Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Sebastian Lützow (KV Bayreuth-Stadt) und 132 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 50%) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 02.10.2024, 14:48 |
V-48: Social Media Offensive – gemeinsam stark in der digitalen Kommunikation
Antragstext
Social-Media-Plattformen sind für viele Menschen zu einer zentralen Quelle für
Information und Meinungsbildung geworden. Derzeit werden sie jedoch stark von
der extremen Rechten dominiert. Dem wollen viele Grüne Mitglieder
entgegenwirken. Dafür brauchen wir Strukturen und Abläufe, die effektiv und
effizient Reichweite für grüne Themen generieren, ohne Einzelne übermäßig zu
belasten. Bisher ist uns dies nicht ausreichend gelungen.
Deshalb fordern wir den Bundesvorstand auf, schnellstmöglich eine professionelle
Analyse der aktuellen Lage sowie eine Rahmenstrategie zur Behebung der
Schwachstellen zu entwickeln. Auf Grundlage dieser Strategie sollen Finanzmittel
priorisiert bereitgestellt werden, um geeignete Strukturen, Prozesse und
Personal aufzubauen. Die Strategie muss langfristig ausgelegt sein und durch ein
entsprechendes Finanzierungskonzept sichergestellt werden.
Ein arbeitsfähiger Rahmen sollte bis Frühjahr 2025 vorliegen, um für den
Bundestagswahlkampf zur Verfügung zu stehen. Dabei sollen folgende Kernziele
umgesetzt werden:
- Social-Media-Arbeit erleichtern:
Informationsfluss verbessern – Fakten, Hintergründe, Rahmenerzählungen,
Formulierungen und Hashtags zur Verfügung stellen.
- Reichweite von Beiträgen verbessern:
Mitglieder zur aktiven Teilnahme motivieren und Ressourcen zur Verbreitung
grüner Beiträge stärken, community-basierte Ansätze ausbauen.
- Politische Entscheidungen mit Social-Media-Kommunikation flankieren:
Professionell abgestimmte Leitlinien für aktuelle politische Themen und
Entscheidungen entwickeln, die die Erkenntnisse der
Kommunikationspsychologie berücksichtigen.
- Prognosen der Aktivitäten politischer Gegner*innen nutzen:
Kommunikation und Aktivitäten anderer politischer Akteur*innen beobachten
und antizipieren, proaktiv effektive eigene Botschaften dazu vorbereiten.
- Zügig und effizient intern kommunizieren:
Effiziente Kommunikationsstrukturen innerhalb der Partei etablieren,
niederschwellige und sofortige Nutzbarkeit der Informationen auf allen
Ebenen sicherstellen.
- Wissen über Social Media und Kommunikationspsychologie in der Breite
verbessern:
Vermittlung fundierten Wissens über Algorithmen und adäquate
Kommunikationsmechanismen durch regelmäßige Schulungen. Niederschwellige
Angebote wie technische Anleitungen und Privatsphäreschutz für Social
Media bereitstellen.
- Diskussions- und Entscheidungsräume für wertkonforme Social-Media-
Aktivitäten schaffen:
Foren und Gremien für Leitlinien im Spannungsfeld zwischen grünen Werten
und digitaler Realität (z. B. personifizierte Werbung, Automatisierung,
KI) etablieren.
Wenn wir diese Punkte umsetzen, haben wir eine echte Chance, die Stimmung auf
Social Media zu verändern.
Begründung
Den gesellschaftlichen Diskurs zurückgewinnen – durch gezielte Kommunikation und Mobilisierung
Das Netz steht am Scheideweg: Haben wir es bereits verloren oder haben wir noch die Chance, es zurückzugewinnen? Auf Social Media dominieren rechte Narrative, unterstützt durch menschliche Aufmerksamkeitsmechanismen, Algorithmen und ausländische Dienste - allen voran aus Russland. Die AfD setzt eine gut geplante Social-Media-Strategie ein, um gegen uns Stimmung zu machen. Auch andere Parteien und Teile der Medienlandschaft greifen uns mit Verzerrungen und Falschdarstellungen an – sowohl auf digitalen Plattformen als auch in den traditionellen Medien.
