Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | D Dringlichkeitsanträge |
Status: | Beschluss (vorläufig) |
Beschluss durch: | Bundesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 15.11.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Dringlichkeitsantrag: Verantwortung in dieser Zeit
Beschlusstext
Mit dem Koalitionsausschuss am 6. November ist die Koalition aus SPD, Bündnis
90/Die Grünen und FDP frühzeitig an ihr Ende gelangt. Nun stellt sich unser Land
auf Neuwahlen ein, Neuwahlen, die darüber entscheiden, ob wir
Verantwortungslosigkeit oder Verantwortung wählen, Sündenböcke für Probleme
suchen oder diese anpacken, falschen Versprechungen glauben oder an
realistischen Lösungen arbeiten.
Bündnis 90/Die Grünen waren nach der Bundestagswahl 2021 bereit, Verantwortung
auch in einer neuen und absehbar schwierigen Konstellation zu übernehmen. Diese
Koalition war von Anfang an ein Bündnis mit sehr unterschiedlichen
Weltanschauungen. Sie hat aber – so wie es die Pflicht einer Regierung und die
Aufgabe von Demokrat*innen ist – in den letzten knapp drei Jahren immer wieder
zueinandergefunden. Es wäre auch jetzt möglich gewesen, Lösungen zu finden – aus
Verantwortung für unser Land. Wir haben bis zum Schluss konstruktive Vorschläge
im Interesse der Stabilität und des Zusammenhalts gemacht, um wirtschaftliche
Dynamik zu steigern ohne Klimaschutz und sozialen Zusammenhalt zu gefährden und
um Sicherheit und Freiheit in Europa zu verteidigen. Wir waren dazu bereit, auch
über den eigenen Schatten zu springen. Andere waren das nicht. Christian Lindner
und die FDP haben ihre Verantwortung aus parteitaktischen Gründen weggeworfen.
Die letzten drei Jahren waren geprägt von extrem herausfordernden Umständen,
insbesondere in Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine: die
Bewältigung der Energiekrise, die zeitweise sehr hohe Inflation, der Einsatz für
Frieden durch die notwendige Unterstützung der Ukraine und ein Paradigmenwechsel
in der Sicherheitspolitik – all das hat diese Koalition genauso gefordert wie
unsere Gesellschaft, die ihren Umgang mit dieser „Zeitenwende“ noch immer sucht.
Ein durch gezielte Desinformation, Hass und Hetze immer stärker radikalisierter
digitaler Raum ist hier ein gefährlicher Brandbeschleuniger. Gleichzeitig sind
wir als Land durch verschiedene Krisen besser gegangen, als viele gedacht
hätten. Das Land, die Gesellschaft, die vielen Menschen und Unternehmen haben
uns beeindruckt, mit Solidarität und Pragmatismus. Für uns als Teil einer
Regierung hieß das, in kurzer Zeit sehr weitreichende Entscheidungen zu treffen
– in der Verantwortung für Frieden, Wirtschaft und Stabilität. Dazu gehörten
Kompromisse, die auch an unsere Schmerzgrenzen gingen – die wir aber eingegangen
sind aus Verantwortung für das Ganze. Weil wir der festen Überzeugung waren und
sind, dass dies Voraussetzung dafür ist, die Wirklichkeit mitzugestalten und die
Gesellschaft zusammenzuhalten. Wir wollen, dass Menschenrechte überall und
jederzeit eingehalten werden - sie sind unverhandelbar.
Zugleich haben wir in den drei Jahren Regierungsbeteiligung viel erreicht, für
das wir Grüne lange Jahre gekämpft haben. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien
gelingt im Rekordtempo. Unser Strom wird sauber und immer günstiger. Wir haben
beim Klimaschutz eine neue Dynamik erreicht, so dass wir erstmals die Klimaziele
2030 erreichen können. Wir haben das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz
geschaffen, die größte Naturschutz-Offensive, die es in Deutschland je gab. Und
wir haben nach langen Jahren der Untätigkeit mit Reformen für mehr
wirtschaftliche Dynamik gesorgt: Planungsbeschleunigung und Bürokratieabbau,
Fachkräftezuwanderung und Förderung von Beschäftigung, Verbesserungen für Start-
Ups und Modernisierung der Industrie.
