Veranstaltung: | 46. Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | PB-B Kapitel 4: Bildung und Forschung ermöglichen |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 12.06.2021 |
Eingereicht: | 12.06.2021, 12:45 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Kapitel 4: Bildung und Forschung ermöglichen
Beschlusstext
Kapitel 4: Bildung und Forschung ermöglichen
Bildung ermöglicht. Von Anfang an gibt Bildung Kindern, jungen Menschen und Erwachsenen bis
ins hohe Alter die Möglichkeit, sich zu entfalten. Altes zu hinterfragen und Neues zu
entdecken. Bildung und Inklusion schaffen die Grundlagen, den eigenen Weg im Leben
selbstbestimmt gehen zu können. In zukunftsgerichteter Bildungspolitik, Aus- und
Weiterbildung, in visionärer Forschung und kluger Wissenschaftspolitik liegt unendlich viel
Potenzial, um dieses Land gerechter, moderner und krisenfester zu machen. Deshalb brauchen
wir sozial diverse und inklusive Schulen, in denen junge Menschen so lange wie möglich
gemeinsam lernen. Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sowie die klassische
Umweltbildung sind der Schlüssel zur notwendigen gesellschaftlichen Transformation. Sie
befähigt Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln, zur Gestaltung und Teilhabe an
einer demokratischen und pluralen Gesellschaft sowie zum Verstehen der Auswirkungen des
eigenen Handelns auf die Welt. BNE ermöglicht den Menschen, sich aktiv an der Gestaltung
einer ökologisch verträglichen, wirtschaftlich leistungsfähigen und sozial gerechten
Gesellschaft zu beteiligen.
Ein gutes Bildungssystem ist essenziell für gleiche Lebenschancen und Zusammenhalt in einer
vielfältigen Gesellschaft. Aber viel zu sehr hängt der Lebenslauf in Deutschland noch von
der Familie, dem Namen oder dem Wohnort ab statt von den eigenen Fähigkeiten. Und die
Pandemie verschärft die ohnehin zu große soziale Ungleichheit: Wo Kinder und Jugendliche auf
wenig Förderung von zu Hause hoffen können, wo der Zugang zu Laptops oder Tablets fehlt und
kein Elternteil helfen kann, drohen sie dauerhaft den Anschluss zu verlieren. Die Kinder und
Jugendlichen, die am stärksten von der Krise getroffen wurden, benötigen daher die meiste
Unterstützung. Doch auch insgesamt führten die Schulschließungen zu einer Bildungslücke quer
durch alle Jahrgänge, es fehlten das gemeinsame Lernen, die Gespräche, das Zusammensein auf
dem Pausenhof, was sich bei Kindern und Jugendlichen auch auf die kognitive und soziale
Entwicklung auswirken kann. Kinder und Jugendliche haben in der Pandemie besondere
Verzichtsleistungen erbracht – die Einschränkung von Kontakten trifft sie in ihren
Entwicklungsmöglichkeiten härter als Erwachsene. Wir sind es ihnen schuldig, sie endlich in
den Mittelpunkt von Politik zu stellen.
Gleiche Lebenschancen für alle Kinder heißt, dass wir uns für gemeinsames Lernen und
individuelle Förderung für alle Kinder von der KiTa (Kita und Kindertagespflege) bis zum
Schulabschluss einsetzen. Die soziale Spaltung zwischen Schulen sowie KiTas möchten wir
überwinden, auch durch gezielte Investitionen des Bundes, die lokal verteilt werden. Denn
wir wollen KiTas und Schulen, in die Kinder und Jugendliche, aber auch Erzieher*innen und
Lehrer*innen gleichermaßen gerne gehen. Und zwar egal ob auf dem Land oder in der Stadt, ob
in ärmeren oder reicheren Vierteln. Erzieher*innen und Lehrer*innen sind jederzeit
systemrelevant, diese Wertschätzung sollte sich in ihrer Arbeit, ihrer Bezahlung und in der
Ausstattung widerspiegeln. Schulen sollen attraktive Orte sein. Dafür brauchen sie nicht nur
schnelles Internet und saubere Toiletten, sondern auch zeitgemäße Raumkonzepte mit genügend
Platz für vielfältige und inklusive Lernformen. Multiprofessionelle Teams sollen Kindern in
ihren unterschiedlichen Bedürfnissen bestmögliche Unterstützung bieten. Dafür brauchen sie
gute Aus- und Weiterbildung, sichere Berufswege und einen guten Lohn. Kulturelle Bildung
muss zu einem elementaren Bestandteil unseres Bildungssystems werden. Da die Weichen am
Anfang gestellt werden, müssen dorthin auch die meisten Ressourcen fließen. Vor allem für
KiTas und den Primarbereich werden wir die Investitionen deutlich erhöhen, auch um den
Sanierungsstau an Schulgebäuden zu beheben. Zur bundesweiten Förderung von Schüler*innen
bedarf es einer einfachen Fördermittelbeantragung durch die Schulen ohne bürokratische
Hürden des Bundes.
Bildung ist ein Recht für jedes Alter und jeden Lebensweg. Ein Lebenslauf lässt sich nicht
am Reißbrett planen, darum müssen unsere Bildungswege flexibel und durchlässig sein. Abitur
auf dem zweiten Bildungsweg, der Beginn einer Lehre mit Mitte 30 oder der erste
Studienabschluss überhaupt in der Familie – das alles muss möglich sein und darf nicht davon
abhängen, ob es von zu Hause finanzielle Unterstützung gibt. Ob Ganztags- oder Abendschule,
ob duale Berufsbildung, Weiterbildung oder Studium, ganz gleich, ob als Handwerker*in am
Bau, als Angestellte*r im Büro, freiberuflich oder selbständig im eigenen Betrieb: Wir
unterstützen die vielfältigen Lebensbahnen und die dazu passenden Bildungsverläufe. Dem
Trend, dass eine wachsende Zahl von Schüler*innen ohne Abschluss die Schule verlässt, wollen
wir entgegenwirken.