Unsere Herausforderung und unser Potenzial
Doch wir haben die Mittel, dagegenzuhalten: Im letzten Jahr konnten wir eine Rekordzahl an neuen Mitgliedern gewinnen, viele mit dem ausdrücklichen Wunsch, dem Rechtsruck entgegenzutreten – gerade auch auf Social Media. Wenn wir die im Antrag genannten Punkte verbessern, können wir dieses Potenzial aktivieren und eine starke Basis aufbauen, um den Diskurs positiv zu gestalten.
Jetzt handeln: Mobilisierung statt Frustration
Zunehmend machen sich Frustration und Resignation in unseren Reihen breit. Bei dem Hass, der im Netz verbreitet wird, ist das verständlich. Aber wir müssen uns selbst fragen: Haben wir die richtigen Mittel, um unsere Mitglieder zu motivieren und in aktives Handeln zu bringen? Strukturelle Probleme erschweren den Einsatz vieler engagierter Mitglieder und Mandatsträger*innen. Trotz persönlichen Engagements fehlt eine einheitliche Strategie. Hier müssen wir ansetzen – unverzüglich, entschlossen und mit der nötigen Priorität.
Effizienz steigern, Strukturen verbessern
Finanzielle und personelle Investitionen in eine bessere Kommunikationsstrategie werden sich auszahlen. Der Erfolg unserer Kampagnen hängt nicht nur von guten Inhalten ab – sie müssen auch die notwendige Reichweite erzielen. Durch ineffiziente Strukturen wird oft doppelte Arbeit auf verschiedenen Ebenen der Partei geleistet, weil der Austausch fehlt. Eine bessere Struktur wird sich langfristig für alle lohnen.
Wir haben die Chance, die Reichweite unserer offiziellen Kanäle und die unserer Mitglieder deutlich zu steigern. Gute politische Arbeit zu leisten reicht nicht, wir müssen sie auch entsprechend gut kommunizieren – das haben die letzten Jahre klar gezeigt.
Obwohl die IT-Infrastruktur unserer Partei von Teilen der Basis als unzureichend wahrgenommen wird, ist sie explizit nicht Gegenstand dieses Antrags – sollte jedoch bei der Umsetzung bereits mitgedacht werden. Ein gut durchdachtes, zentrales IT-Konzept begleitet eine einheitliche Kommunikationsstruktur.
Strategische Kommunikation: Menschen gewinnen, statt abzuschrecken
Neben der inhaltlichen Qualität müssen wir der psychologischen Komponente von Kommunikation mehr Raum geben. Veränderungen erzeugen oft Widerstände – das ist menschlich. Deshalb brauchen wir eine kluge und strategische Kommunikationsweise, die immer darauf ausgerichtet ist, die Menschen auch emotional und mit ihren Alltagssorgen mitzunehmen.
Die Kernziele im Detail
Im Folgenden beleuchten wir die einzelnen Kernziele noch einmal genauer und bringen bereits bestehende Ideenvorschläge ein. Diese sind entsprechend nicht Teil des Beschlusses, sondern dienen lediglich als Anregungen für die Entwicklung der Lösungsstrategie – manches davon existiert sicher bereits, wird aber ggf. nicht effektiv eingesetzt.
1. Social-Media-Arbeit erleichtern
Problem:
Das Erstellen hochwertiger Social-Media-Inhalte erfordert viel Zeit und Wissen. Besonders in kleineren Kreisverbänden fehlt oft die Kapazität, dies zu leisten. Zugleich werden die Ergebnisse der investierten Zeit nicht effizient für andere in der Partei zugänglich gemacht.
Zielstellung:
Die Erstellung von Beiträgen auf allen Verbandsebenen muss vereinfacht werden. Der Austausch und die Verwendung von Material, Hintergrundinfos und fertigen Beiträgen müssen effizienter erfolgen. Informationen zu Framing und Wording müssen stets hochaktuell zur Verfügung stehen.
