Um die Inklusion insbesondere für Menschen mit Behinderung auch in der beruflichen Bildung voranzubringen, ist es notwendig, auch die Berufsabschlussprüfungen inklusiv zu gestalten. Besonders Menschen mit kognitiven Einschränkungen scheitern bei der Bewältigung der gestellten Aufgaben oft an sprachlichen Formulierungen wohingegen sie bei geeigneter Fragestellung eine fachliche Aufgabe lösen könnten.
Aber nicht nur Menschen mit Behinderungen kommen Prüfungen in Leichter Sprache zugute. Auch Menschen mit einfachen sprachlichen Schwierigkeiten profitieren von Aufgabenstellungen in Leichter Sprache. Für junge Migrant*innen stellt eine Berufsausbildung einen Weg zur Inklusion in unserer Gesellschaft dar, allerdings nur wenn am Ende nicht eine Barriere in Form einer unüberwindbaren Abschlussprüfung auf sie wartet. Auch vielen Absolvent*innen mit einer diagnostizierten Leseschwäche hilft oft eine Prüfungszeitverlängerung allein nicht weiter.
Natürlich zielt jede Prüfung auch auf ein gewisses Textverständnis ab. Aber gerade bei Berufsabschlussprüfungen müssen wir Sorge tragen, dass die Prüfung einer fachlichen Eignung nicht durch komplexe Aufgabenformulierungen verstellt wird. Mit Aufgabenstellungen in Leichter Sprache steigt somit die Validität einer Prüfung, weil auch das getestet wird, was getestet werden soll.
Allein im Zuständigkeitsbereich des Deutschen Industrie und Handelskammertages (DIHK) haben in den dort angesiedelten Ausbildungsberufen im Berichtsjahr 2020 von 22.601 Prüfungsteilnehmer*innen nur 20.064 die Prüfung bestanden. Über 10 Prozent der Absolvent*innen haben somit ihr Ausbildungsziel nicht erreicht.
Damit Auszubildende am Ende einer mehrjährigen Ausbildung nicht an der Berufsabschlussprüfung scheitern, ist es geboten, unter definierten Voraussetzungen eine Abschlussprüfung in Leichter Sprache zu ermöglichen.
Die für die Berufsausbildung zuständigen Stellen und Kammern unterhalten für jeden Beruf und i.d.R. für jedes Bundesland eine Vielzahl von Prüfungserstellungsgremien, die paritätisch von Vertreter*innen aus Berufsschulen und Wirtschaft ehrenamtlich besetzt werden. Damit diese Gremien in die Lage versetzt werden, Prüfungen in Leichter Sprache zu erstellen, ist eine breit angelegte Fortbildungsoffensive erforderlich, die ggf. auch eine Zertifizierung ermöglicht. Bei dieser Aufgabe benötigen die zuständigen Stellen auch finanzielle Unterstützung.
In meiner langjährigen Prüfertätigkeit für verschiedene Berufe habe ich immer wieder festgestellt, dass selbst durchschnittlich begabte Auszubildende oft an kompliziert formulierten Aufgabenstellungen scheitern. Eine Vereinfachung der Sprache in schriftlichen Berufsabschlussprüfungen trägt generell dazu bei, die Quote der erfolgreichen Berufsabschlüsse zu erhöhen.
Kommentare