz getroffen und welche Qualifikationen durch die Beschäftigten erworben
werden müssen.
- Für Regionen, die besonders von der Transformation betroffen sind, braucht es gezielte
Hilfe. Daher unterstützen wir den „Just Transition Fund“ auf EU-Ebene und wollen die
beihilferechtlichen Vorgaben in Sinne gerechter Transformation weiter entwickeln.
- Um soziale Härten im Zuge des Kohleausstieges zu vermeiden, müssen im
Kohleausstiegsgesetz bzw. im Strukturstärkungsgesetz arbeitsmarkt- und
qualifizierungspolitische Maßnahmen sowohl für die direkt als auch für die in der
Zuliefererindustrie indirekt vom Braunkohleausstieg betroffenen Beschäftigten
enthalten und mit entsprechenden Finanzmitteln hinterlegt sein. Zugleich müssen die
Vorbereitungen zur nachhaltigen sozialen Absicherung älterer Beschäftigter,
insbesondere in Form des Anpassungsgeldes, gerade auch im Haushalt unverzüglich
eingeleitet werden.
- Wir müssen sicherstellen, dass Menschen nicht zum Arbeiten verpflichtet werden, wenn
sie durch extreme Hitze ihre Gesundheit und ihr Leben gefährden. Deswegen wollen wir
für hitzebedingte Arbeitsausfälle ein Hitzegeld einführen, welches den Beschäftigten
60 Prozent ihres Nettogehaltes garantiert.
- Alle Menschen sollen Zugang zu bezahlbarer Mobilität haben. Über Sozialtickets und
unseren Mobilpass sorgen wir dafür, dass Bahnfahren und ÖPNV gerade für Menschen mit
niedrigen Einkommen bezahlbar sind.
- Wir wollen die Stromkostenpauschale aus dem Hartz-IV-Regelsatz herauslösen und
jährlich dynamisieren, sodass Kostensteigerungen beim Strompreis nicht zu einer
Unterdeckung des Regelsatzes führen. Weitere Kostensteigerungen, die sich aus dem
Klimaschutz ergeben, müssen in die Anpassung der Sätze miteinbezogen werden. Menschen,
die keine weitere Belastung schultern können, dürfen auch nicht stärker belastet
werden.
9. Anpassung an das Unvermeidbare
Anpassung ist keine Alternative zur Minderung von Treibhausgasen. Jedes Zehntel Grad
Erderwärmung macht einen Unterschied, wie heftig die Auswirkungen der Klimakrise in den
nächsten Jahrzehnten sein werden. Daher kommt es auch auf jede eingesparte Tonne CO2 an.
Doch auch bei einer Begrenzung der globalen Erhitzung auf deutlich unter 2 Grad, selbst bei
1,5 Grad werden die Auswirkungen der Klimakrise deutlich spürbar sein. Eine Anpassung daran
ist unvermeidlich. Die Zunahme der Extremwetterereignisse wie Dürren oder die
Extremniederschläge der vergangenen Jahre haben gezeigt, worauf wir uns einstellen müssen.
Zur Abmilderung der Auswirkungen der Klimakrise und zur Bewältigung des Unvermeidbaren
braucht Deutschland einen Aktionsplan, der Klimaschutz und Klimaanpassung miteinander
verbindet. Damit werden Menschen, Städte, Umwelt und Natur widerstandsfähiger gegen die
Folgen der Klimakrise gemacht und können einen größeren Beitrag zur Minimierung der
Klimakrise leisten. Im Zentrum dabei steht für uns ein nationaler Klimafolgenanpassungsfonds
in Höhe von zwei Milliarden Euro, mit denen wir die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise
begrenzen wollen. Folgende Schritte sind aus unserer Sicht schon jetzt unerlässlich:
- Beim Städte- und Wohnungsbau müssen wir für Hitzeschutz sorgen. Schon heute liegen die
Temperaturen in Großstädten wie Köln, Stuttgart oder Berlin im Sommer teilweise zehn
Grad über denen des Umlandes. Menschen können nächtelang nicht schlafen und arbeiten
in klimatisierten Räumen. Wir brauchen einen Städte- und Wohnungsbau, der die
Entwicklungen der Klimakrise berücksichtigt. Statt Betonwüsten braucht es mehr Bäume,
Wasser- und Grünflächen sowie Frischluftschneisen in unseren Städten, denn sie wirken
wie Klimaanlagen. Mit finanziellen Mitteln müssen Projekte für mehr Stadt- und
Fassadenbegrünung, Schattenflächen, Häuserdämmung sowie Kühlung durch Kältespeicher
und erneuerbar betriebene Wärmepumpen in den Wohnungen, aber auch hellere Fassaden und
hellerer Straßenbelag gefördert werden. Das ist gut für die Gesundheit der Menschen,
die Luft und das Klima.
- Wir wollen Betroffene entschädigen. Derzeit sind nur 40 Prozent der Häuser in
Deutschland gegen Elementarschäden versichert und gerade in den von Hochwasser
gefährdeten Gebieten werden Versicherungen gar nicht mehr angeboten oder sind kaum
finanzierbar. Neben angemessenen Versicherungslösungen für die Betroffenen ist ein
zusätzlicher Fonds für unbürokratische und zügige Entschädigungszahlungen aufzulegen
für Menschen, deren Existenz bedroht ist. Zudem sollen regionale Landkarten erstellt
werden, auf denen absehbare Gefährdungslagen kartiert sind. Ausweisungen von
Neubaugebieten in Überschwemmungsgebieten wollen wir einschränken.
- Wir wollen den Gesundheitsschutz erhöhen. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts ist
die Zahl von Todesfällen aufgrund von Herzkrankheiten während der Hitzewellen deutlich
angestiegen. Besonders betroffen sind Säuglinge, Kleinkinder und ältere Menschen. Das
Bundesgesundheitsministerium rechnet bis zum Ende des Jahrhunderts mit einer um den
Faktor drei bis fünf erhöhten Todesrate durch Hitzewellen. Hinzu kommen Folgeprobleme
wie eine massive Zunahme von Allergien, da sich etwa die Pollenflugsaison in den
vergangenen 30 Jahren bereits um zehn bis zwölf Tage verlängert hat. Für Warnsysteme,
bessere Behandlungsmöglichkeiten von klimabedingten Krankheiten sowie Hitze-
Aktionspläne muss Geld bereitgestellt werden. Die Aktionspläne sollten eine
koordinierte Kommunikation von Tipps und Verhaltensweisen für die Bevölkerung bei
Extremwetterereignissen beinhalten. Über eine bundesweite Beratungstelefonnummer
sollen Informationen zur Vermeidung hitzebedingter Gesundheitsschäden abgerufen werden
können.
- Wir wollen einen bundesweiten Hitzeaktionsplan verabschieden. Damit schützen wir die
Bevölkerung vor hitzebedingten Gesundheitsschäden.
- Wir wollen die Landwirtschaft anpassen und die Forschung für robuste Pflanzen
intensivieren, damit Landwirt*innen die Herausforderungen der Klimakrise meistern
können. Entschädigungen sowie Förderprogramme für technische Lösungen bekämpfen nur
die Symptome, sparen aber die erforderlichen Änderungen im System sowohl auf dem Acker
als auch in der Tierhaltung aus. Vielfältige Fruchtfolgen, angepasste Sorten und
humusreiche Böden können Trockenstress und Klimawandel besser trotzen als
Monokulturen. Alternative Forschung und Anbaumethoden müssen deutlich stärker
gefördert werden.
- Wir wollen gesunde Böden fördern: Viele Regionen werden in den nächsten Jahren mit
Trockenheit zu kämpfen haben. Umso wichtiger, dass der Boden gesund und geschützt ist
– mit genügend Humus, um ausreichend Wasser zu speichern. Wir werden den Humuserhalt
und -aufbau von Böden durch Umwandlung ungeeigneter Äcker in Grünland sowie die
Ausweitung agrarökologischer Methoden wie Agroforstsysteme, Mischkulturen, weite
Fruchtfolgen und eine ganzjährige Bodenbedeckung fördern.
- Wir wollen Flächen entsiegeln. Versiegelte Flächen heizen die Umgebung nicht nur
unnötig auf, sondern können auch kein Regenwasser aufnehmen. Letzteres führt zu
Überschwemmungen. Deshalb braucht es ein Programm zur Wiederherstellung geschädigter
und versiegelter Böden in ihre natürliche Funktion als CO2- und Wasserspeicher.
- Bäume stellen Kohlenstoffsenken dar. Deshalb sind Agroforstsysteme unabdingbar für
eine klimagerechte Landwirtschaft. Auch wollen wir den Baumstand pro Festmeter im Wald
festschreiben und ihn durch Begrünung städtischer Umgebungen steigern. Bei der
Aufforstung wollen wir zum Vorreiter werden. Dazu setzen wir im Rahmen eines
Waldaufforstungsprogramm auf gesunde Mischwälder und klimarobuste Arten.
- Wir wollen Wälder vor Bränden schützen. Für den Fall großer Waldbrände braucht es
bundesländerübergreifende Katastrophenpläne, ausreichende Spezialisten und eine gute
Ausrüstung zum Beispiel mit Löschflugzeugen. Doch genauso wichtig wie eine
Waldbrandstrategie ist Waldbrand-Prävention: Dazu gehören Vorsorgemaßnahmen wie
Schutzstreifen und Waldbrandriegel sowie den nachhaltigen Umbau der Wälder
insbesondere nach Sturmschäden von Monokultur-Nadelwäldern hin zu artenreichen
Mischwäldern. Diese sind weniger brandgefährdet und zudem ein Gewinn für die
Artenvielfalt.
- Wir wollen vor Hochwasser schützen. Hochwasserschutz ist mehr als Deiche bauen. Mit
Blick auf die mittlerweile alle paar Jahre hereinbrechenden Jahrhunderthochwasser ist
eine prioritäre Finanzierung des ökologischen Hochwasserschutzes überfällig. Dazu
gehört, den Flüssen wieder mehr Raum zu geben sowie eine Reaktivierung von Auen
entlang von Flüssen. Auch braucht es Hochwasserkonzepte für Städte, die aufgrund ihrer
massiven Versiegelung nicht für extreme Niederschläge gerüstet sind.
10. Klimaschutz kennt keine Grenzen
Auch wenn sich dieser Maßnahmenplan vor allem auf die national notwendigen Anstrengungen
konzentriert, so ist doch völlig klar: Klimaschutz kennt keine Grenzen und muss europäisch
und global gedacht werden.
Von der Klimakrise betroffen sind weltweit zuerst jene, die die Klimakrise nicht verursacht
haben und sich am wenigsten vor den Auswirkungen schützen können: Menschen, besonders
Frauen, in den Ländern des Globalen Südens. Wir unterstützen die ärmsten Staaten beim
Klimaschutz und bei der Anpassung an Klimaveränderungen. Insbesondere mit Schwellen- und
Entwicklungsländern bauen wir Klimapartnerschaften auf und verstärken die klimapolitische
Zusammenarbeit. Wir setzen uns dafür ein, dass die Menschen in Entwicklungs- und
Schwellenländern, die besonders von der Klimakrise betroffen sind, solidarische und
koordinierte Hilfe der Staatengemeinschaft erhalten. Dafür fördern wir systematisch
Klimarisikoanalysen und ein Klimarisikomanagement. Ansätze auf internationaler Ebene müssen
die Umsetzung der Menschenrechte, etwa der Rechte auf Nahrung, Wasser oder Gesundheit,
befördern und die Bevölkerung vor Ort miteinbeziehen. Lokal Betroffenen muss die notwendige
Umsiedlung in Würde garantiert werden, Menschen, die ihre Heimat aufgrund der Klimakrise
verlassen, brauchen internationalen Schutz.
- Wir werden uns in den internationalen Klimaverhandlungen dafür einsetzen, das Pariser
Klimaabkommen zu einem internationalen Regime weiterzuentwickeln, das von den Staaten
möglichst verbindliche Ziele einfordert, Vergleichbarkeit und Transparenz der
Zieleinhaltung sicherstellt und die Nichteinhaltung sanktioniert.
- Wir werden uns dafür einsetzen, dass die im Rahmen des Pariser Klimaabkommens
anstehenden regelmäßigen fünfjährlichen Überprüfungen („global stocktakes“) der
nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) tatsächlich dazu führen, dass die Klimaziele
aller Staaten angemessen erhöht werden. Dafür muss sich der Überprüfungsprozess am
aktuellen Stand der Wissenschaft zur Begrenzung der Erderhitzung auf deutlich unter 2
Grad, möglichst 1,5 Grad und an Kriterien der globalen Klimagerechtigkeit orientieren.
Gleichzeitig werden wir die Unterstützung von Ländern für die Umsetzung und
Verbesserung von NDCs in Foren wie der NDC-Partnerschaft deutlich ausbauen.
- Die Industrieländer haben zugesagt, die Entwicklungsländer ab 2020 mit jährlich 100
Milliarden US-Dollar bei Klimaschutz und Anpassung an die Folgen der Klimakrise zu
unterstützen; der gerechte Anteil Deutschlands daran wären etwa 10 Milliarden Dollar.
Doch wir wissen bereits heute, dass diese Summen nicht reichen werden. Wir werden uns
daher dafür einsetzen, dass Deutschland in einem ersten Schritt jährlich 10 Milliarden
Euro aus öffentlichen Mitteln für internationale Klimafinanzierung bereitstellt, mit
denen dann auch weitere private Mittel mobilisiert werden können. Zusätzlich soll
Deutschland auch seine Zahlungen erhöhen, um die anderen nachhaltigen
Entwicklungsziele zu erreichen.
- Die ambitionierte Koalition der Finanzminister*innen für Klimaschutz soll bis Mitte
2020 ein ambitioniertes Programm für die Ausrichtung der globalen Finanzströme an den
Zielen des Pariser Klimaabkommens vorlegen. Das heißt zu Beispiel, dass
klimaschädliche Subventionen abgebaut und alle klimabedingten Geschäftsrisiken
konsequent offengelegt werden.
- Wir werden in Kooperation mit Ländern des globalen Südens im Rahmen der Agenda 2030 die sozial-ökologische Transformation vorantreiben, um die Klimakrise entgegenzuwirken. Die Klimakrise hat jetzt schon die Landschaften vieler Länder verändert, wir werden unsere Partnerländer darin unterstützen, Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen und ihre Resilienz zu stärken.
- Deutschland sollte die strategische Klima-Allianz mit den 48 von der Klimakrise
besonders betroffenen Entwicklungsländern, die sich zu 100 Prozent erneuerbaren
Energien und Netto-Nullemissionen verpflichtet haben, ausbauen, damit sie diese Ziele
sobald wie möglich erreichen.
- Internationale Allianzen der Regionen, wie zum Beispiel die „Under2Coalition“, werden
wir stärken und ausbauen, um auch in jenen Staaten den Klimaschutz voranzubringen, die
derzeit Schlusslicht in der internationalen Klimapolitik sind. Dadurch stärken wir
auch die Zusammenarbeit mit subnationalen Akteuren in allen Ländern und halten die Tür
für Länder wie die USA offen, wenn sie sich zur Rückkehr zum Pariser Abkommen
entscheiden.
- Wir setzen uns für ressortübergreifende strategische Partnerschaften mit den großen
Schwellenländern für klimafreundliche Investitionsoffensiven in Mobilität, Energie,
Digitalisierung, nachhaltige Stadtentwicklung und Schlüsselindustrien wie Stahl oder
Zement ein.
- Wir werden die Kriterien für die internationale Zusammenarbeit zugunsten
klimaneutraler Investitionen ändern und dafür sorgen, dass jede Art fossiler
Technologie nicht mehr über Exportkredite oder Bürgschaften abgesichert werden kann,
wenn sie nicht im Einklang mit den Zielen von Paris steht.
- Für das Jahr 2050 werden 100 bis 150 Millionen Menschen auf der Flucht prognostiziert
– allein aufgrund der Klimakrise, wenn sie ungebremst fortschreitet. Wir müssen unsere
humanitäre Hilfe massiv erhöhen, uns auf Katastrophen bedingt durch die Klimakrise
einrichten und uns intensiver mit dem Recht auf Klimaflucht auseinandersetzen. Wir
unterstützen Entwicklungsländer im Rahmen der Agenda 2030 dabei, der Klimakrise
entgegenzuwirken, damit die Menschen ihre Lebensgrundlagen nicht verlieren. Und wir
helfen ihnen dabei, nötige Umsiedlungen durch Klimakatastrophen bewältigen zu können.
[1] Laurent Fabius, Chefverhandler der Klimakonferenz in Paris und damaliger französischer
Außenminister
[2] Im weiteren Text verkürzt als CO2.
[3]https://www.scientists4future.org/stellungnahme/fakten/
[4]https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2016_2020/2019_09_Brie-
f_Klimakabinett.pdf?__blob=publicationFile&v=5
[5] Annahme: Bei einem Temperaturanstieg von maximal 1,75° C und einer Wahrscheinlichkeit
der Zielerreichung von 67 Prozent; mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent sogar 1,5° C
Erderhitzung.
weitere Antragsteller*innen
Fehler:Du musst dich einloggen, um Änderungsanträge stellen zu können.
Von Zeile 105 bis 115 (WKF-10 (ehm V-29): Klimakrise: eine Frage globaler Gerechtigkeit):
Die bisher für die internationale Klimafinanzierung von den Green Climate Fund internationalIndustrieländern in Kopenhagen zugesagten 100 Milliarden US-Dollar jährlich ab 2020 decken nicht annähernd die bestehenden und zu erwartenden Bedarfe – umso mehr, als ausdrücklich nur Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen abgedecktinbegriffen sind, der Ausgleich von Schäden und Verlusten ((Loss and Damage)Damage) aber nicht. Wir setzen uns dafür ein, dass die 100 Milliarden US-Dollar nicht nur sichergestellt, sondern aufgestockt werden, explizit auch für Maßnahmen zur Prävention und Reduktion klimabedingter Vertreibung. Konkret wollen wir denDen deutschen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung wollen wir dabei gemäß Verursacherprinzip auf den fairen Anteil von jährlich acht Milliarden Eurorund zehn Prozent anheben und langfristig ohne Verrechnungaus öffentlichen Mitteln erbringen, mit der Entwicklungszusammenarbeit darstellendenen dann auch weitere private Mittel mobilisiert werden können. Dazu wollenVor diesem Hintergrund plädieren wir dafür, die Ausgaben für internationale Klimafinanzierung um jährlich 1,2 Milliarden800 Millionen Euro zusätzlich fürsowie die öffentlicheweiteren Ausgaben für offizielle Entwicklungszusammenarbeit sowie 800 Millionen(ODA) um jährlich 1,2 Milliarden Euro zu erhöhen, bis das jahrzehntealte Versprechen, mindestens 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für denglobale Entwicklung auszugeben, endlich erfüllt ist. Danach wollen wir die Klimagelder weiter anwachsen lassen mit dem Ziel, die Zusätzlichkeit der Zusagen zur internationalen Klima-Klimafinanzierung gegenüber dem 0,7-Prozent-Ziel mittelfristig sicherzustellen. und Biodiversitätsschutz bereitstellenWir richten diese Gelder strikt an den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen aus.
Die Klimakrise führt zu einschneidenden Veränderungen in der Welt – schon heute. Für
Millionen von Menschen weltweit ist die Erderwärmung längst kein theoretisches Phänomen
mehr. Tagtäglich erleben sie die Zerstörung ihrer Gegenwart. Klimakrise bedeutet für sie
Wüstenbildung, Ernteverlust, Versalzung der Böden, Wasserknappheit, Überschwemmung oder
Hitzewelle. Extreme Wetterereignisse nehmen zu, Ökosysteme und Lebensgrundlagen werden
zerstört, Hunger und Armut verschärft.
Klimakrise, das ist aber auch der unermessliche Verlust von sicherem Zuhause, von Heimat,
von jahrtausendealten Kulturgütern. Die Zahl der Vertriebenen durch klimabedingte Ereignisse
hat sich seit den 70er-Jahren vervierfacht. Heute werden innerstaatlich mehr Menschen durch
umweltbedingte Katastrophen wie Fluten und Stürme als durch Gewalt und Konflikte vertrieben.
Das Internal Displacement Monitoring Centre geht in der Zeit von 2008 bis 2017 von
durchschnittlich mehr als 24 Millionen erstmals Vertriebenen pro Jahr aus. Tendenz:
steigend.
Mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens im Jahr 2015 und der Verabschiedung des
Regelbuches in Kattowitz hat die Staatengemeinschaft die Klimakrise als gemeinsame, globale
Herausforderung anerkannt und sich darauf verständigt, die Erderwärmung auf unter zwei Grad
Celsius und möglichst unter 1,5 Grad Celsius bis 2100 zu beschränken. Expert*innen zufolge
befinden wir uns momentan auf dem Weg hin zu einer Erderwärmung von mindestens 3,2 Grad
gegenüber vorindustrieller Zeit. Zahlreiche Schätzungen liegen deutlich höher. Bereits zwei
Grad Erderwärmung würden derweil ausreichen, um ganze Staaten wie das im Pazifik liegende
Tuvalu komplett verschwinden zu lassen.
Als – historisch wie aktuell – Hauptmitverursacher der Erderwärmung und als weltweit
einflussreiche Multiplikatoren kommt es vor diesem Hintergrund ganz entscheidend auf
Deutschland und die Europäische Union an. Die eigene, ambitionierte Umsetzung des Pariser
Klimaabkommens und der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung müssen oberste Priorität
erlangen. Wir müssen mit bestem Beispiel vorangehen, internationaler Vorreiter im
Klimaschutz werden und die globale Nachhaltigkeitsagenda spürbar beschleunigen. Das jüngst
verabschiedete, völlig unzureichende „Klimapaket“ und der erschreckende Mangel greifbarer
Ergebnisse im Rahmen des letzten High Level Political Forum zur Umsetzung der nachhaltigen
Entwicklungsziele haben erneut gezeigt: Die aktuelle Bundesregierung wird dem nicht
ansatzweise gerecht.
Dabei wird das Zeitfenster, in dem wir noch gegensteuern können, um die schlimmsten Folgen
der Klimakrise abzumildern, bedrohlich klein. Wir bleiben deshalb dabei: Deutschland muss
eine umfassende Kehrtwende in allen Sektoren einleiten, ein besonderes Augenmerk auf
Politikkohärenz und strukturelle Reformen legen – und auf den Kurs zur Einhaltung der
Pariser Klimaziele und der Nachhaltigkeitsziele einlenken.
Selbst im besten Fall aber – wenn also die Emissionen drastisch reduziert werden sollten –
werden weiterhin und vermehrt Menschen im Kontext der Klimakrise ihr bisheriges Zuhause
verlassen müssen, um überleben zu können. Entsprechend ist und bleibt es zwar
selbstverständlich unsere Priorität, die Klimakrise mit allen Mitteln einzudämmen und dafür
zu sorgen, dass möglichst wenige Menschen ihre bisherige Heimat überhaupt verlassen müssen.
Letzten Endes ist es aber auch unsere Aufgabe und Verantwortung als Industriestaaten, eine
Antwort auf die Phänomene klimabedingter Migration und Flucht zu geben.
Global gerecht handeln, Menschenrechte schützen
In vielfacher Hinsicht ist die Klimakrise eine Krise der globalen Gerechtigkeit: Während
sich auch bei uns die extremen Wetterereignisse verdichten, trifft die Klimakrise in erster
Linie den globalen Süden – und damit just jene Regionen dieses Planeten, die historisch
betrachtet am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben. In den betroffenen Regionen
wiederum sind besonders jene betroffen, deren Existenz auf natürlichen Ressourcen beruht und
die die geringsten Möglichkeiten haben, sich vor Naturgefahren zu schützen oder auf
klimatische Veränderungen zu reagieren: Frauen, Kinder, Minderheiten.
Dabei wirkt die Klimakrise nicht nur unmittelbar auf die Lebensrealität vor Ort ein, sondern
verschärft bereits bestehende Probleme zum Teil erheblich. Konflikte um immer knappere
Ressourcen nehmen zu. Elementare Menschenrechte wie das Recht auf Nahrung, Wasser, Wohnen,
Bildung, Gesundheit, eine saubere Umwelt und ein Leben in Würde – Menschenrechte also, die
im globalen Süden ohnehin unter besonderem Druck stehen – werden infolge der Klimakrise
zunehmend verletzt.
Der klimapolitische Stillstand der Industrienationen ist somit auch deshalb nicht weiter
hinnehmbar, da der Status Quo zu einer steten Verletzung universeller Menschenrechte in
anderen Teilen der Welt führt. Im Umkehrschluss sind die konsequente, gender-responsive und
inklusive Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und der Agenda 2030 für nachhaltige
Entwicklung nicht nur klima- oder entwicklungspolitisch geboten – sondern Ausdruck
historischer Verantwortung, globaler Gerechtigkeit und des Menschenrechtsschutzes zugleich.
Mit dem Pariser Klimaabkommen haben wir uns dem Ziel der Klimagerechtigkeit verpflichtet.
Auf Grundlage „gemeinsamer, aber unterschiedlicher Verantwortlichkeiten“ wurde vereinbart,
dass Länder mit großem ökologischem Fußabdruck entsprechend Verantwortung übernehmen und mit
den Ländern des globalen Südens nach gemeinsamen Lösungen suchen. Die konsequente
Implementierung der vereinbarten Maßnahmen ist also bei Weitem kein Almosen. Vielmehr stehen
wir – historisch, aber auch vertraglich – in der Verantwortung für Weltzusammenhänge, die
wir mitverursacht haben und weiterhin mit verursachen.
Das bedeutet dann auch, aktiv die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte einzufordern
und zu verteidigen. Beides nämlich – der Schutz der Menschenrechte und der Einsatz gegen die
Klimakrise – sind zwei Seiten derselben Medaille, führt die Klimakrise doch ebenso zu
Menschenrechtsverletzungen wie letztere die Anpassung an die Klimakrise erschweren. Die
Kriminalisierung von Menschen- und nicht zuletzt Frauenrechtsverteidiger*innen weltweit
erfordert eine gleichsam deutliche und spürbare Reaktion der internationalen
Staatengemeinschaft wie die systematische Verfolgung der derzeit besonders gefährdeten
Landrechts- und Umweltaktivist*innen.
Natürlicherweise kommt vor diesem Hintergrund dem UN-Menschenrechtsrat sowie bestehenden UN-
Sonderberichterstatter*innen – für Umwelt und Menschenrechte, für die Menschenrechte von
Migrant*innen, für die Menschenrechte von Binnenvertriebenen – eine entscheidende Rolle zu.
Wir setzen uns dafür ein, dass Menschenrechtsverstöße im Kontext der Klimakrise nicht
zuletzt auf UN-Ebene noch sehr viel stärker in den Fokus rücken, genauer klassifiziert und
menschenrechtliche Entwicklungen im Kontext klimabedingter Migration und Flucht gezielter
beobachtet werden.
Zugleich setzen wir uns für eine völkerrechtliche Verankerung der UN-Leitprinzipien für
Wirtschaft und Menschenrechte ein. Der bisherige Ansatz, auf unternehmerische
Selbstverpflichtung zu setzen, ist gescheitert. Eine wirksame Ausrichtung globaler
Produktions- und Lieferprozesse auf die strikte Einhaltung der völkerrechtlich verbrieften
Menschenrechte – inklusive der Menschenrechte dritter Generation, insbesondere des Rechts
auf eine saubere Umwelt – setzt ein verbindliches UN-Rahmenwerk voraus. Vor diesem
Hintergrund bietet insbesondere der Binding-Treaty-Prozess auf Ebene der Vereinten Nationen
die konkrete Chance, ein globales und rechtsverbindliches Abkommen zu erreichen. Diesen
Prozess wollen wir unterstützen.
Resilienzaufbau und Anpassungsmaßnahmen verstärken, Schäden und Verluste kompensieren
Mit dem Pariser Klimaabkommen und der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung haben sich
Deutschland und andere Industrienationen dazu verpflichtet, die Gefahren für die
verletzlichsten Menschen abzuwenden und deren Widerstandskraft gegen die Erderwärmung
stärken zu helfen. Das bedeutet, von der Klimakrise besonders betroffene Länder technisch
wie finanziell zu unterstützen und sie nicht mit den Folgen der Erderwärmung allein zu
lassen. Deutschland und die Europäische Union sollten sich international dafür stark machen,
dass den vom Klimawandel betroffenen Menschen in ihren Heimatländern eine umfangreiche
internationale Unterstützung zur Anpassung an den Klimawandel und eine gerechte Kompensation
für entstandene Schäden zukommt.
Die bisher für die internationale Klimafinanzierung von den Green Climate Fund internationalIndustrieländern in Kopenhagen zugesagten 100 Milliarden US-Dollar
jährlich ab 2020 decken nicht annähernd die bestehenden und zu erwartenden Bedarfe – umso
mehr, als ausdrücklich nur Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen abgedecktinbegriffen sind, der
Ausgleich von Schäden und Verlusten ((Loss and Damage)Damage) aber nicht. Wir setzen uns dafür ein,
dass die 100 Milliarden US-Dollar nicht nur sichergestellt, sondern aufgestockt werden,
explizit auch für Maßnahmen zur Prävention und Reduktion klimabedingter Vertreibung. Konkret Den deutschen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung wollen wir dabei gemäß Verursacherprinzip auf den fairen Anteil
wollen wir den
von jährlich acht Milliarden Eurorund zehn Prozent anheben und langfristig ohne Verrechnungaus öffentlichen Mitteln erbringen, mit der denen dann auch weitere private Mittel mobilisiert werden können.
Entwicklungszusammenarbeit darstellenDazu wollenVor diesem Hintergrund plädieren wir dafür, die Ausgaben für internationale Klimafinanzierung um jährlich 1,2 Milliarden800 Millionen Euro zusätzlich fürsowie die öffentlicheweiteren Ausgaben für offizielle Entwicklungszusammenarbeit sowie 800 Millionen(ODA) um jährlich 1,2 Milliarden Euro zu erhöhen, bis das jahrzehntealte Versprechen, mindestens 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für denglobale Entwicklung auszugeben, endlich erfüllt ist. Danach wollen wir die Klimagelder weiter anwachsen lassen mit dem Ziel, die Zusätzlichkeit der Zusagen zur
internationalen Klima-Klimafinanzierung gegenüber dem 0,7-Prozent-Ziel mittelfristig sicherzustellen. und Biodiversitätsschutz bereitstellenWir richten diese Gelder strikt an den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen aus.
Zugleich wollen wir zusätzliche Mittel für Schäden und Verluste, unter anderem auch für
Umsiedlungen im Rahmen klimabedingter Migrationsbewegungen, bereitstellen. Dazu wollen wir
einen globalen Verursacherfonds zur fairen Lastenverteilung schaffen. Vorschläge
einschlägiger Expert*innen zu dessen teilweisen Finanzierung reichen von einer Climate
Damages Tax über eine international erhobene Abgabe auf Flugtickets bis hin zum anteiligen
Ertrag aus Steuern auf CO2, Finanztransaktionen oder Vermögen. Entsprechende Debatten gehen
nur schleppend voran; auch die Bundesregierung agiert, gemessen an der tatsächlichen
Dringlichkeit, sträflich zurückhaltend. Das wollen wir ändern. Wir wollen, dass sich
Deutschland proaktiv an einer zielgerichteten Debatte über die Einrichtung eines globalen
Verursacherfonds, über dessen Ausmaß, über eine Beitragsgewichtung gemäß Verursacherprinzip
sowie über mögliche Finanzierungsinstrumente beteiligt. Spürbarer Fortschritt auf diesem
komplexen Gebiet ist überfällig und dürfte entscheidend sein für die Frage, ob wir es als
internationale Staatengemeinschaft schaffen, die Erderwärmung nicht nur drastisch
einzudämmen, sondern unsere globale Antwort auf die Klimakrise solidarisch und gerecht
auszugestalten.
Ebenso wird es darauf ankommen, effektiven Rechtsschutz für diejenigen zu ermöglichen, die
durch die Folgen der Klimakrise konkrete Schäden und Verluste erleiden – insbesondere,
solange die Verursacherstaaten selbst nicht bereit sind, ausreichende finanzielle Mittel für
den Umgang mit Loss and Damage zur Verfügung zu stellen. Deshalb setzen wir uns für die
Stärkung des Rechtswegs und des Instruments der Klimaklagen ein, unter anderem indem wir
finanzielle Mittel für Pionierklagen und strategische Prozessführung bereitstellen. Auch
wollen wir die Debatte um Klimarisikoversicherungen aktiv vorantreiben und dazu beitragen,
diese gemäß Verursacherprinzip auszugestalten und in ein breiteres Konzept zur
Risikominimierung einzubetten.
Schließlich wollen wir im Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe
gezielt Risikoregionen auf klimatische Veränderungen und den Katastrophenfall vorbereiten
helfen. Unter anderem wollen wir in Frühwarnsysteme investieren und Partnerländer dabei
unterstützen, die Schaffung eines erhöhten Bewusstseins für umwelt- und klimapolitische
Belange im Bildungs- und Ausbildungswesen voranzutreiben. Außerdem setzen wir uns dafür ein,
dass Maßnahmen zur Risikominderung in den jeweiligen nationalen Systemen verankert und mit
wirksamen Rechtsvorschriften untermauert werden.
Migration, Flucht und Vertreibung im Kontext der Klimakrise
Selbst, wenn wir es schaffen sollten, die Ziele von Paris vollumfänglich einzuhalten, bleibt
die Erderwärmung eine Realität. Menschen werden gezwungen sein, umzusiedeln – weil ihr Boden
vertrocknet, weil durch den steigenden Meeresspiegel ihre Häuser unterspült werden, weil der
nahegelegene Staudamm unter der Last der schmelzenden Gletscher zu bersten droht. Die
Internationale Organisation für Migration (IOM) definiert klimabedingte Migrant*innen vor
diesem Hintergrund als „Personen oder Personengruppe, die aufgrund plötzlicher oder
fortschreitender deutlicher Veränderungen der ihr Leben beeinflussenden Umwelt- und
Lebensbedingungen gezwungen sind oder sich veranlasst sehen, ihre Heimat zu verlassen, sei
es zeitweise oder permanent, und die sich innerhalb ihres Heimatlandes oder über dessen
Grenzen hinaus bewegen“.
