Forscher:innen sind insbesondere in den empirischen Sozial- und Kulturwissenschaften für evidenzbasierte wissenschaftliche Forschungsergebnisse darauf angewiesen, dass sie qualitativ hochwertige empirische Daten gewinnen können. Gerade in Forschungsfeldern, die besonders vulnerable Gruppen oder halblegale Praktiken (z.B. Drogenmilieus, Prostitution, Flüchtlinge) betreffen, sind Forschende auf das Vertrauen der untersuchten Personengruppen angewiesen. Wie sich an einem aktuellen Fall gezeigt hat, droht bei staatlichem Strafverfolgungsinteressen die Beschlagnahme von Forschungsdaten und auch eine Aussagepflicht Forschender vor Gericht (weil es bislang für diese Gruppe kein Zeugnisverweigerungsrecht gibt). Damit aber wird der Begründung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Forschenden und vulnerablen Gruppen die Grundlage entzogen. Die absehbare Folge ist, dass sozialwissenschaftliche Daten, die zur Klärung gesellschaftlich wichtiger Fragen unabdingbar sind, nicht mehr zuverlässig gewonnen werden können, weil gefährdete Betroffenengruppen sich nicht mehr auf die Vertraulichkeitszusicherungen der Forschenden verlassen können. Wissenschaftliche Forschung darf daher nicht zum verlängerten Arm staatlicher Ermittlungsarbeit werden - so wichtig letztere auch sein mag.
Möglichkeiten für entsprechende rechtliche Regelungen bieten m.E. das StGB, die Strafprozessordnung sowie das Bundesdatenschutzgesetz.
Akuter Hintergrund: Fall der Beschlagnahme von Forschungsdaten durch bayrische Ermittlungsbeamte an der Uni Bamberg Ende Januar 2020; anhängende Klage des Betroffenen (Prof. Dr. Mark Stemmler) Hochschullehrers vor dem BVerfG; Stellungnahme des Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD).
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