Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Merieme Benali-Jockers (KV Berlin-Reinickendorf) und 146 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 60%) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.10.2024, 11:45 |
V-99: Schluss mit der Vernachlässigung der Frauengesundheit – Gendergerechte Medizin jetzt stärken!
Antragstext
Die gesundheitliche Versorgung von Frauen in Deutschland ist unzureichend und
basiert oft auf männlichen Normen. Dies führt dazu, dass Frauen unterversorgt
werden und unnötig leiden müssen. Beispielsweise zeigen Studien, dass Frauen
nach einem Herzinfarkt häufiger sterben, da ihre Symptome oft nicht erkannt oder
ernst genommen werden. Auch die Wirkung von Insulin zeigt Unterschiede zwischen
den Geschlechtern, was zu einer unzureichenden Behandlung von Frauen führen
kann. Diese Diskriminierungen in der Gesundheitsversorgung müssen sofort beendet
werden!
Zudem gibt es zahlreiche frauenspezifische Gesundheitsprobleme, die endlich die
notwendige Aufmerksamkeit erhalten müssen. Dazu gehört die Versorgung bei
Endometriose, Menopause und Lipödem, aber auch der Zugang zu notwendigen
Behandlungen zur Krebsfrüherkennung, wie ein Brust-Ultraschall, der als
Regelleistung in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden muss.
Forderungen:
1. Mehr Investitionen in frauenzentrierte Forschung: Die Bundesregierung soll
gezielte Förderprogramme für die Erforschung frauenspezifischer Krankheiten wie
Endometriose, Menopause, PMS und Brustkrebs auflegen. Forschung muss auch
geschlechtsspezifische Unterschiede bei weitverbreiteten Erkrankungen wie Herz-
Kreislauf-Erkrankungen stärker berücksichtigen.
2. Geschlechts- und genderspezifische Datenerhebung: Gesundheitliche Datensätze
müssen nach Geschlecht und Ethnie aufgeschlüsselt werden, um die spezifischen
Bedürfnisse von Frauen sichtbar zu machen. Nationale Gesundheitsinstitute
sollten geschlechtsspezifische Daten systematisch erfassen und analysieren, um
Prävalenzen korrekt darzustellen.
3. Verbesserung des Zugangs zu geschlechtsspezifischer Versorgung: Frauen
sollten den gleichen Zugang zu qualitativ hochwertiger Versorgung erhalten. Dies
bedeutet nicht die gleiche Behandlung wie Männer, sondern eine, die auf ihre
speziellen Bedürfnisse eingeht. Medizinische, pflegerische und therapeutische
Ausbildungen und Leitlinien müssen geschlechtsspezifische Unterschiede in
Symptomatiken und Krankheitsbildern widerspiegeln. Auch Regelleistungen müssen
um Maßnahmen ergänzt werden, die der Prävention und Heilung von
genderspezifischen Erkrankungen verbessern. Ein Beispiel ist der
Brustultraschall bei der Krebsprävention.
4. Förderung von Innovationen im Bereich Frauengesundheit: Der Bund soll neue
Finanzierungsmodelle unterstützen, die gezielt Investitionen in die
Frauengesundheit fördern, zum Beispiel durch steuerliche Anreize für
Unternehmen, die in die Forschung und Entwicklung frauenspezifischer Produkte
und Versorgung investieren.
5. Unterstützung von geschlechtergerechten Unternehmensrichtlinien: Arbeitgeber
sollten aufgefordert werden, Richtlinien einzuführen, die die gesundheitlichen
Bedürfnisse von Frauen unterstützen. Flexible Arbeitszeitmodelle für Frauen in
den Wechseljahren oder Programme zur psychischen Gesundheit sollten als Standard
etabliert werden. Darüber hinaus muss geprüft werden welche gesetzlichen
Möglichkeiten bestehen ebendiese Maßnahmen einzuführen.