Wir haben unser Land sozial gerechter gemacht – mit Milliarden für eine gute
Kinderbetreuung und für ein Startchancenprogramm an Schulen überall in unserem
Land, mit der größten BAFöG-Reform der letzten Jahrzehnte, mit einem höheren
Mindestlohn, mit einer Reform des Bürgergeldes, mit mehr Geld für alle Familien
und nicht zuletzt mit dem Deutschland-Ticket, welches nun von Union und FDP in
Frage gestellt wird.
Wir haben das Land liberaler gemacht - mit dem Selbstbestimmungsgesetz, einer
Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, einem modernen Einwanderungsgesetz, einer
Stärkung der Reproduktiven Rechte von Frauen durch die Verhinderung von
sogenannten Gehsteigbelästigungen und der Streichung des Paragraphen 219a zur
sogenannten "Werbung" beim Abbruch von Schwangerschaften.
Wir haben in diesen drei Jahren einiges nachgeholt, was in Deutschland teils
über Jahrzehnte versäumt wurde. Aber die Weltlage, die Klimakrise und die
wirtschaftliche Stagnation zwingen Deutschland und Europa, sich weiter mutig zu
modernisieren. Unser Land steht vor der Aufgabe, die derzeitige Unsicherheit in
eine neue Selbstvergewisserung zu verwandeln. Wir stehen jetzt an dem Punkt, an
dem unser Land und Europa die Kraft, die es hat, nach vorne wenden müssen. Wir
verharren nicht ängstlich im Status Quo, sondern gehen voran - für eine soziale,
nachhaltige und gerechte Zukunft für alle.
Am Scheitern der Ampel tragen alle drei Parteien einen Teil der Verantwortung.
Dies auch selbstkritisch mit unserer Basis zu reflektieren gehört zur
demokratischen Pflicht und wird sich auch in unserem Bundestagswahlprogramm
widerspiegeln. Wir sind bereit, dem Land ein Angebot für eine Zeit nach der
Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP zu machen. Ein Angebot, das
die Erfolge der letzten Jahre anerkennt und würdigt und aufzeigt, worauf es
jetzt ankommt: Kurs halten beim Klimaschutz und ihn nicht abwickeln. Spürbar die
Gerechtigkeit stärken, damit das Leben bezahlbar ist. Freiheit und Frieden
verteidigen. Handeln mit Gemeinsinn, Zukunftsmut und Zuversicht.
In einer Zeit, in der so viele die Verheißung im Gestern suchen, halten wir
Kurs, zeigen eine positive Zukunftsvision auf und geben Hoffnung. Wir treten an
mit dem Versprechen, weiterhin konsequent für den nötigen Wandel einzutreten.
Für Klimaschutz als Motor von grünem Wachstum, Innovation und guten Jobs. Für
einen Weg, der sozial gerecht ist und auf die Innovationskraft und Kompetenzen
der Bürger*innen, der Unternehmen, der Kommunen setzt. Der auf die Kraft unseres
Landes setzt. Dabei sehen wir die Suche nach Orientierung und Zuversicht, die
unsere durch Krisen und Kriege verunsicherte Gesellschaft durchzieht. Seien wir
die Kraft, die diese Orientierung gibt. Seien wir in hoffnungsarmen Zeiten der
Hoffnungsort für alle, die daran glauben, dass es besser werden kann und besser
werden wird. Dafür suchen wir Zukunftschancen im Dialog mit Bürgerinnen und
Bürgern und im politischen Wettbewerb.
