Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Shirin Kreße (KV Berlin-Mitte) und 61 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 47%) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 03.10.2024, 22:29 |
V-56: Gesundheitsfinanzierung muss solidarisch sein! - Resozialisierungsprogramm für Superreiche
Antragstext
Gesundheitsausgaben steigen seit 30 Jahren kontinuierlich an. Besonders aufgrund
des demografischen Wandels und der Klimaveränderungen wird sich diese
Entwicklung weiter verstärken. Der Bedarf nach Gesundheitsversorgung steigt,
während die Investitionen in die Strukturen und die Menschen, die in dem System
arbeiten, ausbleiben. Kostensteigerungen werden immer wieder über Erhöhungen der
Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung refinanziert. Somit tragen die
finanziell Ärmsten in unserer Gesellschaft die größte finanzielle Last.
Wenn unser Anspruch weiterhin ist, Gesundheitsversorgung gleichermaßen für alle
Menschen in Deutschland bereitzustellen, dann müssen wir die Art Gesundheit zu
finanzieren ändern. Es braucht ein Resozialisierungsprogramm für Superreiche in
Deutschland, die proportional zu wenig zu unserer Gesellschaft und unserem
Gesundheitssystem beitragen.
Obwohl alle Menschen das Recht auf gesundheitliche Versorgung haben, beteiligen
sich nicht alle gleich an diesem System. So können private Kranken- und
Pflegeversicherungen nicht dazu gezwungen werden sich an Kostensteigerungen im
Gesundheitssystem zu beteiligen. Die soziale Ungleichheit, die eine privater
Kranken- und Pflegeversicherung bedeutet, müssen wir überwinden.
Der bedeutendste Hebel für Verteilungsgerechtigkeit liegt zurzeit nicht im
Steuersystem, sondern bei den Sozialabgaben. Zur Errechnung des prozentual zu
zahlenden Anteils wird der Lohn bzw. das Einkommen nur bis zu einer bestimmten
Grenze herangezogen – darüberhinausgehendes Einkommen bleibt unberücksichtigt.
Das bedeutet konkret, dass Gutverdiener auf einen bestimmten Teil ihres
Einkommens keine Sozialabgaben leisten können. Im Ergebnis müssen Menschen, die
unter einer bestimmten Grenze verdienen, den vollen Abgabensatz leisten. Dieser
Satz wird bei steigendem Einkommen anteilig immer kleiner. Wer wenig hat, wird
also prozentual wesentlich stärker belastet als der, der viel hat.
Um höhere Einkommen stärker als bisher zur Finanzierung der Kranken- und
Pflegeversicherung heranzuziehen, soll die Beitragsbemessungsgrenze in einem
ersten Schritt mindestens auf das in der gesetzlichen Rentenversicherung
geltende Niveau angehoben werden. Neben dem Einkommen aus jeglicher
Erwerbstätigkeit sollen auch weitere Einkommensarten z. B. aus Vermietung,
Verpachtung sowie Kapitaleinkommen verbeitragt werden. Die Erhebung des zu
verbeitragenden Einkommens sollte dabei gemäß den heute geltenden Grundsätzen
zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen
Krankenversicherung erfolgen. Eine Saldierung negativer Einkommen findet nicht
statt. Für die zusätzlichen Beiträge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
leisten die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber einen äquivalenten Beitrag, um die
Parität auch in der Beitragsfinanzierung insgesamt zu sichern. So wird eine
ansonsten eintretende strukturelle Verschiebung der Finanzierungsanteile zu
Lasten der Versicherten vermieden. Kleine und kleinste Einkommen aus Vermögen,
z. B. aus kleinen Sparguthaben, müssen beitragsfrei bleiben und durch
Freigrenzen geschützt werden.
Kirchliche Träger beschäftigen in Deutschland um die 1,8 Millionen
Arbeiter*innen. Für kirchliche Arbeitgeber gelten gesetzliche Sonderregeln im
Arbeitsrecht. Sie können zum Beispiel Pflegekräfte, Erzieher*innen oder
Verwaltungsangestellte kündigen, wenn diese aus der Kirche austreten oder den
Kirchenoberen ihr Privatleben missfällt. Kirchlich Beschäftigte haben geringere
Mitbestimmungsrechte und können daher schlechter Einfluss auf ihre
Arbeitsbedingungen nehmen. Wie bei anderen Trägern werden kirchliche Träger fast
ausschließlich aus Steuermitteln und Sozialversicherungsbeiträgen finanziert.