Auch die Auszubildenden und Student*innen leiden unter den Auswirkungen der Pandemie. Sicher
geglaubte Ausbildungsplätze sind weggefallen, manche Studierende haben noch nie einen
Hörsaal von innen gesehen. Gerade weil dies eine entscheidende Lebensphase der
Neuorientierung ist, stehen wir in der Pflicht, Sicherheit und Perspektiven zu schaffen.
Alle Studierenden, die durch die Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind,
sollen im Rahmen einer Nothilfe über das BAföG Unterstützung erhalten. Studienkredite halten
wir aufgrund des Verschuldungsrisikos für kein geeignetes Unterstützungsmittel. Für alle,
die eine Ausbildung anstreben, wollen wir einen guten Ausbildungsplatz und eine gute
Ausbildung garantieren.
Um die großen Krisen einzudämmen – die Klimakrise, Pandemien –, sind Kreativität,
Forschungsgeist sowie die Transformation unseres Bildungs- und Wissenschaftssystems die
Grundlage. Damit Innovationen der Allgemeinheit zugutekommen, muss für die Entwicklung auch
öffentliche Infrastruktur zur Verfügung stehen. Ein gutes Leben wird auch künftig möglich
sein, weil Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Forscher*innen in Betrieben,
Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen permanent und mit Leidenschaft an neuen
Ideen arbeiten, an Antworten auf Fragen, die wir noch gar nicht gestellt haben. Aber sie
können neuartige Impf- oder alternative Antriebsstoffe, neue ökonomische Wohlstandskonzepte
oder nachhaltige Geschäftsmodelle nur dann entwickeln, wenn sie eine gut ausgestattete
Forschungsumgebung haben und sie Neues mit ungewissem Ausgang erforschen und ausprobieren
können. Sie brauchen für ihre Arbeit optimale und verlässliche Bedingungen, unnötige
bürokratische Hürden sollten wir abbauen. Wissenschaftliche Kooperationen mit den
europäischen Partner*innen, vor allem unter den Hochschulen, tragen maßgeblich zur
Attraktivität und Innovationsdynamik des deutschen Wissenschaftssystems bei, deshalb wollen
wir sie stärker fördern. Bildungs-, Forschungs- und Innovationspolitik wollen wir vermehrt
zusammen denken, um den Europäischen Forschungs- und Hochschulraum mit Leben zu füllen und
Quellen zukünftigen Wohlstands zu begründen.
Wissenschaft zeigt immer wieder neue Denkhorizonte und Möglichkeiten auf und ändert so den
Lauf der Dinge. Sie gibt eine zentrale Orientierung für politisches Handeln, das zeigen
Klimakrise und Pandemie. Aber in Zeiten von Informationsfilterblasen und
Verschwörungsideologien werden wissenschaftliche Erkenntnisse öffentlich in Zweifel gezogen.
Nötig ist ein verständlicher und interdisziplinärer Wissenschaftsdialog, der Wissenschaft
und Gesellschaft näher zusammenbringt – durch partizipative Formate und Förderung der
Wissenschaftskommunikation.
Wir fördern gute Bildung von Anfang an
Für jedes Kind einen KiTa-Platz in einer guten KiTa
Egal, aus welcher Ecke Deutschlands und aus welchem Elternhaus, alle Kinder brauchen die
Chance auf ein gutes und geborgenes Aufwachsen. KiTas haben einen entscheidenden Anteil
daran. Als Orte früher Bildung schaffen sie Halt, wecken Neugier, vermitteln Freude am
Zusammensein mit Gleichaltrigen und begleiten beim Großwerden. Aus Neugier und
Entdeckungslust wird hier der Grundstein für Lernen und Kompetenzerwerb gelegt. Sie sind die
erste Stufe des Bildungssystems. Jedes einzelne Kind hat eigene Bedürfnisse und braucht
individuelle Förderung, auf die in der KiTa eingegangen wird. Mit einem
Bundesqualitätsgesetz sorgen wir dafür, dass Spitzenqualität in die Einrichtungen kommt,
denen wir unsere Kleinsten anvertrauen. Diese Spitzenqualität muss sich auch in einer
entsprechenden Infrastruktur abbilden. Kinder brauchen Bewegung und ausreichende
Bewegungsflächen. Die Zeit, die Fachkräfte für die Kinder haben, ist entscheidend dafür,
dass sich Kinder wohlfühlen und individuell gefördert werden können. Deshalb wollen wir mit
Mindeststandards sicherstellen, dass sich Erzieher*innen und andere pädagogische Fachkräfte
um höchstens vier unter Dreijährige oder neun Kinder ab drei Jahren gleichzeitig kümmern.
Inklusive Einrichtungen benötigen abhängig vom Förderbedarf der Kinder einen besseren
Betreuungsschlüssel.Darüber hinaus müssen sie genügend Zeit für Vor- und Nachbereitung,
Zusammenarbeit mit Familien, Netzwerkarbeit im Sozialraum und Fortbildungen haben. Den
Fachkräften in den KiTas stärken wir den Rücken mit Fachberatung, Supervisions- und
Mentoring-Programmen, Lernortkooperationen und Unterstützung für berufliche
Weiterentwicklung innerhalb des KiTa-Systems. Damit alle Kinder einen Platz in einer guten
und inklusiven KiTa bekommen können, wollen wir das Engagement des Bundes beim Platzausbau
weiterführen und verstärken. Eltern, insbesondere Alleinerziehenden, ermöglicht ein
Kinderbetreuungsplatz gesellschaftliche wie berufliche Teilhabe. Der KiTa-Platz muss den
Lebens- und Arbeitsrealitäten von Eltern gerecht werden. Auch bei Schicht- und
Wochenendarbeit muss es Angebote geben.
Mehr Fachkräfte in KiTas, Horten und Schulen
Die pädagogischen Fachkräfte in KiTas, Horten oder Schulen tragen eine hohe Verantwortung,
denn sie prägen den Lebensweg von Kindern bereits in sehr frühen Jahren entscheidend mit.