Wir wollen mehr tun, um die Kraft unserer Wirtschaft wieder zu entfesseln. Nur
als wirtschaftlich prosperierendes Land, das bei den wichtigen
Zukunftstechnologien Vorreiter ist, kann Deutschland sich den autokratischen
Bestrebungen entgegenstellen. Und zugleich sind wirtschaftlicher Wohlstand,
soziale Gerechtigkeit und gleichwertige Lebensverhältnisse entscheidende
Voraussetzungen für die soziale und gesellschaftliche Teilhabe und damit auch
für den demokratischen Zusammenhalt. Wirtschaftlicher Wohlstand muss dafür allen
zugute kommen. Unser Land steckt nun aber seit zwei Jahren in einer
wirtschaftlichen Schwächephase, die auch strukturelle Gründe hat. Dazu zählen
die hohe Abhängigkeit von russischer Energie, die CDU, CSU und SPD gemeinsam zu
verantworten haben und die Deutschland noch immer teuer bezahlt. Dazu zählt auch
ein jahrzehntelanger Investitionsstau bei der Infrastruktur und Digitalisierung,
zu langsame und komplexe Verfahren, die unsere Wirtschaft hemmen. Dazu zählen
auch die Abhängigkeit von Rohstoffimporten. Die Sorgen des Mittelstandes, eine
entscheindende Stütze unserer Wirtschaft, müssen ernst genommen werden. Dazu
zählt ebenfalls die zu hohe Bürokratiebelastung, die Prozesse verlangsamt,
Innovationen hemmt und den Alltag der Menschen ausbremst.
Deshalb müssen wir Deutschlands Potential neu entfesseln. Damit die europäische
Wirtschaft auch in Zukunft wettbewerbsfähig sein kann, müssen wir den Green Deal
weiter führen und den europäischen Binnenmarkt ausbauen. Einen Binnenmarkt, in
dem die europäische Wirtschaft durch unseren Einsatz für das europäische und
deutsche Lieferkettengesetz global Verantwortung übernimmt. Wir wollen die
Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes stärken. Wir
forcieren den Abbau von Bürokratie und die Beschleunigung und Vereinfachung von
Prozessen, auch mit Praxischecks. Wir modernisieren unsere Verwaltung, damit
diese digitaler und resilienter wird. Nur wenn der Staat funktioniert, kann auch
unsere Demokratie funktionieren und können Wohlstand und gutes Zusammenleben
wachsen.
Wir werben entschieden für eine Stärkung von öffentlichen wie privaten
Investitionen, in allen Bereichen. Wir orientieren uns dabei am Draghi-Bericht,
der darauf abzielt, die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Es braucht
beides: Strukturreformen und mehr Investitionen. Diese dürfen nicht länger an
der Schuldenbremse scheitern, deren Regeln von den allermeisten Ökonom*innen
längst in Frage gestellt werden. Die zunehmend alarmierende Lage der kommunalen
Finanzen drängt uns zu handeln – unsere Städte und Gemeinden müssen
handlungsfähig bleiben, um gleichwertige Lebensverhältnisse unabhängig vom
Wohnort zu gewährleisten.
Was unsere Wirtschaft stark macht, sind die Menschen! Gut qualifizierte
Beschäftigte und gelebte Demokratie durch betriebliche Mitbestimmung tragen dazu
bei, dass Unternehmen auch in herausforderndern Zeiten zusammen mit den
Beschäftigen gute Lösungen finden. Gemeinsam mit starken Gewerkschaften stehen
wir für eine Stärkung der Tarifbindungen und respektieren das Streikrecht. Wir
brauchen mehr Arbeitskräfte durch Qualifizierung, einer besseren Vereinbarung
von Familie und Arbeit, Inklusion, Zuwanderung, gute Arbeitsbedingungen, gute
Löhne und erleichterten Arbeitsmarktzugang für Zugewanderte.
