Veranstaltung: | Außerordentliche Bundesdelegiertenkonferenz |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | Beschlüsse (vorläufig) |
Antragsteller*in: | Bundesdelegiertenkonferenz (dort beschlossen am: 27.01.2018) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 31.01.2018, 15:27 |
Antragshistorie: | Version 1 |
V-10 Beschluss: Grüner Aufbruch für faire Mieten
Antragstext
Grüner Aufbruch für faire Mieten
Das Vorhandensein von bezahlbarem Wohnraum ist eine der zentralen sozialen Fragen unserer
Zeit. Immer weniger Menschen können sich die hohen und steigenden Mieten in unseren Städten
und Ballungsräumen noch leisten. Immer mehr Menschen, auch aus der Mittelschicht, sind von
Verdrängung bedroht. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über die aufgeheizte Situation
auf unseren Wohnungsmärkten berichtet wird. Besonders alarmierend sind die Zahlen über die
Verdoppelung der Wohnungs- und Obachlosen seit 2014 auf 860 000 Menschen. Es ist für uns
zentral, das Primat des Gemeinwohls in der Mieten- und Wohnungspolitik wieder herzustellen.
Trotz der mit großem Tamtam angekündigten Mietpreisbremse steigen die Mieten in den
Ballungszentren ungebremst weiter. Seit ihrer Einführung sogar noch schneller als vorher.
Die Sondierungen mit Union und FDP haben deutlich gezeigt, dass sie keinen Schwerpunkt auf
die Interessen von Mieterhaushalten legen. Wir Grüne waren es, die sich für eine
funktionierende Mietpreisbremse und für mehr Investitionen in sozialgebundenen Wohnungsbau
eingesetzt haben. Denn wir Grüne verstehen die Versorgung mit Wohnraum als Aufgabe der
öffentlichen Daseinsvorsorge.
Verschärft wird die Situation durch spekulative Finanzinvestoren mit Sitz in Steueroasen,
die oft gezielt bestehende Steuerschlupflöcher nutzen, um ihre Gewinne am Allgemeinwohl
vorbei zu schleusen. So werden zum Beispiel in großem Umfang Immobilien in Deutschland
gekauft, ohne dass dafür ein Cent Grunderwerbsteuer gezahlt wird. Dazu braucht es nur einen
sogenannten Share Deal – dabei wird nicht das Grundstück selbst, sondern das Unternehmen, in
dem das Grundstück enthalten ist, gekauft. Anschließend werden laufende Mieteinnahmen in
Deutschland mit Hilfe von Gesellschaften in Luxemburg kaum versteuert. Die bestehenden
Mieterhöhungsmöglichkeiten und Schutzlücken im deutschen Mietrecht werden gleichzeitig voll
ausgenutzt, auch um gezielt zu entmieten. Gerade die in manchen Städten massiv zunehmende
Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, die als Anlageobjekt dann einzeln verkauft
werden, sorgt für massive Mietsteigerungen und Verdrängung. Mieter*innen wissen oftmals
nicht, wer eigentlich ihr Vermieter ist, ihre Miete landet bei Briefkastenfirmen oder
Strohmännern.
Es klafft eine riesige Lücke zwischen den drängenden Problemen auf den wachsenden
Wohnungsmärkten und den politischen Maßnahmen, diese Missstände zu beheben. Deshalb braucht
es endlich einen Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik. Hin zu weniger
Mieterhöhungsmöglichkeiten, dem Stopp von Immobilienspekulation zu dauerhaft bezahlbaren
Wohnungen und zu einer sozial-gerechten Bodenpolitik. Wir Grüne sind die Partei, die sich
für die Interessen der Mieterinnen und Mieter einsetzt, um den Zusammenhalt in unserer
Gesellschaft zu erhalten und zu stärken.
Das Mantra „Bauen, Bauen, Bauen“ von CDU/CSU, FDP und SPD allein hilft eben nicht, um die
Mietkosten zu bremsen. Es braucht entschlossenes Handeln statt einseitiger
interessengeleiteter Analysen.
