Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | D Dringlichkeitsanträge |
Antragsteller*in: | Ali Khademolhosseini (KV Erlangen-Stadt) und 82 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 45%) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 30.10.2024, 10:10 |
D-02: Dringlichkeitsantrag: Solidarität mit der iranischen Zivilgesellschaft – Konsequenzen aus der Hinrichtung Jamshid Sharmahds ziehen
Antragstext
Wir, Bündnis 90/Die Grünen, verurteilen die Hinrichtung des deutsch-iranischen
Staatsbürgers Jamshid Sharmahd auf das Schärfste. Diese kaltblütige Ermordung
durch das iranische Regime ist unerträglich. Aus dem Ausland nach Iran
verschleppt, jahrelang ohne den Hauch eines fairen Prozesses festgehalten und
nun getötet, zeigt dieser Fall erneut, unter welch menschenverachtenden
Bedingungen die iranische Bevölkerung lebt. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner
Familie, die in den vergangenen Jahren hoffnungsvoll auf seine Rückkehr gewartet
hat.
Dieser erschütternde Vorgang offenbart zugleich das Scheitern einer europäischen
Außenpolitik, die unter der Führung von Josep Borrell der Verteidigung
universeller Menschenrechte untergeordnet blieb. Trotz zahlreicher Appelle und
klarer Stellungnahmen der EU gegen Menschenrechtsverletzungen und ungeachtet der
Bemühungen des Auswärtigen Amtes, ließ der fehlende politische Wille der EU-
Führung zu, dass Sharmahds Leben letztlich dem Festhalten am Status quo geopfert
wurde.
Jamshid Sharmahd verdient es, an einem von seiner Familie bestimmten Ort
beerdigt zu werden. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass sein Körper der
Familie Sharmahd unverzüglich übergeben wird. Ebenso sind wir überzeugt, dass
die Tötung von Jamshid Sharmahd nicht ohne Konsequenzen bleiben darf. Innerhalb
der Bundesregierung setzen wir uns für ein rechtssicheres Verfahren, um alle an
seiner Entführung und Hinrichtung Beteiligten mithilfe von Interpol zur
Rechenschaft zu ziehen.
Wir wollen, dass dieser Fall parlamentarisch untersucht und aufgearbeitet wird.
Wir nehmen den Mord an Jamshid Sharmahd zum Anlass, die Weichen für eine
umfassende Neuausrichtung der Iran-Politik zu stellen. Denn es ist nicht länger
hinnehmbar, dass die EU an einer Strategie des „kritischen Engagements“
festhält, die das iranische Regime offensichtlich nicht beeindruckt.
Die Realität zeigt, dass dieser Ansatz gescheitert ist: Weder hat der Iran
seinen innen- und außenpolitischen Kurs geändert, noch hat sich die
Menschenrechtslage im Land verbessert. Stattdessen nutzt der Iran die
vergeblichen diplomatischen Bemühungen Europas für seine eigene Symbolpolitik,
um den Eindruck zu erwecken, die EU habe keine Handhabe und sei nicht wirklich
gewillt, Konsequenzen zu ziehen.
Deshalb setzen wir uns als Bündnis 90/Die Grünen, als Mitglieder der
Bundesregierung, für eine entschiedene Neuausrichtung der europäischen Iran-
Politik ein und fordern:
1. Den Abzug der EU-Botschafter*innen aus Teheran:
Ein klares und unmissverständliches Zeichen an das iranische Regime ist längst
überfällig. Durch den kollektiven Abzug aller Botschafterinnen der EU-
Mitgliedstaaten aus Teheran sollte Europa eine eindeutige Botschaft senden:
Menschenrechtsverletzungen und Aggressionen gegen die eigene Bevölkerung und die
internationale Gemeinschaft werden nicht länger hingenommen. Der Abzug der
Botschafterinnen entzieht dem Regime den symbolischen Anschein der
diplomatischen Normalität, die es zur Legitimierung seiner repressiven Politik
instrumentalisiert. Erst bei substantiellen und messbaren Verbesserungen der
Menschenrechtslage im Iran sollte eine Rückkehr der Botschafter*innen in
Erwägung gezogen werden. Durch diese Maßnahme wird Europa seine Entschlossenheit
signalisieren und verhindern, dass das iranische Regime die diplomatische
Präsenz der EU für seine eigene Propaganda nutzt.
