Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Andreas Kleist (KV Coburg-Land) und 61 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 40%) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 02.10.2024, 15:38 |
V-49: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Antragstext
Wir begrüßen es sehr, dass durch die Verabschiedung der EU-weiten Europäischen
Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) ein Rahmen gesetzt wurde, durch den den
umfangreichen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen durch globale
Lieferketten allmählich Einhalt geboten werden kann.
Wir fordern die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Sie Grünen und die Mitglieder
der Bundesregierung bei der Anpassung des deutschen
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) an die Vorgaben der EU-weiten
Europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) auf, die weitergehenden Vorgaben der
EU Richtlinie baldmöglichst und noch in dieser Legislaturperiode in deutsches
Recht umzusetzen, aber dabei die Zeitfristen des deutschen LkSG nicht zu
verschieben oder gar auszusetzen. Vielmehr sollten alle Unternehmen, die vom
deutschen Lieferkettengesetz erfasst sind auch im angepassten Gesetz erfasst
werden. Die Grundwerte von Bündnis90/Die Grünen sind dabei zu verwirklichen. In
den vorgeschriebenen Standards der Lieferketten sollten deutsche
Menschenrechtsstandards und Umweltstandards nicht unterschritten werden und die
zivile Haftung entsprechend Artikel 29 CSDDD sollte auch auf negative
Auswirkungen ausgeweitet werden, die von allen Geschäftspartnern der gesamten
Lieferkette verursacht werden.
Begründung
Die weltweite Gütererzeugung gründet derzeit darauf, dass alle Produktionsverfahren, die durch Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörung kostengünstiger gemacht werden können, in Länder ausgelagert werden, in denen diese Standards unterhalb der deutschen Standards liegen.
Berechnungen haben ergeben dass jeder durchschnittliche Deutsche mit seinem Konsum weltweit etwa 30 bis 50 Menschen, darunter viele Kinder in sklavenähnliche Beschäftigungsverhältnisse zwingt und maßgeblich gravierende Umweltzerstörungen durch Rohstoffabbau und Anbau von Agrarprodukten verursacht. Sie sind letztlich wichtige Ursache der weltweiten Armut, von Hunger, Krankheit und Migration. Dies hat Oxfam in zahlreichen Studien zum Bananenanbau in Ecuador, zum Ananasanbau in Costa Rica, zu Wein aus Südafrika und Tee aus Indien immer wieder aufgezeigt. Aldi, Lidl, Rewe und Co müssen nur prüfen, ob sie selbst oder ihre direkten Zulieferer Menschenrechte verletzen. Sie behindern die Höherentwicklung der ärmeren Länder und schwächen deren Kaufkraft. Letztlich behindern die derzeitigen Zustände auch die wirtschaftliche Entwicklung der reichen Länder, da alle vor Ort produzierenden Betriebe und Staaten durch permanenten Kostendruck zur Absenkung der eigenen Sozial- und Umweltstandards gezwungen werden und ein fairer Warenaustausch mit den ärmeren Ländern durch deren mangelnde Kaufkraft behindert wird.
Alle freiwilligen Appelle an die handelnden Unternehmen scheiterten in der Vergangenheit, um dieser menschenverachtenden und umweltzerstörender Praxis entgegen zu wirken.
Die EU-weite Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) wurde am 5.7.2024 veröffentlicht. Sie geht erfreulicherweise deutlich über das von der großen Koalition beschlossene nationale Lieferkettengesetz hinaus und muss bis 26.Juli 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Federführend dafür ist das Ministerium für Arbeit und Soziales.
Das angepasste deutsche Gesetz kann nicht unter den Vorgaben der EU-weiten Europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) liegen, kann aber jederzeit strengere Maßstäbe anlegen.
Laut Presseberichten hat sich das Wirtschaftsministerium dafür eingesetzt, das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz aufgrund des Drucks der Wirtschaft vorläufig auszusetzen. Das spricht dafür, dass ein Teil der Wirtschaftslobbyisten alles daran tut, die Neufassung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes so schwach wie möglich gestalten zu wollen.
Es wird auf die Ausgestaltung dieser nationalen Vorschriften und Praxis ankommen, ob tatsächlich der durch die EU verursachten neokolonialen Ausbeutung Einhalt geboten wird oder ob das Gesetz nur zu schönfärbenden Berichten der Unternehmen wie bisher führt. Ein wichtiger Eckpfeiler dabei ist der Einbezug der gesamten Lieferkette und das zivile Haftungsrecht. Wenn das deutsche Gesetz Zivilklagen aller Beeinträchtigten der gesamten Lieferkette zulässt, werden die handelnden Konzerne tatsächlich konsequent Menschenrechte und Umweltschutz in ihrer Produktion berücksichtigen. Derzeit ist die gängige Praxis dieser Konzerne zwar über Preisdruck die Vorlieferanten in Ausbeutung und Umweltzerstörung zu zwingen selbst aber durch euphemistische Scheinvereinbarungen mit ihren Vorlieferanten dafür keinerlei Haftung zu übernehmen.
Beispielhaft könnte dann eine NGO oder betroffene Gewerkschaften Lidl verklagen aufgrund einer Schokolade die durch Vorlieferanten erzeugt wurde, die Regenwald abgeholzt und Kinderarbeit eingesetzt haben. Dann könnten Arbeiter*innen, die auf Bananen, Ananas- oder Weinplantagen für unser Essen schuften, vor deutschen Gerichten Schadensersatz einklagen, zum Beispiel für Gesundheitsschäden durch den Einsatz hochgiftiger Pestizide. Damit könnte dann der derzeitigen menschenverachtenden und umweltzerstörenden Praxis ein Ende gesetzt werden.
Da die EU-Richtlinie Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern aber unter 450 Millionen Umsatz nicht erfasst, das Deutsche aber schon, sollten bei der Anpassung diese Firmen mit den angepassten Europäischen Regeln eingeschlossen bleiben. Dies schon deswegen, weil die Europäische Lieferkettenrichtlinie eine Verschlechterung der bestehenden Gesetzes nicht zulässt und dann das geänderte deutsche Gesetz einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof nicht standhielte.
Eine Aussetzung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz würde den Wettbewerbsvorteil schmälern, den die deutschen Firmen durch die etwas frühere Implementierung der europäischen Regeln gewinnen würden, da das Gesetz ja insbesondere vom Ladentisch her Wirksamkeit entwickelt.