Wie viele Menschen letztlich betroffen sein werden, ist schwer zu erfassen. Aktuelle
Schätzungen variieren stark. Denn erstens wissen wir nicht, wie hoch die Erderwärmung
letztlich ausfallen wird. Zweitens hängt vieles davon ab, wie verletzlich Menschen im
jeweiligen Einzelfall gegenüber Klimaveränderungen sind – und wie gut sie sich daran
anpassen können. Drittens erfolgt Migration, so es denn tatsächlich dazu kommt, in den
seltensten Fällen aus nur einem, trennscharf zu ermittelndem Grund. Persönliche Erwägungen,
Umweltaspekte und die Klimakrise stehen in einem komplexen Verhältnis zueinander. Umwelt-
und Klimaveränderungen verlaufen oft schleichend, was die Ermittlung einer konkreten
Kausalität weiter erschwert. Und es muss auch nicht jede Entscheidung, sein Zuhause zu
verlassen, endgültig sein. Kurzum: Klimabedingte Migration ist ein komplexer Prozess.
Entsprechend unterschiedlich sind aktuelle Modellrechnungen. Die jüngste Studie des UN-
Klimarats (IPCC) geht davon aus, dass selbst beim Erreichen des zwei-Grad-Ziels bis zum Jahr
2050 bis zu 280 Millionen Menschen vertrieben werden, innerhalb ihres jeweiligen Landes und
über die Grenzen hinaus. Die Weltbank wiederum geht in ihrer Groundswell-Studie aus dem Jahr
2018 von einem Szenario von 140 Millionen klimabedingt Vertriebenen allein in Sub-Sahara-
Afrika, Südasien und Südamerika bis 2050 aus. Allerdings legt sie auch dar, dass circa 80
Prozent der Vertreibung durch ambitionierte Minderung und Anpassung vermeidbar seien. In
jedem Fall wird es darauf ankommen, die bestehenden Datenlücken auf dem Gebiet der
klimabedingten Migration, Flucht und Vertreibung bestmöglich zu schließen und entsprechende
Forschungsvorhaben zu unterstützen – gerade auch mit Blick auf komplexe Phänomene wie
Migrationsbewegungen infolge schleichender Umweltveränderungen. Dafür machen wir uns stark.
Gleichzeitig gibt es Situationen, die sich deutlich klarer darstellen lassen. Insbesondere
die Bewohner*innen tiefergelegener Inselstaaten, vor allem im Pazifik, sind mit der
Notwendigkeit einer mittelfristigen Umsiedlung sehr direkt konfrontiert. Erderwärmung
bedeutet für sie nicht nur den Verlust von materiellen Gütern und Staatsgebiet, womöglich
gar von de facto oder de jure Staatsangehörigkeit; die Klimakrise wird mit allerhöchster
Wahrscheinlichkeit auch hohe finanzielle Kosten verursachen – und die Aufgabe von heiligem
Land und traditioneller Lebensweise, von Kultur und Souveränität bewirken. All das gilt es,
frühzeitig und planbar anzugehen. Das Unvermeidbare wird nicht vermieden werden, indem wir
uns einer vorausschauenden Reaktion verweigern.
Die Unterscheidung und Analyse unterschiedlicher Formen klimawandelbedingter
Wanderungsbewegungen jedenfalls sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass wir adäquate
Instrumente und Politiken entwerfen. Insbesondere wird es darauf ankommen, dass wir
Möglichkeiten vorausschauender Planung für die Betroffenen schaffen; dass diese also
selbstbestimmt und frühzeitig über eine mögliche Umsiedlung entscheiden können; dass es aber
auch Orte gibt, an denen sie sich niederlassen können. Andererseits wird es natürlich auch
zu Situationen plötzlicher Flucht im Kontext der Klimakrise kommen, nach Stürmen oder
Überschwemmungen zum Beispiel – die erwiesenermaßen durch die Klimakrise verstärkt oder
beschleunigt werden.
Erste konkrete Fallbeispiele unterstreichen vor diesem Hintergrund die Komplexität und
Vielschichtigkeit klimabedingter Migration, Flucht und Vertreibung. In Äthiopien
beispielsweise spricht das Auswärtige Amt von fast drei Millionen Binnenvertriebenen.
Darunter seien nach Schätzungen rund eine halbe Million aufgrund von klimatischen Faktoren,
primär infolge anhaltender Dürre geflohen. Andere Expert*innen gehen hingegen von circa 1,4
Millionen Menschen aus, die im Kontext der Klimakrise vertrieben wurden.
In jedem Fall wirkt die Klimakrise in Äthiopien wie ein Multiplikator bereits bestehender
Probleme und Konflikte; sie interagiert mit anderen Faktoren auf vielfache Weise und führt
zu wechselseitiger Verstärkung. Nichtstun ist keine Option. Die internationale Gemeinschaft,
allen voran die Industriestaaten müssen Antworten finden auf Fragen von Verantwortlichkeit
und Schutzbedarfen, von globaler Gerechtigkeit, von völkerrechtlichen Handlungsoptionen. Wir
wollen uns dieser Mammutaufgabe stellen.
Bestehende internationale Prozesse unterstützen, Ownership und Koordinierung sicherstellen
Im Bereich der klimabedingten Migration, Flucht und Vertreibung bestehen international
bereits unterschiedlichste politische Prozesse, Plattformen und Mechanismen. Innerhalb der
internationalen Klimaarchitektur gibt es den Warschau-Mechanismus für Verluste und Schäden,
der im Rahmen der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) eine Taskforce on Displacement eingerichtet
hat. Diese hat erste Empfehlungen schon vorgelegt. Ein Mitglied der Taskforce wiederum ist
die Platform on Disaster Displacement als eine staatengeleitete Plattform mit Sitz in Genf,
die mit verschiedenen Stakeholdergruppen mögliche Lösungsansätze im Bottom-up-Verfahren
entwickelt sowie zur Verbesserung der globalen Datenlage und -analyse beiträgt. Sie hat sich
insbesondere der Förderung des Austauschs bestehender guter Praktiken zwischen beteiligten
Staaten und Akteur*innen verschrieben, die Katastrophenvertriebenen bereits seit Jahren
freiwillig und basierend auf solidarisch-humanitären Erwägungen grenzüberschreitend Aufnahme
und Schutz gewähren. Dabei treibt die Plattform die Umsetzung der Empfehlungen der Agenda
for the Protection of Cross-Border Displaced Persons in the Context of Disaster and Climate
Change, also der Nansen-Schutzagenda international voran und setzt sich beispielsweise dafür
ein, dass deren Ansätze in internationalen Verträgen verankert werden.
Wir werten es als großen Fortschritt, dass im Dezember 2018 der Komplex klimabedingter
Migration, Flucht und Vertreibung im Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre
Migration sowie im Globalen Pakt für Flüchtlinge aufgenommen wurde. Bedauerlicherweise
bleibt die Umsetzung dieser Vereinbarungen für die Vertragsstaaten nur freiwillig, der
internationale Wille dazu zögerlich. Wir sprechen uns für eine konsequente Implementierung
und eine angemessene finanzielle wie strukturelle Unterstützung auch durch die deutsche
Bundesregierung aus.
Eines jedenfalls ist offenkundig: Es wird den einen großen internationalen Wurf zum Umgang
mit klimabedingter Migration, Flucht und Vertreibung auf absehbare Zeit nicht geben. Wir
machen uns deshalb dafür stark, dass Deutschland bestehende Arbeitsprozesse nach Kräften
politisch und finanziell unterstützt, sich gegenüber anderen Staaten insbesondere aus dem
Kreis der Industrieländer für diese Prozesse einsetzt, deren enge Anbindung an
Zivilgesellschaft und Forschung sicherstellt sowie gemeinsam mit möglichst vielen weiteren
Staaten bislang erarbeitete Empfehlungen und bestehende effektive Praktiken tatsächlich auch
umsetzt. Unter anderem wollen wir die Empfehlungen aus dem Globalen Pakt für sichere,
geordnete und reguläre Migration sowie dem Globalen Pakt für Flüchtlinge auf nationaler wie
europäischer Ebene vorantreiben. Auch die Empfehlungen der Taskforce on Displacement wollen
wir aufgreifen und in nationale wie europäische Politik integrieren.
Sämtliche Projekte und Politiken zum Schutz von klimabedingt Vertriebenen müssen dabei einem
menschenrechtsbasierten, partizipativen Ansatz folgen und die Rechte der besonders
verletzlichen Menschen sicherstellen. Gerade weil Frauen und Mädchen, marginalisierte
Gruppen und nicht zuletzt Indigene auf besondere Weise von der Klimakrise betroffen sind,
wollen wir ihnen eine Schlüsselfunktion in der Bewältigung zukommen lassen. Durch ihre
Lebenssituation sind sie oft die Ersten, die sich anpassen müssen, entwickeln das
entsprechende Wissen und Können – was sie zu Expert*innen und Gestalter*innen eines
nachhaltigen Wandels werden lässt.
Auf dem Weg hin zu Lösungsansätzen ist auch die Selbstbestimmung der betroffenen Staaten
essentiell. Der überwiegende Teil klimabedingter Migration, Flucht und Vertreibung findet
jeweils innerhalb eines betroffenen Landes oder in der Region statt. Umso zentraler wird es
sein, alle Debatten und Verhandlungen über eine vorausschauende und planbare Umsiedlung,
über Versorgung und Integration, über regionale Lösungsansätze und Mechanismen gemeinsam mit
den Betroffenen zu führen, Ownership sicherzustellen und die notwendige Finanzierung
gemeinsam zu garantieren.
Zugleich finden auch innerhalb und zwischen den einzelnen Arbeitsprozessen grundlegende
Überlegungen statt, wie sich die vielen Multi-Stakeholder-Prozesse auf den unterschiedlichen
Ebenen noch kohärenter koordinieren ließen. Dieses Ansinnen unterstützen wir ausdrücklich.
Nicht etwa im Widerspruch zum bestehenden Bottom-up-Ansatz; auch nicht, um einzelne
Initiativen institutionell zu binden; sehr wohl aber mit dem Ziel, dem Bereich
klimabedingter Vertreibung die notwendige Aufmerksamkeit zu verschaffen sowie perspektivisch
internationales Engagement und staatliche Verbindlichkeit auf Ebene aller
Unterzeichnerstaaten der UN-Klimarahmenkonvention zu steigern. Vor diesem Hintergrund machen
wir uns dafür stark, die Themenkomplexe „Schäden und Verluste“ sowie „klimabedingte
Migration, Flucht und Vertreibung“ – und damit die Arbeit der Taskforce on Displacement im
Rahmen der UNFCCC-Architektur – systematisch und in angemessenem Umfang auf der Tagesordnung
der jährlichen UN-Klimakonferenzen zu verankern. Auch unterstützen wir die unter anderem von
der Platform on Disaster Displacement geäußerte Idee, die Koordinierung innerhalb der
Vereinten Nationen sowie zwischen deren Agenturen zusätzlich durch die Einberufung eines
Sonderbeauftragen (Special Representative) beziehungsweise eines Sonderberaters (Special
Advisor) für klimabedingte Migration, Flucht und Vertreibung in der Struktur des UN-
Generalsekretariats zu verbessern.
Klimabedingte Migration: sicher, selbstbestimmt, planbar
Der Umgang mit Migration wird in Zeiten der Klimakrise zu einem ethischen Prüfstein für die
internationale Staatengemeinschaft. Was für Migration im Allgemeinen gilt, gilt auch im
Kontext der Klimakrise: Wir müssen Wege eröffnen, klimabedingte Migration sicher,
selbstbestimmt und möglichst planbar zu gestalten. Ganz im Sinne von Artikel 13 der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte setzen wir uns dafür ein, dass umweltinduzierte
beziehungsweise klimabedingte Migration rechtzeitig, würdevoll, selbstbestimmt, sicher und
vor allem legal ermöglicht wird – und dass den Betroffenen das Recht garantiert wird,
innerhalb ihres Landes, in der Region und gegebenenfalls über die eigene Region hinaus
umzusiedeln.
Die Umsetzung des Globalen Paktes für sichere, geordnete und reguläre Migration ist da ein
wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Insgesamt müssen sich Deutschland und Europa
deutlich stärker engagieren – bilateral ebenso wie im Rahmen internationaler Kooperationen.
Unter anderem haben wir deshalb ein Konzept für ein modernes Einwanderungsrecht mit
Punktesystem vorgelegt und sprechen uns für eine vereinfachte, gegebenenfalls auch temporäre
Arbeitsmigration aus – grundlegend und im Kontext der Klimakrise.
Die internationale Staatengemeinschaft muss sich darauf einigen, wie sie mit dem erwartbaren
Verlust ganzer Staatsgebiete umzugehen gedenkt. Wir machen uns dafür stark, dass
entsprechende Debatten und Verhandlungen mit deutlich mehr Nachdruck geführt werden als
bislang. Natürlich wird es auch hier darauf ankommen, eine frühzeitige und selbstbestimmte
Umsiedlung zu ermöglichen. Aber es geht um viel mehr. Wenn absehbar ist, dass beispielsweise
Inselstaaten im Pazifik vollständig verschwinden, müssen wir dringend festlegen, welche
Konsequenzen daraus für die Gewässerhoheit entstehen, insbesondere aber, ob die bisherigen
Bewohner*innen automatisch auch ihre Staatsangehörigkeit verlieren – und welche
völkerrechtlichen Folgen das für sie und ihren Schutzanspruch mit sich bringt. Für uns hat
es dabei oberste Priorität, dafür Sorge zu tragen, dass Staatenlosigkeit de facto und de
jure verhindert wird.
Vor diesem Hintergrund wollen wir auch die Idee eines Klimapasses international
vorantreiben, dessen individueller Ansatz den Betroffenen ermöglicht, selbstbestimmt über
ihre Migration zu entscheiden. Konkret böte der Klimapass von der Erderwärmung existenziell
bedrohten Personen die Option, Zugang zu Schutz und letztlich staatsbürgergleichen Rechten
in weitgehend sicheren Ländern zu erlangen – in der Region, gegebenenfalls auch in Europa
und weltweit. In einer ersten Phase sollte der Klimapass den Bevölkerungen kleiner
Inselstaaten, deren Staatsgebiet durch den Klimawandel unbewohnbar werden wird, angeboten
werden – um ihnen eine frühzeitige Umsiedlung in Würde zu ermöglichen und dem Verlust
grundlegender Rechte vorzubeugen. Als Aufnahmeländer stehen insbesondere Staaten mit
historisch oder gegenwärtig hohen Treibhausgasemissionen und somit großem Anteil an der
Erderwärmung in der Verantwortung.
Regionale Lösungsansätze müssen gestärkt sowie technisch und finanziell unterstützt werden,
bis hin zu lokalen Vereinbarungen über Mobilität und Rechtsschutz von Saisonarbeiter*innen,
Nomad*innen oder Viehtreiber*innen. Da es häufig Frauen und Kinder sowie Alte sind, die in
sozioökonomisch unterversorgten Regionen zurückbleiben, sollten sich auch Deutschland und
die Europäische Union im Rahmen ihrer Programme zur Stärkung von Anpassung und Resilienz
gezielt für alternative Einkommensmöglichkeiten und entsprechende Fortbildungsmaßnahmen
stark machen.
Klimabedingte Flucht: Versorgung sicherstellen, Schutzlücken schließen
Schon heute trägt die Klimakrise dazu bei, dass die Konkurrenz um knappe Ressourcen zunimmt,
bestehende Konflikte befeuert oder neue ausgelöst werden. Dadurch können Situationen
entstehen, die einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechen – und
damit internationales Asylrecht begründen.
Zugleich nehmen Naturkatastrophen wie Fluten und Stürme in Intensität, Ausmaß und Häufigkeit
zu – auch infolge der Klimakrise. Der Zusammenhang zu Erderwärmung und Klimakrise ist
komplex, aber wissenschaftlich anerkannt. Menschen aber, die vor plötzlichen
Extremwetterereignissen fliehen, sei es nun temporär oder dauerhaft, fallen bislang in eine
völkerrechtliche Schutzlücke. Insgesamt fällt im Kontext der Klimakrise nur ein Bruchteil
der Fluchtbewegungen unter den etablierten Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention. Das
entsprechende Vakuum müssen wir dringend auf anderem Wege füllen.
Mit Blick auf die Situation von Binnenvertriebenen machen wir uns vor diesem Hintergrund für
die konsequente Umsetzung der UN-Leitlinien betreffend Binnenvertreibung (Guiding Principles
on Internal Displacement) stark, die ausdrücklich auch Fälle von „natürlichen oder vom
Menschen verursachten Katastrophen“ und damit auch Extremwetterereignisse abdecken – und die
Betroffenen explizit „vor der zwangsweisen Rückführung an einen Ort oder Neuansiedlung an
einem Ort“ schützen, „an dem ihr Leben, ihre Sicherheit, ihre Freiheit und/oder ihre
Gesundheit gefährdet wären“.
Insgesamt entfalten aktuell regionale flüchtlingspolitische Ansätze die größte, wenn auch
weiterhin begrenzte Schutzwirkung auf Betroffene. Diese Ansätze wollen wir unterstützen,
darauf wollen wir aufbauen. Die Afrikanische Flüchtlingskonvention beispielsweise sieht
Flüchtlingsschutz auch nach Ereignissen vor, die eine „erhebliche Störung der öffentlichen
Ordnung“ mit sich bringen. Auch die lateinamerikanische Cartagena Declaration erweist sich
vom Wortlaut her auf Extremwetterereignisse anwendbar.
Insbesondere die von der Afrikanischen Union aufgelegte Kampala-Konvention aber betrachten
wir als inspirierende Blaupause, da sie den Umgang mit Vertriebenen im Kontext der
Klimakrise aufgreift sowie Rechte und Garantien zugunsten von Binnengeflüchteten
festschreibt. Die mangelhafte Ratifizierung der Kampala-Konvention ist ein Missstand, den
nicht zuletzt Deutschland in seinen Beziehungen zu den Mitgliedstaaten der Afrikanischen
Union stets thematisieren sollte.
Vereinzelt geäußerten Vorschlägen, die Genfer Flüchtlingskonvention als solche zwecks
Überarbeitung zu öffnen, stellen wir uns gemeinsam mit zahlreichen flüchtlingspolitischen
Institutionen und Initiativen entgegen. Der Erarbeitung eines gesonderten Protokolls
wiederum stehen wir nicht prinzipiell ablehnend gegenüber, erachten die Chance einer
zeitnahen Einigung angesichts komplexer Definitions- und Umsetzungsfragen allerdings als
äußerst gering.
Für die adäquate humanitäre Unterstützung von Katastrophenvertriebenen wollen wir die
internationale humanitäre Hilfe erhöhen und deren schnelle Koordinierung gewährleisten. Wir
setzen uns für eine frühzeitige Übergangshilfe und einen schnellen Wiederaufbau vor Ort ein,
damit Dörfer und Städte, damit Infrastruktur insgesamt rasch und entlang lokaler
Schwerpunktsetzung wieder aufgebaut werden können.
Schließlich wollen wir Katastrophenvertriebenen eine existenzsichernde Unterstützung zur
Verfügung stellen helfen, damit überhaupt erst die Chance auf einen würdevollen Neuanfang
entsteht. Auch Rückkehrer*innen sind prinzipiell auf finanzielle Unterstützung und
Starthilfe angewiesen. Wir schlagen vor, die notwendigen Mittel über den globalen
Verursacherfonds zu generieren. Beispiele wie Uganda, wo Geflüchteten der Zugang zu
Ackerland ermöglicht wurde, zeigen eindrücklich, wie wenig es bisweilen braucht, um das
Ankommen zu erleichtern – und letztlich auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der
aufnehmenden Region spürbar zu fördern.
Zusätzlich wollen wir gemäß den Empfehlungen des Globalen Paktes für sichere, geordnete und
reguläre Migration die Kategorie des subsidiären Schutzes im Rahmen der EU-
Anerkennungsrichtlinie (2011/95/EU) auf Katastrophenvertriebene ausweiten. Zugleich wird es
nationale Lösungen benötigen. Unter anderem wollen wir deshalb die Familienzusammenführung
wieder stärken und die im Schengen-Kodex vorgesehene Möglichkeit humanitärer Visa
konsequenter nutzen – was letztlich auch den Betroffenen klimabedingter Flucht zugutekommen
könnte. Grundsätzlich wollen wir großzügige und verlässliche Aufnahmekontingente über das
Resettlement-Programm des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) ermöglichen:
Deutschland und die anderen EU-Staaten sollten ihren Anteil an dem jährlichen, vom UNHCR
ermittelten Resettlement-Bedarf entsprechend ihrer Wirtschaftskraft erfüllen.
Klimapolitik: international, feministisch, intersektional
Gerade Frauen und Mädchen leiden überdurchschnittlich unter den klimatischen Veränderungen.
Sie stehen nicht nur größeren Risiken und Hürden entgegen, sondern werden vielfach auch
durch gesellschaftlich-kulturelle Normen und Rollenbilder strukturell benachteiligt. Sie
haben häufig einen ungleichen Zugang zu Ressourcen wie Zeit und Geld, zu Bildung und
gesundheitlicher Versorgung, zu Beschäftigungsmöglichkeiten und Landrechten. Darunter leiden
Resilienz ebenso wie Anpassungsfähigkeit – ein Zustand, der im Zusammenhang der Klimakrise
umso benachteiligender wirkt und konkrete Menschenrechtsverletzungen zur Folge hat.
Ähnliches gilt für Minderheiten und marginalisierte Gruppen. Im brasilianischen
Amazonasgebiet beispielsweise leben fast 400 indigene Völker, die auf das intakte Ökosystem
ökonomisch und kulturell angewiesen sind. Schätzungen zufolge sind bereits 150 Millionen
Indigene von den Folgen des Klimawandels betroffen. Sehr häufig leben sie in sensiblen
Ökosystemen wie kleinen Inselstaaten oder Atollen im Pazifik, in tropischen Regenwäldern, in
arktischen Regionen, im Hochland der Anden und des Himalaya oder in den Wüstengebieten
Afrikas; in Lebenswelten also, die stärker und unmittelbarer von der Klimakrise betroffen
sind als andere.
Unsere Klimapolitik ist deshalb nicht nur internationalistisch, sondern zugleich
feministisch und intersektional. Sie fasst die besondere Situation von Frauen und Mädchen,
zugleich aber auch die Belange marginalisierter Gruppen ins Auge und nutzt die herausragende
Rolle all dieser Akteur*innen. Gerade weil Frauen und marginalisierte Gruppen auf besondere
Weise von der Klimakrise betroffen sind, kommt ihnen eine Schlüsselfunktion in der
Bewältigung zu. Im Umkehrschluss heißt das: Klimaschutz und Klimaanpassungsmaßnahmen sind
stets auch Gelegenheit, bestehende Strukturen der Ungleichheit – bezogen auf die Verteilung
von Macht und Ressourcen, zum Beispiel – aufzubrechen und damit mehr Gerechtigkeit,
gleichwertige Lebensverhältnisse und Gleichberechtigung zu schaffen.
Unser prioritäres Ziel ist es, neben der eigentlichen Eindämmung der Klimakrise deren
humanitäre Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. Für uns leitet sich aus dem
Verursacherprinzip konkrete, globale Verantwortung ab. Ambitionierter Klimaschutz, die
Steigerung von Resilienz sowie ein vorausschauendes, am Menschen und seinen Bedürfnissen
orientiertes Handeln sind dabei nicht nur Ausdruck von Klimagerechtigkeit, sondern ebenso
Voraussetzung einer weltweiten Friedensdividende. Auch in unserer Klimapolitik stellen wir
deshalb den Menschen in all seiner Würde und mit all seinen Rechten in den Mittelpunkt. Der
stete Blick auf das Wissen und die Belange der besonders verletzlichen Menschen und
marginalisierte Gruppen ist bei alledem kein beliebiger, sondern der Schlüssel schlechthin,
um nachhaltige und friedliche Strukturen in Zeiten der Klimakrise zu festigen.
Wir sind überzeugt: Eine gleichberechtigte, gendergerechte Gesellschaft hat bessere
Aussichten, ihre Umwelt zu schützen und die Klimakrise zu überwinden. Die Klimakrise ist
nicht genderneutral; unsere Gegenmaßnahmen dürfen es auch nicht sein.
Antragstext
Nach Zeile 1206 einfügen:
- Wir werden in Kooperation mit Ländern des globalen Südens im Rahmen der Agenda 2030 die sozial-ökologische Transformation vorantreiben, um die Klimakrise entgegenzuwirken. Die Klimakrise hat jetzt schon die Landschaften vieler Länder verändert, wir werden unsere Partnerländer darin unterstützen, Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen und ihre Resilienz zu stärken.
„Wenn wir jetzt versagen, werden unsere Kinder uns nicht verzeihen.“[1]
Mit diesen Worten verpflichtete sich die Weltgemeinschaft 2015 in Paris, die Erhitzung des
Planeten bis zum Ende des Jahrhunderts auf „deutlich unter 2 Grad, möglichst 1,5 Grad“ zu
halten und perspektivisch nur noch so viel Treibhausgase auszustoßen, wie das natürliche
Ökosystem aufnehmen kann. Die Industriestaaten sollten voranschreiten und bis Mitte des
Jahrhunderts klimaneutral werden.
Doch das Gegenteil ist passiert. Zu Recht demonstrieren weltweit Millionen Menschen auf der
Straße für den Schutz der Erde. Denn der Ausstoß von Treibhausgasen[2] ist weltweit
ungebrochen. Mehr als 36 Milliarden Tonnen CO2 emittiert unsere noch immer auf fossilen
Energien wie Kohle, Öl und Gas basierende Weltwirtschaft jedes Jahr. Das heizt die
Atmosphäre immer weiter auf. Die Klimakrise spitzt sich dramatisch zu. Die vergangenen vier
Jahre waren weltweit die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Bereits jetzt ist
die globale Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Niveau um etwa 1
Grad[3] angestiegen. Die Eisschilde schmelzen immer schneller und der Anstieg des
Meeresspiegels verdoppelt sich. Werden die für das Weltklimasystem sensiblen Kipppunkte
erreicht, steuert die Erde auf eine Erhitzung von vier und mehr Grad zu. Irreversible
Kipppunkte, wie das Abtauen der Permafrostböden, sind zum Teil schon jetzt erreicht – über
70 Jahre früher als wissenschaftlich angenommen. Landstriche werden überflutet, trocknen aus
und werden unbewohnbar. Am stärksten von der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen
betroffen sind die Ärmsten der Armen. Im Globalen Süden sind viele Menschen aufgrund von
Dürren oder Meeresspiegelanstiegen bereits jetzt gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.
Auch in Deutschland ist die Klimakrise angekommen. Auf den Feldern, in den Wäldern. Mehr als
180.000 Hektar Waldfläche, was 250.000 Fußballfeldern entspricht, sind bereits durch die
Klimaveränderung zerstört. Doch statt vier Jahre nach dem Pariser Abkommen endlich zu
reagieren, verabschiedete die Bundesregierung nun ein Klimapaket, was das 1,5-Grad-Limit
endgültig beerdigt und selbst für einen 2-Grad-Pfad viel zu wenig ist. Damit wird
Deutschland seiner internationalen Klimaverantwortung nicht gerecht. Denn gemäß dem
Sachverständigenrat für Umweltfragen[4] ergibt sich aus dem jüngsten Sonderbericht des UN-
Weltklimarats IPCC für uns bei gleichmäßiger Aufteilung auf die Weltbevölkerung ein
verbleibendes nationales Kohlenstoffbudget von 6.600 Millionen Tonnen CO2 ab 2020[5]. Bei
fortdauernden Emissionen auf heutigem Niveau wäre das Budget in weniger als neun Jahren
verbraucht, bei einer linearen Reduktion rund um 2035. Ein längerer Zeitverlauf zur
Treibhausgasneutralität bis 2050, wie auf europäischer Ebene angestrebt, erfordert
überproportionale Reduktionserfolge in den nächsten Jahren.
Daran wird deutlich: Die Uhr tickt und wir müssen schnell und zügig umsteuern. Je rascher
wir die Emissionen senken, desto länger reicht unser CO2-Budget, um den Übergang in die
klimaneutrale Gesellschaft gemeinsam gestalten zu können. Jedes weitere Jahr hingegen, in
dem nichts getan wird, verschärft die Krise, da sich CO2 in der Luft ansammelt und der
Erhitzung der Atmosphäre weiter Vorschub leistet. Wir brauchen eine Radikalität, die sich in
entschlossenem Handeln ausdrückt, und eine Fokussierung der Debatte auf die nächsten fünf
Jahre statt auf Langfristziele.
Jetzt wird über den EU-Haushalt für die kommenden Jahre entschieden. Jetzt wird entschieden,
ob wir die europäische Landwirtschaftspolitik neu justieren. Es geht jetzt darum, den Ausbau
des Schienenverkehrs voranzubringen. Jetzt müssen wir entscheiden, ob öffentliche Mittel für
Infrastruktur auch für Öl- und Gaspipelines ausgegeben werden. Es gilt jetzt zu entscheiden,
wie wir aus Handelsabkommen mit gravierenden Auswirkungen auf das Klima rauskommen. Die EU
muss als eine Hauptverursacherin der Klimakrise ambitioniert vorangehen – jetzt! Europa hat
die historische Verantwortung vorzumachen, wie das Wirtschaften in planetaren Grenzen
demokratisch erreicht werden kann.
Der Aufbruch ins klimaneutrale Zeitalter lohnt sich
Ohne Zweifel sind die Herausforderungen enorm. Wir sehen aber auch nie dagewesene Chancen
für eine neue Lebensqualität und nachhaltigen Wohlstand. Klimaschutz macht unsere Städte
grüner, leiser, sauberer und sicherer. Er hilft, die Artenvielfalt zu bewahren. Er macht uns
unabhängig von russischem Gas und saudischem Öl. Klimaschutz eröffnet unseren Unternehmen
neue Geschäftsfelder. Er schafft neue Arbeitsplätze und sichert bestehende.
Ja, Klimaschutz kostet viel Geld. Aber es ist volkswirtschaftlich völlig klar, dass uns kein
Klimaschutz deutlich mehr kosten wird: Der Stern-Report machte bereits 2006 deutlich, dass
die jährlichen Kosten für Maßnahmen zur Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration bei
etwa einem Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts liegen. Die jährlichen Kosten einer
ungebremsten Klimaerhitzung hingegen werden dem Verlust von mindestens fünf Prozent des
globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Wenn man eine breitere Palette von Risiken und
Einflüssen berücksichtigt, könnten die Schäden sogar auf 20 Prozent oder mehr ansteigen.
Zudem wird Klimaschutz enorme neue Werte schaffen: Wirtschaftsstudien sehen ein
Geschäftspotenzial von etwa elf Billionen Euro durch neue, digital-basierte klimafreundliche
Geschäftsmodelle im Jahr 2030. Die sozial-ökologischen Innovationen in allen Sektoren können
Europa zu deutlich mehr Wohlstand verhelfen.
Wir müssen im Hier und Heute eine erhebliche Transformation einleiten. Und wir werden das
nur gemeinsam als Gesellschaft schaffen. Die dafür notwendigen tiefgreifenden Änderungen
werden nicht für alle einfach. Arbeitsplätze werden wegfallen, neue werden entstehen.
Menschen werden neu lernen und sich verändern müssen. Deshalb ist eine aktive politische
Gestaltung dieser Veränderung ebenso wichtig wie ihre kluge soziale Absicherung und Balance.
Klimaschutz erfordert eine aktive Arbeitsmarkt- und Weiterbildungspolitik, eine sozial faire
Rückerstattung der CO2-Bepreisung, eine kluge Regional- und Strukturpolitik. Und schließlich
gilt: Die notwendigen Veränderungen werden nur demokratisch gelingen, also wenn wir es
schaffen, gemeinsam die notwendigen Veränderungen und Handlungskonsequenzen anzugehen, neue
Wege auszuhandeln und so die Menschen mit auf den Weg nehmen.
Am 20. September 2019 haben wir zwei Parallelwelten erlebt: Auf der einen Seite standen
weltweit mehrere Millionen Menschen, die für Klimaschutz auf die Straße gegangen sind. Auf
der anderen Seite sahen wir eine völlig ermüdete Koalition, die nicht in der Lage war, mehr
als Trippelschritte zu liefern.
Für uns bedeutet das: Jetzt erst recht! Die Gesellschaft ist viel weiter als die deutsche
Bundesregierung. Wir starten einen neuen Anlauf in der Klimapolitik: Wir machen ein Angebot
an all jene, die vorangehen wollen, von Fridays for Future über Gewerkschaften, progressive
Unternehmer*innen bis hin zu Klimakommunen, Kulturschaffenden und allen, die sich noch
anschließen wollen. Gemeinsam, im Bündnis mit ihnen wollen wir die Wende in der Klimapolitik
schaffen und die Chancen des Klimaschutzes für mehr Gerechtigkeit und Zusammenhalt nutzen.
Ziel dieses Antrags und unserer Politik ist es, einen radikal realistischen und
sektorenübergreifenden Maßnahmenplan vorzulegen Die entscheidende Messlatte ist dabei für
uns das nationale Klimabudget, also die Menge an Emissionen, die noch ausgestoßen werden
dürfen, um den deutschen Anteil am Pariser Abkommen einzuhalten; wissentlich, dass auch
Budgets nur modellhaft gerechnet sind und dass weder technologische noch gesellschaftliche
Entwicklungen linear verlaufen. Durch soziale und technologische Innovationen, die wir heute
noch gar nicht kennen können, werden unsere momentanen Annahmen selbstverständlich in den
kommenden Jahren angepasst werden müssen. Aber wir widersprechen allen, die daraus ableiten,
eigentlich müssen wir doch in der Gegenwart gar nichts tun, denn irgendwann kommt die
Wundertechnik, die alle unsere Probleme löst. Es ist genau umgekehrt: Positive Innovationen
und Eigeninitiative als Katalysatoren der Veränderung müssen durch Abschied vom alten
überhaupt erst ermöglicht sowie gefördert und angereizt werden. Wir müssen jetzt schnell
loslaufen, damit wir eine Chance haben, auf dem Weg zu lernen.
1. Ein Klimaschutzgesetz für einen verbindlichen planungs- und ordnungsrechtlichen Rahmen
Nur mit klar festgelegten Zielen und Zwischenzielen, verknüpft mit einem verbindlichen
Monitoring der Maßnahmen und Ergebnisse sowie verankerten Korrekturmechanismen bei
Zielverfehlung können wir wieder auf den erforderlichen Zielpfad von Paris beim Klimaschutz
kommen. Durch ein Klimaschutzgesetz müssen endlich Verbindlichkeiten innerhalb der
jeweiligen Sektoren und der zuständigen Ressorts festgeschrieben werden. Denn die
Verantwortung für das Erreichen der Klimaschutzziele kann nicht länger allein beim
Bundesumweltministerium liegen, sondern muss als Querschnitt der Regierung auch die
Ministerien, welche zuständig sind für Verkehr, Landwirtschaft, Bauen und Wirtschaft in die
Pflicht nehmen. Was wir brauchen ist eine Klimaregierung.
