Begründung des Änderungsantrages zu den Ausbauzielen bei der Windkraft
Bisheriger Text (Kapitel 1, Z. 229-231): „Unser Ziel ist ein jährlicher Zubau von 5 bis 6 GW Wind an Land, bei Wind auf See wollen wir 35 GW bis 2035 erreichen.“
https://antraege.gruene.de/46bdk/kapitel_1_lebensgrundlagen_schuetzen-5200
Änderungsantrag: „Unser Ziel ist ein jährlicher Zubau von 10 bis 11 GW Wind an Land und auf See. Bei Wind auf See wollen wir mindestens 35 GW bis 2035 erreichen.“
Teil 1: Das Zielszenario: Wie viel Energie benötigen wir am Ende der Transformation
Um den Zubau pro Jahr zu ermitteln, müssen wir wissen, wo wir hin möchten.
Dazu gibt es verschiedene Szenarien:
Prof. Dr. Quaschning (TU Berlin) kommt auf einen Endenergiebedarf unseres Energiesystems nach der Transformation in allen Sektoren (Strom, Mobilität, Verkehr, Industrie) von Quaschning kommt auf eine Verdoppelung des Strombedarfs bis 2040, dem Endpunkt des Transformationsprozesses bei ihm. Das ist allerdings konservativ gerechnet: es wird auf die Technologien mit den höchsten Wirkungsgraden (Wärmepumpen, E-Mobilität etc.) gesetzt und von merklichen Energieeinsparungserfolgen ausgegangen. Wahrscheinlich wird es eher auf eine Verdreifachung des Strombedarfs hinauslaufen.
Derzeitiger Strombedarf im Jahr (Stand 2018): rund 600 TWh. Bis 2040 müsste daher Stromproduktion auf 1.200 bis 1.800 TWh/a erhöht werden. Dazu wiederum bräuchte es jährlichen Zubau von 6,3 GW/a Windkraft (Zubau auf insgesamt: 200 GW onshore und 76 GW offshore an Leistung auf 2 % der Landesfläche) und 15 GW/a PV (Zubau auf insgesamt: 400 GW PV. Wenn 50 % davon auf Dächern installiert würde, ergäbe das zusätzlichen Flächenbedarf von 0,6 % der Landesfläche).
Wir benötigen also nach Quaschning am Ende mindestens: 276 GW Windstromleistung + 400 GW PV-Stromleistung. (http://www.youtube.com/watch?v=DlwWSrTLYeE&t=44m4s)
Die Energy-Watch-Group kommt auf folgende benötigte Ausbauzahlen pro Jahr für die Umstellung des Energiesystems bis 2030 auf 100 % Erneuerbare: mindestens: 8 GW Windkraft | 26 GW Solarenergie | jeweils einige tausend Megawatt Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie pro Jahr. (https://www.klimareporter.de/strom/eeg-reform-muss-auf-100-prozent-erneuerbare-bis-2030-zielen)
Insgesamt würden hier demnach im erneuerbaren Endenergiesystem ca. 513 GW Leistung benötigt. (Für Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie wurde hier mit 5 GW / Jahr gerechnet)
Die Studie dies Wuppertal-Instituts von FFF kommt auf: Ausbau von mind. 25 GW / Jahr bis 2035. Davon Wind mind. 7 besser 10 GW / Jahr. (https://wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/5169)
Demnach würden hier im erneuerbaren Endenergiesystem insgesamt mindestens 498 GW Leistung / Jahr benötigt.
Das Fraunhofer-Institut stellt ebenfalls Zahlen bereit, welche zudem den Faktor gesellschaftlicher Verhaltensweisen einbeziehen (Akzeptanz oder Widerstand etc.) und mit verschiedenen Zielszenarien (Treibhausgasneutralität bis 2050 mit 65 % Reduktion bis 2030, THG-Neutralität bis 2035 etc.) rechnen. Der niedrigste Wert liegt hier bei 483 GW und der höchste bei 763 GW. Das Szenario 2035 geht im Endenergiesystem 2035 von 449 GW installierter Leistung aus, welche sich bis 2050 auf 615 GW installierter Leistung erhöht. (https://energy-charts.info/charts/remod_installed_power/chart.htm?l=de&c=DE&scenario=Suffizienz2035&source=fEE)
Es zeigt sich bereits hier, dass die Prognose der im Endenergiesystem benötigten Energie stark schwankt, da sie von bestimmten Randbedingungen und politischen Zielsetzungen abhängig ist.
Die Bandbreite reicht also von ca. 450 bis ca. 750 GW Leistung.
Nimmt man hier als Zielgröße daher einen Mittelwert an, erhält man ein Zielszenario von 600 GW Leistung, die das Endenergiesytem in Deutschland pro Jahr benötigen wird. Selbst wenn es am Ende etwas mehr oder weniger sein sollte, erscheint dieser Wert als ein realistisches Zielszenario, auf welches man eher mit großen denn mit kleinen Schritten zugehen sollte, um dann, wenn man in die Nähe des Ziels gelangt, die Feinsteuerung des Ausbaus anzugehen.
Teil 2: Wie schnell sollte der Transformationsprozess unserer Energiesysteme voranschreiten?
In einem zweiten Schritt muss man sich über die Geschwindigkeit klar werden. Diese hängt davon ab, welche Reduktionszenarien man anlegt. Da diese selbst hier im Wahlprogramm umstritten sind (60 %, 70 % bis 2030 etc.) und auch die Frage noch zu klären ist, ob für Deutschland ein Treibhausgasbudget berechnet wird, welches sich z. B. an den Berechnungen des CO2-Budgets des Sachverständigenrates für Umweltfragen orientiert, sind hier ebenfalls nur Korridor-Werte anzunehmen. Es erscheint derzeit realistisch zu sein, dass zur Einhaltung des 1,5 °C-Pfades die BRD zwischen 2035 und 2040 die Klimaneutralität erreichen wird müssen.
