Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | BAG Tierschutzpolitik (dort beschlossen am: 07.09.2024) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 28.09.2024, 20:44 |
V-19: Für eine gesunde, klima- und tiergerechte Ernährung
Antragstext
Eine pflanzenbetonte Ernährung ist in der Regel gesünder, umwelt- und
klimaschonender und eine Voraussetzung für mehr Tierschutz. Werden pflanzliche
Lebensmittel ökologisch erzeugt, kann damit ein wichtiger Beitrag für die
Förderung der Biodiversität erreicht werden. Bündnis 90/ Die Grünen setzt sich
daher für eine gesunde, klima- und tiergerechte Ernährung ein. Grundsätzlich
gilt in Deutschland für Lebensmittel, die dem Bereich der Grundnahrungsmittel
zugeordnet werden, der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Dies
regelt § 12 des Umsatzsteuergesetzes. Anlage 2 zu § 12 enthält eine Liste von
Produkten, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Hierzu gehören bspw.
Zucker, Mehl, Kartoffeln, Gewürze, Gemüse und Obst, Tee und Kaffeebohnen oder -
pulver, Nüsse, tierische Milch und tierische Milchprodukte wie Käse, Quark,
Butter sowie Fleisch, Fisch, rohe Eier und Honig. Dabei wollen wir folgendes
umsetzen:
- In allen Kantinen des Bundes, seiner Behörden und Einrichtungen sowie bei
Co-finanzierten Einrichtungen geben wir künftig bei der Vergabe die
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) verbindlich
vor und lassen eine DGE-Zertifizierung durchführen. Zudem wird ein
Stufenplan für einen steigenden Bioanteil festgelegt. An allen
Verpflegungstagen soll jeweils mindestens eine vollwertige pflanzliche
(vegane) Alternative angeboten werden.
Begründung
Wer sich vegetarisch oder vegan ernährt, auf laktose- oder glutenfreie Produkte setzt, bekommt Grundnahrungsmittel wie Pflanzendrinks oder -joghurt sowie Fleischalternativprodukte nicht zum ermäßigten Steuersatz. Diese Lebensmittel wurden vom Gesetzgeber nicht in die Liste der Grundnahrungsmittel aufgenommen und unterliegen damit als verarbeitete Produkte noch immer dem regulären Steuersatz in Höhe von 19 Prozent.
Im Alltag weniger Fleisch, Käse und Butter zu essen, gehört laut der Deutschen Umwelthilfe zu den einfachsten und wirkungsvollsten Klimaschutz-Maßnahmen, die man als Individuum leisten kann [2]. Die 2024 veröffentlichte Ernährungsstrategie der Bundesregierung sieht eine Stärkung der pflanzenbetonten Ernährung vor [3]. Die Produktion tierischer Lebensmittel belastet die Umwelt wesentlich stärker als die von pflanzlichen Lebensmitteln: Beispielsweise lassen sich 66 Prozent der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen und 61 Prozent der Flächeninanspruchnahme auf tierische Lebensmittel zurückführen – größtenteils zum Zwecke des Futtermittelanbaus. Und um eine Kalorie Rindfleisch zu erzeugen, verbrauchen wir sechs bis 21 pflanzliche Kalorien. Insofern ist die höhere Besteuerung unfair den Verbraucher* innen gegenüber, deren Speiseplan sich aus pflanzlichen Grundnahrungsmitteln zusammensetzt. Gute Rahmenbedingungen dafür, sich möglichst klimabewusst oder gesund zu ernähren, schafft das derzeitige Besteuerungssystem für Grundnahrungsmittel jedenfalls nicht. Das wollen wir ändern! Wir schaffen die Rahmenbedingungen dafür, dass jede*r selbst und gut entscheiden kann, sich gesund, klima- und tiergerecht zu ernähren.