Kirchliche Unternehmen betreiben Tarifflucht und Outsourcing, nutzen Leiharbeit
und sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse. Sie verhalten sich wie andere
Arbeitgeber, beharren aber auf Sonderregeln im Arbeitsrecht. Das passt nicht
zusammen.
Pflegebedürftig sein bedeutet für den Großteil der Bevölkerung ein hohes
Armutsrisiko. Die aktuelle Pflegeversicherung ist eine Teilversicherung, die
systemisch Eigenanteile vorsieht. Das führt dazu, dass Kostensteigerungen
vermehrt über Eigenanteile refinanziert werden. Das zeigte sich in den letzten
Jahren besonders dann, wenn Löhne von Beschäftigten gestiegen sind. So werden
prekär beschäftige Pflegefachpersonen gegen Pflegebedürftige ausgespielt. Die
Teilkostenversicherung führt außerdem dazu, dass es bei Preissteigerung eine
Frage des Vermögens ist, ob sich Bürger*innen ihre Versorgung weiterhin leisten
können. Ebendiese Entwicklung führt zu schlechterer Versorgungsqualität, höherer
Belastung pflegender Angehöriger und schlechterer Versorgungsqualität.
Eine Vollversicherung in der Pflege soll heißten, dass alle Leistungen, die
notwendig, wirtschaftlich und zweckmäßig sind, von der Solidargemeinschaft
übernommen werden. Das ist die Übertragung des Grundprinzips der gesetzlichen
Krankenversicherung auf die Pflegeversicherung. Zusätzlich soll eine
Vollversicherung das Prinzip der Krankenversicherung noch erweitern: Auch
Leistungen der Teilhabe (etwa der Teilnahme am öffentlichen Leben), nicht nur
Leistungen der Pflege im engeren Sinne, müssen zum Umfang einer Vollversicherung
gehören.
Immer mehr Gesundheitsbetriebe sind in privater Hand. Damit einher geht der
kontinuierliche Druck Profite zu machen, Kosten zu mindern. Das passiert
hauptsächlich auf dem Rücken von Arbeiter*innen und der Versorgungsqualität.
Gesundheit wird zum Anlegepotenzial und das finanziert durch
Versicherungsbeiträge aller Bürger*innen. Diese Umverteilung von arm zu reich
muss aufhören.
17 Jahre Finanzierung durch DRG-Fallpauschalen haben gezeigt, welchen Einfluss
die finanziellen Rahmenbedingungen auf die Art und Weise, wie Menschen im
Krankenhaus behandelt werden, entwickeln. Kranke wie auch zuweisende Ärzt*innen
werden als Kunden behandelt, die man konkurrierenden Kliniken abjagen muss, um
Defizite zu vermeiden und Gewinne zu erzielen. Es kommt immer mehr zu
Eingriffen, die medizinisch nicht notwendig sind, sich aber ökonomisch lohnen.
Abteilungen, die sich mit Diabetes oder der Versorgung von Kindern beschäftigen
müssen schließen, weil sie nicht genug Gewinne erzielen, und es entstehen
Versorgungslücken. Es ist schon lange klar, dass es eine Reform dieser
Finanzierung braucht, die eine demokratische Versorgungsplanung und eine
bedarfsgerechte Personalbemessung beinhaltet.
Krankenhausplanungen sollen ein Versorgungsnetz knüpfen, aus dem sich ein
konkreter Versorgungsauftrag für das einzelne Krankenhaus ableitet. Der
Versorgungsauftrag definiert die erforderlichen staatlichen Investitionsmittel
sowie das notwendige Budget für laufende Vorhaltekosten, das von den
Krankenkassen zu finanzieren ist.
Aus dem Versorgungsauftrag für das Krankenhaus lässt sich der Personalbedarf
anhand der geplanten ambulanten und stationären Leistungsmengen und Bettenzahlen
und über eine allgemeinverbindliche Personalbemessung für das
Krankenhauspersonal der verschiedenen Berufsgruppen für den Normalbetrieb
näherungsweise kalkulieren.