Dazu gehört auch, dass wir Klimaschutz ins Grundgesetz schreiben. Wir möchten:
- die international vereinbarten Klimaschutzziele in die Verfassung aufnehmen,
- eine „CO2-Bremse“, mit der jedes neue Gesetz auf seine „Klimawirksamkeit“ überprüft
werden soll („climate mainstreaming“), verbindlich in der Verfassung verankern. Damit
werden alle zukünftigen Gesetzesinitiativen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das
Klima zu überprüfen sein sowie Klimaschutz wird insgesamt besser einklagbar.
Zudem wollen wir ein Klimaschutzgesetz, das den Rahmen für alle Klimaschutzmaßnahmen bildet:
- klare Maßnahmen für alle Sektoren,
- klar festgelegte Ziele, Zwischenziele und CO2-Minderungspfade für alle Sektoren mit
dem verbindlichen Ziel, das Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen,
- dichte Kontrolle, ob die Maßnahmen wirken sowie empfindliche Sanktionen,
- gesetzliche Festlegung einer klimaneutralen öffentlichen Verwaltung.
Klare ordnungsrechtliche Maßnahmen müssen in einem Klimaschutzgesetz die zentrale Rolle
spielen. Alle großen umweltpolitischen Errungenschaften wurden über das Ordnungsrecht
erreicht. Zudem wäre es fatal, allein auf Preissignale zu setzen. Denn wollte man die
Klimaziele allein über die Bepreisung von CO2 erreichen, müsste dieser so hoch sein, dass er
unweigerlich zu erheblichen negativen sozialen Auswirkungen führen würde. Einige könnten
sich rauskaufen, andere nicht mehr teilhaben. Damit Klimaschutz eben nicht zu Lasten der
Menschen mit geringeren Einkommen geht, brauchen wir einen klugen Mix aus CO2-Preis,
Anreizen und Förderung sowie dem Ordnungsrecht. So kann man die jeweiligen Vorteile der
Instrumente nutzen und gleichzeitig Nachteile minimieren. Gut gemacht, wird der ordnende
Rahmen zum notwendigen Innovationstreiber.
Klar gibt es gegen Ordnungsrecht, also auch Verbote, immer Vorbehalte. Aber Regeln zu
setzen, also zu sagen, was geht und was nicht, ist Sinn von Politik und zugleich der beste
Innovationsmotor. Heute stört sich niemand mehr daran, dass Blei im Benzin verboten ist,
Asbest nicht mehr eingebaut werden darf und Weichmacher in Kinderspielzeug verboten sind.
Das gleiche gilt ganz besonders für den Bereich der Chemikalien. Nach Verboten entwickelt
die Branche meist innerhalb kürzester Zeit ungefährlichere Alternativen oder bereits
vorhandene Alternativen bekommen ihre Chance auf dem Markt. Deshalb machen wir Klimaschutz
mit definierten Zwischenzielen in einem nationalen Klimaschutzgesetz planbar und rechtlich
verbindlich.
2. Planungen beschleunigen
Die Energie- und Verkehrswende braucht zügige, bürger*innennahe und effiziente
Planungsprozesse. Zentrale Herausforderung dafür ist die Aufstockung und Qualifizierung von
Personal in den Planungs- und Genehmigungsbehörden. Seit 1990 wurde in den Kommunen knapp
die Hälfte des Bau- und Planungspersonals abgebaut. Daher ist es dringend erforderlich, hier
wieder Personal einzustellen. Wir werden den Kommunen und genehmigenden Behörden das Planen
und Steuern erleichtern. Durch planbare, verlässliche Investitionshilfen, finanzielle
Entlastung der Kommunen sowie leichtere Planungsinstrumente für Klimaschutz.
Zu einem wirkungsvollen ordnungsrechtlichen Rahmen gehört es auch, den Kommunen und
Genehmigungsbehörden das Planen und Steuern von Klimaschutzmaßnahmen zu erleichtern. Ebenso
bedarf es einer Modernisierung des Planungsrechts. Denn die Zeit läuft uns davon und wir
brauchen rasch Baugenehmigungen für Photovoltaik- und Windkraftanlagen,
Übertragungsleitungen wie auch Schienenverbindungen. Planungs- und Genehmigungsverfahren
können deutlich vereinfacht und beschleunigt werden, wenn man im Verkehrswegebau bei
Ersatzneubauten ohne Ausbau bzw. Erweiterung die Maßstäbe für Sanierungen statt für
Neubauten heranzieht.
Die Planungs-, Bau- und Realisierungszeiten sind zu lang und wir wollen sie für alle CO2-
mindernde Infrastruktur halbieren, indem
- wir eine Priorisierung der zu bauenden Infrastrukturprojekte vornehmen, auch, um sich
bei geringen Planungskapazitäten nicht zu verzetteln,
- frühzeitig Bürger*innen und Nichtregierungsorganisationen beteiligt werden und so die
Entwicklung von Optionen und Varianten sowie das frühe Ausräumen von Konflikten
ermöglicht wird,
- wir für Verkehrsprojekte eine bessere Verzahnung von Raumordnungs- und
Planfeststellungsverfahren gewährleisten, etwa indem die Untersuchungsergebnisse des
Raumordnungsverfahrens für das Planfeststellungsverfahren genutzt werden können; sich
wiederholende Verfahrensschritte in beiden Verfahren könnten zusammengeführt werden,
- die Regelungen des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren
für ÖPNV bei der anstehenden Novelle des Personenbeförderungsgesetzes übernommen
werden,
- Arten- und Naturschutz von vornherein in die Planungen einbezogen werden, um Verfahren
schneller und rechtssicherer zu machen. Für den erforderlichen Ausgleich bei
Eingriffen in die Natur müssen Kompensationsmaßnahmen verstärkt und vereinfacht
werden, auf die dann die Vorhabenträger*innen zurückgreifen können,
- wir die behördlichen Abstimmungsprozesse effizienter gestalten. Beim Artenschutz etwa
gibt es ein großes Potenzial für den Wissensaustausch zwischen Behörden und für
vorgezogene Großmaßnahmen über ein Ökokonto und andere Anrechnungsvereinfachungen,
- eine verbindliche Frist bis zur Eröffnung von Gerichtsverfahren bei gleichzeitiger
personeller Stärkung der Gerichte eingeführt wird.
3. Ökonomische Anreize richtig setzen
Ergänzend zum planungs- und ordnungsrechtlichen Rahmen wollen wir die notwendigen
ökonomischen Anreize setzen, damit der Klimaschutz vorankommt.
Dafür setzen wir auf eine CO2-Preiskomponente auf alle fossilen Brennstoffe über den
bestehenden europäischen Emissionshandel (ETS) hinaus. Dem Preis kommt in einer
Marktwirtschaft eine zentrale Steuerungswirkung zu. Wir brauchen eine ökologisch wirksame,
sozial gerechte und ökonomisch vernünftige CO2-Bepreisung. Das ist eine wesentliche
Voraussetzung dafür, dass erneuerbare Energien, Energieeffizienz und innovative
Klimaschutztechnologien sich durchsetzen. Das Umweltbundesamt schätzt die Kosten der
Schäden, die durch den Ausstoß einer Tonne CO2 entstehen, auf 180 Euro – in Preisen von 2016
gerechnet. Doch die Preiskomponente ist nur ein Hebel für Klimawirksamkeit neben den
ordnungsrechtlichen Maßnahmen wie dem Kohleausstieg.
Wir brauchen also einen Preis, der lenkt, Innovationen schafft und zugleich nicht sozial
verzerrt oder schnellere und wirkungsvollere ordnungsrechtliche Maßnahmen konterkariert. In
der Schweiz liegt der nationale Preis pro Tonne CO2 bei rund 90 Euro für fossile Brennstoffe
wie Heizöl, Erdgas oder Kohle. Globaler Spitzenreiter ist derzeit Schweden mit rund 110 Euro
pro Tonne CO2 für alle fossilen Brennstoffe. Als Sofortmaßnahmen werden wir uns für
Folgendes einsetzen:
- Die Energiesteuern im Bereich Verkehr und Wärme wollen wir mit einer CO2-Komponente
reformieren. Der Einstiegspreis in diesen Sektoren sollte aktuell bei 40 Euro liegen
und 2021 auf 60 Euro steigen, um etwas zu bewirken. Der Preis muss danach weiter
planbar ansteigen. Dafür schlagen wir für Deutschland ein unabhängiges Gremium vor,
das bis zu einer Einigung auf europäischer Ebene die Preissteigerung fortführt.
- Mit den Einnahmen senken wir die Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Minimum
ab und führen als sozialen Ausgleich ein Energiegeld für alle ein.
- Auf europäischer Ebene muss die Bundesregierung dementsprechend bei der Neufassungen
der Energiesteuerdirektive für eine ambitionierte CO2-Mindestbepreisung eintreten. Wir
werden uns dafür einsetzen, dass ein CO2-Preis im Non-ETS-Bereich europaweit
eingeführt wird.
- Im europäischen Emissionshandel, der vor allem Industrieanlagen und Kraftwerke
abdeckt, sollte Deutschland, idealerweise in Abstimmung mit anderen europäischen
Ländern wie Frankreich und die Niederlande, einen gemeinsamen Mindestpreis in Höhe von
40 Euro festlegen. Zeigt sich, dass der Mindestpreis keine Wirkung erzielt, muss hier
nachgesteuert werden.
- Wir wollen die Wirksamkeit der Marktstabilitätsreserve im europäischen
Emissionshandelssystem erhöhen, damit die immer noch vorhandenen überschüssigen
Emissionszertifikate stärker reduziert und schneller vom Markt genommen werden.
- Im Zuge der Stilllegung von Kraftwerksblöcken werden wir entsprechend den vom Netz
gehenden CO2-Emissionen Emissionszertifikate vom Markt nehmen, indem wir dafür das
nationale Versteigerungsbudget entsprechend kürzen. Damit wird vermieden, dass hier
eingesparte Emissionen an anderer Stelle in Europa emittiert werden können.
4. Umweltschädliche Subventionen abbauen
Damit ökonomische Anreize ihr volles Potenzial entfalten können und zusätzliche finanzielle
Spielräume für Zukunftsinvestitionen entstehen, wollen wir umwelt- und klimaschädliche
Subventionen konsequent abbauen. Insgesamt betragen diese in Deutschland über 57 Milliarden
Euro. Staatliche Subventionen, die dem Klima schaden, wollen wir endlich beenden, wie zum
Beispiel
- die Steuerbefreiung von Rohöl zur Plastikherstellung,
- dem immer noch gewährten Beschaffungszuschuss für neue Ölheizungen oder
- die Nichtbesteuerung von Kerosin.
5. Klimafreundlich wirtschaften
Klimaschutz geht nur in einem System, das klimafreundliches Verhalten belohnt und nicht wie
heute strukturell erschwert. Wir beschreiben im Rahmen des Antrags „Anders Wirtschaften für
nachhaltigen Wohlstand“ ausführlich unsere Vision für ein gesamthaftes positiv
transformiertes Wirtschaftssystem. Ausgewählte wesentliche Aspekte, die auch das Klima
betreffen, sind:
- Unseren gesellschaftlichen Erfolg wollen wir nicht mehr nur mit dem
Bruttoinlandsprodukt (BIP) berechnen, sondern darüber hinaus auch unseren Erfolg im
Klimaschutz in die gesellschaftliche Wohlstandsmessung und -steuerung integrieren, wie
etwa den absoluten CO2-Ausstoß. So verändern wir die gesellschaftliche Wahrnehmung und
Prioritätensetzung im Einklang mit den planetaren Grenzen im Sinne des neuen
Wohlstandskonsenses.
- Entsprechend ändern wir auf betriebswirtschaftlicher Ebene die Buchhaltungsregeln und
Erfolgsrechnung hin zu einer nachhaltigen Bilanzierung von Unternehmen, die nicht nur
den finanziellen, sondern auch den ökologischen Wert von Unternehmen misst und
steuert. Hier wollen wir praxisnah mit führenden Wirtschaftsinitiativen
zusammenarbeiten und Konzepte wie das der Gemeinwohlökonomie aufgreifen.
- In der Digitalisierung fördern wir gezielt klimawirksame Innovation, damit sie ihr
Potenzial für die notwendige Suffizienz, Effizienzsteigerungen und Dematerialisierung
entfalten kann und nicht unkontrollierbaren Schaden durch immer mehr Energiehunger
anrichtet. Auch mithilfe der Digitalisierung könnten wir es schaffen, wirtschaftliches
Wachstum von steigenden CO2-Emissionen zu entkoppeln.
- Bei öffentlichen Investitionen und der Vergabe wenden wir auf allen politischen Ebenen
sozial-ökologische Kriterien bei der Entscheidungsfindung und Planung an.
- Wir stärken die kommunalen Ebenen. Gesetzliche Rahmenbedingungen dürfen die
Kreativität und regional spezifische Maßnahmen und Erfordernisse zum Schutz des Klimas
und zur Einhaltung der Klimaziele in den Kommunen nicht blockieren. Kommunen müssen
zum Vorbild anderer voranschreiten können.
- Klimaagenturen mit beratender Funktion geben „Best Practice“-Beispiele weiter,
unterstützen bei Förderanträgen und organisieren Bildungsveranstaltungen und
Bürger*innenforen.
- Wir brauchen eine Kampagne für das Handwerk und Umschulungsangebote, auch für
Unternehmen, und oft in Verbindung mit digitalen Technologien. Der immense Ausbau der
Erneuerbaren, die Sanierung von Gebäuden, das 100.000-Wärmepumpen-Programm oder auch
die intensivere Öko-Landwirtschaft – der Klimaschutz wird zig Tausende neue Jobs
bringen, vor allem in Technologie und Handwerk.
6. Sektorspezifische Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaschutzziele
Um die Ziele des Klimaschutzgesetzes in den einzelnen Sektoren zu erreichen, wollen wir die
nachfolgenden Maßnahmen auf den Weg bringen:
6a. Stromerzeugung erneuerbar
Derzeit liegen die ausgestoßenen Mengen CO2 für die Energiewirtschaft bei über 300 Millionen
Tonnen jährlich, das sind über 30 Prozent. Das ist meilenweit von einem Pfad zur Einhaltung
der Pariser Klimaziele entfernt. Schlimmer noch: Deutschland hinkt beim Ausbau der
erneuerbaren Energien weit hinterher. Sie sind jedoch das Herzstück jedes Klimaschutzes. Um
die Pariser Klimaziele zu erreichen, ist der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien nicht
mehr nur entscheidend für wirksamen und erfolgreichen Klimaschutz im Strombereich, sondern
auch der Wärme- und Verkehrssektor werden zukünftig auf elektrischer Basis betrieben und
massiv erneuerbare Energie benötigen. Hinzu kommt der zusätzliche Bedarf an erneuerbarem
Strom, um Wasserstoff und andere Gase (zum Beispiel als Speicher oder für erneuerbare
Treibstoffe) zu produzieren, gerade auch für den Stahl- und den Chemiebereich. Es geht nun
also nicht mehr nur um die 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien zur reinen
Elektrizitätsversorgung, die wir 2030 erreichen wollen, sondern um 100 Prozent erneuerbaren
Strom für eine klimaneutrale Wirtschaft insgesamt.
Der stockende Ausbau und die Politik der Bundesregierung führen dazu, dass wir uns derzeit
aber nur auf einem Ausbaupfad von maximal 45 Prozent bewegen. Das ist auch das größte
Hindernis für den Kohleausstieg, den wir sofort beginnen und schnell abschließen müssen. Die
von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission hat nun endlich einen Plan zum
Kohleausstieg vorgelegt. Es ist nicht unser Plan, aber das Einzige, was wir derzeit in einem
gesellschaftlich vereinbarten Kompromiss haben. Gerade mit Blick auf das Enddatum, das nicht
Paris-kompatibel ist, gibt es Korrekturbedarf – deshalb haben die am Ergebnis beteiligten
Umweltverbände und Wissenschaftler*innen Revisionsklauseln verankert und ein Sondervotum
abgegeben. Entscheidend ist jetzt, das verbleibende CO2-Budget für den Stromsektor deutlich
zu reduzieren. Das heißt viele Kraftwerke schnell und zeitnah abzuschalten, um 2030 auch aus
der Kohle aussteigen zu können. Wir machen uns daher dafür stark:
- über ein Kohleausstiegsgesetz in den nächsten drei Jahren mindestens rund ein Viertel
der Braunkohlekapazitäten und ein Drittel der Steinkohlekapazitäten abzuschalten,
- einen verbindlichen und möglichst entschädigungsfreien Abschaltplan für
Kohlekraftwerke für die Zeit nach 2022,
- die Strukturförderung an konkrete Abschaltungen und den Ausbau erneuerbarer Energien
sowie weiterer Energiewende-Infrastruktur vor Ort zu koppeln.
Zentral dafür wird sein, ob wir den Ausbau der Erneuerbaren und des Energiesystems umgehend
und massiv voranbringen.
Das Missmanagement der Bundesregierung hat den Ausbau der erneuerbaren Energien fast zum
Erliegen gebracht. Durch die letzten Novellen ist aus dem extrem erfolgreichen Erneuerbare-
Energien-Gesetz, dem am häufigsten kopierten Gesetz der Welt, mittlerweile eher ein Anti-
Erneuerbare-Energien-Gesetz geworden: Den Erneuerbaren wurden Deckel und andere Hindernisse
zur Verhinderung von schnellem Wachstum vorgegeben. Das ist der eigentliche Skandal.
Wir wollen den Ausbau der Erneuerbaren mit großer Geschwindigkeit wieder in Gang bringen.
Konkret soll die installierte Leistung von Wind onshore in den nächsten zehn Jahren
mindestens verdoppelt, die für offshore verfünffacht und die für PV (Dach, Fassaden und
Freiflächen) auf 250 Gigawatt (GW) angehoben werden. Damit sowie mit massiver
Energieeinsparung kann Deutschland seinen Stromverbrauch komplett erneuerbar decken und auch
noch einen Teil der Sektorenkopplung. Klar ist: Die Energiewende mit 100 Prozent
Erneuerbaren kann nur gelingen, wenn wir sie endlich umfassend europäisch denken und
zugleich die Potenzial der Bürger*innen-Energiewende wieder heben.
Für die erneuerbaren Energien in den Bereichen Industrie, Wärme, Verkehr wollen wir
Energiepartnerschaften mit den Nachbarstaaten der Europäischen Union aus dem Sonnengürtel
zur Produktion von solarem Wasserstoff schließen. Solche Energiepartnerschaften müssen auf
Augenhöhe und unter Einbeziehung der Bürger*innen in der Region verhandelt werden. Die
Vorteile müssen vor allem der Region zugutekommen, aus welcher die Energie geliefert wird.
Weder ist es nötig noch erstrebenswert, dass wir dezentrale Energieerzeugung zu kleinteilig
denken. Europa soll zu einem gemeinsamen Strommarkt auf der Basis von Erneuerbaren
zusammenwachsen. Dafür brauchen wir eine zu 100 Prozent erneuerbare und energieeffiziente
Europäische Union als Treiberin für die internationale Energiewende und ambitioniertere
europäische Klimaziele. Die Förderung von nachhaltiger Landwirtschaft, klimafreundlicher
Mobilität, Photovoltaik, Windenergie, Biomasse und anderen regenerativen Stromquellen auch
auf europäischer Ebene muss noch stärker vorangetrieben werden. Die Vernetzung der
verschiedenen erneuerbaren Quellen senkt den Bedarf am Ausbau erheblich. Je größer der Raum
und je vernetzter die Quellen, desto günstiger wird es und desto geringer ist der Bedarf am
Ausbau.
Im Sektor Strom müssen Effizienzgewinne schnell realisiert werden:
- strikte Effizienzvorgaben und Förderung von Effizienzgewinnen und Stromeinsparungen
für Energieversorger, Produktion, Industrie, Datenzentren, Gewerbe, bei Handel und
Dienstleistungen,
- eine „Langes Leben“-Produktoffensive (zum Beispiel Garantiehaftung von zwei auf fünf
Jahre anheben) sowie ein Förderprogramm „Dekarbonisierung für die Industrie“,
- Förderung von Stromeinsparungen im Haushaltsbereich durch kontinuierlich steigende
Effizienzvorgaben für Haushaltsgeräte, Umstellung auf LED-Beleuchtung und sparsamere
Rechnerleistungen.
Die Ausbau-Offensive im Bereich der erneuerbaren Stromerzeugung umfasst folgende Maßnahmen:
- Die Verhinderungs-Deckel beim Ausbau von Ökostrom müssen unverzüglich gestrichen
werden. Nur den Solardeckel aufzuheben, reicht nicht aus. Entsprechend des
Ausbaupfades müssen die planbaren Flächen deutlich erhöht werden. Der Europäische
Gerichtshof hat entschieden, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) keine Beihilfe
darstellt und deshalb nicht unter die Beschränkungen der Beihilferichtlinie der
Europäischen Union fällt.
- Vorrangregelung und Abnahmepflicht des erneuerbaren Stroms muss gesichert werden.
- Jährlicher Zubau von mindestens 5-6 GW Wind auf dem Land, ab Mitte der 2020er Jahre
von 7-8 GW.
- Eine Repowering-Offensive durch planungsrechtliche Verbesserungen und gesonderte
Ausschreibungen.
- Festlegung eines nationalen Flächenziels Windkraft von zwei Prozent der Landesfläche
und Verpflichtung der Länder, entsprechende Flächen auszuweisen, auf denen
Windenergieanlagen errichtet werden können.
- Wenn Windparks gebaut oder erweitert werden, sollen die anliegenden Gemeinden und
damit ihre Bürger*innen über eine Windpark-Abgabe finanziell an den Erträgen
teilhaben.
- Erhebliche Erleichterungen bei den Genehmigungen für Windenergieanlagen durch
Überprüfung bestehender Regelungen im Bereich Flugsicherung, Denkmal- und Naturschutz
sowie bei Abstandsregelungen und im Planungsrecht mit der Maßgabe, den Ausbau von
Erneuerbaren zu fördern. Im Artenschutz wollen wir bei guter Bestandsentwicklung die
Ausnahmegenehmigungen besser nutzen.
- Das Ausbauziel für Windenergie auf See ist auf 35 GW bis 2030 anzuheben. Dazu brauchen
wir im Durchschnitt einen jährlichen Zubau von etwa drei GW pro Jahr.
- Um bei Wind offshore schneller voranzukommen, wollen wir mit anderen Nord- und Ostsee-
Anrainerstaaten eine gemeinsame Raumplanung machen, die dann auch die Räume außerhalb
der einzelnen Hoheitsgebiete enthält und eine koordinierte Planung zur
Berücksichtigung des Artenschutzes, insbesondere den Vogelzug, erlaubt.
- Bei Photovoltaik akuter jährlicher Zubau von 10-12 GW pro Jahr als Dachanlagen, für
Gebäudefassaden und Freiflächen; ab Mitte der 2020er Anstieg auf 18-20 GW pro Jahr.
- Einführung einer Solarpflicht für Photovoltaik oder Solarthermie bei Neubauten.
- Ausbildungsprogramm für Fachkräfte für Solarenergie und Facharbeiter*innen in der
Solarzellenproduktion.
- Aufbau einer Multi-Gigawatt-Solarfabrik, unterstützt durch staatliche Bürgschaften.
Flächen effizient nutzen. Der immense Ausbau der Erneuerbaren, den wir brauchen, benötigt
Fläche. Für Windenergie an Land benötigen wir nicht mehr als zwei Prozent der Landesfläche.
Hinzu kommen gut drei Prozent der Ackerfläche für Photovoltaik. Dafür können wir nicht für
Lebensmittel genutzte Ackerfläche umwidmen: Potenzial bieten Ackerflächen in einer
Größenordnung von ca. acht Prozent, die heute noch für Kraftstoffproduktion genutzt werden,
zudem kann der Bedarf an Biogas-Mais verringert werden, da die Energieerzeugung durch
Photovoltaik fünfzig- bis hundertfach flächeneffizienter ist. Landwirtinnen und Landwirte,
die in den bestehenden Energiepflanzen-Programmen ökonomisch gebunden sind, fördern wir
einkommensneutral, sodass sie auf Photovoltaik umsteigen können. Durch die Verbindung von
Agro-PV-Anlagen mit Permakultur können sogar höhere Erträge als heute erzielt werden.
Insgesamt streben wir für den Energiesektor an:
- Der bis ins Unermessliche gestiegene bürokratische Aufwand für eine eigene
Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und sonstige eigene Erneuerbaren-Anlagen zur
Stromlieferung an Dritte sowie die damit verbundenen, mittlerweile kaum mehr zu
verstehenden steuerrechtlichen Regelungen müssen harmonisiert, deutlich reduziert und
vereinfacht werden.
- Den Ausbau von PV-Strom vom Dach als Mieterstrom wollen wir insbesondere im
Mieterstromgesetz radikal vereinfachen und steuerliche Hemmnisse und Bürokratie
abbauen. Die Vermarktung und Verwendung auch über das Herstellungsgebäude hinaus im
Quartier muss lohnend und einfach werden. Die Verpachtung von Dächern und die
Vermarktung von PV-Strom vom Dach im Quartier muss einfach und lohnend werden, für
Erzeuger*innen und Nutzer*innen.
- Auflegen eines Förderprogramms für 100.000 Stromspeicher, um die dezentrale
Ökostromversorgung zu erleichtern.
- Anreize für Investor*innen, Anwohner*innen und Anliegergemeinden von Wind- und
Solarenergieanlagen schaffen, u.a. durch Forschungs- und Förderprogramme für
Agrophotovoltaik zur gleichzeitigen Nutzung von Fläche für Landwirtschaft und
Energieproduktion sowie Pflichtanteile erneuerbarer Wärme wie Solarthermie bei der
Modernisierung von Altbauten.
- Länder und Kommunen bei der Lösung von Konflikten, zum Beispiel zwischen Windanlagen
und Naturschutz unterstützen, anstatt sie wie bisher alleine zu lassen.
- Die Sektorkopplung voranbringen, den Strommarkt gemäß den europäischen Vorgaben
reformieren und die Digitalisierung der Stromversorgung vorantreiben.
- Eine Anschlussfinanzierung für bestehende Biomasseanlagen, um die Stromerzeugung aus
Bioenergie zu erhalten. Die Anschlussfinanzierung soll daran geknüpft sein, dass die
Bioenergieanlagen flexibilisiert werden und dann Strom erzeugen, wenn wenig Wind- und
Solarenergie zur Verfügung steht, und sie möglichst weitgehend auf Rest- und
Abfallstoffe sowie Gülle umgestellt werden.
- Fairere Gestaltung der Umlagen und Entgelte zwischen Verbraucher*innen, der Industrie
und kleineren und mittleren Unternehmen.
- Europarechtliche Vorgaben im Energiemarktdesign so schnell wie möglich in nationales
Recht umsetzen, um der Bürgerenergie Flügel zu verleihen: So kann jede*r auf Dach oder
Balkon Strom erzeugen und abgabenfrei selbst verbrauchen oder an Nachbar*innen
verkaufen.
- Deutschland muss den Vertrag über die Energiecharta kündigen, damit fossile
Infrastruktur ausländischer Eigentümer*innen entschädigungsfrei stillgelegt werden
kann.
Parallel dazu setzen wir auf:
- eine Förderung der inländischen, nachhaltigen Batteriezellenproduktion und einer damit
verbundenen Kreislaufwirtschaft,
- die konsequente Umstrukturierung des Energiemarktdesigns und der energiebezogenen
Abgaben, Entgelte und Umlagen mit der Zielvorgabe 100 Prozent Erneuerbare bis 2030.
Dazu gehören starke Anreize für Sektorkopplung und Speicherung,
- Forschungsunterstützung für die Wasserstoff-Industrie über ein Investitionsprogramm
„Grüner Wasserstoff“. Gefördert werden sollen u.a. die erneuerbare
Wasserstofferzeugung und Speicherung, Wasserstoff-Dunkelflautenspeicher in Gaskavernen
und der Einsatz in Industrieprozessen.
6b. Energiewende im Wärmesektor und bei Gebäuden
Die Energiewende in Gebäuden kommt seit Jahren nicht schnell genug voran. Die Sanierungsrate
zur Energieeinsparung und der Anteil an Wärme aus erneuerbaren Energien reichen bei Weitem
nicht aus und stagnieren auf niedrigstem Niveau. Mit einem „Weiter so“ würde es hundert
Jahre dauern, einen klimaneutralen Gebäudebereich zu schaffen – wir brauchen ihn aber
viermal so schnell, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Daher müssen wir jetzt gemeinsam
mit allen Eigentümerinnen und Eigentümern, die in der Regel keine Bau- oder
Planungsexpert*innen sind, allen Mieterinnen und Mietern einen Aufbruch hin zu ökologisch
modernen Gebäuden schaffen. Mit Zuschüssen und zinslosen staatlichen Sanierungskrediten mit
wahlweise langen Laufzeiten unterstützen wir Eigenheimbesitzer*innen bei der energetischen
Gebäudemodernisierung. Ein CO2-Preis auf Heizstoffe macht Klima-Modernisierung
wirtschaftlicher als bisher. Damit alle Eigentümer*innen und Mieter*innen bei der
Energiewende in Gebäuden mitmachen und partizipieren können, braucht es zusätzlich passende
Regeln, Anreize und Informationen. Dazu gehört auch die steuerliche Förderung als Anreiz für
energetische Sanierung. Gerade private Eigenheimbesitzer*innen benötigen steuerliche Anreize
zur Gebäudemodernisierung. Der Steuerbonus muss klimapolitisch wirksam ausgestaltet sein. Es
dürfen darum nur Maßnahmen gefördert werden, die nachweislich auf dem vom Pariser Abkommen
vorgegebenen Minderungspfad liegen. Durch eine progressionsunabhängige Abschreibung müssen
alle gleichermaßen davon profitieren, und die Sonderabschreibung muss analog zur KfW-
Förderung ausgestaltet sein.
Wie im Stromsektor gehört auch beim Heizen und Kühlen die Zukunft den erneuerbaren Energien.
Wir wollen
- einen Systemwechsel erreichen: Dort, wo es die Besiedlungsstruktur ermöglicht, weg von
der Einzelbefeuerungsanlage und der Einzelhausbetrachtung hin zu einer
Quartiersbetrachtung und zu Nah- bzw. Fernwärmenetzen, die dann aus verschiedenen
erneuerbaren Quellen gespeist werden können,
- dass alle Kommunen ein Energiemanagement durchführen müssen und einen Energiebericht
verfassen, damit überhaupt Daten erhoben, Maßnahmen umgesetzt und nachgesteuert werden
kann. Kommunen haben sich zukünftig nicht nur um ihren eigenen Gebäudebestand zu
kümmern. Kommunen werden wir dabei finanziell unterstützen, eine datenbasierte
Wärmeplanung für einen klimaverträglichen Umbau der Wärmeversorgung in den einzelnen
Quartieren aufzulegen. Diese Wärmeplanung wird Grundlage für eine Förderung der
nötigen Investitionen sein,
- den vorgeschriebenen Anteil an erneuerbaren Energien bei Neubau und Bestand deutlich
anheben,
- den Passivhausstandard für alle Neubauten sowie Fassaden- oder Dachbegrünung sowie
Plus-Energiegebäude fördern,
- eine Ausbildungsoffensive im Handwerk und Baugewerbe, um die notwendige Sanierungsrate
überhaupt zu ermöglichen.
Ein Austauschprogramm „Sonne statt Öl“ und Klima-Service für Eigentümer*innen. 16 der 19
Millionen Wohngebäude in Deutschland sind Ein- und Zweifamilienhäuser. Viele davon sind noch
vor der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1978 entstanden und bisher nicht energetisch
modernisiert. Die Eigentümer*innen und Mieter*innen dieser Gebäude sind in der Regel keine
Bauexperten. Sie brauchen daher einen einfachen Zugang zu den besten Klimainformationen und
Modernisierungen. Zentral ist für uns daher:
- ein Austauschprogramm „Sonne statt Öl“: ein Förderprogramm für den Tausch der
Ölheizung gegen eine moderne Heizung mit Sonnenwärme, Wärmepumpe oder Holz,
- dass Ölheizungen ab sofort und fossile Gasheizungen ab 2025 nicht mehr eingebaut
werden,
- der Ersatz der fossilen Erdgasversorgung,
- das Auflegen eines 100.000-Wärmepumpen-Programms. Mit Wärmepumpen können wir aus einer
Kilowattstunde (kWh) Strom rund vier kWh Wärme machen. Der Austausch von fossilen
Heizungen zu Wärmepumpen stellt mit Solarwärme und PV sowie saisonalen Speichern und
Wärmenetzen in der drängenden, kurzen Zeit eine große Chance auf rasche
Klimaneutralität des Gebäudebestands dar,
- ein kostenloser Klima-Service für Eigentümer*innen von Ein- und Zweifamilienhäusern:
Qualifizierte Energieberater*innen nehmen eine Vor-Ort-Analyse vor und erstellen einen
kostenlosen Sanierungsfahrplan fürs Haus. Ein solcher Klima-Fahrplan schlägt geeignete
Schritte vor, mit denen das Haus zum Niedrig-Energie-Gebäude mit erneuerbarer Wärme
werden kann,
- einen finanziellen Zuschuss für eine fachkundige Energie-Bauleitung: Die
Energieberater*in wird dazu als Bauleiter*in zur Umsetzung einzelner Schritte des
Klima-Fahrplans für das Haus tätig. Sie beauftragt alle Handwerkerinnen und Handwerker
und prüft deren Arbeit.
Klima-Check und Mieterschutz für Mieter*innen. Jeder Mieter, jede Mieterin soll wissen, wie
es um die eigene Wohnung bezüglich der Klimaziele und Heizkosten steht. Außerdem wollen wir
Mieterinnen und Mieter vor hohen Heiz- und Modernisierungskosten schützen. Dafür wollen wir:
- jeder Mieterin und jedem Mieter einen Gutschein für einen Klima-Check für ihre/seine
Wohnung geben, um ein kostenloses Heizgutachten auf Basis der aktuellen
Heizkostenabrechnung zu erstellen,
- klimagerechte Modernisierungen von Gebäuden und Wohnungen, die sich jede*r leisten
kann, möglichst ohne Erhöhung der Warmmiete. Für energetisch modernisierte Wohnungen
wollen wir einen Klimazuschuss zum Wohngeld einführen, damit sich auch Haushalte mit
kleinen Einkommen diese Wohnungen leisten können. Mit dem Förderprogramm „Gutes Klima
im Quartier“ fördern wir energetische Modernisierungen ganzer Stadtviertel ohne
Erhöhung der Warmmieten. Mit der sozialen Wohnraumförderung und bei kommunalen
Wohnungsunternehmen ermöglichen wir das ebenfalls in den Ländern und Kommunen. Im
Mietrecht senken wir die Modernisierungsumlage, d.h. die Mieterhöhung nach
Modernisierung, deutlich ab und kappen sie bei höchstens 1,50 Euro je Quadratmeter.