Mit einer Energiepolitik, die die Chancen der Zeit nutzt, schaffen wir
langfristig sichere und günstige Energie aus Erneuerbaren. Eine zügig
umgesetzte, auf 100% Erneuerbare ausgerichtete Strommarkt- und Netzentgeltreform
entschlackt Bürokratie und schafft Planungssicherheit für Sonne, Wind und
Speicher aller Art inklusive Elektrolyseure. Durch eine Flexibilisierung des
Stromverbrauchs bei Industrie, Elektromobilität und Wärmepumpen senken wir auch
die Strompreise. Dafür wollen wir mit staatlichen Investitionen,
Garantiemechanismen und innovativen Anlagemodellen auch privates Kapital in
großem Umfang anreizen. Mit Bürger*innenenergie aktivieren wir privates Kapital
und Menschen für Energiewendeprojekte.
Den Braunkohleausstieg im Rheinischen Revier haben wir auf 2030 vorgezogen und
wir stellen weiterhin die Weichen dafür, dass auch alle restlichen
Kohlekraftwerke bis 2030 dank der Fortführung des erfolgreichen Ausbaus der
Erneuerbaren nicht mehr befeuert werden und für Kohleregionen und Menschen vor
Ort Planungssicherheit gilt. Schon jetzt haben wir es geschafft so wenig Kohle
im Strommix zu haben wie seit den 1960er Jahren nicht mehr. Um unsere
Abhängigkeit von fossilen Energien zügig weiter zu verringern, werden wir unsere
LNG-Infrastruktur kontinuierlich auf Notwendigkeit überprüfen. Weil wir
gemeinsam für den Schutz des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer stehen und das Gas
vor Borkum für die deutsche Energieversorgung nicht nötig ist, stehen wir für
eine finale Absage an die Gasförderung vor Borkum und die dazugehörige
Infrastruktur. Auch in Bayern lehnen wir neue Gasbohrungen ab, um Natur und
Grundwasser zu schützen.
Für uns ist dabei klar, dass es fatal wäre, wenn Deutschland und Europa nun ihre
Anstrengungen beim Klimaschutz reduzieren würden. Die klimatische Realität, die
langfristige Wahrung unseres Wohlstands und unserer Freiheit erfordern das
Gegenteil. Mit der Wahl von Donald Trump drohen die USA, sich erneut vom
Klimaschutz abzuwenden und so eine Lücke von zusätzlichen Milliarden Tonnen CO2
zu verursachen. Dies wäre noch einmal Wasser auf die Mühlen jener, die auch hier
in Europa die Gefahren der Klimakrise unterschätzen oder gar leugnen. Wir werden
uns vom Populismus nicht von der Realität abbringen lassen. Und die Realität
heißt, dass die Klimakrise bereits jetzt dramatische Auswirkungen hat und
unverzügliches, entschiedenes Handeln erforderlich ist, wenn wir ihre
Konsequenzen noch menschlich beherrschbar halten wollen. Deshalb lassen wir in
unseren Ambitionen nicht nach, ganz im Gegenteil. Angesichts der dramatischen
Prognosen des Expertenrats für Klimafragen, dass wir uns auf dem Weg zu einer
Erderwärmung auf 2.7 Grad bis Ende des Jahrhunderts befinden, braucht es jetzt
entschlossenes politisches Handeln, um eine Zielverfehlung beim CO2-Budget für
Deutschland zu verhindern. In allen Bereichen und vor allem in jenen, die
bislang viel zu wenig zur Erreichung der Klimaziele beitragen – die Sektoren
Verkehr und Gebäude – wollen wir auf Kurs kommen. Es geht um nicht weniger als
unsere Freiheitschancen und -rechte und die unserer Kinder und Enkel.
Wir kämpfen für einen wirksamen Klima-, Natur-, Tier- und Artenschutz. Wir
wollen bestehende Abkommen wie das Nature Restoration Law und die Ziele von
Montréal mit dem Ziel von mehr Biodiversität wirksam umsetzen. Wir wollen die
Nationale Biodiversitätsstrategie und das Aktionsprogramm Natürlicher
Klimaschutz weiter verfolgen und uns für die Rechte von Tieren einsetzen. So
sorgen wir für ein gesundes Leben im Einklang mit den planetaren Grenzen für
uns, für die kommenden Generationen und für alle Lebewesen.