Teil 3: Wo stehen wir derzeit bei der Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen?
Drittens muss man sich darüber klar werden, wie viel Leistung an Anlagen der Erneuerbaren derzeit bereits installiert ist.
Leistung PV 2019: 49 GW[1]
Leistung Wind 2019: 60,8 GW (53,2 on- und 7,6 offshore)[2]
Leistung Wasserkraft 2019: 5,62 GW[3]
Leistung Biomasse 2019: 8,5 GW[4]
Leistung Geothermie 2019: 0,04 GW[5]
Insgesamt: 123,69 GW (2019)
Teil 4: Zwischenfazit
Zusammenfassend lassen sich daher folgende zentralen Kennzahlen festhalten:
Ausbauziel Erneuerbare final: 600 GW
Zeitraum bis dahin: 15 bis 20 Jahre
Stand des Ausbaus der Erneuerbaren: 124 GW
Teil 5: Wie hoch sollte der Anteil der Windkraft am Gesamtenergiesystem letztlich sein?
Fünftens muss man sich nun noch die Frage stellen, wie viel Strom im Gesamtenergiesystem aus Wind gewonnen werden soll. Hierzu ist zu bedenken, dass ein erneuerbares Energiesystem umso stabiler und flexibler ist, desto besser die jeweiligen Energiegewinnungs-Arten darin aufeinander abgestimmt sind und es kein allzu großes Übergewicht einer Art der Energiegewinnung gibt. Es sollte daher angestrebt werden, den Anteil der Windkraft mindestens auf dem jetzigen Anteilsniveau zu halten. Hier kann sich an den genannten Projektionen orientiert werden:
Anteil installierter Leistung aus Wind an Gesamtleistung im Endenergiesystem
Prof. Quaschning: ca. 40 %
Energy-Watch-Group: ca. 30 %
Wuppertal-Institut: ca. 38 % (gerechnet mit 8,5 GW Windzubau / Jahr bis 2035)
Fraunhofer-Institut: ca. 40 % (Szenario 2035)
Die zu installierende Leistung aus der Windkraft sollte sich demnach im Endenergiesystem in Richtung 40 % bewegen.
Dies entspräche einer Leistung von ca. 240 GW.
Teil 6: Folgerungen für das Wahlprogramm
Demnach ergibt sich für den wohl notwendigen Ausbau der Windkraft folgende Zubaurate im Jahr (insgesamt. Was davon on- und was offshore gebaut wird, ist dann noch einmal zu prüfen):
Voraussetzungen:
(1) Zielkorridor Klimaneutralität 2035-40, also 15 bis 20 Jahre
(2) Differenz Endleistung Wind und installierte Leistung Wind: 240 GW – 61 GW = 179 GW
Durchschnittlicher Zubau pro Jahr demnach:
Szenario 2035: ca. 12 GW / a Zubau Wind (on- und offshore)
Szenario 2040: 8,95 GW / a Zubau Wind (on- und offshore)
Das Wahlprogramm sieht derzeit maximal folgenden Gesamtzubau vor:
Szenario 2035: 6 GW (onshore) + 1,83 GW (offshore) = 7,83 GW / a
[offshore: Ziel 35 GW Leistung bis 2035. derzeit offshore 7,6 GW. Differenz 27,4 GW / 15 = 1,83 GW pro Jahr]
Szenario 2040: 6 GW (onshore) + 1,37 GW (offshore) = 7,37 GW / a
[offshore: Ziel 35 GW Leistung bis 2035. derzeit offshore 7,6 GW. Differenz 27,4 GW / 20 = 1,37 GW pro Jahr]
Es ergibt sich demnach eine wahrscheinliche Zubaulücke bei der Windkraft von:
Szenario 2035: 4,17 GW / a
Szenario 2040: 1,58 GW / a
Hierauf möchte der Änderungsantrag aufmerksam machen und schlägt daher vor, die Ausbauziele von derzeit maximal 6 GW / a (onshore) und 1,83 GW / a (offshore) auf 10 bis 11 GW / a (insgesamt) anzuheben. Davon sollen, wie es das Wahlprogramm derzeit vorsieht, ca. 30 % offshore zugebaut werden. Demnach müssten offshore 3 bis 3,3 GW / a der 10 bis 11 GW zugebaut werden. Dadurch würde bis 2035, also in 15 Jahren, die installierte Leistung offshore auf 52,6 GW bzw. 57,1 GW angehoben werden. Es ist hierbei jedoch nicht klar, ob der Zubau offshore überhaupt in dieser Höhe realisiert werden kann. Angesichts dieser Unbekannten und da davon auszugehen ist, dass die Zubaumenge von 35 GW bis 2035 durch die Autoren dieses Abschnittes im Wahlprogramm vorab umfangreich und detailliert geprüft worden ist, musste folgende Formulierung im Änderungsantrag gewählt werden, welche diese Unschärfe einbezieht:
„Unser Ziel ist ein jährlicher Zubau von 10 bis 11 GW Wind an Land und auf See. Bei Wind auf See wollen wir mindestens 35 GW bis 2035 erreichen.“
[1] https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/aktuelle-fakten-zur-photovoltaik-in-deutschland.pdf S. 6
[2] https://www.volker-quaschning.de/datserv/ren-Leistung-D/index.php
[3] https://www.volker-quaschning.de/datserv/ren-Leistung-D/index.php
[4] https://www.volker-quaschning.de/datserv/ren-Leistung-D/index.php
[5] https://www.volker-quaschning.de/datserv/ren-Leistung-D/index.php
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