Aktionsplan Faire Wärme. Unser umfassender Aktionsplan Faire Wärme denkt die Bausteine der
Energiewende im Wärmesektor und in Gebäuden zusammen, für Wohnhäuser und Quartiere, Stadt
und Land. Dazu gehören:
- eine erhebliche Aufstockung der Mittel für erneuerbare Wärme, energetische
Modernisierung und saubere Wärmenetze – um Heizen ohne Klimaschaden zu ermöglichen,
- das Programm „Gutes Klima im Quartier“: ein Förderprogramm für die Quartierssanierung
ohne Erhöhung der Warmmieten, zur Klima-Modernisierung ganzer Stadtviertel und Dörfer
und ihrer Gebäude, gemeinsam geplant mit den Menschen und Unternehmen vor Ort,
- ein Steuerbonus für selbst nutzende Eigentümer*innen, die ihr Haus oder ihre Wohnung
klimafreundlich modernisieren wollen,
- endlich konsequenter Klimaschutz bei Bundesimmobilien: Klima-Fahrplan für die
bundeseigenen Liegenschaften und ein Aktionsprogramm klimaneutrale Bundesverwaltung;
Ziel: sämtliche Bundesliegenschaften werden bis zum Jahr 2030 klimaneutral,
- 200 Millionen Euro jährlich für qualifizierte Energieberatung wie Klima-Service und
Klima-Check.
Mehr Energieeffizienz. Die beste Energie ist diejenige, die gar nicht erst verbraucht wird.
Hier reichen die heutigen politischen Rahmenbedingungen für mehr Energiesparen und bessere
Energieeffizienz bei weitem nicht aus. Wir brauchen:
- Förderprogramme für die Nutzung ökologischer Bau- und Dämmstoffe,
- die Umsetzung des gültigen EU-Rechts in ein modernes Gebäudeenergiegesetz, das an
Energieeffizienz und dem CO2-Ausstoß ausgerichtet ist,
- Niedrigenergiehäuser als verpflichtenden Standard: das Passivhaus bei Neubauten, und
bei umfassender Modernisierung sowie Sanierung bestehender Altbauten soll das KfW-
Effizienzhaus 55 der Zielstandard sein,
- für energetische Modernisierungen staatliche Nullzins-Darlehen mit langen
Rücklaufzeiten, denn eine bessere Investition als Energieeinsparung gibt es nicht.
Wärmenetze dekarbonisieren und ausbauen. Ein relevanter Teil der Wärmeversorgung erfolgt
über Nah- und Fernwärmenetze. Doch derzeit wird das Potenzial der leitungsgebundenen Wärme
für den Klimaschutz nicht ausreichend genutzt. Das gilt hinsichtlich der Integration von
erneuerbaren Energien ebenso wie für die Nutzung von gewerblicher und industrieller Abwärme.
Wir wollen:
- Nahwärmenetze zielgerichtet ausbauen und die entsprechenden Förderprogramme erhöhen,
- ein Förderprogramm in Höhe von 400 Millionen Euro für 10.000 Wärmespeicher auflegen,
damit insbesondere Gemeinden oder Stadtteile mit Wärmenetzen mindestens einen großen
Wärmespeicher errichten können und so die Flexibilität im Wärme- und
Stromversorgungssystem erhöht wird,
- verpflichtende Emissionsminderungsziele für Fernwärmebetreiber,
- Wärmenetze für die Einspeisung erneuerbarer Wärme sowie industrieller und gewerblicher
Abwärme durch gesetzliche Regelungen öffnen, um auch die Nah- und Fernwärmeversorgung
so schnell wie möglich zu dekarbonisieren.
6c. Verkehrswende – mehr Mobilität mit weniger Verkehr
Rund 20 Prozent der deutschen Treibhausgase kommen aus dem Verkehrssektor. Von einem
Minderungspfad, der mit den Klimazielen von Paris vereinbar wäre, sind wir meilenweit
entfernt. Die Emissionen sind derzeit immer noch genauso hoch wie 1990, alle Klimaziele im
Verkehrssektor werden krachend verfehlt. Die zunehmenden Emissionen des von Deutschland
ausgehenden internationalen Luftverkehrs sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Allein
die durch unseren Verkehr verursachten Folgekosten liegen pro Jahr bei 149 Milliarden Euro.
Mobilität und Lebensqualität zusammenzubringen heißt: Verkehr vermeiden, verlagern und
klimafreundliche Verkehrsmittel miteinander vernetzen. Ein „Weiter so“ wäre nicht nur
ökologischer, sondern auch volkswirtschaftlicher Irrsinn. Um Klimaschädigung und
Verkehrsbelastungen wirksam zu vermindern, müssen wir eine umfassende Verkehrswende auf den
Weg bringen. Mit ihr geht die Ära des fossilen Verbrennungsmotors und eine einseitig auf
immer mehr Pkw- und Lkw-Verkehr ausgerichtete Infrastrukturentwicklung zu Ende.
Mit dem Ausbau von Schiene, ÖPNV und Radverkehr, der Vernetzung von Verkehrsangeboten, mit
neuen Sharing-Formen und der Antriebswende können wir den Energiebedarf des Verkehrs
vermindern, eine für alle Menschen bezahlbare Mobilität schaffen und die Klimaziele im
Verkehr erreichen. Wir können die Anzahl der Autos verringern, die heute Tag für Tag im Stau
stehen oder in Städten wertvolle Flächen vollstellen, und so Verkehrssicherheit und
Lebensqualität erhöhen, ohne unsere Mobilität zu vermindern.
Unsere Schwerpunkte für eine klimafreundliche Mobilität sind:
Überarbeitung des ordnungs-, finanz- und steuerpolitischen Rahmens der Verkehrspolitik.
Diesen Rahmen zu überarbeiten mit dem Ziel der Förderung sozialverträglicher, ökologischer
und technischer Maßnahmen heißt:
- den Bundesverkehrswegeplan komplett zu überarbeiten und als Bundesnetzplan für
Mobilität neu aufzustellen,
- den Kommunen das Recht zu geben, innerorts eigenständig und unbürokratisch über die
Einführung von Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaziele zu entscheiden: zum Beispiel
autofreie Innenstädte innerhalb ihrer Stadtgrenzen und/oder in Kooperation mit
benachbarten Kommunen gestalten, Fahrradstraßen und Fußwegenetze oder auch Tempolimits
einführen,
- den steuer- und finanzpolitischen Rahmen u.a. mit dem Ziel auszuschöpfen, den Kauf von
Autos mit fossilem Verbrennungsmotor auslaufen zu lassen und die Nutzung öffentlicher
Verkehrsangebote preiswert zu gestalten.
Die Bahn flott machen. In den letzten Jahrzehnten wurde einseitig in den Straßenbau
investiert, während Schieneninfrastruktur in großem Ausmaß zurückgebaut wurde. Jetzt ist die
Schiene dran! Zur Finanzierung wollen wir den bisherigen „Finanzierungskreislauf Straße“
auflösen, wonach Einnahmen aus der Lkw-Maut allergrößtenteils in den Straßenbau fließen.
Mauteinnahmen müssen auch der Bahn zugutekommen. Ab 2025 wollen wir keine neuen
Bundesstraßen mehr in Angriff nehmen, da Deutschland mit Straßen ausreichend erschlossen
ist, während bei den Schienenwegen erhebliche Nachholbedarfe aufzuarbeiten sind. Die Bahn
ist das Verkehrsmittel, das sich am einfachsten und mit der höchsten Energieeffizient
elektrifizieren lässt. Sie ist das Rückgrat der Verkehrswende. Es braucht jedoch erhebliche
Anstrengungen, damit sie diese Rolle endlich übernehmen kann:
- Innerdeutschen und grenzüberschreitenden Schienenverkehr stärken: fehlende
Verbindungen im Schienennetz herstellen, Elektrifizierungslücken schließen,
Passagierrechte europaweit stärken, Nachtzugverbindungen ausbauen.
- Um auch bei der Bahn das fossile Zeitalter auslaufen zu lassen, sind bis zum Jahr 2030
mindestens 75 Prozent der Bahnstrecken zu elektrifizieren. Die verbleibenden Strecken
sind entweder ebenfalls zu elektrifizieren oder die Züge werden auf alternative
Antriebe umgestellt.
- Bundesweiten Deutschlandtakt einführen: garantierte Anschlüsse, dichter Takt,
Abstimmung Fern- und Nahverkehr.
- Regionalisierungsmittel erhöhen mit dem Ziel, die Fahrgastzahlen in Zügen zu
verdoppeln.
- Technische Möglichkeiten ausschöpfen zur intelligenten Steuerung des Schienenverkehrs
sowie zur Steigerung der Nutzung, bspw. Taktverdichtung.
- Bessere Harmonisierung und Verstärkung des internationalen Bahnverkehrs zur
Beseitigung technischer Hemmnisse und für verbesserte Verbindungen; damit einhergehend
Anschlussgarantien und grenzüberschreitender Verbraucherschutz.
- Erstellung eines Reaktivierungskonzeptes für ungenutzte und stillgelegte
Schienenstrecken inklusive der Chance, bereits entwidmete, aber notwendige Trassen
wieder zu ertüchtigen.
Den öffentlichen Personenverkehr stärken. Damit alle bezahlbar, verlässlich und
klimaschonend von A nach B kommen, muss der Öffentliche Personenverkehr besser ausgebaut und
die Angebote verbessert werden. Dazu braucht es:
- ein Förderprogramm „Mobilität im ländlichen Raum“ mit eindeutigen Kriterien zugunsten
des Ausbaus von vernetzten Mobilitäts- und Fahrzeugangeboten,
- die deutliche Erhöhung der Mittel für den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs,
um die Kapazitäten und das Preis-Leistungs-Verhältnis zu verbessern,
- einen Mobilpass, um aus einer Hand mit allen Verkehrsmitteln – Busse, Bahnen, Share-
Bikes und -Cars – in ganz Deutschland unterwegs sein zu können,
- eine Mobilitätsgarantie für alle Menschen in Deutschland: durch gezielte Förderung
strukturschwacher Regionen allen Menschen Zugang zu einem regelmäßigen und
verlässlichen Nahverkehrsangebot ermöglichen,
- die Förderung von bundesweit zehn Kommunen im Rahmen von Modellprojekten , die auf
einen umlagefinanzierten und kostenfreien ÖPNV umsteigen wollen, indem wir die
rechtlichen Hürden für Kommunen abbauen,
- das Nutzen der Digitalisierung, um weitere Kapazitätserhöhungen und Flexibilisierungen
im ÖPNV zu erreichen,
- ein Investitionsprogramm für Oberleitungs- und Schienenfahrzeuge in den Städten
zugunsten eines engmaschigen Nahverkehrsnetzes (Trams, Trolleybusse, Straßenbahnen),
- die Erstellung eines bundesweiten Mobilitätskonzeptes, das den Umweltverbund auch im
Umland stärkt, inklusive eines bundesweiten Rad- und Fußwegekonzepts in Zusammenarbeit
mit den Bundesländern zugunsten einer sicheren Rad- und Fußwegeinfrastruktur mit allen
notwendigen technischen Nebenanlagen wie Servicestationen oder Notrufe.
Vorrang für Rad- und Fußverkehr. Schwer zu glauben, aber wahr: Einen großen Teil ihrer
täglichen Wege legen die Menschen zu Fuß oder mit dem Rad zurück. Und vier von zehn
Autofahrten in der Stadt sind unter fünf Kilometer – Distanzen, die leicht mit dem Fahrrad
oder sogar zu Fuß zurückgelegt werden können. Dem Fuß- und Radverkehr wird bislang aber
meist nur so viel Platz zugestanden, dass der Auto- und Lastwagenverkehr ungehindert rollen
kann. Höchste Zeit, dass diese klimafreundlichsten Fortbewegungen endlich nicht mehr
behindert, sondern gefördert und sicher gestaltet werden. Dazu braucht es:
- eine gerechte Verteilung und mehr Raum für Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen in
den Städten und Gemeinden sowie neue Möglichkeiten des Parkraummanagements durch
Änderung des Straßenverkehrsrechts,
- Modellprojekte für autofreie Innenstädte und die Förderung von City-Maut-Zonen,
- gemeinsame Bund-Länder-Kommunen-Programme zur Förderung von Rad- und Fußverkehr,
- eine Erhöhung der Mittel: Die Finanzierung fahrrad- und fußgängerfreundlicher Kommunen
muss sich an 100 Euro pro Einwohner*in pro Jahr orientieren,
- eine Rad- und fußverkehrsfreundliche Überarbeitung des Straßenverkehrsrechts, um
Radfahren und zu Fuß gehen als gleichberechtigte Verkehrsarten zu fördern und deutlich
sicherer und bequemer zu machen. Außerdem müssen Bußgelder für verkehrsgefährdendes
und fuß- und radverkehrsbehinderndes Verhalten erhöht werden,
- das Nutzen der Digitalisierung, um Sicherheit und Vorfahrt für Rad- und Fußverkehr
umzusetzen.
Tempolimits. In erster Linie helfen Tempolimits, den Verkehr sicherer zu machen, und
Unfälle, Tote und Verletzte zu vermeiden. Aber sie tragen auch zu Lärm-, Umwelt- und zum
Klimaschutz bei. Sehr schnell umsetzbar sind:
- die Einführung eines allgemeines Sicherheitstempo von 130 km/h auf Autobahnen,
- die Einführung von Tempo 30 innerorts auf allen Straßen, indem Kommunen ermöglicht
wird, leichter darüber zu entscheiden,
- ein automatisiertes Verlangsamen vor besonderen Gefahrenzonen wie Kreuzungsbereichen,
Schulen oder Krankenhäusern,
- das Anschärfen des Bußgeldkatalogs für Falschparken und zu schnelles Fahren.
Emissionsfreie Mobilität voranbringen. Trotz Bahnausbaus und gut funktionierendem
Personennahverkehr wird in naher Zukunft das Auto weiterhin eine wichtige Rolle spielen –
insbesondere in ländlichen Räumen. Jetzt muss die Bundesregierung endlich die richtigen
politischen Rahmenbedingungen setzen, damit der Sprung in die Zukunft klimafreundlicher
Antriebe schnell und reibungslos gelingt und es neue Ideen für gemeinschaftliche
Nutzungskonzepte gibt:
- Spätestens ab 2030 sollen nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden.
- Die Förderung emissionsfreier Fahrzeuge soll durch eine Bonus-Malus-Regelung in der
Kfz-Steuer wirken, die kleine und energiearme Fahrzeuge belohnt und CO2-intensive
Fahrzeuge teurer macht, sowie durch Quoten für E-Autos. Diese Quoten sollen ab 2021
exponentiell ansteigen, damit bereits Mitte der 2020er Jahre drastisch weniger Autos
mit fossilem Verbrennungsmotor auf den Markt kommen.
- Die öffentliche Hand muss bei emissionsfreien Fahrzeugen mit gutem Beispiel vorangehen
und bspw. Dienstwagenflotten und Nutzfahrzeugparks schnell umstellen.
- Wir wollen den Ausbau und die Standardisierung der Ladeinfrastruktur für
Elektromobilität im öffentlichen und privaten Raum, die Entwicklung eines
flächendeckenden, engmaschigen öffentlichen Netzes von Ladestellen mit unkomplizierter
Handhabung und Abrechnung sowie mit transparenten Preisen, genauso wie den Abbau
bürokratischer Hürden für Ladestellen in Wohnhäusern.
- Wir wollen den Abbau von Subventionen für fossil betriebene Autos sowie steuerliche
Anreize für die Nutzung von Rad, Bus, Bahn und abgasarmer Autos statt die
Subventionierung schwerer Dienstwagen.
Flugverkehr vermeiden und die Subventionierung des Flugverkehrs beenden. Wir wollen nahezu
alle innerdeutschen Flüge und Kurzstreckenflüge ins benachbarte Ausland durch schnelle und
bezahlbare Alternativen mit der Bahn bis 2030 überflüssig machen. Dazu muss massiv in die
Schieneninfrastruktur und das Zugmaterial investiert und zugleich die Subventionierung des
Flugverkehrs beendet werden. Insgesamt muss der Flugverkehr klimafreundlicher gemacht
werden. Wir wollen:
- die Befreiung des Kerosins von der Energiesteuer beenden,
- die Mehrwertsteuer für alle Flugreisen einführen und eine Vervierfachung der Steuern
auf Flugreisen, solange Kerosin- und Mehrwertsteuer nicht im vollen Umfang erhoben
werden, dabei soll es eine Differenzierung nach Streckenlänge, Klasse und
Lärmbelastung geben sowie die Ausweitung auf Frachtflüge,
- die Subventionierung von Flughäfen stoppen,
- keine weiteren Start- und Landebahnen mehr genehmigen, sondern entsprechend des
wegfallenden Inlandsverkehrs reduzieren,
- die Start- und Landegebühren für besonders klimazerstörende, schadstoffreiche und
laute Flieger erhöhen,
- eine Initiative zur Festlegung ambitionierter CO2-Grenzwerte für Flugzeuge
international vorantreiben,
- die Forschung und Förderung von emissionsneutralen Flugzeugen und Kraftstoffen
fördern,
- Flüge mit Start und Ziel außerhalb der EU schnellstmöglich wieder in den Europäischen
Emissionshandel einbeziehen – ohne kostenlose Zuteilung von Zertifikaten,
- europäische und bilaterale Abkommen zur Erhebung einer Kerosinsteuer.
Den Güterverkehr dekarbonisieren. Der Güterverkehr nimmt immer weiter zu. Gleichzeitig
wächst der Anteil des Gütertransports auf der Straße, nicht aber auf der Schiene. Das wollen
wir umdrehen. Eine klimafreundliche Verkehrspolitik muss:
- die Lkw-Maut reformieren: Staffelung der Maut nach CO2-Ausstoß sowie Ausdehnung der
Lkw-Maut auf alle Straßen und alle Lkw über 3,5 Tonnen,
- schnell Güter von der Straße auf die Schiene bringen: dauerhafte Halbierung der
Trassenpreise, Ausbau der Schieneninfrastruktur,
- den Güterverkehr reduzieren durch regionale Wirtschaftskreisläufe und Verlagerung des
Restverkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsträger,
- den gesamten Güterverkehr – auf Straße, Schiene, Wasser und in der Luft – auf
erneuerbare Energien umstellen; dazu bedarf es umfangreicher Forschungs- und
Markteinführungsförderung,
- es mehr Pilotprojekte für oberleitungsgebundene E-Lkw geben. So wollen wir
klimafreundliche Alternativen im Güterverkehr stärken.
Mit der Binnen- und Seeschifffahrt die Klimaziele einhalten. Wir wollen:
- die Koordinierung und Konzeptionierung der Schifffahrt und der Häfen endlich in eine
verantwortliche zentrale Aufgabe des Bundes überführen, um die Klimaziele und die
Kapazitätsauslastung aller Häfen einzuhalten,
- klimafreundliche Antriebe zunächst auf EU-Ebene zum Standard machen,
- die Kreuzschifffahrt Auflagen und Bedingungen unterwerfen,
- mehr Güter von der Straße auf das Binnenschiff bringen, in dem wir zügig marode
Wasserstraßen umweltverträglich sanieren und ihren Erhalt und Modernisierung
langfristig sichern,
- schnell eine flächendeckende und verpflichtende Landstromversorgung in Häfen aufbauen,
- die Flottenerneuerung und Modernisierung der Binnenschifffahrt unterstützen, um
schnell zu emissionsfreien Antrieben zu kommen,
- den Seeschiffsverkehr in den EU-Emissionshandel einbeziehen,
- verbindliche Emissionsminderungsziele für die Seeschifffahrt – möglichst global, in
einem ersten Schritt jedoch von und zu Häfen in der Europäischen Union. Diese
Forderung hat Luxemburg bereits in den Rat der Mitgliedsstaaten eingebracht.
Ausbildungs- und Forschungsoffensive. Wir wollen:
- Die Forschung in Vernetzung und Digitalisierung von Verkehr darf nicht länger
vernachlässigt werden. Für neue Antriebe sowohl für Kraftfahrzeuge, für Schiffe und
vor allem für Flugzeuge brauchen wir innovativen Forschungsgeist. Deutschland hat die
Möglichkeit, zum globalen Spitzenreiter in diesem Sektor zu werden. Auch die Forschung
in die Vermeidung von Ultrafeinstaub muss höhere Priorität genießen.
- Die Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, dass die Ausbildung von Verkehrs- und
Stadtplaner*innen der klimafreundlichen Mobilität Rechnung trägt. Vorbilder sind hier
unsere europäischen Nachbarn Niederlande und Dänemark.
6d. Zukunftsfähige Industriepolitik
Auch die Industrie muss einen deutlich stärkeren Beitrag zum Klimaschutz leisten als bisher.
Die CO2-Emissionen sind gerade hier in den vergangenen Jahren nicht gesunken – trotz
europäischem Emissionshandel. Digitalisierung und andere neue Technologien wie der Einsatz
Künstlicher Intelligenz können helfen, ökologische Effizienz zu heben und die für eine
ökologische Wende der Wirtschaft dringend benötigten Innovationen auszulösen. Gleichzeitig
birgt gerade der immense Energiehunger der digitalen Transformation das Risiko, zum
Brandbeschleuniger der Klimakrise zu werden. Deshalb braucht es verbindliche
Energiestandards für Datenzentren, zum Beispiel über einen Top-Runner-Ansatz.
Die wichtigsten industriepolitischen Rahmenbedingungen und innovationspolitischen
Förderinstrumente sind vor diesem Hintergrund:
- Investitionen in CO2-freie Industrieprozesse tätigen: Stärkung des Emissionshandels,
bessere Abschreibungsmöglichkeiten, Fördergelder für Modellprojekte, gezielte
Forschungsförderung,
- erneuerbare Energien zur Eigennutzung günstiger machen: Verlängerung der
entsprechenden Regelungen im Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz,
- Anreize setzen: die bestehenden Regeln zum Schutz der Wettbewerbsfähigkeit der
energieintensiven Industrie zielgenauer ausrichten und Grenzausgleichsmaßnahmen
einführen, damit die Industrie vor möglichen Nachteilen im internationalen Wettbewerb
mit Staaten ohne vergleichbare Klimaschutzpolitik geschützt bleibt. Gleichzeitig soll
damit ein stärkerer Anreiz für die Industrie gegeben werden, in CO2-freie Technologien
zu investieren und CO2-sparsame Werkstoffe einzusetzen,
- Investitionen in CO2-freie Industrieprozesse ermöglichen: insbesondere in den
Bereichen Stahl, Chemie und Zement lohnen sich Investitionen in CO2-freie
Industrieprozesse meist erst bei sehr hohen CO2-Preisen, die das europäische
Emissionshandelssystem derzeit noch nicht abbildet. Damit sich solche Investitionen
für Unternehmen schon heute rechnen, wollen wir den Unternehmen die Differenz zwischen
dem aktuellen CO2-Preis und den tatsächlichen CO2-Vermeidungskosten erstatten, die
ihnen durch die Investitionen in neue Verfahren und Technologien entstehen („Carbon
Contract for Difference“),
- Klimafreundliche Leitmärkte schaffen: Umstellung der gesamten öffentlichen Beschaffung
auf klimafreundliche Produkte, Produktionsverfahren, Fahrzeuge, Immobilien; Einsatz
recycelter Werkstoffe; europaweite klimaschützende Produktstandards einführen,
- Quoten festlegen: Um den Umbau der energieintensiven Unternehmen planungssicherer zu
gestalten und perspektivisch finanzielle Förderung zu reduzieren, unterstützen wir die
Vorschläge auf europäischer Ebene im Zuge des angekündigten Klimapaketes, ansteigende
Quoten für klimaneutralen Stahl, Kunststoffe oder Zement in Autos oder auch Windrädern
und Gebäuden festzulegen,
- die zentralen innovationspolitischen Förderinstrumente gezielt auf die Bekämpfung der
Klimakrise ausrichten: Explizit klimafreundliche Innovationen werden bevorzugt
gefördert. Dies betrifft etwa die Startup-Förderung, die Forschungs- und
Entwicklungsförderung, die wir sozial-ökologisch ausrichten möchten, die Hightech-
Strategie, die KI-Strategie oder die neue Agentur für Sprunginnovationen,
- Systeminnovationen für eine klimaneutrale Wirtschaft identifizieren und fördern, zum
Beispiel durch die Ausdehnung von Förderformaten wie den Kopernikus-Projekten (z.B.
Power-to-Gas) auf weitere Politikfelder wie Landwirtschaft und Verkehr,
- die Vorgaben auf europäischer Ebene zur Kreislaufwirtschaft ausbauen: Durch eine
verstärkte Kreislaufwirtschaft können die CO2-Emissionen der vier wichtigsten
Industriesektoren (Kunststoff, Stahl, Aluminium und Zement) in Europa um die Hälfte
reduziert werden,
- klimaneutrale Kreislaufwirtschaft verankern: u.a. durch ein gesetzliches
Abfallvermeidungsziel für Verpackungsmüll von 110 Kilogramm pro Kopf bis 2030, durch
Ressourcenschonung und Recyclingfähigkeit von Produkten in der Ökodesign-Richtlinie,
durch die Einrichtung eines Forschungsinstituts zur Förderung der Kreislaufwirtschaft,
durch zunehmende Verpflichtung und Förderung zur Wiedereinspeisung von Plastik in die
Kunststoffproduktion.
6e. Landwirtschaft klimafreundlich und klimafest machen
Kein anderer Bereich ist so unmittelbar auf den Erhalt unserer Lebensgrundlagen angewiesen
wie die Land- und Forstwirtschaft. Dieser Sommer hat erneut deutlich gemacht: Die
Landwirtschaft ist schon heute sowohl Leidtragende als auch Mitverursacherin der Klimakrise
– und für uns auch ein Teil der Lösung. Unser Ziel ist ein klimaneutrales
Landwirtschaftssystem, in dem nicht nur klimaschädliche Gase reduziert werden, sondern es zu
einer langfristigen Kohlenstoffbindung in Boden und Bäumen kommt.
Die Landwirtschaft produziert heute größtenteils nach Bedingungen, die in eine Sackgasse für
Bäuerinnen und Bauern, für Umwelt und Klima führen. Das Motto ist „Wachse oder weiche!“,
produziere also intensiver und billiger. Wir müssen dieses System grundsätzlich ändern, so
dass ein umwelt-, tier- und klimafreundliches Wirtschaften sich eher lohnt als
industrialisierte Landwirtschaft. Die Agrarpolitik der Bundesregierung wie auch die EU-
Agrarpolitik tun aber genau das nicht und leisten so ihren Beitrag, die Klimakrise
anzuheizen. Immer mehr Landwirt*innen erkennen, dass dieser Weg in die Sackgasse führt.
Gemeinsam mit den Bäuer*innen wollen wir zu einer standortangepassten Tierhaltung kommen.
Auch beim Ackerbau ist spätestens seit der Dürre 2018 klar, dass wir eine Strategieänderung
brauchen. Wir wollen, dass Böden so bewirtschaftet werden, dass sie CO2 speichern und
Wetterextreme abpuffern. Und wir wollen darauf hinwirken, dass widerstandsfähigere Kulturen
und Sorten angebaut werden, um den Extremsommern – die in der Zukunft Normalität sein
könnten – besser trotzen zu können.
Unsere Ernährung trägt zu einem Fünftel zu unserer schlechten Klimabilanz bei. Vor allem der
übermäßige Fleischkonsum ist hierfür verantwortlich. Global betrachtet verursacht die
Erzeugung tierischer Lebensmittel mehr Klimagase als der gesamte Verkehrsbereich. Heute
wandert ein Drittel der weltweiten Getreideernte in die Futtertröge. Klar ist: Die
Produktion und der Konsum von Fleisch müssen sinken, Dumpingpreise der Vergangenheit
angehören.
Maßnahmen für eine klimagerechte Landwirtschafts- und Ernährungspolitik:
- Radikaler Umbau der EU-Agrarförderung (GAP) und Qualifizierung der Gelder der
Europäischen Agrarpolitik: Öffentliche Gelder sollen qualifiziert und spätestens ab
2027 nur in öffentliche Leistung investiert werden. Gefördert werden soll dann nur
noch eine klima- und tiergerechte, arten- und umweltschützende Landwirtschaft.
Deutschland hat über den Europäischen Rat Einfluss und Möglichkeit, diesen
Systemwechsel in der EU-Agrarpolitik einzufordern. Wir müssen alle bestehenden und
sich durch die GAP-Reform ergebenden Möglichkeiten nutzen, um eine klimagerechtere
Landwirtschaft voranzubringen.
- Ausweitung des Ökolandbaus bis 2025 auf mindestens 25 Prozent der Fläche: Dafür wollen
wir in den nächsten sieben Jahren eine Milliarde Euro Bundesmittel in den Ökolandbau
investieren.
- Umbau der industriellen Tierhaltung in tiergerechte Haltung: Die Landwirtschaft soll
ihre Tierhaltung art- und klimagerecht umbauen. Die Bestände sollen dabei reduziert
werden, der Tierbestand soll flächengebunden sein und maximal bei zwei
Großvieheinheiten pro Hektar liegen, perspektivisch noch darunter. Im Gegenzug soll es
eine Förderung für den Stallumbau geben. Damit reduzieren wir Methan- und Lachgas-
Emissionen und schützen Regenwälder vor Abholzung für europäischen Fleischkonsum und -
export. Diese Maßnahmen werden dazu führen, dass Fleisch teurer wird.
- Auflegen eines Brachflächenprogramms als Kurzfristmaßnahme: Landwirtinnen und
Landwirte, die ihren tierhaltenden Betrieb aufgeben wollen, sollen diesen an einen
staatlichen Fonds verkaufen können, der die Flächen in eine extensive Nutzung oder
Brache überführt.
- Verbot von Importen von Futtermitteln und Palmöl von gerodeten Flächen bzw. von
Flächen, für die natürliche Ökosysteme zerstört wurden durch gesetzliche Regelungen im
Rahmen des Waldaktionsplans auf EU-Ebene.
- Anpassung des deutschen Düngerechts an die Anforderungen der EU-Kommission für Klima-,
Natur- und Wasserschutz: Wir wollen vor allem für ohnehin belastete Gebiete neben
einem verbesserten Düngemanagement die Menge an Düngemitteln, die ausgebracht werden
darf, deutlich begrenzen. Wenn das Ordnungsrecht nicht zeitnah Erfolge erzielt, soll
ab 2022 eine Stickstoffabgabe erhoben werden.
- Fördern von Permakultur: Sie bietet höchste Produktivität auf minimalem Raum und ist
gut für Böden und Humus.
- Reduzierung der Fleischproduktion: Wir wollen über die Konsequenzen des Fleischkonsums
aufklären und setzen uns für mehr Selbstverständlichkeit von vegetarischer und veganer
Ernährung ein. Darum fördern wir ein größeres Angebot an vegetarischen und veganen
Speisen in Schulen, Mensen und Kantinen.
- Entwickeln von Alternativen zu Fleisch: Fleischersatz aus pflanzlichen Zutaten sowie
künstlich hergestelltes Fleisch werden zukünftig eine größere Rolle spielen. Die
Erforschung solcher Alternativen halten wir für richtig und wichtig, denn sie eröffnen
eine Perspektive, tierisches Eiweiß ohne Tierleid, Nitrat und mit deutlich geringerer
Klimabelastung herzustellen. Auch wenn sie noch nicht marktfähig sind, unterstützen
wir sie. Dies ist zudem ein Weg, um die Tierbestände zu reduzieren und die
Landwirtschaft zu extensiveren. Er sollte weiter gegangen werden.
- Förderung regionaler Produktion: Bei der Art und Weise, wie wir uns ernähren, setzen
wir auf regionale Versorgungsstrukturen und Wertschöpfungsketten in der Stadt, auf dem
Land und in der Gemeinschaftsverpflegung. Zugleich entwickeln wir nachhaltige
Ernährungsstrategien, worüber auch der Ausbau des Ökolandbaus unterstützt wird.
- Eindämmen von Lebensmittelverschwendung: Bis 2030 muss die Lebensmittelverschwendung
halbiert werden – das ist eins der internationalen Nachhaltigkeitsziele. Um das zu
erreichen, brauchen wir verbindliche Reduktionsziele für alle Stufen der
Wertschöpfungskette und einen gesetzlichen Wegwerfstopp für Supermärkte und
Lebensmittelproduzent*innen. Für lang haltbare Lebensmittel wie Nudeln oder
Hülsenfrüchte wollen wir das Mindesthaltbarkeitsdatum aufheben. Handels- oder EU-
Normen, die dazu führen, dass zu kleines oder unförmiges Obst und Gemüse gar nicht
erst die Supermarktregale erreicht, wollen wir abschaffen, Lebensmittelspenden
erleichtern und Containern straffrei machen.
Wälder schützen...
Wir brauchen Wälder, die der Klimakrise besser trotzen und dabei aktiven Klimaschutz
betreiben. Sie sind unverzichtbar für den Klimaschutz. Der Aufbau eines naturnahen, gesunden
Waldes kann viele Millionen Tonnen CO2 binden, bei nachhaltiger Nutzung des Holzes auch
dauerhaft. Aktuell ist der Wald von der Klimakrise bedroht, das liegt auch an den Fehlern
der Vergangenheit. Statt auf schnell wachsende Nadelholzplantagen zu setzen, brauchen wir
jetzt naturnahe Laubmischwälder mit standortheimischen Baumarten. Durch den Dürresommer 2018
und die Hitzeperioden dieses Jahres droht jetzt ein neues Waldsterben. Die Waldpolitik muss
daher auf allen Ebenen umsteuern:
- Umwandlung von Holzplantagen in naturnahe Wälder und ökologische Bewirtschaftung
gesetzlich festlegen und fördern; alte Wälder dauerhaft schützen und mit einem
Moratorium den Einschlag alter Bäume stoppen,
- Waldzukunftsfonds von einer Milliarde Euro für die nächsten Jahre als erste
Finanzspritze für den kranken Wald einführen; Förderung immer nach dem Prinzip
„öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen“ ausgeben,
- Wiederbewaldung mit standortheimischen Baumarten auf zerstörten Waldflächen, in Auen
und Niederungen fördern,
- fünf Prozent, perspektivisch zehn Prozent Urwaldflächen bundesweit festschreiben, in
öffentlichen Wäldern bereits heute zehn Prozent Urwaldfläche verbindlich machen,
- Holzverbrauch senken: Die wertvolle Ressource Holz muss effizient und nachhaltig
genutzt werden. Dafür wollen wir die Kaskadennutzung fördern, in der Holznutzung für
langlebige Produkte wie für den Bau und für Möbel an erster Stelle steht. Erst ganz am
Ende einer Nutzungskette sollten kurzlebige Holz- und Papierprodukte entstehen oder
Holz als Energieträger verbrannt werden. Die Nutzung von landbasierter Biomasse für
energetische Zwecke darf nicht weiter ausgebaut werden. Die direkte Verbrennung von
Frisch-Holz muss zurückgehen,
- Kohlenstoffsenke des Waldes durch Ausweisung von Naturwäldern verbunden mit einer
Reduktion des jährlichen Holzeinschlags und der Förderung von Waldflächen mit
natürlicher Waldentwicklung erhalten, um Anpassungsprozesse an die Klimakrise zu
ermöglichen,
- die Nutzung von landbasierter Biomasse für energetische Zwecke nicht weiter ausbauen,
die direkte Verbrennung von Frisch-Holz verringern, stattdessen durch Kaskadennutzung
aus weniger Holz mehr machen.