Umsetzungsideen:
- Effiziente Kommunikationskanäle für Informations- und Materialaustausch etablieren, z. B. über geeignete Chatgruppen mit ausreichender Personalausstattung.
- Crowdsourcing innerhalb der Partei fördern: Einbindung der Basis als Creator*innen, Moderator*innen oder Testgruppen für Feedback-Schleifen.
- Existierende Tools und Plattformen wie das Wissenswerk und den Sharepic-Generator besser nutzen und weiter verbessern, neue Tools sowie Content-Datenbanken und eigene datenschutzkonforme KI-Plattformen erstellen.
2. Reichweite von Beiträgen verbessern
Problem:
Grüne Inhalte werden zu wenig wahrgenommen und geteilt. Die Unterstützung durch Mitglieder und die Verbreitung auf mehreren Plattformen funktionieren unzureichend.
Zielstellung:
Mehr Mitglieder sollen durch geeignete Maßnahmen aktiviert werden, um grüne Inhalte in den sozialen Medien zu teilen und so deren Reichweite zu steigern. Auch reichweitenstarke Accounts außerhalb der "grünen Bubble" müssen gezielt einbezogen und effizienter verbreitet werden.
Umsetzungsideen:
- Zusammenarbeit mit grün-nahen, reichweitenstarken Accounts fördern. Diese Accounts haben eine hohe Glaubwürdigkeit und können andere Zielgruppen außerhalb der "grünen Bubble" ansprechen und grüne Themen positiv besetzen.
- Kampagne zur Aktivierung der eigenen Mitglieder und Community – über interne Kanäle, Off- und Online-Events, gezielte Werbekampagne auf Social Media selbst.
- Aktivierung von neuen Mitgliedern: Bei Parteieintritt sollte auch die Einbringung in Social Media aktiv gefürdert werden.
- Community-basierte Ansätze wie das Konzept der Netzfeuerwehr ausbauen und mit deutlich mehr Ressourcen ausstatten.
- Kampagne „Patenschaft“ einführen, bei der Mitglieder langfristig und zielgerichtet aktuell strategisch besonders relevante grüne Accounts unterstützen.
3. Politische Entscheidungen mit Social-Media-Kommunikation flankieren
Problem:
Die Kommunikation politischer Entscheidungen ist in der Umsetzung oft zu langsam und zu zentralisiert. Viele Mitglieder können nicht aktiv kommunizieren, da klare Richtlinien fehlen, um eigenständig und zugleich im Einklang mit der angestrebten Kommunikationslinie zu handeln.
Zielstellung:
Parallel zur politischen Themensetzung und akuten politischen Entscheidungen müssen stets Social-Media-Strategien entwickelt und kontinuierlich angepasst werden. Leitlinien (Playbook) zur Social-Media-Kommunikation müssen professionell kommunikationspsychologisch abgestimmt sein. Sie sollten durchdachte Rahmenerzählungen (Framings) und Formulierungen (Wordings) umfassen und der gesamten Partei zugänglich gemacht werden.
Umsetzungsideen:
- Grundsätzliche Framings und Wordings auf einer Klausurtagung erarbeiten, unter Einbezug von Kommunikationspsycholog*innen und Social-Media-Expert*innen.
- Eine Taskforce gründen, die tagesaktuell auf politische Entscheidungen reagieren kann und ihr Agieren unverzüglich in die Breite der Partei streut.
4. Prognosen der Aktivitäten politischer Gegner*innen nutzen
Problem:
Reaktionen auf Angriffe oder gegnerische Themensetzungen erfolgen zu spät. Informationen werden zu langsam verbreitet oder von den Mitgliedern aufgenommen.
Zielstellung:
Gegnerische Themen und Aktionen frühzeitig erkennen, um schneller reagieren oder sogar proaktiv handeln zu können. Social-Media-Monitoring, insbesondere rechter Strukturen, muss verbessert und beschleunigt werden. Die Ergebnisse müssen hochaktuell genutzt und intern verbreitet werden.
