Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | W-BV Wahl Bundesvorstand |
Antragsteller*in: | Felix Banaszak (KV Duisburg) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 06.11.2024, 19:02 |
W-BV-V-04: Bewerbung: Felix Banaszak
Bewerbungstext
Liebe Freundinnen und Freunde,
unsere Zeit ist herausfordernd in so ziemlich jeder denkbaren Hinsicht und Dimension. Die Welt geprägt von Kriegen und Krisen, unsere Gesellschaft erschöpft, polarisiert und verunsichert wie lange nicht. Gezielte Desinformation als Teil der hybriden Kriegsführung Wladimir Putins trägt ihren Teil dazu bei. Die sozialen Schieflagen verschärfen sich und sorgen für neue Spaltungslinien. Klima- und Naturschutz, generell ökologische Politik, sind in der Defensive - und dabei wichtiger denn je. Mit einer wahrscheinlich zweiten Amtszeit Donald Trumps im Weißen Haus sind Deutschland und Europa gefordert, ihre Sicherheit und Souveränität stärker selbst in die Hand zu nehmen. Die Sehnsucht nach Frieden in Europa und der Welt ist unermesslich. Zivilist*innen, Familien und Kinder in der Ukraine zahlen für ihre Freiheit einen unendlichen Preis. Der Kampf um Frieden in Freiheit statt in Unterwerfung ist in Deutschland und Europa verbunden mit deutlich höheren Ansprüchen an unser eigenes Engagement für die Ukraine - diplomatisch, militärisch, humanitär. Es sind Zeiten, die Entschlossenheit und klaren Kompass verlangen.
Hoffnung geben in hoffnungsarmen Zeiten
In dieser Zeit sind viele Menschen auf der Suche nach einer politischen Kraft, die Orientierung und Zuversicht gibt, dass die Dinge sich zum Guten wenden können. Und genau in dieser Zeit wagen Bündnis 90/Die Grünen einen Neustart. Oha. Wohin unsere Reise geht, wie erfolgreich wir sein werden, haben wir selbst in der Hand.
Seien wir die Kraft der Zuversicht, seien wir dieser Hoffnungsort!
Setzen wir der Schlacht der Unwahrheiten radikale Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit entgegen. Das klingt banal und ist in diesen Zeiten vielleicht ziemlich revolutionär. Die Wahrheit kann eine ganz schön scharfe Waffe sein.
Antworten wir auf die Verdruckstheit, den Griesgram und die Resignation mit radikaler Zuversicht. Wer an sich, seine Werte und seine Ziele glaubt, wird auch andere davon begeistern können.
Setzen wir dem kleinen Karo unserer politischen Mitbewerber radikale Offenheit für die Größe der Herausforderungen entgegen. Nur, wer die Welt annimmt, wie sie ist, kann sie verändern.
Was steht also an? Verstehen, was in der letzten Zeit passiert ist. Warum Vertrauen, Verbindung und Deutungsmacht über uns und unsere Themen verloren gegangen sind. Die Schlüsse ziehen. Und mit aller Kraft in die Auseinandersetzung um unsere Zukunft gehen. So sind wir, so waren wir schon immer. Den Kopf im Sand stecken zu lassen, weil er da schon mal so gut liegt, ist nicht mein, ist nicht unser Ding. Am Ende geht es darum, einmal mehr aufzustehen, als man gefallen ist.
Die nächsten Schritte nach vorn
Dass die Auswirkungen des Krieges in Deutschland im Großen und Ganzen beherrschbar wurden, ist auch einem grünen Pragmatismus zu verdanken. Hätten unsere Vorgängerregierungen früher und energischer den Ausbau der Erneuerbaren Energien betrieben und uns damit unabhängig von Energieimporten gemacht, wären die gesellschaftlichen Härten vermutlich nie so groß geworden. Daraus zu lernen, ist demokratische Pflicht.
Keine Regierung vorher hat so viel zum Erfolg der Energiewende und der industriellen Transformation zur klimaneutralen Produktion beigetragen wie die Ampel. Und gleichzeitig hinterfragen viele Menschen nach drei Jahren in dieser Konstellation, ob Klimaschutz und wirtschaftlicher Erfolg zusammengehen, während es vielen anderen noch weitaus nicht genug war. Für neue Zuversicht zu sorgen, ist ein harter, aber enorm wichtiger Auftrag für uns.
Nun neigt sich diese Wahlperiode dem Ende zu und der Wahlkampf wirft seinen Schatten voraus. Die Rolle der Partei und ihres Vorstands wird in diesem Jahr eine andere sein als in den letzten: Nicht als Opposition in der Regierung aufzutreten, aber auch nicht als deren ausgelagerte Pressestelle. Nicht die kleinen Schritte und Kompromisse zu verleugnen, für die wir uns aus guten Gründen entschieden haben, aber noch weniger zu verschweigen, wohin wir eigentlich wollen.
In einer Welt des Wandels ist die Zumutung die Grundkonstante. Das auszusprechen, erfordert Mut. Aber wer erzählt, die Dinge ändern sich einfach, ohne dass es jemand merkt, sagt nicht die Wahrheit. Grüne Politik muss dafür sorgen, diese Zumutungen abzufedern und gerecht zu verteilen, dafür zu sorgen, dass sie nicht die eh schon benachteiligten Gruppen überproportional treffen - aber nicht, sie zu leugnen.
Schaffen wir eine echte Klimasozialpolitik! Denn so sehr es richtig ist, dass die Bewältigung ökologischer Krisen per se Gerechtigkeitspolitik ist, weil Reiche sich immer leichter von den Folgen der Zerstörung freikaufen können, so sehr müssen wir bei allem ökologischen Umbau die Verteilungswirkung stärker adressieren.