...und Moore auch.
Entwässerte Moore setzen Klimagase frei. Besonders landwirtschaftlich genutzte Moorböden,
die zwar nur sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands ausmachen,
emittieren 37 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft. Moorschutz
würde daher auf die Fläche gerechnet überproportional hohe Einsparungen in den
Treibhausgasen bedeuten. Daher ist Moorschutz wichtig und notwendig.
- Moore renaturieren: Die schnelle Wiedervernässung von Mooren ist von
überproportionalem Nutzen zur Einsparung von Treibhausgasen. Deshalb starten wir ein
gemeinsames großflächig wirksames Moorrenaturierungsprogramm von Bund und Ländern und
stoppen den Umbruch, die Entwässerung und die Zahlung von Agrarsubventionen für die
Bewirtschaftung entwässerter Moorböden ab 2021.
- 50 Prozent des entwässerten Waldes sollen bis 2030 wiedervernässt werden.
- Für alle bundeseigenen Moorflächen muss die Entwässerung bis 2030 gestoppt werden.
- Paludikultur, also die landwirtschaftliche Nutzung nasser Hoch- und Niedermoore,
wollen wir als Landwirtschaft anerkennen und in die Agrarförderung aufnehmen. Dazu
starten wir ein Investitionsprogramm und eine Klimaschutz-Flächenprämie.
- Aus der Gewinnung von Torf wollen wir aussteigen und Torf durch erneuerbare
Alternativen ersetzen.
6f. Green Finance
Der Finanzsektor ist entscheidend für mehr Klimaschutz. Mit einer breit angelegten Strategie
sorgen wir dafür, dass Anlagekapital in Zukunft Klimaschutz statt Klimazerstörung
finanziert:
- Alle Akteure – Banken, Versicherungsunternehmen und Rating-Agenturen – müssen Risiken,
die sich aus nicht nachhaltigen Investitionen ergeben, konsequent berücksichtigen. So
können Unternehmen, die Menschenrechte verletzen oder den Klimazielen von Paris
zuwider arbeiten, von den Anleger*innen auf den Finanzmärkten abgestraft werden. Das
heißt für sie höhere Zinsen und schlechterer Zugang zu Kapital.
Nachhaltigkeitskennziffern müssen in der Berichterstattung regelmäßig offengelegt
werden.
- Klimarisiken, die in Konzern- und Bankbilanzen schlummern, sollten bei der Bewertung
durch Rating-Agenturen und die Finanzmarktaufsicht berücksichtigt werden, zum Beispiel
durch Klima-Stresstests für Banken und Versicherungen oder durch Aufschläge bei
Eigenkapitalanforderungen zu Finanzierungen, die hohe Klima- und Umweltrisiken bergen.
- Damit Kleinanleger*innen von der grünen Finanzwende profitieren und ihr Geld mit gutem
Gewissen anlegen können, brauchen wir ein EU-Label für nachhaltige Finanzprodukte mit
starken ökologischen und sozialen Standards. Anhand eines einfachen
Klassifizierungssystems und klarer Standards für Grüne Anleihen können Anleger*innen
sich einfach über den Grad der Nachhaltigkeit ihrer Geldanlage informieren. Auch
werden sie bei jedem Beratungsgespräch verpflichtend gefragt, wie
Nachhaltigkeitskriterien in ihren Anlagen berücksichtigt werden sollen.
- Die Europäische Zentralbank muss ebenfalls ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Als
Sicherheiten sollte sie nur noch Vermögenswerte akzeptieren, die mit unseren
Klimaschutzzielen konform sind.
- Auch für die öffentliche Hand brauchen wir endlich neue Anlagerichtlinien, denn die
Pensionen für die Beamten oder auch für die Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit
müssen nach Klimaschutz- und Nachhaltigkeitskriterien angelegt werden. Der Bund kann
dem Markt für nachhaltige Geldanlagen wichtige Impulse geben. Dafür muss er seine
Investitionen in Kohle-, Öl- und Gas-Konzerne, die Geschäfte auf Kosten des Klimas
machen, beenden (Divestment).
7. Klimaschutz in Bildung und Wissenschaft
Wissenschaftliche Erkenntnisse sind für uns Grundlage politischer Entscheidungen. Sie zeigen
Lösungsansätze und Entscheidungsalternativen für große gesellschaftliche Probleme, wie zum
Beispiel den menschengemachten Klimawandel, auf. Aktuelle Studien, wie zum Beispiel zum
Schmelzen der Permafrostböden, zeigen, dass die Klimakrise bereits weiter fortgeschritten
ist als bisher angenommen. Der notwendige Weg, die globale Erhitzung zu begrenzen, erfordert
gesellschaftliche Auseinandersetzung, deren wissenschaftliche Begleitung sowie eine „Bildung
für nachhaltige Entwicklung" (BNE).
Die Pariser Klimaziele sowie wissenschaftliche Erkenntnisse umzusetzen, bedeutet auch
negative Emissionen – also das Rückholen von Kohlendioxid aus der Atmosphäre – bis Ende des
Jahrhunderts in erheblichem Umfang zu erreichen. Das kann zumindest teilweise gelingen,
indem CO2 in Wäldern oder Böden dauerhaft gebunden wird. Wir wollen deshalb Forschung und
Erprobung von Technologien für negative Emissionen unterstützen.
Gleichzeitig entbindet die Dringlichkeit der ökologischen Krisen uns nicht davon, genau
hinzuschauen und mögliche Risiken und Konsequenzen im Blick zu haben, wie schon bei der
Atomenergie, deren Gefahren und lange Strahlung jedes verantwortbare Maß menschlicher
Verantwortung überschreiten, oder bei der Freisetzung von gentechnisch veränderten
Organismen. Das gilt auch für technische Maßnahmen des „Geoengineerings“, mit denen in die
biogeochemischen Prozesse der Erde eingegriffen werden soll, etwa indem Meere gedüngt oder
Schwefelaerosole in der Stratosphäre ausgebracht werden, um die Wolken aufzuhellen und die
Sonneneinstrahlung zu reflektieren. Dem übergeordneten Ziel einer nachhaltigen Politik
entspricht das nicht. Wir werden alle Optionen am Vorsorgeprinzip und dem Prinzip der
Umkehrbarkeit messen: Was kurzfristig hilfreich erscheint, ist untauglich, wenn es in der
Folge neue Probleme schafft. Was Folgen mit sich bringt, die nicht wieder rückgängig gemacht
werden können, ist nicht der richtige Weg, denn er nimmt zukünftigen Generationen die
Freiheit. Daraus leiten wir die folgenden Forderungen ab:
- Klimagerechtigkeit muss in allen Bildungsinstitutionen (Kitas, Schulen,
Volkshochschulen, Hochschulen etc.) und non-formalen Bildungsorten auf allen Ebenen
besser verankert werden. Ausgehend von der zeitlich bedingten Notwendigkeit, muss
Bildung für nachhaltige Entwicklung im gesamten Bildungs- und Wissenschaftssystem
maßgeblich das Grundverständnis, die Strukturen, Inhalte und Ziele bestimmen.
- Für ein noch besseres Verständnis der ökologischen Herausforderungen braucht es unter
anderem Klima-, Energie- und Akzeptanzforschung, Forschung zur Zukunft der Arbeit und
(Agrar-)Wirtschaft, Überwindung der „Wissens-Verhaltens-Lücke" und Innovationen in der
Klimafolgenanpassung.
- Wir brauchen insgesamt mehr Vielfalt in allen Wissenschaftsbereichen. Dabei ist es für
uns zentral, dass die Wissenschaft frei und unabhängig von Verwertungsinteressen
bleibt. So müssen zum Beispiel einige Bundeszuwendungen verstetigt werden.
Anderenfalls werden unvorhersehbare, kreative Ideen und interessanter Dialog verloren
gehen.
- Wir wollen bestehende Grenzen zwischen den Wissenschaftsfeldern aufbrechen und trans-
und interdisziplinäre Zusammenarbeit unterstützen, auch in Zusammenarbeit mit der
Zivilgesellschaft. Deshalb setzen wir uns auch dafür ein, Forschung mit Anwohner*innen
sowie lokalen Initiativen in Reallaboren zu ermöglichen.
- Öffentlich finanzierte Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben schon immer einen
Vorbildcharakter gehabt, was nachhaltige Entwicklung betrifft. Sie müssen durch
klimagerechte Maßnahmen insbesondere bei Mobilität, eigenem Energiekonsum, Gebäude und
Beschaffung bis spätestens 2030 klimaneutral sein.
8. Soziale Maßnahmen für gerechten Klimaschutz
Unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden Menschen mit geringen Einkommen mehr als
Menschen mit hohen. Daher ist Klimapolitik immer auch Sozialpolitik. Zugleich ist klar, dass
Preiserhöhungen sozial ausgewogen sein müssen. Wir wollen den Klimaschutz als Gesellschaft
gemeinsam und fair miteinander gestalten. Die notwendige Transformation der Wirtschaft kann
nur gelingen, wenn sie ökologisch und gleichzeitig sozial ist. Die ökologische Frage ist
auch immer eine soziale Frage.
Wir stellen sicher, dass die Menschen von ökologisch-sozialer Modernisierung profitieren:
- Aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanzieren wir ein Energiegeld von zunächst 100
Euro, das jede Bürgerin und jeder Bürger erhält. Da Menschen mit niedrigem Einkommen
in der Regel weniger CO2 produzieren, profitieren sie überdurchschnittlich davon.
- Kaufpreisprämien müssen in niedrigeren Preissegmenten höher sein als in teureren
Preissegmenten.
- Wir wollen Energiearmut in Deutschland bekämpfen und Stromsperren verhindern, von
denen besonders häufig Menschen mit geringem Einkommen oder in schwierigen Lebenslagen
betroffen sind.
- Bei der Gebäudesanierung wollen wir ein Klimawohngeld einführen und so für Mieterinnen
und Mieter mit kleinem Einkommen warmmietneutrale Modernisierungen ermöglichen.
- Gute Bezahlung und gerechte Entlohnung bilden mit die Basis für ökologische
Kaufentscheidungen. Wir wollen das Tarifvertragssystem stärken, den Mindestlohn
erhöhen, Wege aus den Minijobs und dem Niedriglohnsektor ebnen und eine bessere
Bezahlung der sozialen Berufe durchsetzen.
- Der Klimaschutz wird in zahlreichen Branchen zu einem Strukturwandel führen. Dabei
wollen wir die Beschäftigten unterstützen. Weiterbildung und Qualifizierung sind dabei
entscheidend. Wir wollen ein Recht auf Weiterbildung einführen, die Beratung vor Ort
verbessern und vernetzen, eine sozial gerechte Weiterbildungsförderung schaffen, die
Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung weiterentwickeln und besonders
betroffene Branchen zielgenau unterstützen.
- Um Beschäftigte zu unterstützen, die aufgrund eines klimaschutzbedingten
technologischen Wandels absehbar neue Qualifikationen benötigen, schlagen wir ein
Klimaqualifizierungsgeld vor. Dies kommt insbesondere solchen Unternehmen zugute, die
auf Grund ihrer Größe und ihres Umsatzes nicht ohne weiteres einen eigenen
Qualifizierungsfonds einrichten können. Voraussetzung für den Bezug des
Klimaqualifizierungsgeldes ist ein gemeinsam zwischen den Betriebspartnern erstellter
Business- und Qualifizierungsplan, der klar regelt, welche Maßnahmen für den
Klimaschutz getroffen und welche Qualifikationen durch die Beschäftigten erworben
werden müssen.
- Für Regionen, die besonders von der Transformation betroffen sind, braucht es gezielte
Hilfe. Daher unterstützen wir den „Just Transition Fund“ auf EU-Ebene und wollen die
beihilferechtlichen Vorgaben in Sinne gerechter Transformation weiter entwickeln.
- Um soziale Härten im Zuge des Kohleausstieges zu vermeiden, müssen im
Kohleausstiegsgesetz bzw. im Strukturstärkungsgesetz arbeitsmarkt- und
qualifizierungspolitische Maßnahmen sowohl für die direkt als auch für die in der
Zuliefererindustrie indirekt vom Braunkohleausstieg betroffenen Beschäftigten
enthalten und mit entsprechenden Finanzmitteln hinterlegt sein. Zugleich müssen die
Vorbereitungen zur nachhaltigen sozialen Absicherung älterer Beschäftigter,
insbesondere in Form des Anpassungsgeldes, gerade auch im Haushalt unverzüglich
eingeleitet werden.
- Wir müssen sicherstellen, dass Menschen nicht zum Arbeiten verpflichtet werden, wenn
sie durch extreme Hitze ihre Gesundheit und ihr Leben gefährden. Deswegen wollen wir
für hitzebedingte Arbeitsausfälle ein Hitzegeld einführen, welches den Beschäftigten
60 Prozent ihres Nettogehaltes garantiert.
- Alle Menschen sollen Zugang zu bezahlbarer Mobilität haben. Über Sozialtickets und
unseren Mobilpass sorgen wir dafür, dass Bahnfahren und ÖPNV gerade für Menschen mit
niedrigen Einkommen bezahlbar sind.
- Wir wollen die Stromkostenpauschale aus dem Hartz-IV-Regelsatz herauslösen und
jährlich dynamisieren, sodass Kostensteigerungen beim Strompreis nicht zu einer
Unterdeckung des Regelsatzes führen. Weitere Kostensteigerungen, die sich aus dem
Klimaschutz ergeben, müssen in die Anpassung der Sätze miteinbezogen werden. Menschen,
die keine weitere Belastung schultern können, dürfen auch nicht stärker belastet
werden.
9. Anpassung an das Unvermeidbare
Anpassung ist keine Alternative zur Minderung von Treibhausgasen. Jedes Zehntel Grad
Erderwärmung macht einen Unterschied, wie heftig die Auswirkungen der Klimakrise in den
nächsten Jahrzehnten sein werden. Daher kommt es auch auf jede eingesparte Tonne CO2 an.
Doch auch bei einer Begrenzung der globalen Erhitzung auf deutlich unter 2 Grad, selbst bei
1,5 Grad werden die Auswirkungen der Klimakrise deutlich spürbar sein. Eine Anpassung daran
ist unvermeidlich. Die Zunahme der Extremwetterereignisse wie Dürren oder die
Extremniederschläge der vergangenen Jahre haben gezeigt, worauf wir uns einstellen müssen.
Zur Abmilderung der Auswirkungen der Klimakrise und zur Bewältigung des Unvermeidbaren
braucht Deutschland einen Aktionsplan, der Klimaschutz und Klimaanpassung miteinander
verbindet. Damit werden Menschen, Städte, Umwelt und Natur widerstandsfähiger gegen die
Folgen der Klimakrise gemacht und können einen größeren Beitrag zur Minimierung der
Klimakrise leisten. Im Zentrum dabei steht für uns ein nationaler Klimafolgenanpassungsfonds
in Höhe von zwei Milliarden Euro, mit denen wir die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise
begrenzen wollen. Folgende Schritte sind aus unserer Sicht schon jetzt unerlässlich:
- Beim Städte- und Wohnungsbau müssen wir für Hitzeschutz sorgen. Schon heute liegen die
Temperaturen in Großstädten wie Köln, Stuttgart oder Berlin im Sommer teilweise zehn
Grad über denen des Umlandes. Menschen können nächtelang nicht schlafen und arbeiten
in klimatisierten Räumen. Wir brauchen einen Städte- und Wohnungsbau, der die
Entwicklungen der Klimakrise berücksichtigt. Statt Betonwüsten braucht es mehr Bäume,
Wasser- und Grünflächen sowie Frischluftschneisen in unseren Städten, denn sie wirken
wie Klimaanlagen. Mit finanziellen Mitteln müssen Projekte für mehr Stadt- und
Fassadenbegrünung, Schattenflächen, Häuserdämmung sowie Kühlung durch Kältespeicher
und erneuerbar betriebene Wärmepumpen in den Wohnungen, aber auch hellere Fassaden und
hellerer Straßenbelag gefördert werden. Das ist gut für die Gesundheit der Menschen,
die Luft und das Klima.
- Wir wollen Betroffene entschädigen. Derzeit sind nur 40 Prozent der Häuser in
Deutschland gegen Elementarschäden versichert und gerade in den von Hochwasser
gefährdeten Gebieten werden Versicherungen gar nicht mehr angeboten oder sind kaum
finanzierbar. Neben angemessenen Versicherungslösungen für die Betroffenen ist ein
zusätzlicher Fonds für unbürokratische und zügige Entschädigungszahlungen aufzulegen
für Menschen, deren Existenz bedroht ist. Zudem sollen regionale Landkarten erstellt
werden, auf denen absehbare Gefährdungslagen kartiert sind. Ausweisungen von
Neubaugebieten in Überschwemmungsgebieten wollen wir einschränken.
- Wir wollen den Gesundheitsschutz erhöhen. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts ist
die Zahl von Todesfällen aufgrund von Herzkrankheiten während der Hitzewellen deutlich
angestiegen. Besonders betroffen sind Säuglinge, Kleinkinder und ältere Menschen. Das
Bundesgesundheitsministerium rechnet bis zum Ende des Jahrhunderts mit einer um den
Faktor drei bis fünf erhöhten Todesrate durch Hitzewellen. Hinzu kommen Folgeprobleme
wie eine massive Zunahme von Allergien, da sich etwa die Pollenflugsaison in den
vergangenen 30 Jahren bereits um zehn bis zwölf Tage verlängert hat. Für Warnsysteme,
bessere Behandlungsmöglichkeiten von klimabedingten Krankheiten sowie Hitze-
Aktionspläne muss Geld bereitgestellt werden. Die Aktionspläne sollten eine
koordinierte Kommunikation von Tipps und Verhaltensweisen für die Bevölkerung bei
Extremwetterereignissen beinhalten. Über eine bundesweite Beratungstelefonnummer
sollen Informationen zur Vermeidung hitzebedingter Gesundheitsschäden abgerufen werden
können.
- Wir wollen einen bundesweiten Hitzeaktionsplan verabschieden. Damit schützen wir die
Bevölkerung vor hitzebedingten Gesundheitsschäden.
- Wir wollen die Landwirtschaft anpassen und die Forschung für robuste Pflanzen
intensivieren, damit Landwirt*innen die Herausforderungen der Klimakrise meistern
können. Entschädigungen sowie Förderprogramme für technische Lösungen bekämpfen nur
die Symptome, sparen aber die erforderlichen Änderungen im System sowohl auf dem Acker
als auch in der Tierhaltung aus. Vielfältige Fruchtfolgen, angepasste Sorten und
humusreiche Böden können Trockenstress und Klimawandel besser trotzen als
Monokulturen. Alternative Forschung und Anbaumethoden müssen deutlich stärker
gefördert werden.
- Wir wollen gesunde Böden fördern: Viele Regionen werden in den nächsten Jahren mit
Trockenheit zu kämpfen haben. Umso wichtiger, dass der Boden gesund und geschützt ist
– mit genügend Humus, um ausreichend Wasser zu speichern. Wir werden den Humuserhalt
und -aufbau von Böden durch Umwandlung ungeeigneter Äcker in Grünland sowie die
Ausweitung agrarökologischer Methoden wie Agroforstsysteme, Mischkulturen, weite
Fruchtfolgen und eine ganzjährige Bodenbedeckung fördern.
- Wir wollen Flächen entsiegeln. Versiegelte Flächen heizen die Umgebung nicht nur
unnötig auf, sondern können auch kein Regenwasser aufnehmen. Letzteres führt zu
Überschwemmungen. Deshalb braucht es ein Programm zur Wiederherstellung geschädigter
und versiegelter Böden in ihre natürliche Funktion als CO2- und Wasserspeicher.
- Bäume stellen Kohlenstoffsenken dar. Deshalb sind Agroforstsysteme unabdingbar für
eine klimagerechte Landwirtschaft. Auch wollen wir den Baumstand pro Festmeter im Wald
festschreiben und ihn durch Begrünung städtischer Umgebungen steigern. Bei der
Aufforstung wollen wir zum Vorreiter werden. Dazu setzen wir im Rahmen eines
Waldaufforstungsprogramm auf gesunde Mischwälder und klimarobuste Arten.
- Wir wollen Wälder vor Bränden schützen. Für den Fall großer Waldbrände braucht es
bundesländerübergreifende Katastrophenpläne, ausreichende Spezialisten und eine gute
Ausrüstung zum Beispiel mit Löschflugzeugen. Doch genauso wichtig wie eine
Waldbrandstrategie ist Waldbrand-Prävention: Dazu gehören Vorsorgemaßnahmen wie
Schutzstreifen und Waldbrandriegel sowie den nachhaltigen Umbau der Wälder
insbesondere nach Sturmschäden von Monokultur-Nadelwäldern hin zu artenreichen
Mischwäldern. Diese sind weniger brandgefährdet und zudem ein Gewinn für die
Artenvielfalt.
- Wir wollen vor Hochwasser schützen. Hochwasserschutz ist mehr als Deiche bauen. Mit
Blick auf die mittlerweile alle paar Jahre hereinbrechenden Jahrhunderthochwasser ist
eine prioritäre Finanzierung des ökologischen Hochwasserschutzes überfällig. Dazu
gehört, den Flüssen wieder mehr Raum zu geben sowie eine Reaktivierung von Auen
entlang von Flüssen. Auch braucht es Hochwasserkonzepte für Städte, die aufgrund ihrer
massiven Versiegelung nicht für extreme Niederschläge gerüstet sind.
10. Klimaschutz kennt keine Grenzen
Auch wenn sich dieser Maßnahmenplan vor allem auf die national notwendigen Anstrengungen
konzentriert, so ist doch völlig klar: Klimaschutz kennt keine Grenzen und muss europäisch
und global gedacht werden.
Von der Klimakrise betroffen sind weltweit zuerst jene, die die Klimakrise nicht verursacht
haben und sich am wenigsten vor den Auswirkungen schützen können: Menschen, besonders
Frauen, in den Ländern des Globalen Südens. Wir unterstützen die ärmsten Staaten beim
Klimaschutz und bei der Anpassung an Klimaveränderungen. Insbesondere mit Schwellen- und
Entwicklungsländern bauen wir Klimapartnerschaften auf und verstärken die klimapolitische
Zusammenarbeit. Wir setzen uns dafür ein, dass die Menschen in Entwicklungs- und
Schwellenländern, die besonders von der Klimakrise betroffen sind, solidarische und
koordinierte Hilfe der Staatengemeinschaft erhalten. Dafür fördern wir systematisch
Klimarisikoanalysen und ein Klimarisikomanagement. Ansätze auf internationaler Ebene müssen
die Umsetzung der Menschenrechte, etwa der Rechte auf Nahrung, Wasser oder Gesundheit,
befördern und die Bevölkerung vor Ort miteinbeziehen. Lokal Betroffenen muss die notwendige
Umsiedlung in Würde garantiert werden, Menschen, die ihre Heimat aufgrund der Klimakrise
verlassen, brauchen internationalen Schutz.
- Wir werden uns in den internationalen Klimaverhandlungen dafür einsetzen, das Pariser
Klimaabkommen zu einem internationalen Regime weiterzuentwickeln, das von den Staaten
möglichst verbindliche Ziele einfordert, Vergleichbarkeit und Transparenz der
Zieleinhaltung sicherstellt und die Nichteinhaltung sanktioniert.
- Wir werden uns dafür einsetzen, dass die im Rahmen des Pariser Klimaabkommens
anstehenden regelmäßigen fünfjährlichen Überprüfungen („global stocktakes“) der
nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) tatsächlich dazu führen, dass die Klimaziele
aller Staaten angemessen erhöht werden. Dafür muss sich der Überprüfungsprozess am
aktuellen Stand der Wissenschaft zur Begrenzung der Erderhitzung auf deutlich unter 2
Grad, möglichst 1,5 Grad und an Kriterien der globalen Klimagerechtigkeit orientieren.
Gleichzeitig werden wir die Unterstützung von Ländern für die Umsetzung und
Verbesserung von NDCs in Foren wie der NDC-Partnerschaft deutlich ausbauen.
- Die Industrieländer haben zugesagt, die Entwicklungsländer ab 2020 mit jährlich 100
Milliarden US-Dollar bei Klimaschutz und Anpassung an die Folgen der Klimakrise zu
unterstützen; der gerechte Anteil Deutschlands daran wären etwa 10 Milliarden Dollar.
Doch wir wissen bereits heute, dass diese Summen nicht reichen werden. Wir werden uns
daher dafür einsetzen, dass Deutschland in einem ersten Schritt jährlich 10 Milliarden
Euro aus öffentlichen Mitteln für internationale Klimafinanzierung bereitstellt, mit
denen dann auch weitere private Mittel mobilisiert werden können. Zusätzlich soll
Deutschland auch seine Zahlungen erhöhen, um die anderen nachhaltigen
Entwicklungsziele zu erreichen.
- Die ambitionierte Koalition der Finanzminister*innen für Klimaschutz soll bis Mitte
2020 ein ambitioniertes Programm für die Ausrichtung der globalen Finanzströme an den
Zielen des Pariser Klimaabkommens vorlegen. Das heißt zu Beispiel, dass
klimaschädliche Subventionen abgebaut und alle klimabedingten Geschäftsrisiken
konsequent offengelegt werden.
- Wir werden in Kooperation mit Ländern des globalen Südens im Rahmen der Agenda 2030 die sozial-ökologische Transformation vorantreiben, um die Klimakrise entgegenzuwirken. Die Klimakrise hat jetzt schon die Landschaften vieler Länder verändert, wir werden unsere Partnerländer darin unterstützen, Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen und ihre Resilienz zu stärken.
- Deutschland sollte die strategische Klima-Allianz mit den 48 von der Klimakrise
besonders betroffenen Entwicklungsländern, die sich zu 100 Prozent erneuerbaren
Energien und Netto-Nullemissionen verpflichtet haben, ausbauen, damit sie diese Ziele
sobald wie möglich erreichen.
- Internationale Allianzen der Regionen, wie zum Beispiel die „Under2Coalition“, werden
wir stärken und ausbauen, um auch in jenen Staaten den Klimaschutz voranzubringen, die
derzeit Schlusslicht in der internationalen Klimapolitik sind. Dadurch stärken wir
auch die Zusammenarbeit mit subnationalen Akteuren in allen Ländern und halten die Tür
für Länder wie die USA offen, wenn sie sich zur Rückkehr zum Pariser Abkommen
entscheiden.
- Wir setzen uns für ressortübergreifende strategische Partnerschaften mit den großen
Schwellenländern für klimafreundliche Investitionsoffensiven in Mobilität, Energie,
Digitalisierung, nachhaltige Stadtentwicklung und Schlüsselindustrien wie Stahl oder
Zement ein.
- Wir werden die Kriterien für die internationale Zusammenarbeit zugunsten
klimaneutraler Investitionen ändern und dafür sorgen, dass jede Art fossiler
Technologie nicht mehr über Exportkredite oder Bürgschaften abgesichert werden kann,
wenn sie nicht im Einklang mit den Zielen von Paris steht.
- Für das Jahr 2050 werden 100 bis 150 Millionen Menschen auf der Flucht prognostiziert
– allein aufgrund der Klimakrise, wenn sie ungebremst fortschreitet. Wir müssen unsere
humanitäre Hilfe massiv erhöhen, uns auf Katastrophen bedingt durch die Klimakrise
einrichten und uns intensiver mit dem Recht auf Klimaflucht auseinandersetzen. Wir
unterstützen Entwicklungsländer im Rahmen der Agenda 2030 dabei, der Klimakrise
entgegenzuwirken, damit die Menschen ihre Lebensgrundlagen nicht verlieren. Und wir
helfen ihnen dabei, nötige Umsiedlungen durch Klimakatastrophen bewältigen zu können.
[1] Laurent Fabius, Chefverhandler der Klimakonferenz in Paris und damaliger französischer
Außenminister
[2] Im weiteren Text verkürzt als CO2.
[3]https://www.scientists4future.org/stellungnahme/fakten/
[4]https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2016_2020/2019_09_Brie-
f_Klimakabinett.pdf?__blob=publicationFile&v=5
[5] Annahme: Bei einem Temperaturanstieg von maximal 1,75° C und einer Wahrscheinlichkeit
der Zielerreichung von 67 Prozent; mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent sogar 1,5° C
Erderhitzung.
weitere Antragsteller*innen
Fehler:Du musst dich einloggen, um Änderungsanträge stellen zu können.
Nach Zeile 1206 einfügen:
- Wir werden in Kooperation mit Ländern des globalen Südens im Rahmen der Agenda 2030 die sozial-ökologische Transformation vorantreiben, um die Klimakrise entgegenzuwirken. Die Klimakrise hat jetzt schon die Landschaften vieler Länder verändert, wir werden unsere Partnerländer darin unterstützen, Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen und ihre Resilienz zu stärken.
„Wenn wir jetzt versagen, werden unsere Kinder uns nicht verzeihen.“[1]
Mit diesen Worten verpflichtete sich die Weltgemeinschaft 2015 in Paris, die Erhitzung des
Planeten bis zum Ende des Jahrhunderts auf „deutlich unter 2 Grad, möglichst 1,5 Grad“ zu
halten und perspektivisch nur noch so viel Treibhausgase auszustoßen, wie das natürliche
Ökosystem aufnehmen kann. Die Industriestaaten sollten voranschreiten und bis Mitte des
Jahrhunderts klimaneutral werden.
Doch das Gegenteil ist passiert. Zu Recht demonstrieren weltweit Millionen Menschen auf der
Straße für den Schutz der Erde. Denn der Ausstoß von Treibhausgasen[2] ist weltweit
ungebrochen. Mehr als 36 Milliarden Tonnen CO2 emittiert unsere noch immer auf fossilen
Energien wie Kohle, Öl und Gas basierende Weltwirtschaft jedes Jahr. Das heizt die
Atmosphäre immer weiter auf. Die Klimakrise spitzt sich dramatisch zu. Die vergangenen vier
Jahre waren weltweit die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Bereits jetzt ist
die globale Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Niveau um etwa 1
Grad[3] angestiegen. Die Eisschilde schmelzen immer schneller und der Anstieg des
Meeresspiegels verdoppelt sich. Werden die für das Weltklimasystem sensiblen Kipppunkte
erreicht, steuert die Erde auf eine Erhitzung von vier und mehr Grad zu. Irreversible
Kipppunkte, wie das Abtauen der Permafrostböden, sind zum Teil schon jetzt erreicht – über
70 Jahre früher als wissenschaftlich angenommen. Landstriche werden überflutet, trocknen aus
und werden unbewohnbar. Am stärksten von der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen
betroffen sind die Ärmsten der Armen. Im Globalen Süden sind viele Menschen aufgrund von
Dürren oder Meeresspiegelanstiegen bereits jetzt gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.
Auch in Deutschland ist die Klimakrise angekommen. Auf den Feldern, in den Wäldern. Mehr als
180.000 Hektar Waldfläche, was 250.000 Fußballfeldern entspricht, sind bereits durch die
Klimaveränderung zerstört. Doch statt vier Jahre nach dem Pariser Abkommen endlich zu
reagieren, verabschiedete die Bundesregierung nun ein Klimapaket, was das 1,5-Grad-Limit
endgültig beerdigt und selbst für einen 2-Grad-Pfad viel zu wenig ist. Damit wird
Deutschland seiner internationalen Klimaverantwortung nicht gerecht. Denn gemäß dem
Sachverständigenrat für Umweltfragen[4] ergibt sich aus dem jüngsten Sonderbericht des UN-
Weltklimarats IPCC für uns bei gleichmäßiger Aufteilung auf die Weltbevölkerung ein
verbleibendes nationales Kohlenstoffbudget von 6.600 Millionen Tonnen CO2 ab 2020[5]. Bei
fortdauernden Emissionen auf heutigem Niveau wäre das Budget in weniger als neun Jahren
verbraucht, bei einer linearen Reduktion rund um 2035. Ein längerer Zeitverlauf zur
Treibhausgasneutralität bis 2050, wie auf europäischer Ebene angestrebt, erfordert
überproportionale Reduktionserfolge in den nächsten Jahren.
Daran wird deutlich: Die Uhr tickt und wir müssen schnell und zügig umsteuern. Je rascher
wir die Emissionen senken, desto länger reicht unser CO2-Budget, um den Übergang in die
klimaneutrale Gesellschaft gemeinsam gestalten zu können. Jedes weitere Jahr hingegen, in
dem nichts getan wird, verschärft die Krise, da sich CO2 in der Luft ansammelt und der
Erhitzung der Atmosphäre weiter Vorschub leistet. Wir brauchen eine Radikalität, die sich in
entschlossenem Handeln ausdrückt, und eine Fokussierung der Debatte auf die nächsten fünf
Jahre statt auf Langfristziele.
Jetzt wird über den EU-Haushalt für die kommenden Jahre entschieden. Jetzt wird entschieden,
ob wir die europäische Landwirtschaftspolitik neu justieren. Es geht jetzt darum, den Ausbau
des Schienenverkehrs voranzubringen. Jetzt müssen wir entscheiden, ob öffentliche Mittel für
Infrastruktur auch für Öl- und Gaspipelines ausgegeben werden. Es gilt jetzt zu entscheiden,
wie wir aus Handelsabkommen mit gravierenden Auswirkungen auf das Klima rauskommen. Die EU
muss als eine Hauptverursacherin der Klimakrise ambitioniert vorangehen – jetzt! Europa hat
die historische Verantwortung vorzumachen, wie das Wirtschaften in planetaren Grenzen
demokratisch erreicht werden kann.