Doch diese Verantwortung spiegelt sich noch nicht ausreichend in der Bezahlung der
Fachkräfte wider. Für die wichtige Arbeit, die Erzieher*innen, Lehrkräfte und andere
Pädagog*innen im Bildungssystem und in der Jugendhilfe leisten, brauchen sie einen guten
Lohn und gute Arbeitsbedingungen. Mit einer wirkungsvollen Fachkräfteoffensive wollen wir
zudem für faire Ausbildungsvergütungen, Weiterentwicklungsmöglichkeiten und gute
Arbeitsbedingungen sorgen, dabei darf die Ausbildung zum Erzieherinnenberuf nicht am
Schulgeld scheitern. Um den Mangel an pädagogischen Fach- und Lehrkräften mit gut
qualifiziertem Personal nachhaltig bewältigen zu können, wollen wir mit einem Bund-Länder-
Programm hochwertige Quereinstiegsbildung fördern, bestehende Weiterbildungs- und
Qualifizierungsangebote stärken und gemeinsame Qualitätsstandards sichern.
Recht auf einen Ganztagsplatz für jedes Grundschulkind und gute
Lernbedingungen an weiterführenden Schulen
Schulen sollen starke Orte der Bildung, der Begegnung und der Inspiration sein. Dafür
brauchen sie motivierte Fachkräfte, gut ausgestattete barrierefreie Räume und Zeit. Zeit für
gemeinsames Lernen und Spielen, Forschen und Entdecken, gemeinsame kulturelle, soziale und
demokratische Erfahrungen, Sprach- und Bewegungsförderung, individuelle Förderung und
Betreuung. Dafür sind Ganztagsplätze in einer Grundschule oder einem Hort und gute
Lernbedingungen an weiterführenden Schulen wichtig. Unser Ziel ist, einen individuellen
Rechtsanspruch für jedes Grundschulkind auf Ganztagsbildung und -betreuung mit
Qualitätsstandards umzusetzen – mit genügend Fachkräften in multiprofessionellen Teams,
anregenden Räumen und Schulhöfen, einem gesunden Mittagessen und einer breit gefächerten
Zusammenarbeit mit Vereinen, Musikschulen und anderen Akteur*innen vor Ort. Derartige
Kooperationen wollen wir finanziell unterstützen. In der Gestaltung des Ganztages ist die
Jugendhilfe ein wichtige Partnerin der Schulen, da im Ganztag neben dem schulischen Lernen
die informelle Bildung unerlässlich ist. Leitbild sind integrierte Ganztagskonzepte für eine
umfassende Persönlichkeitsbildung. Es gilt, Ganztag und gute weiterführende Schulen für alle
Kinder zu ermöglichen, ob mit Behinderungen oder ohne. Wir bekennen uns zum Bewegungsziel
der WHO, die körperliche Inaktivität von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bis 2030 um
15 Prozent zu senken. In jedem Ganztag soll mindestens ein Bewegungsangebot zur Auswahl
stehen. Der Anspruch auf Integrationshilfe muss überall gelten – über die individuelle Hilfe
oder über eine Poollösung, gleich ob in der Ganztagsschule oder bei Hortangeboten durch die
Jugendhilfe. Die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung der Integrationshelfer*innen sollen
ihre anspruchs- und verantwortungsvolle Tätigkeit widerspiegeln. Eltern von Kindern und
Jugendlichen mit Behinderungen dürfen keine zusätzlichen Kosten entstehen. Die Umsetzung des
Rechtsanspruchs wird ein gesamtdeutscher Kraftakt. Das muss sich in der Beteiligung des
Bundes an den Kosten widerspiegeln. Um alle Grundschulen auf ihrem Weg zu inklusiven Orten
der Ganztagsbildung zu unterstützen, werden wir ein Begleitprogramm zur Förderung einer
integrierten, professionsübergreifenden Schulentwicklung auf den Weg bringen und damit
Koordinierungsstellen fördern. Langfristig wollen wir die Schulsozialarbeit ausbauen und
flächendeckend als Bestandteil des Ganztags verankern.
Corona-Rettungsschirm für Kinder und Jugendliche
Die Pandemie hat tiefe Spuren hinterlassen, gerade bei Kindern, die es zu Hause auch davor
schon schwerer hatten. Sommercamps und Nachhilfe in den Kernfächern alleine werden nicht
ausreichen, um die Folgen der Krise zu bewältigen. Wir wollen die Kinder und Jugendlichen in
den Mittelpunkt rücken. Sie brauchen jetzt eine helfende Hand, ein offenes Ohr und freie
Räume, um den Weg in ihr normales Leben zurückzufinden. Dafür bauen wir Sport-, Erlebnis-,
und Kulturangebote aus und stärken die Beratung und Einzelfallhilfe für Schüler*innen sowie
die Vermittlung von Wissen zur psychischen Gesundheit und zu Krisen an Schulen. Mit
Mentor*innen, Bildungslots*innen, Schulsozialarbeiter*innen und Psycholog*innen knüpfen wir
ein sicheres Netz an breiter Unterstützung, um die psychische Gesundheit von unseren Kindern
und Jugendlichen nachhaltig besser zu schützen. Jedes zusätzliche Angebot für die
Krisenbewältigung soll die Qualität an KiTas, Horten und Ganztagsschulen langfristig
voranbringen.
Programm für Schulen in benachteiligten Regionen und Quartieren
Bildungschancen sind Zukunftschancen. Jedes Kind hat ein Recht auf eine gute Schule, egal,
wo es lebt. Der Alltag sieht aber anders aus. Wir wollen dauerhafte Finanzierungswege für
mehr Bildungsgerechtigkeit schaffen, um Regionen oder Quartiere mit Schulen mit besonderem
Unterstützungsbedarf zu stärken. Nachhaltige Bildungserfolge ergeben sich nur durch die
abgestimmte Zusammenarbeit aller am Bildungsprozess beteiligten Institutionen und Menschen
und durch langfristige Finanzierungswege. Wir fördern multiprofessionelle Teams, in denen
sich Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen, Erzieher*innen, Schulpsycholog*innen und weitere
in der Schule oder Region tätige Fachkräfte gegenseitig ergänzen und mit unterschiedlichen
Perspektiven bereichern, um die Schüler*innen und ihre Familien bestmöglich unterstützen zu
können. Dazu gehört es, systematische Vorsorgearbeit zu leisten, Lernrückstände zu schließen
und deutsche wie auch muttersprachliche Sprachfertigkeiten zu fördern. Mehrsprachigkeit
sollte als Reichtum begriffen werden und nicht als Defizit. Alle Akteur*innen kooperieren
auf Augenhöhe. So werden auch die Partizipation der Schüler*innen und die Kooperation mit
Eltern verbessert und Schulen werden zu Unterstützungsorten für die ganze Familie. Wir
wollen die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen nachhaltig besser schützen.
