Veranstaltung: | 50. Bundesdelegiertenkonferenz Wiesbaden |
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Tagesordnungspunkt: | V Verschiedenes |
Antragsteller*in: | Eva Günthner (KV Bamberg-Land) und 59 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 42%) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.10.2024, 11:08 |
V-87: Zuckerbrot statt Peitsche - für ein Bürgergeld 2.0
Antragstext
Das Bürgergeld sollte eigentlich die lange überfällige Reform des
Arbeitslosengeldes II, besser bekannt als Hartz-IV, sein. Von dieser Reform
blieb am Ende nur der Name und sie wird dadurch unseren Ansprüchen nicht
gererecht. Es ist wichtig und richtig das Bürgergeld - auch im Sinne unseres
grünen Grundsatzprogrammes - sozial gerecht und zukunftsfähig
weiterzuentwickeln. So steht in unserem Grundsatzprogramm:
„Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Teilhabe, auf ein würdevolles Leben ohne
Existenzangst. Deswegen überwinden wir Hartz IV und ersetzen es durch eine
Garantiesicherung. Sie schützt vor Armut und garaniert ohne Sanktionen das
soziokulturelle Existenzminimum. So macht sie Menschen in Zeiten des Wandels
stark und eröffnet Chancen und Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben.“
Unser Ziel ist es, das Bürgergeld so umzugestalten, dass die Grundsicherung
garantiert ist und die Förderung der Einzelnen im Vordergrund steht. Wir
brauchen in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ein soziales Auffangnetz. Dies
stärkt dauerhaft unsere Demokratie. Dafür braucht es Entbürokratisierung und
gezielte Maßnahmen, welche die Selbstbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe
in allen Bereichen fördern.
Wir fordern daher:
1. Ein Ende der Sanktionspraktik hin zu Förderungsmechanismen
Statt Menschen in einer oft finanziell wie psychisch belastenden Situation
Auflagen zu geben, die sie erfüllen müssen, um ihr Existenzminimum zu sichern,
möchten wir diesen Menschen Sicherheit bieten. Dieses Existenzminimum darf nicht
unterschritten werden! Wir sanktionieren nicht mehr durch Kürzungen der
Leistungen, sondern fördern das persönliche Engagement und die Bemühungen,
wieder in die Erwerbsarbeit zu kommen. So werden Leistungssteigerungen zum
Beispiel mit dem Schreiben von Bewerbungen oder mit der Teilnahme an
Weiterbildungen verbunden. Es gibt keine Leistungskürzungen mehr, sondern
Leistungssteigerungen!
2. Bürgergeldanträge barrierefrei und in einfacher Sprache
Das Stellen des Antrags darf keine eigene Wissenschaft sein. Dies diskriminiert
nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern am Ende auch jeden Menschen, der
Bürokratie als Sprache nicht beherrscht. Im Sinne der Inklusion ist es längst
überfällig, dass es alle Anträge und Merkblätter in einfacher und barrierfreier
Sprache gibt.
3. Mehr fördern, statt nur fordern
Grundsätzlich muss es für alle die Möglichkeit geben, sich angemessen fort- und
weiterzubilden. Auch und gerade für Bürgergeldempfänger*innen. Es soll nicht
unterschieden werden, wer es wert ist, gefördert zu werden, und wer nicht. Alle
müssen und sollen die gleiche Chance bekommen, sich ein Leben lang
weiterzuqualifizieren, um nachhaltig in Arbeit kommen zu können.
Das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt in seinem Urteil vom
5. November 2019, dass das Existenzminimum vom Grundgesetz geschützt ist und
eine Sanktionierung von Hilfebdürftigen unter das Existenzminimum
verfassungswidrig ist. Dementsprechend unterstützt das Bundesverfassungsgericht
unseren Antrag in einem elementaren Punkt: Das Bürgergeld muss das
Existenzminimum sichern!
Begründung
Ein Bürgergeld, das auf Förderung statt auf Sanktionen setzt, bietet eine Reihe von Vorteilen, die sowohl individuell als auch gesellschaftlich von Bedeutung sind:
1. Erhalt der Würde und Motivation: Sanktionen können die Würde und das Selbstwertgefühl der Betroffenen stark beeinträchtigen. Ein förderndes System hingegen stärkt das Selbstvertrauen und motiviert die Menschen, aktiv an ihrer Lebenssituation zu arbeiten. Die Anerkennung von Anstrengungen und die Unterstützung bei der Überwindung von Schwierigkeiten fördern die intrinsische Motivation.
2. Verbesserte soziale Teilhabe: Förderung ermöglicht es den Menschen, besser an der Gesellschaft teilzuhaben. Durch Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, die gefördert und nicht erzwungen werden, können Menschen ihre Fähigkeiten erweitern und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Das führt langfristig zu einer stärkeren Integration und reduziert soziale Ausgrenzung.
3. Langfristige Perspektiven statt kurzfristiger Lösungen: Ein förderndes Bürgergeld setzt auf langfristige Unterstützung, die Menschen nachhaltig aus Armut und Arbeitslosigkeit führen kann. Anstatt kurzfristig auf Druckmittel zu setzen, wird der Fokus auf Maßnahmen gelegt, die den Betroffenen helfen, stabile Lebensgrundlagen zu schaffen.
4. Verminderung von Stress und psychischen Belastungen: Sanktionen erzeugen oft erheblichen Stress und Druck, der sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken kann. Ein förderndes System, das auf Unterstützung statt Bestrafung setzt, reduziert diese Belastungen und trägt zu einer besseren psychischen und physischen Gesundheit der Betroffenen bei, wodurch diese dem Arbeitsmarkt auf Dauer zur Verfügung stehen können.
5. Reduzierung der Verwaltungskosten: Die Durchsetzung von Sanktionen erfordert einen hohen bürokratischen Aufwand, der mit erheblichen Kosten verbunden ist. Ein System, das auf Förderung setzt, kann effizienter gestaltet werden, indem Ressourcen gezielt für unterstützende Maßnahmen eingesetzt werden, anstatt für die Kontrolle und Sanktionierung.
6. Förderung von Eigenverantwortung und Selbstständigkeit: Indem Menschen ermutigt werden, eigene Ziele zu setzen und eigenständig zu handeln, anstatt nur Vorgaben zu erfüllen, wird ihre Eigenverantwortung gestärkt. Dies führt zu mehr Selbstständigkeit und einem besseren Gefühl der Kontrolle über das eigene Leben.
7. Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts: Ein förderndes Bürgergeld trägt dazu bei, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Wenn Menschen sich nicht von Sanktionen bedroht fühlen, sondern stattdessen Unterstützung erhalten, wächst das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen. Dies führt zu einer solidarischeren und inklusiveren Gesellschaft.
Das Bürgergeld sollte ein Meilenstein in der Sozialpolitik Deutschlands werden. Es bot die Chance, den Sozialstaat gerechter, effizienter und zukunftsfähiger zu gestalten. Die jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen zielen darauf ab, die bestehenden Schwächen zu beheben und das Bürgergeld in genau diese Richtung zu lenken - die Richtung, die auch unseren grünen Werten entspricht. Eine Weiterentwicklung des Bürgergeldes, wie in diesem Antrag beschrieben, stärkt die soziale Sicherheit, fördert die Selbstbestimmung und ermöglicht allen Menschen in unserer Gesellschaft eine aktive Teilhabe.