Der Aufbruch ins klimaneutrale Zeitalter lohnt sich
Ohne Zweifel sind die Herausforderungen enorm. Wir sehen aber auch nie dagewesene Chancen
für eine neue Lebensqualität und nachhaltigen Wohlstand. Klimaschutz macht unsere Städte
grüner, leiser, sauberer und sicherer. Er hilft, die Artenvielfalt zu bewahren. Er macht uns
unabhängig von russischem Gas und saudischem Öl. Klimaschutz eröffnet unseren Unternehmen
neue Geschäftsfelder. Er schafft neue Arbeitsplätze und sichert bestehende.
Ja, Klimaschutz kostet viel Geld. Aber es ist volkswirtschaftlich völlig klar, dass uns kein
Klimaschutz deutlich mehr kosten wird: Der Stern-Report machte bereits 2006 deutlich, dass
die jährlichen Kosten für Maßnahmen zur Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration bei
etwa einem Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts liegen. Die jährlichen Kosten einer
ungebremsten Klimaerhitzung hingegen werden dem Verlust von mindestens fünf Prozent des
globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Wenn man eine breitere Palette von Risiken und
Einflüssen berücksichtigt, könnten die Schäden sogar auf 20 Prozent oder mehr ansteigen.
Zudem wird Klimaschutz enorme neue Werte schaffen: Wirtschaftsstudien sehen ein
Geschäftspotenzial von etwa elf Billionen Euro durch neue, digital-basierte klimafreundliche
Geschäftsmodelle im Jahr 2030. Die sozial-ökologischen Innovationen in allen Sektoren können
Europa zu deutlich mehr Wohlstand verhelfen.
Wir müssen im Hier und Heute eine erhebliche Transformation einleiten. Und wir werden das
nur gemeinsam als Gesellschaft schaffen. Die dafür notwendigen tiefgreifenden Änderungen
werden nicht für alle einfach. Arbeitsplätze werden wegfallen, neue werden entstehen.
Menschen werden neu lernen und sich verändern müssen. Deshalb ist eine aktive politische
Gestaltung dieser Veränderung ebenso wichtig wie ihre kluge soziale Absicherung und Balance.
Klimaschutz erfordert eine aktive Arbeitsmarkt- und Weiterbildungspolitik, eine sozial faire
Rückerstattung der CO2-Bepreisung, eine kluge Regional- und Strukturpolitik. Und schließlich
gilt: Die notwendigen Veränderungen werden nur demokratisch gelingen, also wenn wir es
schaffen, gemeinsam die notwendigen Veränderungen und Handlungskonsequenzen anzugehen, neue
Wege auszuhandeln und so die Menschen mit auf den Weg nehmen.
Am 20. September 2019 haben wir zwei Parallelwelten erlebt: Auf der einen Seite standen
weltweit mehrere Millionen Menschen, die für Klimaschutz auf die Straße gegangen sind. Auf
der anderen Seite sahen wir eine völlig ermüdete Koalition, die nicht in der Lage war, mehr
als Trippelschritte zu liefern.
Für uns bedeutet das: Jetzt erst recht! Die Gesellschaft ist viel weiter als die deutsche
Bundesregierung. Wir starten einen neuen Anlauf in der Klimapolitik: Wir machen ein Angebot
an all jene, die vorangehen wollen, von Fridays for Future über Gewerkschaften, progressive
Unternehmer*innen bis hin zu Klimakommunen, Kulturschaffenden und allen, die sich noch
anschließen wollen. Gemeinsam, im Bündnis mit ihnen wollen wir die Wende in der Klimapolitik
schaffen und die Chancen des Klimaschutzes für mehr Gerechtigkeit und Zusammenhalt nutzen.
Ziel dieses Antrags und unserer Politik ist es, einen radikal realistischen und
sektorenübergreifenden Maßnahmenplan vorzulegen Die entscheidende Messlatte ist dabei für
uns das nationale Klimabudget, also die Menge an Emissionen, die noch ausgestoßen werden
dürfen, um den deutschen Anteil am Pariser Abkommen einzuhalten; wissentlich, dass auch
Budgets nur modellhaft gerechnet sind und dass weder technologische noch gesellschaftliche
Entwicklungen linear verlaufen. Durch soziale und technologische Innovationen, die wir heute
noch gar nicht kennen können, werden unsere momentanen Annahmen selbstverständlich in den
kommenden Jahren angepasst werden müssen. Aber wir widersprechen allen, die daraus ableiten,
eigentlich müssen wir doch in der Gegenwart gar nichts tun, denn irgendwann kommt die
Wundertechnik, die alle unsere Probleme löst. Es ist genau umgekehrt: Positive Innovationen
und Eigeninitiative als Katalysatoren der Veränderung müssen durch Abschied vom alten
überhaupt erst ermöglicht sowie gefördert und angereizt werden. Wir müssen jetzt schnell
loslaufen, damit wir eine Chance haben, auf dem Weg zu lernen.
1. Ein Klimaschutzgesetz für einen verbindlichen planungs- und ordnungsrechtlichen Rahmen
Nur mit klar festgelegten Zielen und Zwischenzielen, verknüpft mit einem verbindlichen
Monitoring der Maßnahmen und Ergebnisse sowie verankerten Korrekturmechanismen bei
Zielverfehlung können wir wieder auf den erforderlichen Zielpfad von Paris beim Klimaschutz
kommen. Durch ein Klimaschutzgesetz müssen endlich Verbindlichkeiten innerhalb der
jeweiligen Sektoren und der zuständigen Ressorts festgeschrieben werden. Denn die
Verantwortung für das Erreichen der Klimaschutzziele kann nicht länger allein beim
Bundesumweltministerium liegen, sondern muss als Querschnitt der Regierung auch die
Ministerien, welche zuständig sind für Verkehr, Landwirtschaft, Bauen und Wirtschaft in die
Pflicht nehmen. Was wir brauchen ist eine Klimaregierung.
Dazu gehört auch, dass wir Klimaschutz ins Grundgesetz schreiben. Wir möchten:
- die international vereinbarten Klimaschutzziele in die Verfassung aufnehmen,
- eine „CO2-Bremse“, mit der jedes neue Gesetz auf seine „Klimawirksamkeit“ überprüft
werden soll („climate mainstreaming“), verbindlich in der Verfassung verankern. Damit
werden alle zukünftigen Gesetzesinitiativen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das
Klima zu überprüfen sein sowie Klimaschutz wird insgesamt besser einklagbar.
Zudem wollen wir ein Klimaschutzgesetz, das den Rahmen für alle Klimaschutzmaßnahmen bildet:
- klare Maßnahmen für alle Sektoren,
- klar festgelegte Ziele, Zwischenziele und CO2-Minderungspfade für alle Sektoren mit
dem verbindlichen Ziel, das Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen,
- dichte Kontrolle, ob die Maßnahmen wirken sowie empfindliche Sanktionen,
- gesetzliche Festlegung einer klimaneutralen öffentlichen Verwaltung.
Klare ordnungsrechtliche Maßnahmen müssen in einem Klimaschutzgesetz die zentrale Rolle
spielen. Alle großen umweltpolitischen Errungenschaften wurden über das Ordnungsrecht
erreicht. Zudem wäre es fatal, allein auf Preissignale zu setzen. Denn wollte man die
Klimaziele allein über die Bepreisung von CO2 erreichen, müsste dieser so hoch sein, dass er
unweigerlich zu erheblichen negativen sozialen Auswirkungen führen würde. Einige könnten
sich rauskaufen, andere nicht mehr teilhaben. Damit Klimaschutz eben nicht zu Lasten der
Menschen mit geringeren Einkommen geht, brauchen wir einen klugen Mix aus CO2-Preis,
Anreizen und Förderung sowie dem Ordnungsrecht. So kann man die jeweiligen Vorteile der
Instrumente nutzen und gleichzeitig Nachteile minimieren. Gut gemacht, wird der ordnende
Rahmen zum notwendigen Innovationstreiber.
Klar gibt es gegen Ordnungsrecht, also auch Verbote, immer Vorbehalte. Aber Regeln zu
setzen, also zu sagen, was geht und was nicht, ist Sinn von Politik und zugleich der beste
Innovationsmotor. Heute stört sich niemand mehr daran, dass Blei im Benzin verboten ist,
Asbest nicht mehr eingebaut werden darf und Weichmacher in Kinderspielzeug verboten sind.
Das gleiche gilt ganz besonders für den Bereich der Chemikalien. Nach Verboten entwickelt
die Branche meist innerhalb kürzester Zeit ungefährlichere Alternativen oder bereits
vorhandene Alternativen bekommen ihre Chance auf dem Markt. Deshalb machen wir Klimaschutz
mit definierten Zwischenzielen in einem nationalen Klimaschutzgesetz planbar und rechtlich
verbindlich.
2. Planungen beschleunigen
Die Energie- und Verkehrswende braucht zügige, bürger*innennahe und effiziente
Planungsprozesse. Zentrale Herausforderung dafür ist die Aufstockung und Qualifizierung von
Personal in den Planungs- und Genehmigungsbehörden. Seit 1990 wurde in den Kommunen knapp
die Hälfte des Bau- und Planungspersonals abgebaut. Daher ist es dringend erforderlich, hier
wieder Personal einzustellen. Wir werden den Kommunen und genehmigenden Behörden das Planen
und Steuern erleichtern. Durch planbare, verlässliche Investitionshilfen, finanzielle
Entlastung der Kommunen sowie leichtere Planungsinstrumente für Klimaschutz.
Zu einem wirkungsvollen ordnungsrechtlichen Rahmen gehört es auch, den Kommunen und
Genehmigungsbehörden das Planen und Steuern von Klimaschutzmaßnahmen zu erleichtern. Ebenso
bedarf es einer Modernisierung des Planungsrechts. Denn die Zeit läuft uns davon und wir
brauchen rasch Baugenehmigungen für Photovoltaik- und Windkraftanlagen,
Übertragungsleitungen wie auch Schienenverbindungen. Planungs- und Genehmigungsverfahren
können deutlich vereinfacht und beschleunigt werden, wenn man im Verkehrswegebau bei
Ersatzneubauten ohne Ausbau bzw. Erweiterung die Maßstäbe für Sanierungen statt für
Neubauten heranzieht.
Die Planungs-, Bau- und Realisierungszeiten sind zu lang und wir wollen sie für alle CO2-
mindernde Infrastruktur halbieren, indem
- wir eine Priorisierung der zu bauenden Infrastrukturprojekte vornehmen, auch, um sich
bei geringen Planungskapazitäten nicht zu verzetteln,
- frühzeitig Bürger*innen und Nichtregierungsorganisationen beteiligt werden und so die
Entwicklung von Optionen und Varianten sowie das frühe Ausräumen von Konflikten
ermöglicht wird,
- wir für Verkehrsprojekte eine bessere Verzahnung von Raumordnungs- und
Planfeststellungsverfahren gewährleisten, etwa indem die Untersuchungsergebnisse des
Raumordnungsverfahrens für das Planfeststellungsverfahren genutzt werden können; sich
wiederholende Verfahrensschritte in beiden Verfahren könnten zusammengeführt werden,
- die Regelungen des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren
für ÖPNV bei der anstehenden Novelle des Personenbeförderungsgesetzes übernommen
werden,
- Arten- und Naturschutz von vornherein in die Planungen einbezogen werden, um Verfahren
schneller und rechtssicherer zu machen. Für den erforderlichen Ausgleich bei
Eingriffen in die Natur müssen Kompensationsmaßnahmen verstärkt und vereinfacht
werden, auf die dann die Vorhabenträger*innen zurückgreifen können,
- wir die behördlichen Abstimmungsprozesse effizienter gestalten. Beim Artenschutz etwa
gibt es ein großes Potenzial für den Wissensaustausch zwischen Behörden und für
vorgezogene Großmaßnahmen über ein Ökokonto und andere Anrechnungsvereinfachungen,
- eine verbindliche Frist bis zur Eröffnung von Gerichtsverfahren bei gleichzeitiger
personeller Stärkung der Gerichte eingeführt wird.
3. Ökonomische Anreize richtig setzen
Ergänzend zum planungs- und ordnungsrechtlichen Rahmen wollen wir die notwendigen
ökonomischen Anreize setzen, damit der Klimaschutz vorankommt.
Dafür setzen wir auf eine CO2-Preiskomponente auf alle fossilen Brennstoffe über den
bestehenden europäischen Emissionshandel (ETS) hinaus. Dem Preis kommt in einer
Marktwirtschaft eine zentrale Steuerungswirkung zu. Wir brauchen eine ökologisch wirksame,
sozial gerechte und ökonomisch vernünftige CO2-Bepreisung. Das ist eine wesentliche
Voraussetzung dafür, dass erneuerbare Energien, Energieeffizienz und innovative
Klimaschutztechnologien sich durchsetzen. Das Umweltbundesamt schätzt die Kosten der
Schäden, die durch den Ausstoß einer Tonne CO2 entstehen, auf 180 Euro – in Preisen von 2016
gerechnet. Doch die Preiskomponente ist nur ein Hebel für Klimawirksamkeit neben den
ordnungsrechtlichen Maßnahmen wie dem Kohleausstieg.
Wir brauchen also einen Preis, der lenkt, Innovationen schafft und zugleich nicht sozial
verzerrt oder schnellere und wirkungsvollere ordnungsrechtliche Maßnahmen konterkariert. In
der Schweiz liegt der nationale Preis pro Tonne CO2 bei rund 90 Euro für fossile Brennstoffe
wie Heizöl, Erdgas oder Kohle. Globaler Spitzenreiter ist derzeit Schweden mit rund 110 Euro
pro Tonne CO2 für alle fossilen Brennstoffe. Als Sofortmaßnahmen werden wir uns für
Folgendes einsetzen:
- Die Energiesteuern im Bereich Verkehr und Wärme wollen wir mit einer CO2-Komponente
reformieren. Der Einstiegspreis in diesen Sektoren sollte aktuell bei 40 Euro liegen
und 2021 auf 60 Euro steigen, um etwas zu bewirken. Der Preis muss danach weiter
planbar ansteigen. Dafür schlagen wir für Deutschland ein unabhängiges Gremium vor,
das bis zu einer Einigung auf europäischer Ebene die Preissteigerung fortführt.
- Mit den Einnahmen senken wir die Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Minimum
ab und führen als sozialen Ausgleich ein Energiegeld für alle ein.
- Auf europäischer Ebene muss die Bundesregierung dementsprechend bei der Neufassungen
der Energiesteuerdirektive für eine ambitionierte CO2-Mindestbepreisung eintreten. Wir
werden uns dafür einsetzen, dass ein CO2-Preis im Non-ETS-Bereich europaweit
eingeführt wird.
- Im europäischen Emissionshandel, der vor allem Industrieanlagen und Kraftwerke
abdeckt, sollte Deutschland, idealerweise in Abstimmung mit anderen europäischen
Ländern wie Frankreich und die Niederlande, einen gemeinsamen Mindestpreis in Höhe von
40 Euro festlegen. Zeigt sich, dass der Mindestpreis keine Wirkung erzielt, muss hier
nachgesteuert werden.
- Wir wollen die Wirksamkeit der Marktstabilitätsreserve im europäischen
Emissionshandelssystem erhöhen, damit die immer noch vorhandenen überschüssigen
Emissionszertifikate stärker reduziert und schneller vom Markt genommen werden.
- Im Zuge der Stilllegung von Kraftwerksblöcken werden wir entsprechend den vom Netz
gehenden CO2-Emissionen Emissionszertifikate vom Markt nehmen, indem wir dafür das
nationale Versteigerungsbudget entsprechend kürzen. Damit wird vermieden, dass hier
eingesparte Emissionen an anderer Stelle in Europa emittiert werden können.
4. Umweltschädliche Subventionen abbauen
Damit ökonomische Anreize ihr volles Potenzial entfalten können und zusätzliche finanzielle
Spielräume für Zukunftsinvestitionen entstehen, wollen wir umwelt- und klimaschädliche
Subventionen konsequent abbauen. Insgesamt betragen diese in Deutschland über 57 Milliarden
Euro. Staatliche Subventionen, die dem Klima schaden, wollen wir endlich beenden, wie zum
Beispiel
- die Steuerbefreiung von Rohöl zur Plastikherstellung,
- dem immer noch gewährten Beschaffungszuschuss für neue Ölheizungen oder
- die Nichtbesteuerung von Kerosin.
5. Klimafreundlich wirtschaften
Klimaschutz geht nur in einem System, das klimafreundliches Verhalten belohnt und nicht wie
heute strukturell erschwert. Wir beschreiben im Rahmen des Antrags „Anders Wirtschaften für
nachhaltigen Wohlstand“ ausführlich unsere Vision für ein gesamthaftes positiv
transformiertes Wirtschaftssystem. Ausgewählte wesentliche Aspekte, die auch das Klima
betreffen, sind:
- Unseren gesellschaftlichen Erfolg wollen wir nicht mehr nur mit dem
Bruttoinlandsprodukt (BIP) berechnen, sondern darüber hinaus auch unseren Erfolg im
Klimaschutz in die gesellschaftliche Wohlstandsmessung und -steuerung integrieren, wie
etwa den absoluten CO2-Ausstoß. So verändern wir die gesellschaftliche Wahrnehmung und
Prioritätensetzung im Einklang mit den planetaren Grenzen im Sinne des neuen
Wohlstandskonsenses.
- Entsprechend ändern wir auf betriebswirtschaftlicher Ebene die Buchhaltungsregeln und
Erfolgsrechnung hin zu einer nachhaltigen Bilanzierung von Unternehmen, die nicht nur
den finanziellen, sondern auch den ökologischen Wert von Unternehmen misst und
steuert. Hier wollen wir praxisnah mit führenden Wirtschaftsinitiativen
zusammenarbeiten und Konzepte wie das der Gemeinwohlökonomie aufgreifen.
- In der Digitalisierung fördern wir gezielt klimawirksame Innovation, damit sie ihr
Potenzial für die notwendige Suffizienz, Effizienzsteigerungen und Dematerialisierung
entfalten kann und nicht unkontrollierbaren Schaden durch immer mehr Energiehunger
anrichtet. Auch mithilfe der Digitalisierung könnten wir es schaffen, wirtschaftliches
Wachstum von steigenden CO2-Emissionen zu entkoppeln.
- Bei öffentlichen Investitionen und der Vergabe wenden wir auf allen politischen Ebenen
sozial-ökologische Kriterien bei der Entscheidungsfindung und Planung an.
- Wir stärken die kommunalen Ebenen. Gesetzliche Rahmenbedingungen dürfen die
Kreativität und regional spezifische Maßnahmen und Erfordernisse zum Schutz des Klimas
und zur Einhaltung der Klimaziele in den Kommunen nicht blockieren. Kommunen müssen
zum Vorbild anderer voranschreiten können.
- Klimaagenturen mit beratender Funktion geben „Best Practice“-Beispiele weiter,
unterstützen bei Förderanträgen und organisieren Bildungsveranstaltungen und
Bürger*innenforen.
- Wir brauchen eine Kampagne für das Handwerk und Umschulungsangebote, auch für
Unternehmen, und oft in Verbindung mit digitalen Technologien. Der immense Ausbau der
Erneuerbaren, die Sanierung von Gebäuden, das 100.000-Wärmepumpen-Programm oder auch
die intensivere Öko-Landwirtschaft – der Klimaschutz wird zig Tausende neue Jobs
bringen, vor allem in Technologie und Handwerk.
6. Sektorspezifische Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaschutzziele
Um die Ziele des Klimaschutzgesetzes in den einzelnen Sektoren zu erreichen, wollen wir die
nachfolgenden Maßnahmen auf den Weg bringen:
6a. Stromerzeugung erneuerbar
Derzeit liegen die ausgestoßenen Mengen CO2 für die Energiewirtschaft bei über 300 Millionen
Tonnen jährlich, das sind über 30 Prozent. Das ist meilenweit von einem Pfad zur Einhaltung
der Pariser Klimaziele entfernt. Schlimmer noch: Deutschland hinkt beim Ausbau der
erneuerbaren Energien weit hinterher. Sie sind jedoch das Herzstück jedes Klimaschutzes. Um
die Pariser Klimaziele zu erreichen, ist der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien nicht
mehr nur entscheidend für wirksamen und erfolgreichen Klimaschutz im Strombereich, sondern
auch der Wärme- und Verkehrssektor werden zukünftig auf elektrischer Basis betrieben und
massiv erneuerbare Energie benötigen. Hinzu kommt der zusätzliche Bedarf an erneuerbarem
Strom, um Wasserstoff und andere Gase (zum Beispiel als Speicher oder für erneuerbare
Treibstoffe) zu produzieren, gerade auch für den Stahl- und den Chemiebereich. Es geht nun
also nicht mehr nur um die 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien zur reinen
Elektrizitätsversorgung, die wir 2030 erreichen wollen, sondern um 100 Prozent erneuerbaren
Strom für eine klimaneutrale Wirtschaft insgesamt.
Der stockende Ausbau und die Politik der Bundesregierung führen dazu, dass wir uns derzeit
aber nur auf einem Ausbaupfad von maximal 45 Prozent bewegen. Das ist auch das größte
Hindernis für den Kohleausstieg, den wir sofort beginnen und schnell abschließen müssen. Die
von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission hat nun endlich einen Plan zum
Kohleausstieg vorgelegt. Es ist nicht unser Plan, aber das Einzige, was wir derzeit in einem
gesellschaftlich vereinbarten Kompromiss haben. Gerade mit Blick auf das Enddatum, das nicht
Paris-kompatibel ist, gibt es Korrekturbedarf – deshalb haben die am Ergebnis beteiligten
Umweltverbände und Wissenschaftler*innen Revisionsklauseln verankert und ein Sondervotum
abgegeben. Entscheidend ist jetzt, das verbleibende CO2-Budget für den Stromsektor deutlich
zu reduzieren. Das heißt viele Kraftwerke schnell und zeitnah abzuschalten, um 2030 auch aus
der Kohle aussteigen zu können. Wir machen uns daher dafür stark:
- über ein Kohleausstiegsgesetz in den nächsten drei Jahren mindestens rund ein Viertel
der Braunkohlekapazitäten und ein Drittel der Steinkohlekapazitäten abzuschalten,
- einen verbindlichen und möglichst entschädigungsfreien Abschaltplan für
Kohlekraftwerke für die Zeit nach 2022,
- die Strukturförderung an konkrete Abschaltungen und den Ausbau erneuerbarer Energien
sowie weiterer Energiewende-Infrastruktur vor Ort zu koppeln.
Zentral dafür wird sein, ob wir den Ausbau der Erneuerbaren und des Energiesystems umgehend
und massiv voranbringen.
Das Missmanagement der Bundesregierung hat den Ausbau der erneuerbaren Energien fast zum
Erliegen gebracht. Durch die letzten Novellen ist aus dem extrem erfolgreichen Erneuerbare-
Energien-Gesetz, dem am häufigsten kopierten Gesetz der Welt, mittlerweile eher ein Anti-
Erneuerbare-Energien-Gesetz geworden: Den Erneuerbaren wurden Deckel und andere Hindernisse
zur Verhinderung von schnellem Wachstum vorgegeben. Das ist der eigentliche Skandal.
Wir wollen den Ausbau der Erneuerbaren mit großer Geschwindigkeit wieder in Gang bringen.
Konkret soll die installierte Leistung von Wind onshore in den nächsten zehn Jahren
mindestens verdoppelt, die für offshore verfünffacht und die für PV (Dach, Fassaden und
Freiflächen) auf 250 Gigawatt (GW) angehoben werden. Damit sowie mit massiver
Energieeinsparung kann Deutschland seinen Stromverbrauch komplett erneuerbar decken und auch
noch einen Teil der Sektorenkopplung. Klar ist: Die Energiewende mit 100 Prozent
Erneuerbaren kann nur gelingen, wenn wir sie endlich umfassend europäisch denken und
zugleich die Potenzial der Bürger*innen-Energiewende wieder heben.
Für die erneuerbaren Energien in den Bereichen Industrie, Wärme, Verkehr wollen wir
Energiepartnerschaften mit den Nachbarstaaten der Europäischen Union aus dem Sonnengürtel
zur Produktion von solarem Wasserstoff schließen. Solche Energiepartnerschaften müssen auf
Augenhöhe und unter Einbeziehung der Bürger*innen in der Region verhandelt werden. Die
Vorteile müssen vor allem der Region zugutekommen, aus welcher die Energie geliefert wird.
Weder ist es nötig noch erstrebenswert, dass wir dezentrale Energieerzeugung zu kleinteilig
denken. Europa soll zu einem gemeinsamen Strommarkt auf der Basis von Erneuerbaren
zusammenwachsen. Dafür brauchen wir eine zu 100 Prozent erneuerbare und energieeffiziente
Europäische Union als Treiberin für die internationale Energiewende und ambitioniertere
europäische Klimaziele. Die Förderung von nachhaltiger Landwirtschaft, klimafreundlicher
Mobilität, Photovoltaik, Windenergie, Biomasse und anderen regenerativen Stromquellen auch
auf europäischer Ebene muss noch stärker vorangetrieben werden. Die Vernetzung der
verschiedenen erneuerbaren Quellen senkt den Bedarf am Ausbau erheblich. Je größer der Raum
und je vernetzter die Quellen, desto günstiger wird es und desto geringer ist der Bedarf am
Ausbau.
Im Sektor Strom müssen Effizienzgewinne schnell realisiert werden:
- strikte Effizienzvorgaben und Förderung von Effizienzgewinnen und Stromeinsparungen
für Energieversorger, Produktion, Industrie, Datenzentren, Gewerbe, bei Handel und
Dienstleistungen,
- eine „Langes Leben“-Produktoffensive (zum Beispiel Garantiehaftung von zwei auf fünf
Jahre anheben) sowie ein Förderprogramm „Dekarbonisierung für die Industrie“,
- Förderung von Stromeinsparungen im Haushaltsbereich durch kontinuierlich steigende
Effizienzvorgaben für Haushaltsgeräte, Umstellung auf LED-Beleuchtung und sparsamere
Rechnerleistungen.
Die Ausbau-Offensive im Bereich der erneuerbaren Stromerzeugung umfasst folgende Maßnahmen:
- Die Verhinderungs-Deckel beim Ausbau von Ökostrom müssen unverzüglich gestrichen
werden. Nur den Solardeckel aufzuheben, reicht nicht aus. Entsprechend des
Ausbaupfades müssen die planbaren Flächen deutlich erhöht werden. Der Europäische
Gerichtshof hat entschieden, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) keine Beihilfe
darstellt und deshalb nicht unter die Beschränkungen der Beihilferichtlinie der
Europäischen Union fällt.
- Vorrangregelung und Abnahmepflicht des erneuerbaren Stroms muss gesichert werden.
- Jährlicher Zubau von mindestens 5-6 GW Wind auf dem Land, ab Mitte der 2020er Jahre
von 7-8 GW.
- Eine Repowering-Offensive durch planungsrechtliche Verbesserungen und gesonderte
Ausschreibungen.
- Festlegung eines nationalen Flächenziels Windkraft von zwei Prozent der Landesfläche
und Verpflichtung der Länder, entsprechende Flächen auszuweisen, auf denen
Windenergieanlagen errichtet werden können.
- Wenn Windparks gebaut oder erweitert werden, sollen die anliegenden Gemeinden und
damit ihre Bürger*innen über eine Windpark-Abgabe finanziell an den Erträgen
teilhaben.
- Erhebliche Erleichterungen bei den Genehmigungen für Windenergieanlagen durch
Überprüfung bestehender Regelungen im Bereich Flugsicherung, Denkmal- und Naturschutz
sowie bei Abstandsregelungen und im Planungsrecht mit der Maßgabe, den Ausbau von
Erneuerbaren zu fördern. Im Artenschutz wollen wir bei guter Bestandsentwicklung die
Ausnahmegenehmigungen besser nutzen.
- Das Ausbauziel für Windenergie auf See ist auf 35 GW bis 2030 anzuheben. Dazu brauchen
wir im Durchschnitt einen jährlichen Zubau von etwa drei GW pro Jahr.
- Um bei Wind offshore schneller voranzukommen, wollen wir mit anderen Nord- und Ostsee-
Anrainerstaaten eine gemeinsame Raumplanung machen, die dann auch die Räume außerhalb
der einzelnen Hoheitsgebiete enthält und eine koordinierte Planung zur
Berücksichtigung des Artenschutzes, insbesondere den Vogelzug, erlaubt.
- Bei Photovoltaik akuter jährlicher Zubau von 10-12 GW pro Jahr als Dachanlagen, für
Gebäudefassaden und Freiflächen; ab Mitte der 2020er Anstieg auf 18-20 GW pro Jahr.
- Einführung einer Solarpflicht für Photovoltaik oder Solarthermie bei Neubauten.
- Ausbildungsprogramm für Fachkräfte für Solarenergie und Facharbeiter*innen in der
Solarzellenproduktion.
- Aufbau einer Multi-Gigawatt-Solarfabrik, unterstützt durch staatliche Bürgschaften.
Flächen effizient nutzen. Der immense Ausbau der Erneuerbaren, den wir brauchen, benötigt
Fläche. Für Windenergie an Land benötigen wir nicht mehr als zwei Prozent der Landesfläche.
Hinzu kommen gut drei Prozent der Ackerfläche für Photovoltaik. Dafür können wir nicht für
Lebensmittel genutzte Ackerfläche umwidmen: Potenzial bieten Ackerflächen in einer
Größenordnung von ca. acht Prozent, die heute noch für Kraftstoffproduktion genutzt werden,
zudem kann der Bedarf an Biogas-Mais verringert werden, da die Energieerzeugung durch
Photovoltaik fünfzig- bis hundertfach flächeneffizienter ist. Landwirtinnen und Landwirte,
die in den bestehenden Energiepflanzen-Programmen ökonomisch gebunden sind, fördern wir
einkommensneutral, sodass sie auf Photovoltaik umsteigen können. Durch die Verbindung von
Agro-PV-Anlagen mit Permakultur können sogar höhere Erträge als heute erzielt werden.
Insgesamt streben wir für den Energiesektor an:
- Der bis ins Unermessliche gestiegene bürokratische Aufwand für eine eigene
Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und sonstige eigene Erneuerbaren-Anlagen zur
Stromlieferung an Dritte sowie die damit verbundenen, mittlerweile kaum mehr zu
verstehenden steuerrechtlichen Regelungen müssen harmonisiert, deutlich reduziert und
vereinfacht werden.
- Den Ausbau von PV-Strom vom Dach als Mieterstrom wollen wir insbesondere im
Mieterstromgesetz radikal vereinfachen und steuerliche Hemmnisse und Bürokratie
abbauen. Die Vermarktung und Verwendung auch über das Herstellungsgebäude hinaus im
Quartier muss lohnend und einfach werden. Die Verpachtung von Dächern und die
Vermarktung von PV-Strom vom Dach im Quartier muss einfach und lohnend werden, für
Erzeuger*innen und Nutzer*innen.
- Auflegen eines Förderprogramms für 100.000 Stromspeicher, um die dezentrale
Ökostromversorgung zu erleichtern.
- Anreize für Investor*innen, Anwohner*innen und Anliegergemeinden von Wind- und
Solarenergieanlagen schaffen, u.a. durch Forschungs- und Förderprogramme für
Agrophotovoltaik zur gleichzeitigen Nutzung von Fläche für Landwirtschaft und
Energieproduktion sowie Pflichtanteile erneuerbarer Wärme wie Solarthermie bei der
Modernisierung von Altbauten.
- Länder und Kommunen bei der Lösung von Konflikten, zum Beispiel zwischen Windanlagen
und Naturschutz unterstützen, anstatt sie wie bisher alleine zu lassen.
- Die Sektorkopplung voranbringen, den Strommarkt gemäß den europäischen Vorgaben
reformieren und die Digitalisierung der Stromversorgung vorantreiben.
- Eine Anschlussfinanzierung für bestehende Biomasseanlagen, um die Stromerzeugung aus
Bioenergie zu erhalten. Die Anschlussfinanzierung soll daran geknüpft sein, dass die
Bioenergieanlagen flexibilisiert werden und dann Strom erzeugen, wenn wenig Wind- und
Solarenergie zur Verfügung steht, und sie möglichst weitgehend auf Rest- und
Abfallstoffe sowie Gülle umgestellt werden.
- Fairere Gestaltung der Umlagen und Entgelte zwischen Verbraucher*innen, der Industrie
und kleineren und mittleren Unternehmen.
- Europarechtliche Vorgaben im Energiemarktdesign so schnell wie möglich in nationales
Recht umsetzen, um der Bürgerenergie Flügel zu verleihen: So kann jede*r auf Dach oder
Balkon Strom erzeugen und abgabenfrei selbst verbrauchen oder an Nachbar*innen
verkaufen.
- Deutschland muss den Vertrag über die Energiecharta kündigen, damit fossile
Infrastruktur ausländischer Eigentümer*innen entschädigungsfrei stillgelegt werden
kann.
Parallel dazu setzen wir auf:
- eine Förderung der inländischen, nachhaltigen Batteriezellenproduktion und einer damit
verbundenen Kreislaufwirtschaft,
- die konsequente Umstrukturierung des Energiemarktdesigns und der energiebezogenen
Abgaben, Entgelte und Umlagen mit der Zielvorgabe 100 Prozent Erneuerbare bis 2030.
Dazu gehören starke Anreize für Sektorkopplung und Speicherung,
- Forschungsunterstützung für die Wasserstoff-Industrie über ein Investitionsprogramm
„Grüner Wasserstoff“. Gefördert werden sollen u.a. die erneuerbare
Wasserstofferzeugung und Speicherung, Wasserstoff-Dunkelflautenspeicher in Gaskavernen
und der Einsatz in Industrieprozessen.
6b. Energiewende im Wärmesektor und bei Gebäuden
Die Energiewende in Gebäuden kommt seit Jahren nicht schnell genug voran. Die Sanierungsrate
zur Energieeinsparung und der Anteil an Wärme aus erneuerbaren Energien reichen bei Weitem
nicht aus und stagnieren auf niedrigstem Niveau. Mit einem „Weiter so“ würde es hundert
Jahre dauern, einen klimaneutralen Gebäudebereich zu schaffen – wir brauchen ihn aber
viermal so schnell, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Daher müssen wir jetzt gemeinsam
mit allen Eigentümerinnen und Eigentümern, die in der Regel keine Bau- oder
Planungsexpert*innen sind, allen Mieterinnen und Mietern einen Aufbruch hin zu ökologisch
modernen Gebäuden schaffen. Mit Zuschüssen und zinslosen staatlichen Sanierungskrediten mit
wahlweise langen Laufzeiten unterstützen wir Eigenheimbesitzer*innen bei der energetischen
Gebäudemodernisierung. Ein CO2-Preis auf Heizstoffe macht Klima-Modernisierung
wirtschaftlicher als bisher. Damit alle Eigentümer*innen und Mieter*innen bei der
Energiewende in Gebäuden mitmachen und partizipieren können, braucht es zusätzlich passende
Regeln, Anreize und Informationen. Dazu gehört auch die steuerliche Förderung als Anreiz für
energetische Sanierung. Gerade private Eigenheimbesitzer*innen benötigen steuerliche Anreize
zur Gebäudemodernisierung. Der Steuerbonus muss klimapolitisch wirksam ausgestaltet sein. Es
dürfen darum nur Maßnahmen gefördert werden, die nachweislich auf dem vom Pariser Abkommen
vorgegebenen Minderungspfad liegen. Durch eine progressionsunabhängige Abschreibung müssen
alle gleichermaßen davon profitieren, und die Sonderabschreibung muss analog zur KfW-
Förderung ausgestaltet sein.