Schüler*innen sollen sich wohlfühlen können und sich in der Schule sicher fühlen. Nicht nur
im Klassenzimmer, sondern auch auf dem Pausenhof, in den Gängen und in den sanitären
Räumlichkeiten. Darum wollen wir in eine bessere Lernumgebung und höhere Bildungsqualität
investieren. Welche Maßnahmen für Bildungsgerechtigkeit, auch im internationalen Vergleich,
gut funktionieren, soll wissenschaftlich intensiver eruiert und mit Handlungsempfehlungen
versehen werden.
Bildung auf die Höhe der Zeit bringen
Bildung in der digitalen Welt ist viel mehr als Wissensvermittlung, sie ist ein Schlüssel
für Zukunftskompetenzen. Die Digitalisierung hat unsere Art zu leben verändert, also muss
sich auch unsere Art, Schule zu denken, wandeln. Dazu gehören selbstverständlich auch
Berufsschulen und -kollegs. Mit Lehrer*innen, die Kompetenzorientierung in den Mittelpunkt
des Lernens rücken, Schüler*innen, die sich spielerisch, zum Beispiel durch Game-based
Learning, kooperativ neue Inhalte erschließen, und Schulen, die dafür technisch optimal
aufgestellt sind. Dabei müssen sowohl das technische Grundverständnis als auch die soziale
Dimension der digitalen Entwicklung Thema sein. Allerdings hat die Pandemie gezeigt, dass es
schon an den Grundlagen fehlt, auch im Vergleich mit anderen Ländern. Das wollen wir ändern:
mit einer zeitgemäßen, datenschutzfreundlichen digitalen Ausstattung und mit Strukturen, die
die Schulen beim digitalen Lehren und Lernen wirkungsvoll unterstützen – mit
kontinuierlichen Fort- und Weiterbildungsangeboten für das pädagogische Fachpersonal sowie
einem zentralen Ort der Beratung und des Austauschs zur Bildung in einer digitalen Welt.
Hauptberufliche Administrator*innen sind notwendig, um die technische Infrastruktur an
Schulen aufzubauen und zu pflegen. Wir wollen dies im Rahmen der Befugnisse des Bundes
fördern. Gemeinsam mit den Ländern wollen wir die digitale Ausbildung der Lehrer*innen
verbessern. Wir wollen, dass Tablet oder Laptop selbstverständliche Lernmittel sind. Unser
Ziel ist es, allen Schüler*innen neue Arten des Lernens zu ermöglichen und sie auch auf eine
selbstbestimmte und gesunde Teilhabe in einer digitalisierten Welt vorzubereiten. Dafür
wollen wir Anwendungen wie quelloffene und sichere Lernplattformen oder
Videokonferenzsysteme umfassend fördern und setzen uns für die Umsetzung des Rechts auf
Löschung personenbezogener Daten für Kinder ein. Zukunftskompetenzen wie Kooperation,
Kommunikation, Kreativität und kritisches Denken werden immer relevanter. Diese
Zukunftskompetenzen möchten wir so fördern, wie es am pädagogisch sinnvollsten ist, ob
digital oder analog. Dazu gehört auch die Förderung der MINT-Themen an Schulen. Durch die
Digitalisierung ist Bildung weniger ortsgebunden: Neue Freiräume für überregionale und
internationale Kooperationen mit Bildungs- und Kultureinrichtungen entstehen. Um das alles
umzusetzen, wollen wir auch den DigitalPakt zu einem echten gemeinsamen Vorhaben nachhaltig
und dauerhaft weiterentwickeln – mit klaren Zielen und Zeithorizonten, die gemeinsam im
Rahmen der jeweiligen Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen erreicht werden sollen.
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) stärken
Wir fördern die Umsetzung des UNESCO-Programms Bildung für nachhaltige Entwicklung, das
weltweit die Integration von BNE in alle Bildungsnetzwerke und auf kommunaler Ebene
vorantreiben soll. BNE ist deshalb in allen Bildungsphasen und Bildungsbereichen gemäß des
nationalen Aktionsplans BNE zu verankern. Um Anreize für Kommunen zu schaffen, werden in
Kooperation mit den Ländern lokale und regionale Bildungsnetzwerke initiiert und
unterstützt. Das vom Bund geförderte BNE-Kompetenzzentrum begleitet bereits rund 50 der über
10.000 Kommunen in Deutschland. Es muss gestärkt werden, um mehr Kommunen Angebote machen zu
können.
Bildungszusammenarbeit von Bund und Ländern
Unser Ziel ist ein Bildungssystem, das überall und für alle gute Ausgangsbedingungen für
eine gebührenfreie, zukunftsgerichtete und inklusive Bildung sichert und unabhängig von
Geschlecht, Herkunft, Aufenthaltstitel oder Behinderungen gleiche und gerechte Chancen
garantiert. Für notwendige Maßnahmen braucht es einerseits eine ausreichende finanzielle
Ausstattung der Länder, andererseits wollen wir die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern
und Kommunen verfassungsrechtlich absichern. So sollen Schulen zu Orten werden, die –
verankert in der Nachbarschaft – auf die Entwicklung der jeweiligen Potenziale der Kinder
ausgerichtet sind. Schulen brauchen dafür eigene Entscheidungsspielräume. Grundlage all
dessen ist jedoch eine kluge, vorausschauende, mehr Flexibilität ermöglichende
Bildungsfinanzierung, vor allem in den Grundschulen und KiTas, da hier die Basis gelegt
wird. In Abstimmung mit den Ländern setzen wir uns für moderne, nachhaltige und
einheitlichere Bildungsziele und die Umsetzung des grundgesetzlich verbrieften
Sonderungsverbots ein. In der KiTa sowie allen Schulformen müssen Kinder und Jugendliche
sich frei entwickeln können und vor Diskriminierung geschützt sein. Sie brauchen dafür
Ansprechpersonen und es braucht Bildungsprogramme zu Antidiskriminierung, Diversität,
LSBTIQ* und Demokratieverständnis.