6. Unterstützung von Menschen mit Kinderwunsch: Es muss sichergestellt werden,
dass Menschen, die Kinder bekommen wollen, nicht allein gelassen werden.
Medizinische, psychologische und soziale Unterstützungsangebote müssen verstärkt
und leicht zugänglich gemacht werden. Zur Sicherung der Lebensverhältnisse muss
außerdem das Elterngeld endlich für alle gleich hoch ausfallen, statt
lohnabhängig zu sein und sich als voller Lohnausgleich am Durchschnittseinkommen
von Vollzeitbeschäftigten in Deutschland orientieren. Denn es ist erwiesen:
Armut macht krank,
7. Schwangere und Gebärende besser schützen: Schwangerschaft und Geburt sind
besondere Lebensphasen, in denen Gebärende das Recht auf Unterstützung zusteht.
98 Prozent der Frauen entscheiden sich, ihr Kind in einer Klinik zur Welt zu
bringen. Zu häufig sind die Hebammen vor Ort allerdings überarbeitet und
betreuen zu viele Gebärende. Es müssen endlich Rahmenbedingungen und Anreize für
Kliniken zur Förderung physiologischer Geburten geschaffen werden. Dafür ist es
zwingend notwendig das System der Fallpauschalen in der Geburtshilfe zu
modifizieren oder abzuschaffen Auch die praktische Aus- und Weiterbildung aller
in der geburtshilflichen Versorgung beteiligten Berufsgruppen muss gezielt auf
die physiologische Geburt ausgerichtet werden.
Die Erhebung umfassender Daten zu Fehlgeburten ist von entscheidender Bedeutung.
Aktuell gibt es keine systematische Erfassung von Fehlgeburten. Beendigung der
Schwangerschaft nach der 24 Woche oder einem Körpergewicht von über 500 g gibt
es eine Meldepflicht und man spricht von einer Totgeburt.
Die allgemeine Meinung geht davon aus, dass jede Dritte Schwangerschaft in einem
Abort endet – es ist einfach nicht hinnehmbar, dass es keine Faktengrundlage zu
gibt. Noch unannehmbar ist es, dass viele schwangere Personen kein
angemesseneres Unterstützungsangebot erhalten. Das Mutterschutzgesetz weiter
ausgebaut werden. Ein Anspruch auf Mutterschutz nach einer Fehlgeburt gibt es
nicht- da sie selbst in der 20 Woche- keine Entbindung darstellt würde – im
rechtlichen Sinne.
Eine bessere Datenerhebung könnte nicht nur die Forschung und Prävention
stärken, sondern auch zur Enttabuisierung von Fehlgeburten beitragen. Viele
Frauen und Familien werden mit dem psychischen und physischen Trauma
alleingelassen. Deshalb muss die medizinische Nachsorge sowie psychologische
Betreuung verbessert werden, um betroffenen Frauen und Familien umfassende
Unterstützung zu bieten. Fehlgeburten sind ein gesellschaftlich und medizinisch
relevantes Thema, das nicht weiter ignoriert werden darf.
Die Abschaffung des §218a ein entscheidender Schritt hin zu körperlicher und
reproduktiver Selbstbestimmung. Das Recht auf sichere und legale
Schwangerschaftsabbrüche sollte nicht kriminalisiert werden, da es Frauen in
prekäre Situationen bringt und ihre Freiheit über den eigenen Körper
einschränkt. Wir fordern eine Gesundheitsversorgung, die auf Vertrauen und
Selbstbestimmung basiert, statt auf Verboten und moralischen Urteilen. Die
Streichung des §218a wäre ein Zeichen für mehr Gerechtigkeit und Gleichstellung,
sowohl im rechtlichen als auch im gesundheitlichen Bereich. Ein feministisch
geprägtes Gesundheitssystem muss die Autonomie von Frauen in den Mittelpunkt
stellen und reproduktive Rechte als unantastbar anerkennen.