Wie im Stromsektor gehört auch beim Heizen und Kühlen die Zukunft den erneuerbaren Energien.
Wir wollen
- einen Systemwechsel erreichen: Dort, wo es die Besiedlungsstruktur ermöglicht, weg von
der Einzelbefeuerungsanlage und der Einzelhausbetrachtung hin zu einer
Quartiersbetrachtung und zu Nah- bzw. Fernwärmenetzen, die dann aus verschiedenen
erneuerbaren Quellen gespeist werden können,
- dass alle Kommunen ein Energiemanagement durchführen müssen und einen Energiebericht
verfassen, damit überhaupt Daten erhoben, Maßnahmen umgesetzt und nachgesteuert werden
kann. Kommunen haben sich zukünftig nicht nur um ihren eigenen Gebäudebestand zu
kümmern. Kommunen werden wir dabei finanziell unterstützen, eine datenbasierte
Wärmeplanung für einen klimaverträglichen Umbau der Wärmeversorgung in den einzelnen
Quartieren aufzulegen. Diese Wärmeplanung wird Grundlage für eine Förderung der
nötigen Investitionen sein,
- den vorgeschriebenen Anteil an erneuerbaren Energien bei Neubau und Bestand deutlich
anheben,
- den Passivhausstandard für alle Neubauten sowie Fassaden- oder Dachbegrünung sowie
Plus-Energiegebäude fördern,
- eine Ausbildungsoffensive im Handwerk und Baugewerbe, um die notwendige Sanierungsrate
überhaupt zu ermöglichen.
Ein Austauschprogramm „Sonne statt Öl“ und Klima-Service für Eigentümer*innen. 16 der 19
Millionen Wohngebäude in Deutschland sind Ein- und Zweifamilienhäuser. Viele davon sind noch
vor der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1978 entstanden und bisher nicht energetisch
modernisiert. Die Eigentümer*innen und Mieter*innen dieser Gebäude sind in der Regel keine
Bauexperten. Sie brauchen daher einen einfachen Zugang zu den besten Klimainformationen und
Modernisierungen. Zentral ist für uns daher:
- ein Austauschprogramm „Sonne statt Öl“: ein Förderprogramm für den Tausch der
Ölheizung gegen eine moderne Heizung mit Sonnenwärme, Wärmepumpe oder Holz,
- dass Ölheizungen ab sofort und fossile Gasheizungen ab 2025 nicht mehr eingebaut
werden,
- der Ersatz der fossilen Erdgasversorgung,
- das Auflegen eines 100.000-Wärmepumpen-Programms. Mit Wärmepumpen können wir aus einer
Kilowattstunde (kWh) Strom rund vier kWh Wärme machen. Der Austausch von fossilen
Heizungen zu Wärmepumpen stellt mit Solarwärme und PV sowie saisonalen Speichern und
Wärmenetzen in der drängenden, kurzen Zeit eine große Chance auf rasche
Klimaneutralität des Gebäudebestands dar,
- ein kostenloser Klima-Service für Eigentümer*innen von Ein- und Zweifamilienhäusern:
Qualifizierte Energieberater*innen nehmen eine Vor-Ort-Analyse vor und erstellen einen
kostenlosen Sanierungsfahrplan fürs Haus. Ein solcher Klima-Fahrplan schlägt geeignete
Schritte vor, mit denen das Haus zum Niedrig-Energie-Gebäude mit erneuerbarer Wärme
werden kann,
- einen finanziellen Zuschuss für eine fachkundige Energie-Bauleitung: Die
Energieberater*in wird dazu als Bauleiter*in zur Umsetzung einzelner Schritte des
Klima-Fahrplans für das Haus tätig. Sie beauftragt alle Handwerkerinnen und Handwerker
und prüft deren Arbeit.
Klima-Check und Mieterschutz für Mieter*innen. Jeder Mieter, jede Mieterin soll wissen, wie
es um die eigene Wohnung bezüglich der Klimaziele und Heizkosten steht. Außerdem wollen wir
Mieterinnen und Mieter vor hohen Heiz- und Modernisierungskosten schützen. Dafür wollen wir:
- jeder Mieterin und jedem Mieter einen Gutschein für einen Klima-Check für ihre/seine
Wohnung geben, um ein kostenloses Heizgutachten auf Basis der aktuellen
Heizkostenabrechnung zu erstellen,
- klimagerechte Modernisierungen von Gebäuden und Wohnungen, die sich jede*r leisten
kann, möglichst ohne Erhöhung der Warmmiete. Für energetisch modernisierte Wohnungen
wollen wir einen Klimazuschuss zum Wohngeld einführen, damit sich auch Haushalte mit
kleinen Einkommen diese Wohnungen leisten können. Mit dem Förderprogramm „Gutes Klima
im Quartier“ fördern wir energetische Modernisierungen ganzer Stadtviertel ohne
Erhöhung der Warmmieten. Mit der sozialen Wohnraumförderung und bei kommunalen
Wohnungsunternehmen ermöglichen wir das ebenfalls in den Ländern und Kommunen. Im
Mietrecht senken wir die Modernisierungsumlage, d.h. die Mieterhöhung nach
Modernisierung, deutlich ab und kappen sie bei höchstens 1,50 Euro je Quadratmeter.
Aktionsplan Faire Wärme. Unser umfassender Aktionsplan Faire Wärme denkt die Bausteine der
Energiewende im Wärmesektor und in Gebäuden zusammen, für Wohnhäuser und Quartiere, Stadt
und Land. Dazu gehören:
- eine erhebliche Aufstockung der Mittel für erneuerbare Wärme, energetische
Modernisierung und saubere Wärmenetze – um Heizen ohne Klimaschaden zu ermöglichen,
- das Programm „Gutes Klima im Quartier“: ein Förderprogramm für die Quartierssanierung
ohne Erhöhung der Warmmieten, zur Klima-Modernisierung ganzer Stadtviertel und Dörfer
und ihrer Gebäude, gemeinsam geplant mit den Menschen und Unternehmen vor Ort,
- ein Steuerbonus für selbst nutzende Eigentümer*innen, die ihr Haus oder ihre Wohnung
klimafreundlich modernisieren wollen,
- endlich konsequenter Klimaschutz bei Bundesimmobilien: Klima-Fahrplan für die
bundeseigenen Liegenschaften und ein Aktionsprogramm klimaneutrale Bundesverwaltung;
Ziel: sämtliche Bundesliegenschaften werden bis zum Jahr 2030 klimaneutral,
- 200 Millionen Euro jährlich für qualifizierte Energieberatung wie Klima-Service und
Klima-Check.
Mehr Energieeffizienz. Die beste Energie ist diejenige, die gar nicht erst verbraucht wird.
Hier reichen die heutigen politischen Rahmenbedingungen für mehr Energiesparen und bessere
Energieeffizienz bei weitem nicht aus. Wir brauchen:
- Förderprogramme für die Nutzung ökologischer Bau- und Dämmstoffe,
- die Umsetzung des gültigen EU-Rechts in ein modernes Gebäudeenergiegesetz, das an
Energieeffizienz und dem CO2-Ausstoß ausgerichtet ist,
- Niedrigenergiehäuser als verpflichtenden Standard: das Passivhaus bei Neubauten, und
bei umfassender Modernisierung sowie Sanierung bestehender Altbauten soll das KfW-
Effizienzhaus 55 der Zielstandard sein,
- für energetische Modernisierungen staatliche Nullzins-Darlehen mit langen
Rücklaufzeiten, denn eine bessere Investition als Energieeinsparung gibt es nicht.
Wärmenetze dekarbonisieren und ausbauen. Ein relevanter Teil der Wärmeversorgung erfolgt
über Nah- und Fernwärmenetze. Doch derzeit wird das Potenzial der leitungsgebundenen Wärme
für den Klimaschutz nicht ausreichend genutzt. Das gilt hinsichtlich der Integration von
erneuerbaren Energien ebenso wie für die Nutzung von gewerblicher und industrieller Abwärme.
Wir wollen:
- Nahwärmenetze zielgerichtet ausbauen und die entsprechenden Förderprogramme erhöhen,
- ein Förderprogramm in Höhe von 400 Millionen Euro für 10.000 Wärmespeicher auflegen,
damit insbesondere Gemeinden oder Stadtteile mit Wärmenetzen mindestens einen großen
Wärmespeicher errichten können und so die Flexibilität im Wärme- und
Stromversorgungssystem erhöht wird,
- verpflichtende Emissionsminderungsziele für Fernwärmebetreiber,
- Wärmenetze für die Einspeisung erneuerbarer Wärme sowie industrieller und gewerblicher
Abwärme durch gesetzliche Regelungen öffnen, um auch die Nah- und Fernwärmeversorgung
so schnell wie möglich zu dekarbonisieren.
6c. Verkehrswende – mehr Mobilität mit weniger Verkehr
Rund 20 Prozent der deutschen Treibhausgase kommen aus dem Verkehrssektor. Von einem
Minderungspfad, der mit den Klimazielen von Paris vereinbar wäre, sind wir meilenweit
entfernt. Die Emissionen sind derzeit immer noch genauso hoch wie 1990, alle Klimaziele im
Verkehrssektor werden krachend verfehlt. Die zunehmenden Emissionen des von Deutschland
ausgehenden internationalen Luftverkehrs sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Allein
die durch unseren Verkehr verursachten Folgekosten liegen pro Jahr bei 149 Milliarden Euro.
Mobilität und Lebensqualität zusammenzubringen heißt: Verkehr vermeiden, verlagern und
klimafreundliche Verkehrsmittel miteinander vernetzen. Ein „Weiter so“ wäre nicht nur
ökologischer, sondern auch volkswirtschaftlicher Irrsinn. Um Klimaschädigung und
Verkehrsbelastungen wirksam zu vermindern, müssen wir eine umfassende Verkehrswende auf den
Weg bringen. Mit ihr geht die Ära des fossilen Verbrennungsmotors und eine einseitig auf
immer mehr Pkw- und Lkw-Verkehr ausgerichtete Infrastrukturentwicklung zu Ende.
Mit dem Ausbau von Schiene, ÖPNV und Radverkehr, der Vernetzung von Verkehrsangeboten, mit
neuen Sharing-Formen und der Antriebswende können wir den Energiebedarf des Verkehrs
vermindern, eine für alle Menschen bezahlbare Mobilität schaffen und die Klimaziele im
Verkehr erreichen. Wir können die Anzahl der Autos verringern, die heute Tag für Tag im Stau
stehen oder in Städten wertvolle Flächen vollstellen, und so Verkehrssicherheit und
Lebensqualität erhöhen, ohne unsere Mobilität zu vermindern.
Unsere Schwerpunkte für eine klimafreundliche Mobilität sind:
Überarbeitung des ordnungs-, finanz- und steuerpolitischen Rahmens der Verkehrspolitik.
Diesen Rahmen zu überarbeiten mit dem Ziel der Förderung sozialverträglicher, ökologischer
und technischer Maßnahmen heißt:
- den Bundesverkehrswegeplan komplett zu überarbeiten und als Bundesnetzplan für
Mobilität neu aufzustellen,
- den Kommunen das Recht zu geben, innerorts eigenständig und unbürokratisch über die
Einführung von Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaziele zu entscheiden: zum Beispiel
autofreie Innenstädte innerhalb ihrer Stadtgrenzen und/oder in Kooperation mit
benachbarten Kommunen gestalten, Fahrradstraßen und Fußwegenetze oder auch Tempolimits
einführen,
- den steuer- und finanzpolitischen Rahmen u.a. mit dem Ziel auszuschöpfen, den Kauf von
Autos mit fossilem Verbrennungsmotor auslaufen zu lassen und die Nutzung öffentlicher
Verkehrsangebote preiswert zu gestalten.
Die Bahn flott machen. In den letzten Jahrzehnten wurde einseitig in den Straßenbau
investiert, während Schieneninfrastruktur in großem Ausmaß zurückgebaut wurde. Jetzt ist die
Schiene dran! Zur Finanzierung wollen wir den bisherigen „Finanzierungskreislauf Straße“
auflösen, wonach Einnahmen aus der Lkw-Maut allergrößtenteils in den Straßenbau fließen.
Mauteinnahmen müssen auch der Bahn zugutekommen. Ab 2025 wollen wir keine neuen
Bundesstraßen mehr in Angriff nehmen, da Deutschland mit Straßen ausreichend erschlossen
ist, während bei den Schienenwegen erhebliche Nachholbedarfe aufzuarbeiten sind. Die Bahn
ist das Verkehrsmittel, das sich am einfachsten und mit der höchsten Energieeffizient
elektrifizieren lässt. Sie ist das Rückgrat der Verkehrswende. Es braucht jedoch erhebliche
Anstrengungen, damit sie diese Rolle endlich übernehmen kann:
- Innerdeutschen und grenzüberschreitenden Schienenverkehr stärken: fehlende
Verbindungen im Schienennetz herstellen, Elektrifizierungslücken schließen,
Passagierrechte europaweit stärken, Nachtzugverbindungen ausbauen.
- Um auch bei der Bahn das fossile Zeitalter auslaufen zu lassen, sind bis zum Jahr 2030
mindestens 75 Prozent der Bahnstrecken zu elektrifizieren. Die verbleibenden Strecken
sind entweder ebenfalls zu elektrifizieren oder die Züge werden auf alternative
Antriebe umgestellt.
- Bundesweiten Deutschlandtakt einführen: garantierte Anschlüsse, dichter Takt,
Abstimmung Fern- und Nahverkehr.
- Regionalisierungsmittel erhöhen mit dem Ziel, die Fahrgastzahlen in Zügen zu
verdoppeln.
- Technische Möglichkeiten ausschöpfen zur intelligenten Steuerung des Schienenverkehrs
sowie zur Steigerung der Nutzung, bspw. Taktverdichtung.
- Bessere Harmonisierung und Verstärkung des internationalen Bahnverkehrs zur
Beseitigung technischer Hemmnisse und für verbesserte Verbindungen; damit einhergehend
Anschlussgarantien und grenzüberschreitender Verbraucherschutz.
- Erstellung eines Reaktivierungskonzeptes für ungenutzte und stillgelegte
Schienenstrecken inklusive der Chance, bereits entwidmete, aber notwendige Trassen
wieder zu ertüchtigen.
Den öffentlichen Personenverkehr stärken. Damit alle bezahlbar, verlässlich und
klimaschonend von A nach B kommen, muss der Öffentliche Personenverkehr besser ausgebaut und
die Angebote verbessert werden. Dazu braucht es:
- ein Förderprogramm „Mobilität im ländlichen Raum“ mit eindeutigen Kriterien zugunsten
des Ausbaus von vernetzten Mobilitäts- und Fahrzeugangeboten,
- die deutliche Erhöhung der Mittel für den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs,
um die Kapazitäten und das Preis-Leistungs-Verhältnis zu verbessern,
- einen Mobilpass, um aus einer Hand mit allen Verkehrsmitteln – Busse, Bahnen, Share-
Bikes und -Cars – in ganz Deutschland unterwegs sein zu können,
- eine Mobilitätsgarantie für alle Menschen in Deutschland: durch gezielte Förderung
strukturschwacher Regionen allen Menschen Zugang zu einem regelmäßigen und
verlässlichen Nahverkehrsangebot ermöglichen,
- die Förderung von bundesweit zehn Kommunen im Rahmen von Modellprojekten , die auf
einen umlagefinanzierten und kostenfreien ÖPNV umsteigen wollen, indem wir die
rechtlichen Hürden für Kommunen abbauen,
- das Nutzen der Digitalisierung, um weitere Kapazitätserhöhungen und Flexibilisierungen
im ÖPNV zu erreichen,
- ein Investitionsprogramm für Oberleitungs- und Schienenfahrzeuge in den Städten
zugunsten eines engmaschigen Nahverkehrsnetzes (Trams, Trolleybusse, Straßenbahnen),
- die Erstellung eines bundesweiten Mobilitätskonzeptes, das den Umweltverbund auch im
Umland stärkt, inklusive eines bundesweiten Rad- und Fußwegekonzepts in Zusammenarbeit
mit den Bundesländern zugunsten einer sicheren Rad- und Fußwegeinfrastruktur mit allen
notwendigen technischen Nebenanlagen wie Servicestationen oder Notrufe.
Vorrang für Rad- und Fußverkehr. Schwer zu glauben, aber wahr: Einen großen Teil ihrer
täglichen Wege legen die Menschen zu Fuß oder mit dem Rad zurück. Und vier von zehn
Autofahrten in der Stadt sind unter fünf Kilometer – Distanzen, die leicht mit dem Fahrrad
oder sogar zu Fuß zurückgelegt werden können. Dem Fuß- und Radverkehr wird bislang aber
meist nur so viel Platz zugestanden, dass der Auto- und Lastwagenverkehr ungehindert rollen
kann. Höchste Zeit, dass diese klimafreundlichsten Fortbewegungen endlich nicht mehr
behindert, sondern gefördert und sicher gestaltet werden. Dazu braucht es:
- eine gerechte Verteilung und mehr Raum für Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen in
den Städten und Gemeinden sowie neue Möglichkeiten des Parkraummanagements durch
Änderung des Straßenverkehrsrechts,
- Modellprojekte für autofreie Innenstädte und die Förderung von City-Maut-Zonen,
- gemeinsame Bund-Länder-Kommunen-Programme zur Förderung von Rad- und Fußverkehr,
- eine Erhöhung der Mittel: Die Finanzierung fahrrad- und fußgängerfreundlicher Kommunen
muss sich an 100 Euro pro Einwohner*in pro Jahr orientieren,
- eine Rad- und fußverkehrsfreundliche Überarbeitung des Straßenverkehrsrechts, um
Radfahren und zu Fuß gehen als gleichberechtigte Verkehrsarten zu fördern und deutlich
sicherer und bequemer zu machen. Außerdem müssen Bußgelder für verkehrsgefährdendes
und fuß- und radverkehrsbehinderndes Verhalten erhöht werden,
- das Nutzen der Digitalisierung, um Sicherheit und Vorfahrt für Rad- und Fußverkehr
umzusetzen.
Tempolimits. In erster Linie helfen Tempolimits, den Verkehr sicherer zu machen, und
Unfälle, Tote und Verletzte zu vermeiden. Aber sie tragen auch zu Lärm-, Umwelt- und zum
Klimaschutz bei. Sehr schnell umsetzbar sind:
- die Einführung eines allgemeines Sicherheitstempo von 130 km/h auf Autobahnen,
- die Einführung von Tempo 30 innerorts auf allen Straßen, indem Kommunen ermöglicht
wird, leichter darüber zu entscheiden,
- ein automatisiertes Verlangsamen vor besonderen Gefahrenzonen wie Kreuzungsbereichen,
Schulen oder Krankenhäusern,
- das Anschärfen des Bußgeldkatalogs für Falschparken und zu schnelles Fahren.
Emissionsfreie Mobilität voranbringen. Trotz Bahnausbaus und gut funktionierendem
Personennahverkehr wird in naher Zukunft das Auto weiterhin eine wichtige Rolle spielen –
insbesondere in ländlichen Räumen. Jetzt muss die Bundesregierung endlich die richtigen
politischen Rahmenbedingungen setzen, damit der Sprung in die Zukunft klimafreundlicher
Antriebe schnell und reibungslos gelingt und es neue Ideen für gemeinschaftliche
Nutzungskonzepte gibt:
- Spätestens ab 2030 sollen nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden.
- Die Förderung emissionsfreier Fahrzeuge soll durch eine Bonus-Malus-Regelung in der
Kfz-Steuer wirken, die kleine und energiearme Fahrzeuge belohnt und CO2-intensive
Fahrzeuge teurer macht, sowie durch Quoten für E-Autos. Diese Quoten sollen ab 2021
exponentiell ansteigen, damit bereits Mitte der 2020er Jahre drastisch weniger Autos
mit fossilem Verbrennungsmotor auf den Markt kommen.
- Die öffentliche Hand muss bei emissionsfreien Fahrzeugen mit gutem Beispiel vorangehen
und bspw. Dienstwagenflotten und Nutzfahrzeugparks schnell umstellen.
- Wir wollen den Ausbau und die Standardisierung der Ladeinfrastruktur für
Elektromobilität im öffentlichen und privaten Raum, die Entwicklung eines
flächendeckenden, engmaschigen öffentlichen Netzes von Ladestellen mit unkomplizierter
Handhabung und Abrechnung sowie mit transparenten Preisen, genauso wie den Abbau
bürokratischer Hürden für Ladestellen in Wohnhäusern.
- Wir wollen den Abbau von Subventionen für fossil betriebene Autos sowie steuerliche
Anreize für die Nutzung von Rad, Bus, Bahn und abgasarmer Autos statt die
Subventionierung schwerer Dienstwagen.
Flugverkehr vermeiden und die Subventionierung des Flugverkehrs beenden. Wir wollen nahezu
alle innerdeutschen Flüge und Kurzstreckenflüge ins benachbarte Ausland durch schnelle und
bezahlbare Alternativen mit der Bahn bis 2030 überflüssig machen. Dazu muss massiv in die
Schieneninfrastruktur und das Zugmaterial investiert und zugleich die Subventionierung des
Flugverkehrs beendet werden. Insgesamt muss der Flugverkehr klimafreundlicher gemacht
werden. Wir wollen:
- die Befreiung des Kerosins von der Energiesteuer beenden,
- die Mehrwertsteuer für alle Flugreisen einführen und eine Vervierfachung der Steuern
auf Flugreisen, solange Kerosin- und Mehrwertsteuer nicht im vollen Umfang erhoben
werden, dabei soll es eine Differenzierung nach Streckenlänge, Klasse und
Lärmbelastung geben sowie die Ausweitung auf Frachtflüge,
- die Subventionierung von Flughäfen stoppen,
- keine weiteren Start- und Landebahnen mehr genehmigen, sondern entsprechend des
wegfallenden Inlandsverkehrs reduzieren,
- die Start- und Landegebühren für besonders klimazerstörende, schadstoffreiche und
laute Flieger erhöhen,
- eine Initiative zur Festlegung ambitionierter CO2-Grenzwerte für Flugzeuge
international vorantreiben,
- die Forschung und Förderung von emissionsneutralen Flugzeugen und Kraftstoffen
fördern,
- Flüge mit Start und Ziel außerhalb der EU schnellstmöglich wieder in den Europäischen
Emissionshandel einbeziehen – ohne kostenlose Zuteilung von Zertifikaten,
- europäische und bilaterale Abkommen zur Erhebung einer Kerosinsteuer.
Den Güterverkehr dekarbonisieren. Der Güterverkehr nimmt immer weiter zu. Gleichzeitig
wächst der Anteil des Gütertransports auf der Straße, nicht aber auf der Schiene. Das wollen
wir umdrehen. Eine klimafreundliche Verkehrspolitik muss:
- die Lkw-Maut reformieren: Staffelung der Maut nach CO2-Ausstoß sowie Ausdehnung der
Lkw-Maut auf alle Straßen und alle Lkw über 3,5 Tonnen,
- schnell Güter von der Straße auf die Schiene bringen: dauerhafte Halbierung der
Trassenpreise, Ausbau der Schieneninfrastruktur,
- den Güterverkehr reduzieren durch regionale Wirtschaftskreisläufe und Verlagerung des
Restverkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsträger,
- den gesamten Güterverkehr – auf Straße, Schiene, Wasser und in der Luft – auf
erneuerbare Energien umstellen; dazu bedarf es umfangreicher Forschungs- und
Markteinführungsförderung,
- es mehr Pilotprojekte für oberleitungsgebundene E-Lkw geben. So wollen wir
klimafreundliche Alternativen im Güterverkehr stärken.
Mit der Binnen- und Seeschifffahrt die Klimaziele einhalten. Wir wollen:
- die Koordinierung und Konzeptionierung der Schifffahrt und der Häfen endlich in eine
verantwortliche zentrale Aufgabe des Bundes überführen, um die Klimaziele und die
Kapazitätsauslastung aller Häfen einzuhalten,
- klimafreundliche Antriebe zunächst auf EU-Ebene zum Standard machen,
- die Kreuzschifffahrt Auflagen und Bedingungen unterwerfen,
- mehr Güter von der Straße auf das Binnenschiff bringen, in dem wir zügig marode
Wasserstraßen umweltverträglich sanieren und ihren Erhalt und Modernisierung
langfristig sichern,
- schnell eine flächendeckende und verpflichtende Landstromversorgung in Häfen aufbauen,
- die Flottenerneuerung und Modernisierung der Binnenschifffahrt unterstützen, um
schnell zu emissionsfreien Antrieben zu kommen,
- den Seeschiffsverkehr in den EU-Emissionshandel einbeziehen,
- verbindliche Emissionsminderungsziele für die Seeschifffahrt – möglichst global, in
einem ersten Schritt jedoch von und zu Häfen in der Europäischen Union. Diese
Forderung hat Luxemburg bereits in den Rat der Mitgliedsstaaten eingebracht.
Ausbildungs- und Forschungsoffensive. Wir wollen:
- Die Forschung in Vernetzung und Digitalisierung von Verkehr darf nicht länger
vernachlässigt werden. Für neue Antriebe sowohl für Kraftfahrzeuge, für Schiffe und
vor allem für Flugzeuge brauchen wir innovativen Forschungsgeist. Deutschland hat die
Möglichkeit, zum globalen Spitzenreiter in diesem Sektor zu werden. Auch die Forschung
in die Vermeidung von Ultrafeinstaub muss höhere Priorität genießen.
- Die Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, dass die Ausbildung von Verkehrs- und
Stadtplaner*innen der klimafreundlichen Mobilität Rechnung trägt. Vorbilder sind hier
unsere europäischen Nachbarn Niederlande und Dänemark.
6d. Zukunftsfähige Industriepolitik
Auch die Industrie muss einen deutlich stärkeren Beitrag zum Klimaschutz leisten als bisher.
Die CO2-Emissionen sind gerade hier in den vergangenen Jahren nicht gesunken – trotz
europäischem Emissionshandel. Digitalisierung und andere neue Technologien wie der Einsatz
Künstlicher Intelligenz können helfen, ökologische Effizienz zu heben und die für eine
ökologische Wende der Wirtschaft dringend benötigten Innovationen auszulösen. Gleichzeitig
birgt gerade der immense Energiehunger der digitalen Transformation das Risiko, zum
Brandbeschleuniger der Klimakrise zu werden. Deshalb braucht es verbindliche
Energiestandards für Datenzentren, zum Beispiel über einen Top-Runner-Ansatz.
Die wichtigsten industriepolitischen Rahmenbedingungen und innovationspolitischen
Förderinstrumente sind vor diesem Hintergrund:
- Investitionen in CO2-freie Industrieprozesse tätigen: Stärkung des Emissionshandels,
bessere Abschreibungsmöglichkeiten, Fördergelder für Modellprojekte, gezielte
Forschungsförderung,
- erneuerbare Energien zur Eigennutzung günstiger machen: Verlängerung der
entsprechenden Regelungen im Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz,
- Anreize setzen: die bestehenden Regeln zum Schutz der Wettbewerbsfähigkeit der
energieintensiven Industrie zielgenauer ausrichten und Grenzausgleichsmaßnahmen
einführen, damit die Industrie vor möglichen Nachteilen im internationalen Wettbewerb
mit Staaten ohne vergleichbare Klimaschutzpolitik geschützt bleibt. Gleichzeitig soll
damit ein stärkerer Anreiz für die Industrie gegeben werden, in CO2-freie Technologien
zu investieren und CO2-sparsame Werkstoffe einzusetzen,
- Investitionen in CO2-freie Industrieprozesse ermöglichen: insbesondere in den
Bereichen Stahl, Chemie und Zement lohnen sich Investitionen in CO2-freie
Industrieprozesse meist erst bei sehr hohen CO2-Preisen, die das europäische
Emissionshandelssystem derzeit noch nicht abbildet. Damit sich solche Investitionen
für Unternehmen schon heute rechnen, wollen wir den Unternehmen die Differenz zwischen
dem aktuellen CO2-Preis und den tatsächlichen CO2-Vermeidungskosten erstatten, die
ihnen durch die Investitionen in neue Verfahren und Technologien entstehen („Carbon
Contract for Difference“),
- Klimafreundliche Leitmärkte schaffen: Umstellung der gesamten öffentlichen Beschaffung
auf klimafreundliche Produkte, Produktionsverfahren, Fahrzeuge, Immobilien; Einsatz
recycelter Werkstoffe; europaweite klimaschützende Produktstandards einführen,
- Quoten festlegen: Um den Umbau der energieintensiven Unternehmen planungssicherer zu
gestalten und perspektivisch finanzielle Förderung zu reduzieren, unterstützen wir die
Vorschläge auf europäischer Ebene im Zuge des angekündigten Klimapaketes, ansteigende
Quoten für klimaneutralen Stahl, Kunststoffe oder Zement in Autos oder auch Windrädern
und Gebäuden festzulegen,
- die zentralen innovationspolitischen Förderinstrumente gezielt auf die Bekämpfung der
Klimakrise ausrichten: Explizit klimafreundliche Innovationen werden bevorzugt
gefördert. Dies betrifft etwa die Startup-Förderung, die Forschungs- und
Entwicklungsförderung, die wir sozial-ökologisch ausrichten möchten, die Hightech-
Strategie, die KI-Strategie oder die neue Agentur für Sprunginnovationen,
- Systeminnovationen für eine klimaneutrale Wirtschaft identifizieren und fördern, zum
Beispiel durch die Ausdehnung von Förderformaten wie den Kopernikus-Projekten (z.B.
Power-to-Gas) auf weitere Politikfelder wie Landwirtschaft und Verkehr,
- die Vorgaben auf europäischer Ebene zur Kreislaufwirtschaft ausbauen: Durch eine
verstärkte Kreislaufwirtschaft können die CO2-Emissionen der vier wichtigsten
Industriesektoren (Kunststoff, Stahl, Aluminium und Zement) in Europa um die Hälfte
reduziert werden,
- klimaneutrale Kreislaufwirtschaft verankern: u.a. durch ein gesetzliches
Abfallvermeidungsziel für Verpackungsmüll von 110 Kilogramm pro Kopf bis 2030, durch
Ressourcenschonung und Recyclingfähigkeit von Produkten in der Ökodesign-Richtlinie,
durch die Einrichtung eines Forschungsinstituts zur Förderung der Kreislaufwirtschaft,
durch zunehmende Verpflichtung und Förderung zur Wiedereinspeisung von Plastik in die
Kunststoffproduktion.
6e. Landwirtschaft klimafreundlich und klimafest machen
Kein anderer Bereich ist so unmittelbar auf den Erhalt unserer Lebensgrundlagen angewiesen
wie die Land- und Forstwirtschaft. Dieser Sommer hat erneut deutlich gemacht: Die
Landwirtschaft ist schon heute sowohl Leidtragende als auch Mitverursacherin der Klimakrise
– und für uns auch ein Teil der Lösung. Unser Ziel ist ein klimaneutrales
Landwirtschaftssystem, in dem nicht nur klimaschädliche Gase reduziert werden, sondern es zu
einer langfristigen Kohlenstoffbindung in Boden und Bäumen kommt.
Die Landwirtschaft produziert heute größtenteils nach Bedingungen, die in eine Sackgasse für
Bäuerinnen und Bauern, für Umwelt und Klima führen. Das Motto ist „Wachse oder weiche!“,
produziere also intensiver und billiger. Wir müssen dieses System grundsätzlich ändern, so
dass ein umwelt-, tier- und klimafreundliches Wirtschaften sich eher lohnt als
industrialisierte Landwirtschaft. Die Agrarpolitik der Bundesregierung wie auch die EU-
Agrarpolitik tun aber genau das nicht und leisten so ihren Beitrag, die Klimakrise
anzuheizen. Immer mehr Landwirt*innen erkennen, dass dieser Weg in die Sackgasse führt.
Gemeinsam mit den Bäuer*innen wollen wir zu einer standortangepassten Tierhaltung kommen.
Auch beim Ackerbau ist spätestens seit der Dürre 2018 klar, dass wir eine Strategieänderung
brauchen. Wir wollen, dass Böden so bewirtschaftet werden, dass sie CO2 speichern und
Wetterextreme abpuffern. Und wir wollen darauf hinwirken, dass widerstandsfähigere Kulturen
und Sorten angebaut werden, um den Extremsommern – die in der Zukunft Normalität sein
könnten – besser trotzen zu können.
Unsere Ernährung trägt zu einem Fünftel zu unserer schlechten Klimabilanz bei. Vor allem der
übermäßige Fleischkonsum ist hierfür verantwortlich. Global betrachtet verursacht die
Erzeugung tierischer Lebensmittel mehr Klimagase als der gesamte Verkehrsbereich. Heute
wandert ein Drittel der weltweiten Getreideernte in die Futtertröge. Klar ist: Die
Produktion und der Konsum von Fleisch müssen sinken, Dumpingpreise der Vergangenheit
angehören.
Maßnahmen für eine klimagerechte Landwirtschafts- und Ernährungspolitik:
- Radikaler Umbau der EU-Agrarförderung (GAP) und Qualifizierung der Gelder der
Europäischen Agrarpolitik: Öffentliche Gelder sollen qualifiziert und spätestens ab
2027 nur in öffentliche Leistung investiert werden. Gefördert werden soll dann nur
noch eine klima- und tiergerechte, arten- und umweltschützende Landwirtschaft.
Deutschland hat über den Europäischen Rat Einfluss und Möglichkeit, diesen
Systemwechsel in der EU-Agrarpolitik einzufordern. Wir müssen alle bestehenden und
sich durch die GAP-Reform ergebenden Möglichkeiten nutzen, um eine klimagerechtere
Landwirtschaft voranzubringen.
- Ausweitung des Ökolandbaus bis 2025 auf mindestens 25 Prozent der Fläche: Dafür wollen
wir in den nächsten sieben Jahren eine Milliarde Euro Bundesmittel in den Ökolandbau
investieren.