Eine Million dauerhaft günstige Wohnungen
Die Zeit des Verkaufs und der Spekulation mit Sozialwohnungen muss enden. Wir wollen eine
Million zusätzliche preiswerte Wohnungen. Im Neubau wie im Bestand, dauerhaft günstig und
lebenswert, möglichst nicht auf der grünen Wiese, sondern innerhalb unserer Städte und
Dörfer. Mit dem Konzept der Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit werden wir wieder
Genossenschaften, kommunale Wohnungsunternehmen und private Investor*innen für den sozialen
Wohnungsbau gewinnen. Das Prinzip dabei ist: Zulagen und Steuerförderung im Tausch gegen
dauerhaft günstigen Wohnraum.
Mietpreise und Spekulation bremsen – für ein soziales Mietrecht ohne Schlupflöcher
Die Mieten explodieren seit Jahren. Damit muss jetzt Schluss sein. Die Mietpreisbremse muss
endlich angezogen und unnötige Ausnahmen abgeschafft werden. Ihre Geltung muss dringend
verlängert werden, damit sie nicht 2020 ausläuft. Sie muss als ein dauerhaftes Instrument im
Mietrecht erhalten bleiben, dass dann zeitlich befristet zur Anwendung kommt, wenn
Wohnraummangelgebiete entstehen. Niemand darf unter dem Deckmantel der energetischen
Modernisierung verdrängt werden, beispielsweise durch die Fassadendämmung von Altbauten. Die
Modernisierungsumlage in ihrer jetzigen Form ist schädlich. Wir Grüne werden daher prüfen,
inwiefern die Modernisierungsumlage in ein anderes sozial-gerechteres und ökologischeres
Instrument umgewandelt werden kann. Kurzfristig kappen und senken wir sie deutlich ab,
konzentrieren sie nur noch auf gesellschaftlich notwendige Bereiche und schaffen eine neue,
faire Kostenverteilung. Der Mietspiegel soll die Miethöhen über einen deutlich längeren
Zeitraum abbilden. Wo es einen qualifizierten Mietspiegel gibt, soll er verpflichtend für
alle Teilnehmer*innen auf dem Wohnungsmarkt gelten. Auch die Zeitspanne ohne
Mieterhöhungsmöglichkeiten muss ausgeweitet werden. Ländern soll es möglich sein,
Mieterhöhungen ohne Wohnwertverbesserungen auf maximal 15 Prozent innerhalb von fünf Jahren
zu kappen. Wir wollen das Instrument des Milieuschutzes als Mieterschutzinstrument weiter
entwickeln und Mietobergrenzen ermöglichen. In angespannten Wohnungsmärkten sollen die
Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen stadtweit und lückenlos der Genehmigungspflicht
unterliegen können.
Der Schutz der Mieter*innen vor überhöhten Mietforderungen im Wirtschaftsstrafrecht soll
verbessert werden. Auch der Schutz für Kündigungen wegen Eigenbedarfs, unverschuldeten
Mietrückständen und bei Umwandlungen in Eigentum soll ausgeweitet werden. Die
Mieter*innenschutzverbände wollen wir mit Gruppenklagemöglichkeiten stärken. Zudem wollen
wir das, den Mieter*innen beim Verkauf der Wohnung zustehende Vorkaufsrecht, auch auf
Genossenschaften, welche die Mieter*innen gründen können, ausweiten.
Das Wohngeld wollen wir verdoppeln, dynamisch anpassen und die Heizkosten wieder
berücksichtigen. Ergänzend führen wir einen Klimazuschuss für energetisch modernisierte
Wohnungen ein, damit auch Wohngeldempfänger*innen energieeffizient wohnen können.