Um eine stärker pflanzenbetonte, gesunde und umweltgerechte Ernährung zu fördern, wurde u. a. vom Bürgerrat Ernährung und von Verbraucherzentralen gefordert, die Mehrwertsteuer auf pflanzliche Grundnahrungsmittel abzuschaffen. „Im Sinne der Ernährungssicherung bietet die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte ebenfalls Vorteile, denn auf einer begrenzten Fläche können mehr pflanzliche als tierische Kalorien erzeugt werden“, so Selvihan Benda, Referatsleitern für Lebensmittel & Ernährung bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein [4]. Die Null-Prozent-Besteuerung bestimmter pflanzlicher Grundlebensmittel wäre zudem eine Entlastung für Verbraucher*innen bei hohen Lebensmittelpreisen und würde zur erwünschten gesünderen Ernährung der Bevölkerung beitragen [5]. Auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hat diesen Vorschlag bereits ins Spiel gebracht [6].
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat bei ihrer Überarbeitung der Ernährungsempfehlung für Deutschland im März 2024 neben den Gesundheitsaspekten auch die Umweltbelange berücksichtigt [7]. Hinsichtlich der Verzehrmenge von Fleisch kommt sie zum gleichen Ergebnis wie die sogenannte EAT-LANCET-Kommission, die mit der „Planetary Health Diet“ eine gesunde und klimafreundliche globale Ernährungsleitlinie entwickelt hat. Die DGE empfiehlt, sowohl aus gesundheitlicher als auch aus ökologischer Perspektive maximal 300 g Fleisch und Wurst pro Woche zu verzehren – also weniger als ein Drittel der derzeitigen Durchschnittsmenge. Zudem hat die DGE aktuell ihre Bewertung einer rein veganen Ernährung geändert: Sie betont, dass bei sorgfältiger Gestaltung eine vegane Ernährung für Erwachsene gesundheitsfördernd sein kann. Lediglich Vitamin B12 müsse substituiert werden.
Wir fordern daher, § 12 des Umsatzsteuergesetzes den aktuellen Erkenntnissen anzupassen und als Maßnahme zu nutzen, einen Anreiz für Verbraucher*innen zu schaffen, um sich kostengünstiger, gesund und nachhaltig zu ernähren.
Um das krasse Missverhältnis bei der Besteuerung zwischen Fleisch und tierischen Produkten und pflanzlichen Alternativen zu zu beenden, ist es erforderlich, pflanzliche Alternativen vom bisherigen Steuersatz von 19 Prozent auf 7 Prozent herabzusetzen. Eine großangelegte Studie des Bundesumweltamts zeigt den Unterschied der Umweltrelevanz an einem Beispiel deutlich auf: Für die Produktion eines Kilos Fleischersatz auf Pflanzenbasis werden 2,8 Kilogramm Treibhausgase ausgestoßen [8]. Für Schweinefleisch liegt der Wert bei 4,1, für Geflügel bei 4,3 und für Rindfleisch sogar bei 30,5 Kilogramm. Derzeit ist zellkultiviertes Fleisch noch in der Entwicklungsphase. Es ist damit zu rechnen, dass angesichts des wachsenden Bedarfs für das im Labor entwickelte Original aus tierischen Zellen die Entwicklung sich beschleunigen wird. Deshalb sollte die Entwicklung auch in den Hochschulen vorangetrieben werden. Dazu sollen Projektgelder zur Verfügung gestellt werden.
Was die gesunde und umweltgerechte Ernährung in Kantinen des Bundes, seiner Behörden und Einrichtungen anbelangt, so fordern wir, dass diese auf wissenschaftliche Bewertung erfolgt. Zuständig dafür ist die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Deshalb müssen bei allen Vergaben die jeweils aktuellen Empfehlungen der DGE verbindlich vorgegeben werden. Um sicherzustellen, dass dies der Fall ist, muss eine DGE-Zertifizierung durchgeführt werden [9].
Um die Umsetzung zu einer umwelt- und tiergerechten Ernährung für alle Bürger*innen zu erreichen, soll sich der Bund dafür einsetzen, dass die Länder und Kommunen vor Ort sich im Rahmen ihrer Ernährungsstrategien dafür engagieren.