Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Landesvorstand Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen (dort beschlossen am: 02.10.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.10.2024, 11:19 |
V-90: Erdgas- und Erdölförderung am Rande des Weltnaturerbe Wattenmeer stoppen
Antragstext
Die Schönheit und Einzigartigkeit des Wattenmeers, ein Tourismusmagnet und
UNESCO Weltnaturerbe, stehen auf dem Spiel. Dieses fragile Ökosystem mit seiner
faszinierenden Unterwasserwelt, beeindruckenden Salzwiesen und Dünenlandschaften
sowie Millionen von Vögeln, die hier ihren Rastplatz haben, darf nicht für
wirtschaftliche Interessen eines niederländischen Konzerns riskiert werden. Der
Schutz des Wattenmeers, der Inseln, Flora und Fauna und der Menschen muss für
uns Priorität haben – wir dürfen nicht zulassen, dass die geplante
Erdgasförderung vor Borkum Deutschlands größtes Naturerbe gefährdet.
Im Jahr 2022 wurde aufgrund des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands
gegen die Ukraine eine mögliche Gasknappheit befürchtet. Doch Dank umfassender
und zügiger Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene durch uns Grüne, insbesondere
durch den Ausbau Erneuerbarer Energien, konnte diese Gefahr abgewendet und die
Menschen in diesem Land warm und sicher durch den Winter gebracht werden. Auch
2024 sind die Speicher voll. Niedersachsen, das 2023 erstmalig seinen
Strombedarf rechnerisch zu über 100 % aus erneuerbaren Energien gedeckt hat und
für ganz Deutschland eine Schlüsselrolle bei der Energiewende spielt, zeigt uns,
dass der Weg in die Zukunft grün ist und nicht weiter von fossilen Brennstoffen
abhängen darf. Die geplante Erdgasförderung, die maximal 1 % des aktuellen
deutschen Bedarfs decken würde, steht in keinem Verhältnis zu den potentiellen
Schäden. Allein durch die Verbrennung des geförderten Gases würden gemäß der
Genehmigung von 18 Jahren Förderzeitraum bis zu 26 Millionen Tonnen CO2
freigesetzt – das entspricht den jährlichen Emissionen des gesamten Bundeslandes
Rheinland-Pfalz.
Die UNESCO erklärt in ihrem Wattenmeer-Zustandsbericht die geplante Gasförderung
als unvereinbar mit dem Status des Weltnaturerbes. Der Schutz dieses
empfindlichen Ökosystems darf nicht der kurzfristigen Rohstoffgewinnung geopfert
werden. Die einzigartigen Lebensräume, die 2022 dem Bundesumweltministerium als
Flora-Fauna-Habitat FFH 2022 zur Aufnahme gemeldet wurden, sowie aktuell neu
entdeckte Steinriffe vor Borkum mit ihren Hummern, Krebsen und Korallen, der
Lebensraum auf den ostfriesischen Inseln, sind durch das Vorhaben der Firma ONE-
Dyas unmittelbar bedroht. Die Störungen reichen direkt in die Gebiete hinein und
gefährden somit zum Beispiel Schweinswale, Robben und Seehunde. Dieses
Erdgasfeld ist erst der Anfang des von ONE-Dyas großräumig geplanten
Förderprojekt mit weiteren Bohrplattformen und Gasfeldern, teilweise direkt
unter deutschen Naturschutzgebieten, die dieses derzeit so biodivers geschütztes
Gebiet industrialisieren würde.
Die Inseln Borkum, Schiermonnikog und Juist sowie zahlreiche Umweltverbände aus
den Niederlanden und Deutschland haben bereits erfolgreich gegen den Bau der
Bohrplattform und der dafür notwendigen Infrastruktur geklagt und vor Gericht
einen vorläufigen Baustopp erreicht. Das Gericht betonte ausdrücklich den Schutz
wertvoller Riffe entlang der Kabeltrasse und das wirtschaftliche Interessen
eines fossilen Konzerns, den Natur- und Klimaschutz nicht überwiegen. Dies zeigt
deutlich den breiten Widerstand und das Bewusstsein in der Region, dass die
Erdgasförderung einen unverantwortlichen Eingriff in die Natur und das Klima
darstellt. Bündnis 90/Die Grünen steht fest an der Seite der Klimabewegung, der
Natur- und Umweltverbände, der Insulaner*innen und der Inseln Borkum,
Schiermonnikog und Juist.
Wenn wir unseren Anspruch als Klimaschutzpartei und die Glaubwürdigkeit der
deutschen Energiepolitik verteidigen wollen, dürfen wir Borkum nicht zulassen.
Die geplante Förderung steht im krassen Widerspruch zu den Klimazielen, die wir
uns gesetzt haben, und gefährdet die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens.
Weltweit war es ein Erfolg von Außenministerin Annalena Baerbock,
Klimaschutzminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke, dass sich
die 28. Weltklimakonferenz in Dubai endlich für die Abkehr von fossilen Energien
ausgesprochen hat. Die Erschließung neuer Öl-, Gas- und Kohlevorkommen ist mit
dem Weltklimaabkommen unvereinbar.
Auf Bundesebene wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, dass keine neuen
Genehmigungen für Öl- und Gasbohrungen in der Nord- und Ostsee erteilt werden
sollen. Die Modernisierung des Bergrechts ist bereits angestoßen, um die
heimische Rohstoffgewinnung ökologisch neu zu ordnen und endlich auch Klimaziele
in Genehmigungen zu berücksichtigen. Wir fordern die Bundesregierung auf, dies
zügig umzusetzen, damit keine neuen Genehmigungen für fossile Förderprojekte
mehr erteilt werden.
Die Verhandlungen über ein sogenanntes Unitarisierungsabkommen zwischen
Deutschland und den Niederlanden, das die rechtliche Grundlage für die geplante
Erdgasförderung schaffen soll, laufen seit 2022. Dieses Abkommen darf vom
Deutschen Bundestag aus Klimaschutz- und Umweltgründen und zum Schutz des
UNESCO-Welterbes Wattenmeer nicht ratifiziert werden. Wir appellieren an die
grüne Bundestagsfraktion und an unsere Minister*innen, sich entschieden für
Klima und Naturschutz und gegen diese unnötige Förderung einzusetzen.
Klimaschutz und der Schutz unseres Naturerbes müssen über den Interessen eines
niederländischen Unternehmens stehen. In dieser Sache stehen wir Seite an Seite
mit GroenLinks, unserer Schwesterpartei in den Niederlande.
Wir fordern:
· Jegliche Erdgas- und Erdölförderprojekte innerhalb und außerhalb des
Weltnaturerbes Wattenmeer sofort zu stoppen
· Den UNESCO Weltnaturerbe-Status des Wattenmeers konsequent zu schützen und
gefährdende Eingriffe zu verhindern.
· Die grünen Minister*innen in der Bundesregierung und die Grüne
Bundestagsfraktion dürfen nicht das Unitarisierungsabkommen zwischen Deutschland
und den Niederlanden unterstützen.
· Die Umsetzung eines ökologisch-modernen Bergrechts, das den Schutz von Klima
und Natur ins Zentrum stellt und Neugenehmigungen fossiler Förderungen
ausschließt
Der Schutz unseres einzigartigen Erbes muss Vorrang haben – denn es gibt keinen
zweiten Ort wie das Wattenmeer.