2. Die Reduktion der diplomatischen Beziehungen auf konsularisches Niveau:
Die Fortsetzung diplomatischer Beziehungen auf höchster Ebene verleiht dem
iranischen Regime ein Prestige und eine Legitimität, die es in Anbetracht seiner
systematischen Menschenrechtsverletzungen und destabilisierenden Handlungen
nicht verdient. Wir fordern daher eine drastische Beschränkung des
diplomatischen Austauschs auf konsularische Belange. Dies würde Europa
ermöglichen, den Schutz europäischer Bürger*innen im Iran aufrechtzuerhalten und
weiterhin die konsularische Unterstützung zur Befreiung deutscher
Staatsbürger*innen aus iranischen Gefängnissen zu bieten, ohne dem Regime
gleichzeitig das symbolische Gewicht und das Prestige der bisherigen
diplomatischen Beziehungen zu gewähren. Eine solche Einschränkung zeigt dem
iranischen Regime klar auf, dass Menschenrechtsverletzungen und aggressive
Symbolpolitik in Europa keine Anerkennung mehr finden werden. Durch diese
Maßnahme sendet Europa eine klare Botschaft: Diplomatische Beziehungen auf
Botschafterebene sind keine Selbstverständlichkeit und stehen in direkter
Abhängigkeit zur Einhaltung der Menschenrechte.
3. Die Reaktivierung des Snapback-Mechanismus des Atomabkommens (JCPOA):
Die E3-Staaten (Deutschland, Frankreich und Großbritannien) sollten den
Snapback-Mechanismus des Atomabkommens aktivieren, um umfassende UN-Sanktionen
gegen Iran wiedereinzusetzen. Angesichts des fortwährenden Missbrauchs der
JCPOA-Bestimmungen durch den Iran und seiner Eskalationen im Nuklearbereich ist
dieser Schritt nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig, um die
Glaubwürdigkeit der europäischen Außenpolitik zu wahren. Durch die Reaktivierung
des Snapbacks werden dem iranischen Regime substantielle wirtschaftliche und
politische Konsequenzen auferlegt, die es in seiner bisherigen
Aggressionspolitik nachhaltig treffen könnten. Damit gibt Europa ein starkes
Signal, dass Dialog und Verhandlung an klare Bedingungen geknüpft sind und dass
systematische Menschenrechtsverletzungen sowie nukleare Eskalation nicht
folgenlos bleiben. Der Snapback-Mechanismus ist ein Mittel, das Europa und die
internationale Gemeinschaft nutzen müssen, um die iranische Führung an ihre
Verpflichtungen zu erinnern und den Druck auf das Regime zu erhöhen.
Es ist an der Zeit, den Anschein diplomatischer Normalität zu beenden und
jegliche Symbolik, die das Regime aus diesen Beziehungen zieht, zu unterbinden.
Europa darf dem Iran nicht länger die Bühne für seine Symbolpolitik bieten und
sollte seine diplomatischen und wirtschaftlichen Reaktionen im Einklang mit den
Werten gestalten, die die EU selbst vertritt: Menschenrechte,
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Jede diplomatische Aktivität oder
Konzession, die nicht an substanzielle Fortschritte bei Menschenrechten oder
nuklearer und regionaler Deeskalation gekoppelt ist, sollte sofort eingestellt
werden.
Mit einer solchen entschlossenen Haltung zeigen wir der iranischen
Zivilgesellschaft, dass wir an ihrer Seite stehen und aus dem aktuellen Anlass
harte Konsequenzen ziehen. Wir setzen ein starkes Zeichen und senden ein
unmissverständliches Signal: Europa unterstützt den Kampf für Freiheit und
Gerechtigkeit und tritt den repressiven Praktiken dieses autokratischen Regimes
entschlossen entgegen.
Begründung der Dringlichkeit
Am 29.10.2024 wurde die Hinrichtung des deutsch-iranischen Staatsbürgers Jamshid Sharmahd durch das iranische Regime vollstreckt, trotz intensiver diplomatischer Bemühungen und wiederholter Forderungen nach Freilassung durch die Bundesregierung und Menschenrechtsorganisationen. Diese kaltblütige Tat zeigt das menschenverachtende Vorgehen des iranischen Regimes gegenüber Oppositionellen und Minderheiten und führt zu erheblichen Spannungen in den deutsch-iranischen Beziehungen. Die dringliche Behandlung dieses Themas ist erforderlich, um eine klare und entschlossene Reaktion der EU und Deutschlands auf diesen gravierenden Menschenrechtsverstoß zu erzwingen und die notwendigen politischen Maßnahmen einzuleiten, die die Einhaltung universeller Menschenrechte einfordern und zukünftige Hinrichtungen europäischer Bürger*innen verhindern.
Begründung
Erfolgt mündlich