No Bullshit
Dieses Land braucht keine Bullshit-Debatten über angebliche Fleischverbote, Genderpflichten oder Radwege in Peru. Dieses Land muss darüber sprechen, wie es in Zeiten grundlegender geopolitischer Verschiebungen wirtschaftliche Resilienz schaffen und sich außen- wie sicherheitspolitisch robust und zugleich als Teil eines Bündnisses für globale Gerechtigkeit aufstellen kann. Wirtschaftliche Resilienz gibt es nicht zum Nulltarif, sie kostet einiges - keine Resilienz zu haben, sich verwundbar zu machen, wird wiederum noch teurer.
Die Investitionsbedarfe sind, gemessen am Zustand unserer Infrastruktur und an der Härte des internationalen Standortwettbewerbs um Zukunftstechnologien und Bestandsindustrien, riesig. Energiepreise zu senken und gleichzeitig Planungssicherheit für die anstehende Transformation zu schaffen, ist das Gebot der Stunde, um Industrie zu halten, um neue Technologien anzusiedeln, um Innovationskraft zu schaffen.
Für wen wir Politik machen
Ich halte nichts von der Idee, dass wir uns nun zu entscheiden hätten, ob wir Politik “für unser Milieu” machen oder “die Mitte” erreichen wollen sollten, weil es nur dann ein Widerspruch ist, wenn wir an der Oberfläche bleiben. Die bündnisgrüne Partei ist fest verankert in der linken, progressiven Mitte dieses Landes und unser Ziel muss bleiben, zu ihrer führenden Kraft zu werden. Und deshalb: Ja, um diese “Mitte” werde ich kämpfen, natürlich.
Die Mitte ist nämlich nicht da, wo Friedrich Merz sie verortet. Wo man sich ununterbrochen über die Grünen aufregt und der Freiheitskampf am Gartengrill beginnt und endet. Die Mitte ist da, wo Familien am Sonntagabend die komplizierte Logistik für die Woche klären und dann die Nachricht in der WhatsApp-Gruppe der Kita aufploppt, dass am nächsten Tag leider nur die Hälfte der Kinder betreut werden kann - Personalmangel, das ist Realität. Die Mitte ist da, wo man sich nicht in Armut wähnt, aber trotzdem ab dem 20. des Monats lieber zum Discounter geht als zu REWE oder EDEKA, weil die Nachzahlung für die Gasheizung noch ansteht. Die Mitte ist da, wo Beschäftigte sich nach ihren Kräften reinhängen, um ihren Job bangen und nicht verstehen, warum ihre Führungskräfte ein Zehn- oder Fünfzigfaches verdienen. Seien wir diesen Menschen eine Stimme.
Ich bin aufgewachsen als Kind eines alleinerziehenden Vaters. Meine Großeltern haben als Kinder polnischer Arbeitsmigranten in der Kokerei geschuftet und den Gemeindesaal geputzt. Kein Banaszak glaubt, ihm gehört die Welt. Seit meiner frühen Jugend habe ich gejobbt, um mir etwas dazu zu verdienen: Als Pizza-Taxi-Fahrer für 4,50 € die Stunde, in der Gastronomie, als Nachhilfelehrer, Tanztrainer, in der Videothek, im Zivildienst in der Altenpflege.
Und in den fünfzehn Jahren meiner Mitgliedschaft habe ich von der Kommune bis zum Europäischen Parlament jede Ebene kennenlernen können. Als Landesvorsitzender der NRW-Grünen durfte ich nach unserem Rekordergebnis bei der letzten Landtagswahl einen schwarz-grünen Koalitionsvertrag verhandeln. In all diesen Jahren habe ich viel gelernt. Wer weiß, wohin er will und wofür er steht, muss vor Gesprächen mit Menschen, die ganz woanders stehen, keine Angst haben. Ich habe gelernt, wie zentral eine kritisch-solidarische Haltung miteinander ist - im Vorstand untereinander und in der Zusammenarbeit mit den Landes- und Kreisverbänden, den Kommunalos und Kommunalas, den Bundesarbeitsgemeinschaften, den Abgeordneten im Bund und den Ländern und mit der Regierung. Es sind diese und viele weitere Erfahrungen, die ich in unsere Teamaufstellung einbringen will.
Ich weiß um die Kraft unserer Partei. Wenig macht mir mehr Spaß, als mit euch und mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Zu werben, zu argumentieren, und auch einfach zuzuhören. Gemeinsam an einem Strang ziehen. Bestehende Bündnisse bewahren und neue Bündnisse ausbauen. Lasst uns eine Unterwegspartei sein, die ihre Ideen nicht aus der grauen Theorie, sondern der bunten Vielfalt des Alltags heraus entwickelt. Auf Augenhöhe und mit Augenmaß, aber auch der richtigen Portion Freude.
Für diesen Weg bitte ich euch um eure Unterstützung.
Herzliche Grüße
Euer Felix
Kind des Ruhrgebiets, 1989 in Duisburg geboren und aufgewachsen.
Verheiratet und Vater.
Seit 2009 bei den Grünen, war im Bundesvorstand der Grünen Jugend, habe im Berliner Abgeordnetenhaus und im Europäischen Parlament gearbeitet.
Von 2016 bis 2018 Kreisverbandssprecher in Duisburg, dann bis 2022 NRW-Landesvorsitzender.
Mitglied des Länderrats und seit 2023 wieder im Parteirat aktiv.
Mitglied bin ich u.a.bei ver.di und der IG Metall.
Ihr erreicht mich unter: felix.banaszak@bundestag.de