Zahllose Studien belegen enge Zusammenhänge zwischen hoch verarbeiteten Lebensmitteln mit ihrem hohen Gehalt an Zucker, Salz und ungesunden Fetten, und dem metabolischen Syndrom (Stoffwechselkrankheiten). So sagte die Verfügbarkeit von Zucker die Prävalenz von Diabetes in den Jahren 2000 bis 2010 in 175 Ländern voraus (bereinigt um die Effekte des Kalorienkonsums, sonstiger Nahrungsmittel, des Alterns, von Übergewicht, körperlicher Aktivität und Einkommen). Eine ungesunde Ernährung mit zu viel Zucker (und dessen Suchtpotenzial), Fett und Salz kostet allein das deutsche Gesundheitswesen rund € 17. Mrd. jährlich. Hierzu tragen vor allem Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Karies, Stoffwechselstörungen wie Diabetes und Übergewicht sowie diverse Krebserkrankungen bei, die teilweise durch Ernährungsfehler verursacht werden, ebenso wie Folgekosten von Übergewicht und Diabetes (z.B. gewichtsbedingte Arthrose, Schlafstörungen, Alzheimer und chronisches Nierenversagen). Indirekte Kosten etwa durch Arbeitsausfall, Kurbehandlungen und Invalidität sind in dieser Zahl noch nicht einmal berücksichtigt. Würde ein Drittel der Zucker-, Fett- oder Salzmenge in den Nahrungsmittelrezepturen durch (neue) Naturstoffe ersetzt, so könnte das deutsche Gesundheitssystem jährlich um fünf bis sechs Milliarden Euro entlastet werden.
Die Frage, warum sich viele von uns nicht besser ernähren, ist komplex. Das Lernen anhand von Vorgelebtem oder Vorbildern, Gewohnheiten und Bequemlichkeit, der sozioökonomische Status, irrationale Mechanismen (Ausblenden langfristiger Folgen), das soziale Umfeld, die niedrigen Preise industriell hergestellter Lebensmittel etc. spielen eine Rolle.
Politisch sollten wir darauf abzielen,
- bestehende Verzerrungen und Fehlanreize zu minimieren.
- verstärkt Informationen bereitzustellen, die die Menschen in geeigneter Form bzw. früh genug erreichen, um Gewohnheiten und Verhalten zu ändern und eine gesündere Ernährung zu unterstützen.
- die Privatisierung von Gewinnen und die Sozialisierung der Kosten zu reduzieren. In diesem Zusammenhang zeigen Berechnungen aus den USA, dass die Kosten des Gesundheitswesens für die Behandlung vermeidbarer und durch hoch verarbeitete Nahrungsmittel begünstigter Stoffwechselkrankheiten dreimal so hoch liegen wie die entsprechenden Gewinne der Ernährungsindustrie.
Dazu sollten wir
- die Werbung für ungesunde Lebensmittel einschränken und bestehende Initiativen z.B. des Bundeszentrums für Ernährung (Unterrichtskonzepte wie Ernährungsführerschein, SchmExperten, Lernküchen in Grund- und weiterführenden Schulen) ausbauen und auskömmlich finanzieren.
- Subventionen und Steuern umlenken, um z.B. ungesunde Roh- und Inhaltsstoffe für hoch verarbeitete Lebensmittel sowie die Produktion und den Konsum ungesunder Lebensmittel zu verteuern (etwa durch eine ausreichend hohe Zuckersteuer, wie sie z.B. in Großbritannien und anderen Ländern erfolgreich eingesetzt worden ist).
- mit Ernährungsindustrie und Handel verpflichtende Reduktionsstrategien für Zucker, Salz und Fett erreichen.
- die soziale Ausgewogenheit im Blick behalten, um auch Menschen mit geringem Einkommen durch geeignete Maßnahmen und Unterstützung Zugang zu gesunderen Lebensmitteln und eine bessere Ernährung zu ermöglichen.
Quellen:
Meier T, Senftleben K, Deumelandt P, Christen O, Riedel K, Langer M (2015) Healthcare Costs Associated with an Adequate Intake of Sugars, Salt and Saturated Fat in Germany: A Health Econometrical Analysis. PLoS ONE 10(9): e0135990. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0135990
Schnabel L, Kesse-Guyot E, Allès B, et al. Association Between Ultraprocessed Food Consumption and Risk of Mortality Among Middle-aged Adults in France. JAMA Intern Med. 2019;179(4):490–498. doi:10.1001/jamainternmed.2018.7289
Lustig RH. Processed Food—An Experiment That Failed. JAMA Pediatr. 2017;171(3):212–214. doi:10.1001/jamapediatrics.2016.4136
Lustig RH. Ultraprocessed Food: Addictive, Toxic, and Ready for Regulation. Nutrients. 2020; 12(11):3401. https://doi.org/10.3390/nu12113401
Studdert, David M. et al. (2015). Searching for Public Health Law’s Sweet Spot: The Regulation of Sugar-Sweetened Beverages. PLOS. Published: July 7, 2015. http://journals.plos.org/plosmedicine/article?id=10.1371/journal.pmed.1001848
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