Wir stärken Ausbildung und Studium
Sichere Ausbildungsperspektiven
Trotz enormen Fachkräftemangels sinkt die Zahl der jungen Menschen, die eine
Berufsausbildung beginnen. Gleichzeitig landen immer mehr in den Warteschleifen des
Übergangssystems. Die duale Ausbildung muss auf sichere Beine gestellt werden. Wir wollen
mit der Ausbildungsgarantie allen jungen Menschen den Beginn einer anerkannten Ausbildung
ermöglichen und das Recht auf Ausbildung absichern. Dafür fördern wir verstärkt
Verbundausbildungen und nutzen, wo notwendig, auch außerbetriebliche Ausbildungen.
Unternehmen, die ausbilden wollen, unterstützen wir über eine Umlagefinanzierung. So kann es
gelingen, dass Betriebe ermutigt werden, weiterhin und verstärkt auszubilden, und junge
Menschen – gerade in ländlichen Regionen – erhalten eine Bleibeperspektive. Mit dem Ausbau
und der Verbesserung der inklusiven assistierten Ausbildung und ausbildungsbegleitender
Hilfen wollen wir mehr Jugendliche in Ausbildung unterstützen. Einzelne Ausbildungsbausteine
sollen als Teilqualifikationen zertifiziert und anerkannt werden können, damit keine
Leistung auf dem Weg zum vollwertigen Berufsabschluss verloren geht. Zudem wollen wir uns
bei den zuständigen Stellen dafür einsetzen, dass Prüfungen in leichter Sprache vermehrt
möglich gemacht werden. Damit alle Jugendlichen am Übergang von der Schule in den Beruf gute
Beratung und in der Anfangsphase ihrer Ausbildung eine gute Betreuung aus einer Hand und
unter einem Dach erhalten, unterstützen wir den Ausbau flächendeckender
Jugendberufsagenturen. Wir werden die Berufsberatung und die Leistungen zur Förderung der
beruflichen Qualifizierung bis zur beruflichen Ersteingliederung bündeln und gemeinsam mit
der Arbeitsagentur stärken.
Gleichwertige Chancen durch berufliche und akademische Bildung
In Deutschland gibt es hochwertige Bildungswege, sowohl an Hochschulen als auch im dualen
Berufsbildungssystem. Wir wollen, dass berufliche und akademische Bildung gleichwertige
Chancen auf eine selbstbestimmte Lebensplanung und ein erfolgreiches Arbeitsleben bieten und
eine echte Wahlfreiheit für junge Menschen besteht. Sowohl Ausbildung als auch Studium
vermitteln wertvolle und vielfältig einsetzbare Fähigkeiten. Dafür müssen alle
berufsbildenden Schulen gut ausgestattet sein und Ausbildungen müssen ein eigenständiges
Leben oberhalb der Armutsgrenze ermöglichen. Deshalb setzen wir uns für eine
Mindestausbildungsvergütung von mindestens 80 Prozent der durchschnittlichen, tariflichen
Ausbildungsvergütungen ein. Abschlussvoraussetzungen für die Eingruppierung in
Entgeltgruppen des öffentlichen Dienstes im gehobenen und höheren Dienst wollen wir im Bund
flexibilisieren und die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung bei
Ausschreibungen der Bundesbehörden stärken. Daneben sind Talentscouting-Programme genauso
wie die Begabtenförderung unabhängig vom Bildungsgang auszubauen. Ausbildung und Studium
sind Zeit Neues zu entdecken. Deshalb sollen mehr Auslandsaufenthalte für Auszubildende und
Studierende ermöglicht werden. Ebenso wollen wir Studium und Ausbildung für Menschen aus dem
Ausland erleichtern. Wir unterstützen die Aufstockung der europäischen Förderprogramme wie
ERASMUS+ und möchten, dass mindestens 10 Prozent der Auszubildenden einen Auslandsaufenthalt
antreten können. So internationalisieren wir neben der akademischen auch die berufliche
Bildung.
Eine Grundsicherung in Ausbildung und Studium
Wir wollen, dass sich jede*r eine schulische Ausbildung oder ein Studium leisten kann,
unabhängig von der Einkommens- und Vermögenssituation der Eltern. Dafür wollen wir das BAföG
neu aufsetzen und zu einer Grundsicherung für alle Studierenden und Auszubildenden umbauen.
Sie soll in einem ersten Schritt aus einem Garantiebetrag und einem Bedarfszuschuss
bestehen, der den Gesamtbetrag im Vergleich zum heutigen BAföG substanziell erhöht und dem
Großteil des in Frage kommenden Personenkreises zugutekommt. Studierende oder Auszubildende
bekommen den Betrag direkt überwiesen. Perspektivisch soll sie elternunabhängig gestaltet
sein. Da nicht jeder Bildungsweg linear ist oder zum Teil berufsbegleitend verläuft, wollen
wir die Bildungsfinanzierung noch stärker altersunabhängig konzipieren. Ein Schritt in diese
Richtung ist die Einführung eines Weiterbildungs-BAföGs. Menschen mit Behinderung erhalten
weiter gehende, unbürokratische Unterstützung. Studien- und Verwaltungsgebühren an
staatlichen Hochschulen lehnen wir ab. Die studentische Krankenversicherung wollen wir,
insbesondere mit Blick auf die Alters- und Semestergrenzen, weiterentwickeln. Solange die
Regelstudienzeit relevant für die Studienfinanzierung ist, soll Engagement von Studierenden
durch verbesserte Anrechnungsmöglichkeiten von ehrenamtlicher Arbeit gefördert werden. Wir
wollen Studierende und ihre Vertretungen auf Bundesebene stärker einbeziehen und ihre
Mitsprachemöglichkeiten in hochschul- und wissenschaftspolitischen Fragen ausbauen. Dafür
wollen wir zum Beispiel auf Bundesebene den Weg bereiten, eine Vertretung aller Studierenden
einzuführen. Sie soll von Studierenden vollständig selbst verwaltet werden und unabhängig
von anderen Institutionen agieren.