Umsetzungsideen:
- Intelligente Softwaretools zum Netzmonitoring und Social Listening einsetzen.
- Inhalte rechter Telegram-Gruppen auslesen und analysieren.
- Taskforce einrichten, die Risikoanalysen erstellt und Gegenmaßnahmen vorbereitet.
5. Zügig und effizient intern kommunizieren
Problem:
Interne Informationen erreichen die Basis zu langsam. Kommunikationslinien müssen schneller erarbeitet und verbreitet werden.
Zielstellung:
Zusätzlich zu 1., 3. und 4. muss auf aktuelle Entwicklungen schnell reagiert werden können. Dazu müssen Informationen von den informierten Kreisen in die Breite gegeben werden. Es muss effiziente Kommunikation zwischen Parteispitze und Basis hierzu aufgebaut werden.
Umsetzungsideen:
- Effektive Nutzung von Tools wie Signal, E-Mails und der Chatbegrünung zur schnellen Verbreitung von Informationen.
- Taskforce für die Koordination der internen Kommunikation.
6. Wissen über Social Media und Kommunikationspsychologie in der Breite verbessern
Problem:
Wir befinden uns in einer herausfordernden Situation. Grüne Positionen werden häufig v. a. als belastend wahrgenommen und die Mechanismen überzeugender Kommunikation bisher zu wenig genutzt. Es mangelt an breitem Wissen über Social-Media-Algorithmen und Kommunikationspsychologie.
Zielstellung:
Wirksamkeit durch evidenzbasierte Professionalität. Fundiertes Wissen über Social Media und psychologische Kommunikationsmechanismen aufbauen, um Reichweite und Überzeugungskraft zu steigern. Bedenken zur Privatsphäre und persönlichen Sicherheit müssen adressiert werden.
Umsetzungsideen:
- Regelmäßige Schulungen und Webinare zu Algorithmen und Kommunikationstechniken anbieten, Erkenntnisse leicht zugänglich bereitstellen.
- Hochqualitative, niedrigschwellige technische Anleitungen bereitstellen.
- Webinare zur Aufklärung über Datenschutz in Social Media, Informationen zu z. B. Einsatz von anonymen Zweit-Accounts, Zweit-Handys für TikTok u. Ä.
- Webinare zum Schutz vor Hass und Hetze, Anzeigemöglichkeiten, Einbindung vorhandener Institutionen (z. B. Hateaid) und Hilfsangebote
- Externe Expert*innen und reichweitenstarke grüne Akteur*innen für die Webinare zu erfolgreicher Social-Media-Arbeit einbinden.
7. Diskussions- und Entscheidungsräume für wertkonforme Social-Media-Aktivitäten schaffen
Problem:
Technische und gesellschaftliche Entwicklungen bringen immer wieder neue Herausforderungen für die Demokratie und unsere Partei mit sich. Beispiele: Nutzung von TikTok, personifizierte Werbung, Automatisierung (bis hin zu Bots) oder der Einsatz von Werkzeugen mit KI.
Zielstellung:
Wir benötigen explizite Diskussionsforen, Zuständigkeiten und Entscheidungsgremien, um Leitlinien für die wertkonforme und dabei zugleich effektive Nutzung von Social Media zu beschließen. Während die Grüne Digitalpolitik die richtigen Ansätze verfolgt, um mit diesen Herausforderungen langfristig umzugehen, müssen wir als Partei einen konkreten Umgang damit in der aktuellen Situation finden.
Umsetzungsideen:
- Diskussionsforen und eine Klausurtagung einrichten, um erste Leitlinien zu entwickeln.
- Klare Zuständigkeiten festlegen, um Entscheidungen schnell und zielgerichtet zu treffen.
Wir sind überzeugt davon, dass umfangreiche Investitionen in diese Ziele unsere Schlagkraft entscheidend erhöhen.
Es ist höchste Zeit für diese Schritte – lasst sie uns mit der nötigen Entschlossenheit angehen!