Veranstaltung: | 48. Bundesdelegiertenkonferenz |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 15.10.2022 |
Eingereicht: | 17.10.2022, 18:32 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung durchsetzen - Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren!
Beschlusstext
Das Recht auf einen selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland nicht
gegeben, da dieser nach wie vor im Strafrecht verankert ist. Dies führt dazu, dass
Schwangerschaftsabbrüche nicht als Bestandteil der Gesundheitsversorgung verstanden werden
und trägt zu einer Stigmatisierung von ungewollt Schwangeren bei. Dabei greift der Staat
massiv in die körperliche Autonomie und Selbstbestimmung ungewollt Schwangerer ein. Ebenso
gibt es keine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung mit Praxen, die
Schwangerschaftsabbrüche durchführen.
Wir als Bündnisgrüne haben unsere Wurzeln in der Frauenbewegung und uns in verschiedenen
Beschlüssen für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und schwangeren Personen über ihren
eigenen Körper eingesetzt. Die Bundesregierung hat den Paragrafen 219a StGB bereits
abgeschafft. Gemäß dem Motto der Koalition "Mehr Fortschritt wagen" darf es dabei nicht
bleiben. Wir müssen das Recht auf Gesundheitsversorgung, inklusive einer umfassenden
Versorgung für ungewollt Schwangere, sicherstellen!
Wir fordern eine neue gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des
Strafgesetzbuches als Ersatz für § 218 StGB. Damit einhergehend fordern wir, aus der
Verpflichtung zur Beratung ein Recht auf Beratung zu machen und die dreitägige Wartepflicht
abzuschaffen. Wir wollen den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen für ungewollt Schwangere
erleichtern, die Infrastruktur für freiwillige Beratung dauerhaft absichern und
Schwangerschaftsabbrüche als Teil der Gesundheitsversorgung verankern.
Mit dieser Zielsetzung fordern wir, dass die im Koalitionsvertrag festgeschriebene
Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung, die Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch
außerhalb des Strafgesetzbuches erarbeiten soll, umgehend beginnt. Wir fordern, dass sich in
der Kommission die Expertise und die Erfahrungen einer großen Bandbreite von Expert*innen
widerspiegelt und neben Expert*innen aus der Wissenschaft und Politik, Vertreter*innen aus
der Praxis und den Bündnissen für sexuelle Selbstbestimmung einbezogen werden.
Die Verortung im Strafgesetzbuch hat zur Folge, dass ungewollt Schwangere derzeit selbst für
die Kosten des Abbruchs aufkommen müssen, da ein strafrechtlich geregelter Eingriff nicht
von den Krankenkassen übernommen werden kann.
Es braucht eine gesetzliche Grundlage, damit der selbstbestimmte Schwangerschaftsabbruch als
Teil der regelhaften Gesundheitsversorgung anerkannt und in den regulären Leistungskatalog
der Krankenkassen aufgenommen werden kann.
Die Methode des Abbruchs muss für jede ungewollt schwangere Person frei wählbar sein, auch
die Nutzung telemedizinischer Angebote sollte ausgeweitet werden. Um dies zu gewährleisten,
müssen die verschiedenen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs in der theoretischen sowie
praktischen Ausbildung von Ärzt*innen und medizinischem Personal vermittelt werden.
Krankenhäuser unterschiedlicher Träger und gynäkologische Abteilungen müssen die Möglichkeit
der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen in ihren Einrichtungen sicherstellen. Wir
sehen die Bundesländer in der Pflicht, eine bedarfsgerechte Versorgung ungewollt Schwangerer
sicherzustellen. Es ist zu prüfen, ob dies beispielsweise über eine genauere Definition des
Versorgungsauftrags der Länder im Schwangerschaftskonfliktgesetz (Bundeszuständigkeit) oder
eine Ergänzung des Versorgungsauftrags für Plankrankenhäuser (Länderzuständigkeit) umgesetzt
werden kann.
Die flächendeckende Beratungsinfrastruktur für Familienplanungszentren und
Schwangerschaftskonfliktberatung muss durch ein Recht auf freiwillige und ergebnisoffene
Beratung sichergestellt werden. Wichtig ist dabei, die ergebnisoffene Beratung durch nicht-
konfessionelle Träger zu stärken.
Auch der Schutz der Beratungsstellen und Praxen vor sogenannten Gehsteigbelästigungen von
Abtreibungsgegner*innen muss durch wirksame gesetzliche Maßnahmen sichergestellt werden.