Wir ermöglichen lebensbegleitendes Lernen
Ein Rechtsanspruch auf Weiterbildung
Die Möglichkeit zur beruflichen Neuorientierung und der Freiraum, Neues zu lernen, sind in
einer modernen Wissensgesellschaft und Arbeitswelt im Umbruch, die Chancen bieten soll,
unerlässlich. Auch durch die Corona-Pandemie ist bei vielen die Notwendigkeit entstanden,
sich neue Arbeitsfelder zu erschließen. Wir wollen, dass jede*r, egal ob arbeitslos,
selbständig oder angestellt, künftig selbstbestimmt neue berufliche Perspektiven entwickeln
kann. Wir treten daher für einen individuellen Rechtsanspruch auf Weiterbildung und
Qualifizierung ein. Zur sozialen Absicherung ist für arbeitsmarktbedingte Weiterbildungen
und Qualifizierungen ein auskömmliches Weiterbildungsgeld nötig, für alle anderen, die sich
beruflich entwickeln oder neuorientieren wollen, ein Weiterbildungs-BAföG. So profitieren
auch diejenigen, die bei der beruflichen Weiterbildung und Qualifizierung bislang das
Nachsehen haben, etwa Frauen, Menschen mit Migrationsgeschichte oder Behinderungen und alle
prekär Beschäftigten. Um abhängig Beschäftigten die Zeit für eine berufliche Qualifizierung
und Weiterbildung einzuräumen, wollen wir einen Freistellungsanspruch mit Rückkehrrecht auf
den vorherigen Stundenumfang einführen. Daneben werden wir für eine verbesserte und
gebündelte Beratung und Unterstützung Bildungsagenturen aufbauen. Dort sollen sich die
relevanten regionalen Träger von Weiterbildung vernetzen. Wir setzen uns für gute
Arbeitsbedingungen und faire Vergütung in der Weiterbildung ein und wollen die
Volkshochschulen und ähnliche öffentliche und gemeinnützige Bildungseinrichtungen als
wichtige Partner*innen der Weiterbildung unterstützen.
Alphabetisierung vorantreiben
Immer noch können mehr als gut sechs Millionen Menschen ab 18 Jahren in Deutschland nicht
ausreichend lesen und schreiben. Sie haben also Schwierigkeiten, ganze Texte zu verstehen
und sind somit in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe beeinträchtigt. Diese Zahlen sind 100
Jahre nach Einführung der allgemeinen Schulpflicht und in einer der reichsten
Industrienationen der Welt nicht hinnehmbar. Wir wollen Geld und Kurskapazitäten
bereitstellen – für Erwachsene, aber auch für Kinder. Denn die Ursachen liegen oft schon im
Vorschulalter. Wir wollen konkrete Reduktionsziele für Analphabetismus festlegen und
evaluieren. In öffentlichen Bereichen wollen wir die barrierefreie Kommunikation fördern, um
allen Menschen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Wir verbessern die Bedingungen für die Wissenschaft
Mehr Raum für große Ideen
Die großen Herausforderungen unserer Zeit wie die Klimakrise, Pandemien oder auch eine
effizientere Nutzung von Rohstoffen können wir nur mit der Hilfe von innovativen Lösungen
und Fortschritt bewältigen. Der Markt kann dabei nicht alles allein. Bei der Lösung solch
großer Aufgaben muss der Staat Innovationen missionsorientiert vorantreiben. Er soll klare
Zielvorgaben machen, Anreize schaffen, Kooperationen von Unternehmen, Hochschulen und
Zivilgesellschaft organisieren und mit gezielter Forschungsförderung und strategischer
Industrie- und Beschaffungspolitik Dynamik entfachen. Ein Hochschul-Campus wird hier zum
Experimentierraum für reale Veränderungen, der stark mit seiner Umgebung vernetzt ist und
Strahlkraft in die ganze Region entwickelt. Große Probleme können nur gemeinsam und
umfassend gelöst werden. Wir wollen deshalb die Förderpolitik des Bundes an den VN-
Nachhaltigkeitszielen (SDGs) ausrichten. Die zivile Ausrichtung von Wissenschaft ist
zentral. Technische, soziale und ökologische Innovationen, die auch in der sozial-
ökologischen Forschung verbunden sind, sind für uns gleichwertig. Wir wollen die dringend
notwendige nachhaltige Transformation auch durch den Auf- und Ausbau von Forschungsverbünden
und -infrastrukturen in Deutschland und Europa vorantreiben. Die „Agentur für
Sprunginnovation“ (SprinD) soll flexibler ausgestaltet werden, damit sie sich auf ihre
Kernaufgaben konzentrieren kann. Insgesamt wollen wir die Kompetenz für Wissenschaft und
Forschung in allen Ministerien sowie den zentralen, obersten Bundesbehörden stärken und die
ressortübergreifende Zusammenarbeit bei den großen Forschungsherausforderungen verbessern.
Unsere Behörden sollen nachhaltigen Wandel ermöglichen und nicht bremsen. Auch den
unabhängigen Zugang zum All, wo die Raumfahrt wichtige Erkenntnisse über fundamentale Fragen
gewinnt, gilt es zu erhalten. Deshalb wollen wir die Europäische Weltraumorganisation (ESA)
und den Bereich New Space stärken und uns für einen europäischen und neuen internationalen
Rechtsrahmen einsetzen, der auch private Akteur*innen reguliert.