Wir stehen erst am Anfang der Aufgabe, eine Erneuerungspolitik gerecht und
gemeinschaftlich zu organisieren. Wir nehmen die tiefen Verlusterfahrungen und
Verunsicherungen von Corona, Inflation, materiellen Sorgen um Wohnraum und
Ängsten vor Terror und Krieg ernst. Der Verunsicherung unserer Gesellschaft
begegnen wir mit großem Verständnis und der festen Entschlossenheit, das Land
zukunftsfest zu machen und ein gutes Leben für alle zu ermöglichen. In einer
Welt der Zumutungen ist es eine Aufgabe von Politik, diese Zumutungen
abzufedern, indem sie Lasten gerecht verteilt und den Sozialstaat stärkt. Es
braucht angesichts der Auswirkungen weltweiter Veränderungen aber noch mehr. Wir
wollen auch die Bedingungen schaffen, dass Bürger*innen, Zivilgesellschaft und
Unternehmen gemeinsam anpacken und Lösungen schaffen können.
Unsere Gesellschaft droht, den Zusammenhalt zu verlieren. Wir stemmen uns der
wachsenden Ungleichheit entgegen. Wir akzeptieren nicht, dass gleichzeitig die
Vermögen der einen enorm steigen und die anderen immer häufiger und tiefer in
den Dispokredit gezwungen sind. Um mehr Gerechtigkeit zu schaffen und den
Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken, müssen die Reichsten einen fairen
Beitrag leisten. Wir akzeptieren nicht, dass weiterhin viel zu viele Kinder in
Armut aufwachsen und dass die Chancen von Kindern und Jugendlichen, ihre Träume
und Ziele zu verwirklichen, geringer sind als vor 30 Jahren - denn das
Aufstiegsversprechen ist ein zentrales Versprechen unserer Demokratie. Außerdem
fördern wir gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land.
Menschen sind unterschiedlich, aber gleich in ihrer Würde und ihren Rechten. Wir
stehen dafür, dass in diesem Land jede Person selbst ihren Lebensweg, ihre
Träume und Identität leben kann, dass jeder Mensch ohne Diskriminierung und
Gewalt leben und lieben kann. Wir wollen mit strukturellen Maßnahmen dafür
sorgen, dass Frauen gleichberechtigt beteiligt, repräsentiert und bezahlt werden
und selbstbestimmt über den eigenen Körper entscheiden können. Dazu gehört auch
das Recht auf Schutz vor Gewalt. Wir wollen, dass Kinder mit dem
Selbstverständnis aufwachsen, dass sie dieselben Chancen und Rechte im Leben
haben, unabhängig von ihrem Geschlecht. Diskriminierung, Rassismus,
Antisemitismus, Queerfeindlichkeit, Behindertenfeindlichkeit oder Klassismus
schädigen die Demokratie. Deswegen setzen wir uns für gleiche Teilhabe ein, zum
Beispiel für Menschen in prekären Lebensverhältnissen, Menschen mit
Migrationsgeschichte oder mit Behinderung. Wir wollen eine inklusive
Gesellschaft, in der alle Menschen die Gewissheit haben, dass sie selbstbestimmt
an unserer Gesellschaft teilhaben können.
Wir leben in einem Land, das schon immer durch Zuwanderung geprägt wurde. Die
Vielfalt unserer Biographien ist ein Reichtum unserer Gesellschaft. Wir sind die
Partei, die sich konsequent gegen Ausgrenzung und Diskriminierung stellt und für
ein modernes Einwanderungsland steht. Wir unterstützen die engagierten Menschen,
die eine Sache zu ihrer eigenen machen, die sich jeden Tag für Zusammenhalt und
Demokratie einsetzen. Ehrenamt braucht verlässliche Strukturen, die den
Engagierten den Rücken freihalten und sie vor Anfeindungen schützt.