- Umbau der industriellen Tierhaltung in tiergerechte Haltung: Die Landwirtschaft soll
ihre Tierhaltung art- und klimagerecht umbauen. Die Bestände sollen dabei reduziert
werden, der Tierbestand soll flächengebunden sein und maximal bei zwei
Großvieheinheiten pro Hektar liegen, perspektivisch noch darunter. Im Gegenzug soll es
eine Förderung für den Stallumbau geben. Damit reduzieren wir Methan- und Lachgas-
Emissionen und schützen Regenwälder vor Abholzung für europäischen Fleischkonsum und -
export. Diese Maßnahmen werden dazu führen, dass Fleisch teurer wird.
- Auflegen eines Brachflächenprogramms als Kurzfristmaßnahme: Landwirtinnen und
Landwirte, die ihren tierhaltenden Betrieb aufgeben wollen, sollen diesen an einen
staatlichen Fonds verkaufen können, der die Flächen in eine extensive Nutzung oder
Brache überführt.
- Verbot von Importen von Futtermitteln und Palmöl von gerodeten Flächen bzw. von
Flächen, für die natürliche Ökosysteme zerstört wurden durch gesetzliche Regelungen im
Rahmen des Waldaktionsplans auf EU-Ebene.
- Anpassung des deutschen Düngerechts an die Anforderungen der EU-Kommission für Klima-,
Natur- und Wasserschutz: Wir wollen vor allem für ohnehin belastete Gebiete neben
einem verbesserten Düngemanagement die Menge an Düngemitteln, die ausgebracht werden
darf, deutlich begrenzen. Wenn das Ordnungsrecht nicht zeitnah Erfolge erzielt, soll
ab 2022 eine Stickstoffabgabe erhoben werden.
- Fördern von Permakultur: Sie bietet höchste Produktivität auf minimalem Raum und ist
gut für Böden und Humus.
- Reduzierung der Fleischproduktion: Wir wollen über die Konsequenzen des Fleischkonsums
aufklären und setzen uns für mehr Selbstverständlichkeit von vegetarischer und veganer
Ernährung ein. Darum fördern wir ein größeres Angebot an vegetarischen und veganen
Speisen in Schulen, Mensen und Kantinen.
- Entwickeln von Alternativen zu Fleisch: Fleischersatz aus pflanzlichen Zutaten sowie
künstlich hergestelltes Fleisch werden zukünftig eine größere Rolle spielen. Die
Erforschung solcher Alternativen halten wir für richtig und wichtig, denn sie eröffnen
eine Perspektive, tierisches Eiweiß ohne Tierleid, Nitrat und mit deutlich geringerer
Klimabelastung herzustellen. Auch wenn sie noch nicht marktfähig sind, unterstützen
wir sie. Dies ist zudem ein Weg, um die Tierbestände zu reduzieren und die
Landwirtschaft zu extensiveren. Er sollte weiter gegangen werden.
- Förderung regionaler Produktion: Bei der Art und Weise, wie wir uns ernähren, setzen
wir auf regionale Versorgungsstrukturen und Wertschöpfungsketten in der Stadt, auf dem
Land und in der Gemeinschaftsverpflegung. Zugleich entwickeln wir nachhaltige
Ernährungsstrategien, worüber auch der Ausbau des Ökolandbaus unterstützt wird.
- Eindämmen von Lebensmittelverschwendung: Bis 2030 muss die Lebensmittelverschwendung
halbiert werden – das ist eins der internationalen Nachhaltigkeitsziele. Um das zu
erreichen, brauchen wir verbindliche Reduktionsziele für alle Stufen der
Wertschöpfungskette und einen gesetzlichen Wegwerfstopp für Supermärkte und
Lebensmittelproduzent*innen. Für lang haltbare Lebensmittel wie Nudeln oder
Hülsenfrüchte wollen wir das Mindesthaltbarkeitsdatum aufheben. Handels- oder EU-
Normen, die dazu führen, dass zu kleines oder unförmiges Obst und Gemüse gar nicht
erst die Supermarktregale erreicht, wollen wir abschaffen, Lebensmittelspenden
erleichtern und Containern straffrei machen.
Wälder schützen...
Wir brauchen Wälder, die der Klimakrise besser trotzen und dabei aktiven Klimaschutz
betreiben. Sie sind unverzichtbar für den Klimaschutz. Der Aufbau eines naturnahen, gesunden
Waldes kann viele Millionen Tonnen CO2 binden, bei nachhaltiger Nutzung des Holzes auch
dauerhaft. Aktuell ist der Wald von der Klimakrise bedroht, das liegt auch an den Fehlern
der Vergangenheit. Statt auf schnell wachsende Nadelholzplantagen zu setzen, brauchen wir
jetzt naturnahe Laubmischwälder mit standortheimischen Baumarten. Durch den Dürresommer 2018
und die Hitzeperioden dieses Jahres droht jetzt ein neues Waldsterben. Die Waldpolitik muss
daher auf allen Ebenen umsteuern:
- Umwandlung von Holzplantagen in naturnahe Wälder und ökologische Bewirtschaftung
gesetzlich festlegen und fördern; alte Wälder dauerhaft schützen und mit einem
Moratorium den Einschlag alter Bäume stoppen,
- Waldzukunftsfonds von einer Milliarde Euro für die nächsten Jahre als erste
Finanzspritze für den kranken Wald einführen; Förderung immer nach dem Prinzip
„öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen“ ausgeben,
- Wiederbewaldung mit standortheimischen Baumarten auf zerstörten Waldflächen, in Auen
und Niederungen fördern,
- fünf Prozent, perspektivisch zehn Prozent Urwaldflächen bundesweit festschreiben, in
öffentlichen Wäldern bereits heute zehn Prozent Urwaldfläche verbindlich machen,
- Holzverbrauch senken: Die wertvolle Ressource Holz muss effizient und nachhaltig
genutzt werden. Dafür wollen wir die Kaskadennutzung fördern, in der Holznutzung für
langlebige Produkte wie für den Bau und für Möbel an erster Stelle steht. Erst ganz am
Ende einer Nutzungskette sollten kurzlebige Holz- und Papierprodukte entstehen oder
Holz als Energieträger verbrannt werden. Die Nutzung von landbasierter Biomasse für
energetische Zwecke darf nicht weiter ausgebaut werden. Die direkte Verbrennung von
Frisch-Holz muss zurückgehen,
- Kohlenstoffsenke des Waldes durch Ausweisung von Naturwäldern verbunden mit einer
Reduktion des jährlichen Holzeinschlags und der Förderung von Waldflächen mit
natürlicher Waldentwicklung erhalten, um Anpassungsprozesse an die Klimakrise zu
ermöglichen,
- die Nutzung von landbasierter Biomasse für energetische Zwecke nicht weiter ausbauen,
die direkte Verbrennung von Frisch-Holz verringern, stattdessen durch Kaskadennutzung
aus weniger Holz mehr machen.
...und Moore auch.
Entwässerte Moore setzen Klimagase frei. Besonders landwirtschaftlich genutzte Moorböden,
die zwar nur sieben Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands ausmachen,
emittieren 37 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft. Moorschutz
würde daher auf die Fläche gerechnet überproportional hohe Einsparungen in den
Treibhausgasen bedeuten. Daher ist Moorschutz wichtig und notwendig.
- Moore renaturieren: Die schnelle Wiedervernässung von Mooren ist von
überproportionalem Nutzen zur Einsparung von Treibhausgasen. Deshalb starten wir ein
gemeinsames großflächig wirksames Moorrenaturierungsprogramm von Bund und Ländern und
stoppen den Umbruch, die Entwässerung und die Zahlung von Agrarsubventionen für die
Bewirtschaftung entwässerter Moorböden ab 2021.
- 50 Prozent des entwässerten Waldes sollen bis 2030 wiedervernässt werden.
- Für alle bundeseigenen Moorflächen muss die Entwässerung bis 2030 gestoppt werden.
- Paludikultur, also die landwirtschaftliche Nutzung nasser Hoch- und Niedermoore,
wollen wir als Landwirtschaft anerkennen und in die Agrarförderung aufnehmen. Dazu
starten wir ein Investitionsprogramm und eine Klimaschutz-Flächenprämie.
- Aus der Gewinnung von Torf wollen wir aussteigen und Torf durch erneuerbare
Alternativen ersetzen.
6f. Green Finance
Der Finanzsektor ist entscheidend für mehr Klimaschutz. Mit einer breit angelegten Strategie
sorgen wir dafür, dass Anlagekapital in Zukunft Klimaschutz statt Klimazerstörung
finanziert:
- Alle Akteure – Banken, Versicherungsunternehmen und Rating-Agenturen – müssen Risiken,
die sich aus nicht nachhaltigen Investitionen ergeben, konsequent berücksichtigen. So
können Unternehmen, die Menschenrechte verletzen oder den Klimazielen von Paris
zuwider arbeiten, von den Anleger*innen auf den Finanzmärkten abgestraft werden. Das
heißt für sie höhere Zinsen und schlechterer Zugang zu Kapital.
Nachhaltigkeitskennziffern müssen in der Berichterstattung regelmäßig offengelegt
werden.
- Klimarisiken, die in Konzern- und Bankbilanzen schlummern, sollten bei der Bewertung
durch Rating-Agenturen und die Finanzmarktaufsicht berücksichtigt werden, zum Beispiel
durch Klima-Stresstests für Banken und Versicherungen oder durch Aufschläge bei
Eigenkapitalanforderungen zu Finanzierungen, die hohe Klima- und Umweltrisiken bergen.
- Damit Kleinanleger*innen von der grünen Finanzwende profitieren und ihr Geld mit gutem
Gewissen anlegen können, brauchen wir ein EU-Label für nachhaltige Finanzprodukte mit
starken ökologischen und sozialen Standards. Anhand eines einfachen
Klassifizierungssystems und klarer Standards für Grüne Anleihen können Anleger*innen
sich einfach über den Grad der Nachhaltigkeit ihrer Geldanlage informieren. Auch
werden sie bei jedem Beratungsgespräch verpflichtend gefragt, wie
Nachhaltigkeitskriterien in ihren Anlagen berücksichtigt werden sollen.
- Die Europäische Zentralbank muss ebenfalls ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Als
Sicherheiten sollte sie nur noch Vermögenswerte akzeptieren, die mit unseren
Klimaschutzzielen konform sind.
- Auch für die öffentliche Hand brauchen wir endlich neue Anlagerichtlinien, denn die
Pensionen für die Beamten oder auch für die Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit
müssen nach Klimaschutz- und Nachhaltigkeitskriterien angelegt werden. Der Bund kann
dem Markt für nachhaltige Geldanlagen wichtige Impulse geben. Dafür muss er seine
Investitionen in Kohle-, Öl- und Gas-Konzerne, die Geschäfte auf Kosten des Klimas
machen, beenden (Divestment).
7. Klimaschutz in Bildung und Wissenschaft
Wissenschaftliche Erkenntnisse sind für uns Grundlage politischer Entscheidungen. Sie zeigen
Lösungsansätze und Entscheidungsalternativen für große gesellschaftliche Probleme, wie zum
Beispiel den menschengemachten Klimawandel, auf. Aktuelle Studien, wie zum Beispiel zum
Schmelzen der Permafrostböden, zeigen, dass die Klimakrise bereits weiter fortgeschritten
ist als bisher angenommen. Der notwendige Weg, die globale Erhitzung zu begrenzen, erfordert
gesellschaftliche Auseinandersetzung, deren wissenschaftliche Begleitung sowie eine „Bildung
für nachhaltige Entwicklung" (BNE).
Die Pariser Klimaziele sowie wissenschaftliche Erkenntnisse umzusetzen, bedeutet auch
negative Emissionen – also das Rückholen von Kohlendioxid aus der Atmosphäre – bis Ende des
Jahrhunderts in erheblichem Umfang zu erreichen. Das kann zumindest teilweise gelingen,
indem CO2 in Wäldern oder Böden dauerhaft gebunden wird. Wir wollen deshalb Forschung und
Erprobung von Technologien für negative Emissionen unterstützen.
Gleichzeitig entbindet die Dringlichkeit der ökologischen Krisen uns nicht davon, genau
hinzuschauen und mögliche Risiken und Konsequenzen im Blick zu haben, wie schon bei der
Atomenergie, deren Gefahren und lange Strahlung jedes verantwortbare Maß menschlicher
Verantwortung überschreiten, oder bei der Freisetzung von gentechnisch veränderten
Organismen. Das gilt auch für technische Maßnahmen des „Geoengineerings“, mit denen in die
biogeochemischen Prozesse der Erde eingegriffen werden soll, etwa indem Meere gedüngt oder
Schwefelaerosole in der Stratosphäre ausgebracht werden, um die Wolken aufzuhellen und die
Sonneneinstrahlung zu reflektieren. Dem übergeordneten Ziel einer nachhaltigen Politik
entspricht das nicht. Wir werden alle Optionen am Vorsorgeprinzip und dem Prinzip der
Umkehrbarkeit messen: Was kurzfristig hilfreich erscheint, ist untauglich, wenn es in der
Folge neue Probleme schafft. Was Folgen mit sich bringt, die nicht wieder rückgängig gemacht
werden können, ist nicht der richtige Weg, denn er nimmt zukünftigen Generationen die
Freiheit. Daraus leiten wir die folgenden Forderungen ab:
- Klimagerechtigkeit muss in allen Bildungsinstitutionen (Kitas, Schulen,
Volkshochschulen, Hochschulen etc.) und non-formalen Bildungsorten auf allen Ebenen
besser verankert werden. Ausgehend von der zeitlich bedingten Notwendigkeit, muss
Bildung für nachhaltige Entwicklung im gesamten Bildungs- und Wissenschaftssystem
maßgeblich das Grundverständnis, die Strukturen, Inhalte und Ziele bestimmen.
- Für ein noch besseres Verständnis der ökologischen Herausforderungen braucht es unter
anderem Klima-, Energie- und Akzeptanzforschung, Forschung zur Zukunft der Arbeit und
(Agrar-)Wirtschaft, Überwindung der „Wissens-Verhaltens-Lücke" und Innovationen in der
Klimafolgenanpassung.
- Wir brauchen insgesamt mehr Vielfalt in allen Wissenschaftsbereichen. Dabei ist es für
uns zentral, dass die Wissenschaft frei und unabhängig von Verwertungsinteressen
bleibt. So müssen zum Beispiel einige Bundeszuwendungen verstetigt werden.
Anderenfalls werden unvorhersehbare, kreative Ideen und interessanter Dialog verloren
gehen.
- Wir wollen bestehende Grenzen zwischen den Wissenschaftsfeldern aufbrechen und trans-
und interdisziplinäre Zusammenarbeit unterstützen, auch in Zusammenarbeit mit der
Zivilgesellschaft. Deshalb setzen wir uns auch dafür ein, Forschung mit Anwohner*innen
sowie lokalen Initiativen in Reallaboren zu ermöglichen.
- Öffentlich finanzierte Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben schon immer einen
Vorbildcharakter gehabt, was nachhaltige Entwicklung betrifft. Sie müssen durch
klimagerechte Maßnahmen insbesondere bei Mobilität, eigenem Energiekonsum, Gebäude und
Beschaffung bis spätestens 2030 klimaneutral sein.
8. Soziale Maßnahmen für gerechten Klimaschutz
Unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden Menschen mit geringen Einkommen mehr als
Menschen mit hohen. Daher ist Klimapolitik immer auch Sozialpolitik. Zugleich ist klar, dass
Preiserhöhungen sozial ausgewogen sein müssen. Wir wollen den Klimaschutz als Gesellschaft
gemeinsam und fair miteinander gestalten. Die notwendige Transformation der Wirtschaft kann
nur gelingen, wenn sie ökologisch und gleichzeitig sozial ist. Die ökologische Frage ist
auch immer eine soziale Frage.
Wir stellen sicher, dass die Menschen von ökologisch-sozialer Modernisierung profitieren:
- Aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanzieren wir ein Energiegeld von zunächst 100
Euro, das jede Bürgerin und jeder Bürger erhält. Da Menschen mit niedrigem Einkommen
in der Regel weniger CO2 produzieren, profitieren sie überdurchschnittlich davon.
- Kaufpreisprämien müssen in niedrigeren Preissegmenten höher sein als in teureren
Preissegmenten.
- Wir wollen Energiearmut in Deutschland bekämpfen und Stromsperren verhindern, von
denen besonders häufig Menschen mit geringem Einkommen oder in schwierigen Lebenslagen
betroffen sind.
- Bei der Gebäudesanierung wollen wir ein Klimawohngeld einführen und so für Mieterinnen
und Mieter mit kleinem Einkommen warmmietneutrale Modernisierungen ermöglichen.
- Gute Bezahlung und gerechte Entlohnung bilden mit die Basis für ökologische
Kaufentscheidungen. Wir wollen das Tarifvertragssystem stärken, den Mindestlohn
erhöhen, Wege aus den Minijobs und dem Niedriglohnsektor ebnen und eine bessere
Bezahlung der sozialen Berufe durchsetzen.
- Der Klimaschutz wird in zahlreichen Branchen zu einem Strukturwandel führen. Dabei
wollen wir die Beschäftigten unterstützen. Weiterbildung und Qualifizierung sind dabei
entscheidend. Wir wollen ein Recht auf Weiterbildung einführen, die Beratung vor Ort
verbessern und vernetzen, eine sozial gerechte Weiterbildungsförderung schaffen, die
Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung weiterentwickeln und besonders
betroffene Branchen zielgenau unterstützen.
- Um Beschäftigte zu unterstützen, die aufgrund eines klimaschutzbedingten
technologischen Wandels absehbar neue Qualifikationen benötigen, schlagen wir ein
Klimaqualifizierungsgeld vor. Dies kommt insbesondere solchen Unternehmen zugute, die
auf Grund ihrer Größe und ihres Umsatzes nicht ohne weiteres einen eigenen
Qualifizierungsfonds einrichten können. Voraussetzung für den Bezug des
Klimaqualifizierungsgeldes ist ein gemeinsam zwischen den Betriebspartnern erstellter
Business- und Qualifizierungsplan, der klar regelt, welche Maßnahmen für den
Klimaschutz getroffen und welche Qualifikationen durch die Beschäftigten erworben
werden müssen.
- Für Regionen, die besonders von der Transformation betroffen sind, braucht es gezielte
Hilfe. Daher unterstützen wir den „Just Transition Fund“ auf EU-Ebene und wollen die
beihilferechtlichen Vorgaben in Sinne gerechter Transformation weiter entwickeln.
- Um soziale Härten im Zuge des Kohleausstieges zu vermeiden, müssen im
Kohleausstiegsgesetz bzw. im Strukturstärkungsgesetz arbeitsmarkt- und
qualifizierungspolitische Maßnahmen sowohl für die direkt als auch für die in der
Zuliefererindustrie indirekt vom Braunkohleausstieg betroffenen Beschäftigten
enthalten und mit entsprechenden Finanzmitteln hinterlegt sein. Zugleich müssen die
Vorbereitungen zur nachhaltigen sozialen Absicherung älterer Beschäftigter,
insbesondere in Form des Anpassungsgeldes, gerade auch im Haushalt unverzüglich
eingeleitet werden.
- Wir müssen sicherstellen, dass Menschen nicht zum Arbeiten verpflichtet werden, wenn
sie durch extreme Hitze ihre Gesundheit und ihr Leben gefährden. Deswegen wollen wir
für hitzebedingte Arbeitsausfälle ein Hitzegeld einführen, welches den Beschäftigten
60 Prozent ihres Nettogehaltes garantiert.
- Alle Menschen sollen Zugang zu bezahlbarer Mobilität haben. Über Sozialtickets und
unseren Mobilpass sorgen wir dafür, dass Bahnfahren und ÖPNV gerade für Menschen mit
niedrigen Einkommen bezahlbar sind.
- Wir wollen die Stromkostenpauschale aus dem Hartz-IV-Regelsatz herauslösen und
jährlich dynamisieren, sodass Kostensteigerungen beim Strompreis nicht zu einer
Unterdeckung des Regelsatzes führen. Weitere Kostensteigerungen, die sich aus dem
Klimaschutz ergeben, müssen in die Anpassung der Sätze miteinbezogen werden. Menschen,
die keine weitere Belastung schultern können, dürfen auch nicht stärker belastet
werden.
9. Anpassung an das Unvermeidbare
Anpassung ist keine Alternative zur Minderung von Treibhausgasen. Jedes Zehntel Grad
Erderwärmung macht einen Unterschied, wie heftig die Auswirkungen der Klimakrise in den
nächsten Jahrzehnten sein werden. Daher kommt es auch auf jede eingesparte Tonne CO2 an.
Doch auch bei einer Begrenzung der globalen Erhitzung auf deutlich unter 2 Grad, selbst bei
1,5 Grad werden die Auswirkungen der Klimakrise deutlich spürbar sein. Eine Anpassung daran
ist unvermeidlich. Die Zunahme der Extremwetterereignisse wie Dürren oder die
Extremniederschläge der vergangenen Jahre haben gezeigt, worauf wir uns einstellen müssen.
Zur Abmilderung der Auswirkungen der Klimakrise und zur Bewältigung des Unvermeidbaren
braucht Deutschland einen Aktionsplan, der Klimaschutz und Klimaanpassung miteinander
verbindet. Damit werden Menschen, Städte, Umwelt und Natur widerstandsfähiger gegen die
Folgen der Klimakrise gemacht und können einen größeren Beitrag zur Minimierung der
Klimakrise leisten. Im Zentrum dabei steht für uns ein nationaler Klimafolgenanpassungsfonds
in Höhe von zwei Milliarden Euro, mit denen wir die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise
begrenzen wollen. Folgende Schritte sind aus unserer Sicht schon jetzt unerlässlich:
- Beim Städte- und Wohnungsbau müssen wir für Hitzeschutz sorgen. Schon heute liegen die
Temperaturen in Großstädten wie Köln, Stuttgart oder Berlin im Sommer teilweise zehn
Grad über denen des Umlandes. Menschen können nächtelang nicht schlafen und arbeiten
in klimatisierten Räumen. Wir brauchen einen Städte- und Wohnungsbau, der die
Entwicklungen der Klimakrise berücksichtigt. Statt Betonwüsten braucht es mehr Bäume,
Wasser- und Grünflächen sowie Frischluftschneisen in unseren Städten, denn sie wirken
wie Klimaanlagen. Mit finanziellen Mitteln müssen Projekte für mehr Stadt- und
Fassadenbegrünung, Schattenflächen, Häuserdämmung sowie Kühlung durch Kältespeicher
und erneuerbar betriebene Wärmepumpen in den Wohnungen, aber auch hellere Fassaden und
hellerer Straßenbelag gefördert werden. Das ist gut für die Gesundheit der Menschen,
die Luft und das Klima.
- Wir wollen Betroffene entschädigen. Derzeit sind nur 40 Prozent der Häuser in
Deutschland gegen Elementarschäden versichert und gerade in den von Hochwasser
gefährdeten Gebieten werden Versicherungen gar nicht mehr angeboten oder sind kaum
finanzierbar. Neben angemessenen Versicherungslösungen für die Betroffenen ist ein
zusätzlicher Fonds für unbürokratische und zügige Entschädigungszahlungen aufzulegen
für Menschen, deren Existenz bedroht ist. Zudem sollen regionale Landkarten erstellt
werden, auf denen absehbare Gefährdungslagen kartiert sind. Ausweisungen von
Neubaugebieten in Überschwemmungsgebieten wollen wir einschränken.
- Wir wollen den Gesundheitsschutz erhöhen. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts ist
die Zahl von Todesfällen aufgrund von Herzkrankheiten während der Hitzewellen deutlich
angestiegen. Besonders betroffen sind Säuglinge, Kleinkinder und ältere Menschen. Das
Bundesgesundheitsministerium rechnet bis zum Ende des Jahrhunderts mit einer um den
Faktor drei bis fünf erhöhten Todesrate durch Hitzewellen. Hinzu kommen Folgeprobleme
wie eine massive Zunahme von Allergien, da sich etwa die Pollenflugsaison in den
vergangenen 30 Jahren bereits um zehn bis zwölf Tage verlängert hat. Für Warnsysteme,
bessere Behandlungsmöglichkeiten von klimabedingten Krankheiten sowie Hitze-
Aktionspläne muss Geld bereitgestellt werden. Die Aktionspläne sollten eine
koordinierte Kommunikation von Tipps und Verhaltensweisen für die Bevölkerung bei
Extremwetterereignissen beinhalten. Über eine bundesweite Beratungstelefonnummer
sollen Informationen zur Vermeidung hitzebedingter Gesundheitsschäden abgerufen werden
können.
- Wir wollen einen bundesweiten Hitzeaktionsplan verabschieden. Damit schützen wir die
Bevölkerung vor hitzebedingten Gesundheitsschäden.
- Wir wollen die Landwirtschaft anpassen und die Forschung für robuste Pflanzen
intensivieren, damit Landwirt*innen die Herausforderungen der Klimakrise meistern
können. Entschädigungen sowie Förderprogramme für technische Lösungen bekämpfen nur
die Symptome, sparen aber die erforderlichen Änderungen im System sowohl auf dem Acker
als auch in der Tierhaltung aus. Vielfältige Fruchtfolgen, angepasste Sorten und
humusreiche Böden können Trockenstress und Klimawandel besser trotzen als
Monokulturen. Alternative Forschung und Anbaumethoden müssen deutlich stärker
gefördert werden.
- Wir wollen gesunde Böden fördern: Viele Regionen werden in den nächsten Jahren mit
Trockenheit zu kämpfen haben. Umso wichtiger, dass der Boden gesund und geschützt ist
– mit genügend Humus, um ausreichend Wasser zu speichern. Wir werden den Humuserhalt
und -aufbau von Böden durch Umwandlung ungeeigneter Äcker in Grünland sowie die
Ausweitung agrarökologischer Methoden wie Agroforstsysteme, Mischkulturen, weite
Fruchtfolgen und eine ganzjährige Bodenbedeckung fördern.
- Wir wollen Flächen entsiegeln. Versiegelte Flächen heizen die Umgebung nicht nur
unnötig auf, sondern können auch kein Regenwasser aufnehmen. Letzteres führt zu
Überschwemmungen. Deshalb braucht es ein Programm zur Wiederherstellung geschädigter
und versiegelter Böden in ihre natürliche Funktion als CO2- und Wasserspeicher.
- Bäume stellen Kohlenstoffsenken dar. Deshalb sind Agroforstsysteme unabdingbar für
eine klimagerechte Landwirtschaft. Auch wollen wir den Baumstand pro Festmeter im Wald
festschreiben und ihn durch Begrünung städtischer Umgebungen steigern. Bei der
Aufforstung wollen wir zum Vorreiter werden. Dazu setzen wir im Rahmen eines
Waldaufforstungsprogramm auf gesunde Mischwälder und klimarobuste Arten.
- Wir wollen Wälder vor Bränden schützen. Für den Fall großer Waldbrände braucht es
bundesländerübergreifende Katastrophenpläne, ausreichende Spezialisten und eine gute
Ausrüstung zum Beispiel mit Löschflugzeugen. Doch genauso wichtig wie eine
Waldbrandstrategie ist Waldbrand-Prävention: Dazu gehören Vorsorgemaßnahmen wie
Schutzstreifen und Waldbrandriegel sowie den nachhaltigen Umbau der Wälder
insbesondere nach Sturmschäden von Monokultur-Nadelwäldern hin zu artenreichen
Mischwäldern. Diese sind weniger brandgefährdet und zudem ein Gewinn für die
Artenvielfalt.
- Wir wollen vor Hochwasser schützen. Hochwasserschutz ist mehr als Deiche bauen. Mit
Blick auf die mittlerweile alle paar Jahre hereinbrechenden Jahrhunderthochwasser ist
eine prioritäre Finanzierung des ökologischen Hochwasserschutzes überfällig. Dazu
gehört, den Flüssen wieder mehr Raum zu geben sowie eine Reaktivierung von Auen
entlang von Flüssen. Auch braucht es Hochwasserkonzepte für Städte, die aufgrund ihrer
massiven Versiegelung nicht für extreme Niederschläge gerüstet sind.
10. Klimaschutz kennt keine Grenzen
Auch wenn sich dieser Maßnahmenplan vor allem auf die national notwendigen Anstrengungen
konzentriert, so ist doch völlig klar: Klimaschutz kennt keine Grenzen und muss europäisch
und global gedacht werden.
Von der Klimakrise betroffen sind weltweit zuerst jene, die die Klimakrise nicht verursacht
haben und sich am wenigsten vor den Auswirkungen schützen können: Menschen, besonders
Frauen, in den Ländern des Globalen Südens. Wir unterstützen die ärmsten Staaten beim
Klimaschutz und bei der Anpassung an Klimaveränderungen. Insbesondere mit Schwellen- und
Entwicklungsländern bauen wir Klimapartnerschaften auf und verstärken die klimapolitische
Zusammenarbeit. Wir setzen uns dafür ein, dass die Menschen in Entwicklungs- und
Schwellenländern, die besonders von der Klimakrise betroffen sind, solidarische und
koordinierte Hilfe der Staatengemeinschaft erhalten. Dafür fördern wir systematisch
Klimarisikoanalysen und ein Klimarisikomanagement. Ansätze auf internationaler Ebene müssen
die Umsetzung der Menschenrechte, etwa der Rechte auf Nahrung, Wasser oder Gesundheit,
befördern und die Bevölkerung vor Ort miteinbeziehen. Lokal Betroffenen muss die notwendige
Umsiedlung in Würde garantiert werden, Menschen, die ihre Heimat aufgrund der Klimakrise
verlassen, brauchen internationalen Schutz.
- Wir werden uns in den internationalen Klimaverhandlungen dafür einsetzen, das Pariser
Klimaabkommen zu einem internationalen Regime weiterzuentwickeln, das von den Staaten
möglichst verbindliche Ziele einfordert, Vergleichbarkeit und Transparenz der
Zieleinhaltung sicherstellt und die Nichteinhaltung sanktioniert.
- Wir werden uns dafür einsetzen, dass die im Rahmen des Pariser Klimaabkommens
anstehenden regelmäßigen fünfjährlichen Überprüfungen („global stocktakes“) der
nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) tatsächlich dazu führen, dass die Klimaziele
aller Staaten angemessen erhöht werden. Dafür muss sich der Überprüfungsprozess am
aktuellen Stand der Wissenschaft zur Begrenzung der Erderhitzung auf deutlich unter 2
Grad, möglichst 1,5 Grad und an Kriterien der globalen Klimagerechtigkeit orientieren.
Gleichzeitig werden wir die Unterstützung von Ländern für die Umsetzung und
Verbesserung von NDCs in Foren wie der NDC-Partnerschaft deutlich ausbauen.
- Die Industrieländer haben zugesagt, die Entwicklungsländer ab 2020 mit jährlich 100
Milliarden US-Dollar bei Klimaschutz und Anpassung an die Folgen der Klimakrise zu
unterstützen; der gerechte Anteil Deutschlands daran wären etwa 10 Milliarden Dollar.
Doch wir wissen bereits heute, dass diese Summen nicht reichen werden. Wir werden uns
daher dafür einsetzen, dass Deutschland in einem ersten Schritt jährlich 10 Milliarden
Euro aus öffentlichen Mitteln für internationale Klimafinanzierung bereitstellt, mit
denen dann auch weitere private Mittel mobilisiert werden können. Zusätzlich soll
Deutschland auch seine Zahlungen erhöhen, um die anderen nachhaltigen
Entwicklungsziele zu erreichen.
- Die ambitionierte Koalition der Finanzminister*innen für Klimaschutz soll bis Mitte
2020 ein ambitioniertes Programm für die Ausrichtung der globalen Finanzströme an den
Zielen des Pariser Klimaabkommens vorlegen. Das heißt zu Beispiel, dass
klimaschädliche Subventionen abgebaut und alle klimabedingten Geschäftsrisiken
konsequent offengelegt werden.
- Wir werden in Kooperation mit Ländern des globalen Südens im Rahmen der Agenda 2030 die sozial-ökologische Transformation vorantreiben, um die Klimakrise entgegenzuwirken. Die Klimakrise hat jetzt schon die Landschaften vieler Länder verändert, wir werden unsere Partnerländer darin unterstützen, Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen und ihre Resilienz zu stärken.
- Deutschland sollte die strategische Klima-Allianz mit den 48 von der Klimakrise
besonders betroffenen Entwicklungsländern, die sich zu 100 Prozent erneuerbaren
Energien und Netto-Nullemissionen verpflichtet haben, ausbauen, damit sie diese Ziele
sobald wie möglich erreichen.
- Internationale Allianzen der Regionen, wie zum Beispiel die „Under2Coalition“, werden
wir stärken und ausbauen, um auch in jenen Staaten den Klimaschutz voranzubringen, die
derzeit Schlusslicht in der internationalen Klimapolitik sind. Dadurch stärken wir
auch die Zusammenarbeit mit subnationalen Akteuren in allen Ländern und halten die Tür
für Länder wie die USA offen, wenn sie sich zur Rückkehr zum Pariser Abkommen
entscheiden.
- Wir setzen uns für ressortübergreifende strategische Partnerschaften mit den großen
Schwellenländern für klimafreundliche Investitionsoffensiven in Mobilität, Energie,
Digitalisierung, nachhaltige Stadtentwicklung und Schlüsselindustrien wie Stahl oder
Zement ein.
- Wir werden die Kriterien für die internationale Zusammenarbeit zugunsten
klimaneutraler Investitionen ändern und dafür sorgen, dass jede Art fossiler
Technologie nicht mehr über Exportkredite oder Bürgschaften abgesichert werden kann,
wenn sie nicht im Einklang mit den Zielen von Paris steht.
- Für das Jahr 2050 werden 100 bis 150 Millionen Menschen auf der Flucht prognostiziert
– allein aufgrund der Klimakrise, wenn sie ungebremst fortschreitet. Wir müssen unsere
humanitäre Hilfe massiv erhöhen, uns auf Katastrophen bedingt durch die Klimakrise
einrichten und uns intensiver mit dem Recht auf Klimaflucht auseinandersetzen. Wir
unterstützen Entwicklungsländer im Rahmen der Agenda 2030 dabei, der Klimakrise
entgegenzuwirken, damit die Menschen ihre Lebensgrundlagen nicht verlieren. Und wir
helfen ihnen dabei, nötige Umsiedlungen durch Klimakatastrophen bewältigen zu können.
[1] Laurent Fabius, Chefverhandler der Klimakonferenz in Paris und damaliger französischer
Außenminister
[2] Im weiteren Text verkürzt als CO2.
[3]https://www.scientists4future.org/stellungnahme/fakten/
[4]https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2016_2020/2019_09_Brie-
f_Klimakabinett.pdf?__blob=publicationFile&v=5
[5] Annahme: Bei einem Temperaturanstieg von maximal 1,75° C und einer Wahrscheinlichkeit
der Zielerreichung von 67 Prozent; mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent sogar 1,5° C
Erderhitzung.
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