Die Wissenschaft auskömmlich finanzieren
Wir wollen die Verantwortung übernehmen, Deutschland als Wissensgesellschaft voranzubringen,
beste Bedingungen für Forschung und Innovation zu schaffen und die Vielfalt des
Wissenschaftssystems stärken. Dazu gehören herausragende außeruniversitäre
Forschungseinrichtungen genauso wie breit aufgestellte Hochschulen mit Spitzenforschung. Wir
wollen erreichen, dass Staat und Unternehmen bis 2025 insgesamt mindestens 3,5 Prozent der
Wirtschaftsleistung in Forschung und Entwicklung investieren und perspektivisch die
Investitionen weiter ausbauen. So ermöglichen wir mehr Kreativität, Freiräume, auch mal
Neuland zu betreten, und internationale Vernetzung und schaffen Planbarkeit für die
Forschungslandschaft. Außerdem brauchen wir eine auskömmliche Grundfinanzierung in der
Wissenschaft, um die Abhängigkeit von den in den letzten Jahren stark gestiegenen
Drittmitteln wieder einzudämmen. Damit die eingesetzten Drittmittel zusätzliche Dynamiken
freisetzen können, wollen wir öffentliche Drittmittel länger als die üblichen drei Jahre
aufsetzen und die übernommenen Overheadkosten an den tatsächlich anfallenden Kosten
orientieren. International sichtbare universitäre Spitzenforschung soll auch vermehrt den
Studierenden zugutekommen und wir wollen die Exzellenzstrategie kooperativ weiterentwickeln.
Mit den Ländern wollen wir den Zukunftsvertrag Studium und Lehre sowie den Pakt für
Forschung und Innovation verstetigen und qualitativ voranbringen. Auskömmliche und
nachhaltige Finanzierung erhöht auch in zukünftigen Krisen die Reaktionsfähigkeit des
Wissenschaftssystems. Denn die Zukunft unseres Landes hängt auch davon ab, wie flexibel und
frei unsere Forschungslandschaft ist.
Wissenschaft für alle
In Zeiten von Informationsfilterblasen und Verschwörungsideologien einerseits und epochalen
neuen Herausforderungen andererseits ist wissenschaftliche Beratung und die verständliche
Vermittlung wissenschaftlicher Methodik wichtiger für die demokratische Debatte denn je. Die
Fähigkeiten des richtigen Umgangs mit Informationen und wissenschaftlichen Erkenntnissen
sind fundamental für eine aufgeklärte Gesellschaft. Eine stärkere Einbeziehung der
Zivilgesellschaft durch partizipative und vernetzende Formate, ein sicherer Zugang zu
Informationen für alle sowie die verständliche Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse
sind Voraussetzungen für ein konstruktives, sich gegenseitig stimulierendes Verhältnis von
Wissenschaft und Gesellschaft. Außerdem wollen wir die Wissenschaftskommunikation stärken
und die Aus- und Weiterbildung von Wissenschaftler*innen in diesem Bereich fördern. Durch
mehr partizipative Formate wie Reallabore, Citizen-Science oder Experimentierräume kann die
Gesellschaft besser an Forschungsvorhaben teilhaben. Das bringt weitere Perspektiven ein und
hilft, reale Veränderungsprozesse wissenschaftlich zu begleiten. Im Kontext
wissenschaftsgeleiteter Politik wollen wir inter- und transdisziplinäre wissenschaftliche
Expertise frühzeitiger – etwa durch „Gesetzgebungslabore“ – in die Politikentwicklung
einbeziehen. Die Technikfolgenabschätzung und das Monitoring der gesellschaftlichen Folgen
politischer Maßnahmen sollten ausgebaut werden, um Entscheidungsträger*innen zu
unterstützen.
Hochschule fit für morgen machen
Wir wollen an Hochschulen eine nachhaltige, klimagerechte und barrierefreie Modernisierung
ermöglichen, die auch digitale Infrastruktur und die IT-Sicherheit mit einschließt. Wir
werden sie dabei unterstützen, neue Lösungen für den Klimaschutz zu entwickeln und vor Ort
als Reallabore für Klimaneutralität Ideen praktisch erproben zu können. Darüber hinaus
werden wir über eine Digitalisierungspauschale die IT-Infrastruktur an Hochschulen stärken
und die IT-Barrierefreiheit einfordern, Aus- und Weiterbildung der Lehrenden ausbauen und
digitale Beratungs- und Betreuungsangebote für Studierende ausweiten. Der Zugang zu
Forschungs- und Bildungsdaten soll erleichtert und FAIR Data das Grundprinzip werden. Wir
wollen zudem Open Access bei Publikationen zum Standard erklären und als wissenschaftliche
Leitidee stärker fördern und zusammen mit der Wissenschaft vorantreiben. Die dadurch
anstehende Reform der Finanzierung wissenschaftlicher Publikationen darf nicht zu Lasten der
Forscher*innen oder ihrer Einrichtungen gehen. Hochschulen sind Zukunftslabore für
Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Als Schlüsselakteur*innen unseres Innovations-
und Bildungsökosystems tragen sie die Verantwortung für die Bildung der Gestalter*innen
unserer Zukunft und für die Erneuerungsfähigkeit von Wissenschaft und Gesellschaft. Wir
wollen die
nationale Forschungsdateninfrastruktur stärken und die Chancen der europäischen Cloud für
Wissenschaft und Forschung ergreifen. Zu einer zukunftsfesten Infrastruktur an den
Hochschulen gehören moderne Bibliotheken, Lehr- und Lernräume, die klimafreundliche
Sanierung von in die Jahre gekommenen Hochschulbauten sowie Nachhaltigkeit und Klimaschutz
für Neubauten in der Wissenschaft. Auch wollen wir den Nationalen Aktionsplan „Bildung für
Nachhaltige Entwicklung“ vollumfänglich umsetzen und auch an den Hochschulen die Entwicklung
neuer Lehr- und Lernformate unterstützen, um den großen gesellschaftlichen Herausforderungen
unserer Zeit begegnen zu können. Wir wollen die Einheit von Forschung und Lehre an den
Hochschulen stärken. Um gute Lehre für alle Studierenden sicherzustellen, wollen wir
Betreuungsrelationen verbessern und die „Stiftung Innovation in der Hochschullehre“ stärken,
um beste Praxis in die Fläche zu bringen. Gute Lehre ist für uns studierendenzentriert,
forschungs- und projektorientiert, sie basiert auf Methoden- und Perspektiven-Vielfalt, sie
stärkt Neugierde und Gestaltungskompetenz. Gemeinsam mit den Ländern wollen wir darauf
hinwirken, dass Studierende Zugang zu guten Beratungsdienstleistungen haben. Mit einer
Offensive für studentisches Wohnen fördern und sichern wir günstigen Wohnraum für
Studierende.