Mut zu notwendigen Reformen, Bürgernähe und Gerechtigkeit wollen wir
zusammenbringen, um als Demokratie in der Lage zu sein in den Krisen dieser Zeit
zu bestehen. Daher setzen wir uns weiterhin für Bürgerräte ein. Wir müssen den
Menschen Antworten geben, wie mehr Wohnraum geschaffen und Wohnen und Mieten
bezahlbar bleiben oder wieder werden können. Wir müssen aufzeigen, wie Mobilität
zuverlässig, bezahlbar und sicher werden kann; daher wollen wir beim
Deutschland-Ticket den Preis von 49 Euro sicherstellen. Wir müssen darstellen,
wie gute Arbeitsplätze erhalten werden. Wir müssen dafür sorgen, dass das
Bildungssystem wieder besser funktioniert und allen die gleichen Chancen
verschafft. Und wir müssen das Rentensystem generationengerecht aufstellen.
Leitstern ist für uns der erste Satz in unserem grünen Grundsatzprogramm: „Im
Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit“.
Freiheit, Würde und die Einhaltung internationalen Rechts sind auch der Maßstab
für unsere Friedenspolitik mit Blick auf die Ukraine und weltweit. Wir stehen
für die Sicherung der Souveränität Europas als Union gegenüber den
autokratischen Bedrohungen von außen wie von innen. Spätestens die Wiederwahl
von Donald Trump setzt Verteidigungsfähigkeit und die Bereitschaft mehr in die
Souveränität Europas zu investieren, an die Spitze der politischen Prioritäten
für die kommenden Jahre. Die Zeitenwende im Militärischen muss fortgeführt und
verstärkt werden. Wir werden uns mit unseren europäischen Partnern koordinieren,
damit wir Ressourcen optimal nutzen. Die Zeitenwende muss sich auch in einer
deutlichen Stärkung des Zivil- und Katastrophenschutzes widerspiegeln. Dazu
zählt auch, dass vulnerable Gruppen, wie Menschen mit Behinderungen, besonders
geschützt werden. Wir stehen zu einer evidenzbasierten Innenpolitik, die auch
die Ursachen von Kriminalität in den Blick nimmt. Wir schützen die Freiheit und
Sicherheit aller Menschen und verteidigen Bürgerrechte und Rechtsstaatlichkeit.
Trumps Abkehr von internationalen Institutionen und dem Pariser Klimaabkommen
gefährdet die multilaterale Zusammenarbeit. Dem setzen wir ein Bekenntnis zum
Multilateralismus zum Beispiel durch eine strategische Klimaaußenpolitik
entgegen. Mit einer strategischen Klimaaußenpolitik können Klimaschutz, Handel
und Frieden einander gegenseitig bestärken und einer Zersplitterung des
internationalen Miteinander entgegenwirken. Deutschland und die EU müssen jetzt
das diplomatische, entwicklungs- und handelspolitische Engagement erhöhen. Dazu
setzen wir auch weiterhin auf starke transatlantische Beziehungen mit
vielfältigen Partnerschaften.
Aus unserer außenpolitischen Verantwortung setzen wir uns für einen gerechten
Frieden und die Wahrung des humanitären Völkerrechts im Nahostkonflikt ein.
Darum leisten wir Humanitäre Hilfe und drängen gemeinsam mit vielen
internationalen Partnern nachdrücklich auf ausreichende humanitäre Versorgung
der Zivilbevölkerung in Gaza, Libanon und Westjordanland. Das Arbeitsverbot für
die UNRWA steht diesem Ziel entgegen – sie muss weiter ihre Arbeit ausführen
können.
Wir müssen die Europäische Souveränität und Handlungsfähigkeit verbessern, sowie
die EU darin bestärken mehr internationale Verantwortung zu übernehmen. Es ist
im höchsten deutschen Interesse, dass Europas Einigung weiter geht, dass ein
vereintes Europa gemeinsam in seine demokratische Zukunft als Raum der
Sicherheit, der Freiheit und des Rechts investiert. Nur ein starkes Europa mit
einem klaren Wertefundament wird in der Welt gehört und kann seine Interessen
zum Wohle der Menschen durchsetzen. Dafür müssen wir Rechtsstaatlichkeit,
Demokratie und die Menschenrechte in der Europäischen Union schützen. Nur als
Gemeinschaft können wir Freiheit und Frieden für alle in Europa lebenden
Menschen sichern. Entscheidend dafür ist auch die gute Zusammenarbeit mit unsere
Nachbarländern, insbesondere mit Frankreich und Polen im Weimarer Dreieck.
