Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Friederike von Franqué (KV Frankfurt) und 70 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 42%) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.10.2024, 11:47 |
V-97: Digitale Commons - für eine gerechtere, innovative und nachhaltige digitale Zukunft für alle
Antragstext
Eine gemeinwohlorientierte digitale Welt ist möglich!
Die Bundesversammlung von Bündnis90/GRÜNE fordert die Bundestagsfraktion,
Regierungsmitglieder und Landtagsfraktionen auf,bei ihrer Vision für eine
gerechte, innovative und nachhaltige Zukunft das Digitale mitzudenken und dafür
energisch die Weiterentwicklung und Unterstützung digitaler, offener und
kollaborativer Räume voran zu treiben, in denen an gemeinwohlorientierten
digitalen Gütern (DC - Digital Commons) oder Digitalen Öffentlichen Gütern ( DPG
- Digital Public Goods) gearbeitet wird.
Konkret sollen sie sich dafür einsetzen, dass auf nationaler, europäischer und
globaler Ebene in öffentliche digitale Infrastrukturen investiert wird, dass
internationale Kooperationen dazu ausgebaut werden, dass Initiativen für
Digitale Gemeingüter gefördert und unterstützt werden, dass existierende
Digitale Gemeingüter geschützt und verbessert werden, dass in der öffentlichen
Verwaltung konsequent auf Open Source Lösungen gesetzt wird und dass digitale
Kompetenzen gefördert werden, um eine sinnvolle Beteiligung aller zu
ermöglichen.
Begründung
Stellt Euch eine Welt vor, in der das Internet für alle angstfrei zugänglich ist und die zunehmende Digitalisierung der Menschheit zugute kommt. Schon jetzt gelten digitale öffentliche Güter als Schlüsselfaktoren für inklusive digitale Transformation und Innovation. Sie können mit ihrer Gemeinwohlorientierung zum Rückgrat werden für eine gerechte, feministische Entwicklung und die Entwicklung der Menschheit.
Unter digitalen Gemeingütern (Digital Commons) versteht man die kollektive Schaffung und das gemeinsame Eigentum an Informationen, Wissen, Daten Infrastruktur innerhalb einer Gemeinschaft. Dazu gehören u. a. Open-Source-Software, offene Daten, offene Standards, offene KI-Bibliotheken und offene Inhalte. Beispiele sind die gemeinschaftlich entwickelte Software Linux, das Projekt OpenStreetMap oder Wikipedia, die für alle frei zugänglich sind und die Zusammenarbeit, Innovation und nachhaltigen Fortschritt für die gesamte Menschheit fördern.
Durch die Förderung von gemeinsamem Eigentum und kollektiven Beiträgen sind Digitale Commons ein Katalysator für gemeinschaftliche Problemlösungen auf globaler Ebene. Gemeinschaften auf der ganzen Welt können auf vorhandenem Wissen aufbauen, Innovationen beschleunigen und Lösungen schaffen, die auf unterschiedliche Kontexte zugeschnitten sind.
Die offene Natur von Digital Commons unterstützt die nachhaltige Entwicklung etwa durch weniger Redundanz bei der Ressourcenzuweisung und durch einen verbesserten Wissenstransfer zwischen Industrie- und Entwicklungsregionen, aber auch die Förderung widerstandsfähiger digitaler Ökosysteme, die sich an veränderte Bedürfnisse anpassen können. Offene Bildungsressourcen demokratisieren das Lernen, gemeinsame Lehrpläne und Lehrmethoden verbessern die Bildungsqualität weltweit, offene medizinische Forschung wie während der Pandemie beschleunigt wissenschaftliche Durchbrüche und vieles mehr. Das Vorhaben ist kein Hirngespinst: Investitionen in europäische öffentliche Güter und Infrastrukturen gehören bereits zu den Hauptzielen des neuen Mandats der Europäischen Kommission.. Die Vereinten Nationen haben in ihrer jüngst verabschiedeten Deklaration (Global Digital Compact) diese Absicht unterstrichen.
Die aktuelle Realität zeigt, dass wir handeln müssen: unternehmerische Entscheidungen global aufgestellter Megakonzerne verzerren unseren öffentlichen Diskursraum mit negativen und desinformativen Botschaften und gefährden unsere Demokratie. Hinzu kommt der KI-Trend, der mit geschlossenen Modellen negative Auswirkungen hat. Allein der ungeheuere Verbrauch an Strom und Wasser der für KI-Anwendungen gebauten Rechenzentren im Besitz einzelner Megakonzerne gefährdet sehr unmittelbar die globalen Nachhaltigkeitsziele. Der Ankauf des alten britischen Atomkraftwerkes Three Mile Island durch Microsoft sollte bei GRÜNEN die Alarmglocken schrillen lassen. Es geht aber auch um Ungleichheit: finanziell wären selbst die europäischen Staaten zusammen nur schwer in der Lage, das Investitionsvolumen in sogenannte KI abzudecken, das alleine der Konzern Meta für jedes Jahr angekündigt hat: 99 Milliarden Dollar.
Eine gemeinsame Entwicklung von KI-Modellen bleibt für die meisten Staaten und Gesellschaften daher die einzige Möglichkeit, an dieser Schlüsseltechnik der Zukunft teil zu haben. Zugleich bieten sich riesige Chancen, mit einer solchen Zusammenarbeit die Vielfalt der Welt abzubilden und dadurch zu besseren Ergebnissen gerade bei KI-Anwendungen zu kommen. I
Weil Zusammenarbeit nur mit Vertrauen funktioniert, sind Transparenz, ein hohes Schutzniveau etwa bei der Einhaltung der Menschenrechte und integrativ organisierte Zusammenarbeit essentiell. Wenn es gelingt, gemeinwohlorientierte Gemeinschaftsprojekte zu einer globalen Infrastruktur zu machen, an der alle Teil haben und von der alle profitieren können, über geografische, wirtschaftliche und soziale Barrieren hinweg, dann wird durch diese Demokratisierung von Wissen und Werkzeugen eine integrative Entwicklung ermöglicht, bei der niemand zurückgelassen wird.
Bündnis90/DIE GRÜNEN sollten sich für diese mutige und vielversprechende Vision einer digitalen Zukunft einsetzen.