Bessere Arbeitsbedingungen und sichere Berufswege
Sichere Arbeitsbedingungen und gleiche Karrierechancen für alle sind die Voraussetzungen für
eine lebendige und innovative Wissenschaftslandschaft, die auch für Wissenschaftler*innen
aus dem Ausland attraktiv ist. Für Nachwuchswissenschaftler*innen gibt es vor allem an
Hochschulen jedoch kaum planbare und sichere Berufswege. Das gefährdet den Forschergeist und
verschleudert Potenziale bei Innovation, Leistung und Qualität. Und es ist für die
Betroffenen eine Zumutung. Wir wollen das Wissenschaftszeitvertragsgesetz weiterentwickeln
und den Anteil der unbefristeten Mitarbeiter*innen-Stellen, insbesondere im Mittelbau,
substanziell erhöhen. Daueraufgaben sollen auch mit Dauerstellen gesichert sein. Hierzu
gehören unbefristete Berufswege neben der Professur, um Hierarchien abzubauen und die
kooperativen Arbeitsweisen in der Wissenschaft zu stärken. Die Qualifizierung im Rahmen der
Sachgrundbefristung wollen wir klar definieren und die familienpolitische Komponente
verbindlich ausgestalten. Die Tarifsperre soll entfallen. Das Tenure-Track-Programm wollen
wir weiterentwickeln, damit frühzeitig nach der Promotion sichere Berufswege entstehen.
Gerade in der Lehre werden viele Aufgaben weiterhin oft über schlecht bezahlte Lehraufträge
abgedeckt. Wir wollen den Stellenwert der Lehre erhöhen und dafür entfristete Stellen
schaffen. Die Wissenschafts- und Hochschullandschaft ist immer noch vorwiegend männlich,
weiß, westdeutsch und von Menschen aus akademischen Elternhäusern geprägt und bildet somit
die Vielfalt der Gesellschaft nur unzureichend ab. Dadurch gehen wichtige Potenziale und
Perspektiven verloren. Das wollen wir durch die gezielte Förderung von Diversität an
Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen, Förderformate für Diversitäts- und
Antidiskriminierungspolitik, chancengerechte Zugänge, gleichberechtigte Integration,
Inklusion und Perspektivenvielfalt ändern, damit sich die gesellschaftliche Vielfalt auch
auf dem Campus widerspiegelt. Nur ein Viertel aller Professuren in Deutschland sind durch
Frauen besetzt. Hinzu kommt, dass viele junge Wissenschaftlerinnen nur in befristeten
Arbeitsverhältnissen sind. Dies sind strukturelle Hindernisse, die es abzubauen gilt. Wir
wollen einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent auf allen Ebenen durch die Einführung
konkreter Zielquoten, eine Strategie für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf im
Wissenschaftsbereich, die Einführung eines verbindlichen Kaskadenmodells sowie den Ausbau
des Professorinnenprogramms erreichen. In allen Beschäftigungsverhältnissen wollen wir
flexible Arbeitszeitmodelle ermöglichen, die es erlauben, Care- und Familienarbeit zu
leisten. Eine größere Diversität in der Wissenschaft hilft auch, geschlechterspezifische
Datenlücken zu verringern und neue Perspektiven einzubringen.
Wissenschaftsfreiheit verteidigen
Politisches Handeln in der geistigen Tradition der Aufklärung sowie die Orientierung an den
Erkenntnissen der Wissenschaft stehen immer stärker unter Druck, auch in Deutschland. Dem
stellen wir uns entgegen und wollen gemeinsam mit den Wissenschaftsorganisationen Strategien
gegen menschenfeindliche, diskriminierende und verschwörungsideologische Anfeindungen gegen
Wissenschaftler*innen entwickeln. Wir wollen weltweit verfolgte Wissenschaftler*innen und
Studierende hier in Deutschland und auf EU-Ebene besser schützen und ihnen im Exil eine
Perspektive bieten. Dazu wollen wir die vorhandenen Programme und Initiativen vom Bund
besser finanzieren und koordinieren sowie einen gemeinsamen europäischen Fonds aufbauen. Die
Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen und die Visavergabe sollen vereinfacht
werden. Konsequent werden wir Angriffen auf die Wissenschaftsfreiheit in anderen Staaten der
EU, etwa in Ungarn, widersprechen und uns für die Sanktionierung im Rahmen des
Rechtsstaatsmechanismus einsetzen. Die Stärkung der Wissenschaftsfreiheit muss zentraler
Aspekt der Außenpolitik sein. Dafür wollen wir die Außenwissenschaftspolitik ausbauen und
die Mittlerorganisationen der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik besser finanzieren.
Sensible Daten sowie die Forscher*innen, die diese für ihre Arbeit nutzen, wollen wir vor
behördlichem Zugriff schützen. Es muss wirksamen Schutz gegen Anfeindungen geben, wie sie
mittlerweile auch Forscher*innen und ausländische Studierende häufig erleben. Ein
kritischer Diskurs und eine Vielfalt an Meinungen innerhalb der Hochschulen und der
Wissenschaft sind Voraussetzung für eine demokratische, pluralistische Gesellschaft. In
Zeiten zunehmender Polarisierung gesellschaftlicher Debatten sind wir auf die Wissenschaft
als sachlich-rationalen Diskursraum angewiesen. Auch kontroverse Themen und Fragen müssen in
diesem Raum konstruktiv erörtert werden können.
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