In den kommenden Jahren darf „German Vote“ kein Synonym mehr sein für deutsche
Alleingänge in Europa - weder im Rat der Mitgliedsländer noch im
Europaparlament. Immer wieder stehen wir dabei vor einem europapolitischen
Dilemma, denn an vielen Stellen fehlen uns die Mehrheiten für notwendige
Veränderungen. Und so, wie wir als Grüne in der Regierung immer wieder an die
Grenzen unseres Selbstverständnisses gegangen sind, um Kompromisse zu
ermöglichen - etwa beim Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) – so werden
wir in den kommenden Jahren die Handlungsfähigkeit im europäischen Bündnis
gegenüber unseren globalen Partnern und Bedrohungen noch deutlich wichtiger
nehmen müssen als bisher, um Demokratie, Rechtsstaat und die Grundrechte in
Europa zu verteidigen. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass EU-Recht um- und
durchgesetzt wird. Das darf nicht länger warten. Europäische Werte sind eine
Stärke - gerade in großen Fragen wie der Asyl- und Migrationspolitik.
Dieses Verständnis von Verantwortung von Demokrat*innen in einer vernetzten,
aber zugleich komplexen und von Eigeninteressen bestimmten Welt kann nur
erfolgreich sein, wenn wir bündnisfähig sind, so wie es in unserer Partei schon
im Namen angelegt ist. Wir arbeiten eng mit unseren Verbündeten in den
Bewegungen, mit NGOs und mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen
zusammen. Ihre Expertise und Kritik prägt unsere parlamentarische Arbeit. Wir
vertrauen auf das Engagement und die Ideen der Vielen und stärken unsere
gemeinsamen demokratischen Institutionen. So, wie wir innerhalb der Partei zur
Verbindung bereit sind und das Bündnis mit unterschiedlichen gesellschaftlichen
Akteuren suchen, so sind wir auch zu (Regierungs-)Bündnissen mit allen
gesellschaftlichen Gruppen im Land, der Zivilgesellschaft und mit den anderen
demokratischen Parteien bereit. Gemeinsam bringen wir unser Land und unsere
Gesellschaft voran. Mit diesem Selbstverständnis gehen wir in den jetzt
bevorstehenden, kurzen Wahlkampf.
Wir werden dazu noch in diesem Jahr einen Entwurf für ein prägnantes und
zugespitztes Wahlprogramm vorlegen und auf einem eintägigen Bundesparteitag in
Präsenz beschließen. Dabei werden wir nach Innen und Außen zuhören, damit sich
so viele Stimmen wie möglich im Ergebnis wiederfinden. Um einen solchen
Parteitag handhabbar zu machen, bitten wir die Antragskommission wenn nötig auch
die Option zu nutzen, Anträge, die das Wahlprogramm durch ihre
unverhältnismäßige Länge oder ihre Detailtiefe überfordern, im
Verfahrensvorschlag zur Nicht-Befassung vorzuschlagen.
Der Wahlkampf ist eine Chance, zu zeigen, was in uns steckt. Keine Partei hat so
engagierte Mitglieder wie wir. Jeden Tag werden wir mehr. Bei so vielen neuen
Mitgliedern ist es uns wichtig, dass sich alle im Wahlkampf beteiligen und sich
und ihre Ideen in die Partei einbringen können. Selten war das Bewusstsein der
Menschen für die Herausforderungen dieser Zeit so klar. Nutzen wir diese Chance,
um die Kraft der Menschen in die Zukunftskraft unsers Landes zu übersetzen. In
Verantwortung für diese Zeit.