Auch kleine Gewerbemieter und soziale Träger wollen wir bundesweit mit dem Ausbau des
Gewerbemietrechts (Kündigungsschutz, Erweiterung des Milieuschutzes, Gewerbemietspiegel mit
Mietpreisbremse, etc.) unterstützen.
Zukunftsfähige Bodenpolitik
Die stark steigenden Grundstückspreise sind ein riesiges Hindernis für die Schaffung von
bezahlbaren Wohnraum und die Bereitstellung von leistbaren Mietwohnungen. Deswegen ist die
Bodenpolitik eine der zentralen wohnungspolitischen Handlungsfelder in den kommenden Jahren.
Unser Ziel ist ein zukunftsfähiger und sozial-gerechter Umgang mit der begrenzten Ressource
Boden, auch in unseren Städten. Wir wollen die Entwicklung von bezahlbaren Bauflächen in
unseren Städten stärken.
Für uns gilt der Grundsatz: Innen- vor Außenentwicklung. Das Baugesetzbuch muss systematisch
dahingehend überprüft werden, inwiefern Gemeinden bei der Sicherung und Bereitstellung von
Grundstücken besser unterstützt werden können. Wenn immer nur der meistbietende Investor den
Zuschlag erhalten kann, haben Anbieter von günstigen und bezahlbaren Mietwohnungen keine
Chance. Hier braucht es Verbesserungen beim kommunalen Vorkaufsrecht. Bei der Wertermittlung
des Verkehrswertes wollen wir vom reinen Marktwert weg und ein Berechnungsmodell entwickeln,
das spekulative Wertsteigerungen nicht mehr enthält. Auch bei Zwangsversteigerungen soll
zukünftig ein Vorkaufrecht bestehen. Außerdem wollen wir neue städtebauliche Instrumente,
mit denen kleinteilige innerstädtische Grundstücke schneller und preisgünstiger nutzbar
gemacht werden können. Die Einführung einer neuen Kategorie „Maßnahmengebiet der
Innenentwicklung“ könnte eine Möglichkeit sein, verbliebene kleinteilige Flächen zu
aktivieren. Innenverdichtung und Aufstockung wollen wir zusätzlich durch eine nationale
Holzbaustrategie und eine Offensive bei seriellen und modularen Bauen erleichtern. So können
in Zukunft schnell, preiswert und ressourcenschonend bezahlbare Wohnungen in unseren Städten
entstehen. Auch bei der Wiedernutzung alter Industrieflächen brauchen die Gemeinden
Unterstützung von Seiten des Bundes über baurechtliche Änderungen, KfW-Förderung oder
Städtebaufördermittel.
Gemeinden unterstützen wir außerdem mit der Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit bei der
Verknüpfung von neuem Baurecht mit Mindestanteilen an sozialem Wohnraum und anderen
wohnungs- und städtebaulichen Erfordernissen.
Statt zu spekulieren, muss der Bund eine Vorreiterrolle bei der Bereitstellung und Sicherung
von bezahlbaren Grundstücken einnehmen. Dafür wollen wir das Gesetz über die Bundesanstalt
für Immobilienaufgaben und die Bundeshaushaltsordnung entsprechend ändern. Grundstücke
sollen für wohnungspolitische, städtebauliche und strukturpolitische Ziele vergünstigt zum
Verkehrswert und wo nötig auch darunter an die Kommunen verkauft werden können. Damit werden
preistreibende Bieterverfahren vermieden und die zukünftige Nutzung der Grundstücke in den
Kommunen berücksichtigt. Auch die Weitergabe an gemeinwohlorientierte Träger und die
Verpachtung in Erbpacht sollte ermöglicht werden.
Damit spekulative Finanzinvestoren und große Wohnungsunternehmen den gemeinwohlorientierten
Akteuren auch steuerrechtlich gleichgestellt werden, wollen wir die sogenannten Share Deals
abschaffen. Ergänzend setzen wir uns für ein zentrales vernetztes Immobilienregister ein, in
dem die Eigentümer der Immobilien für Behörden und für alle Betroffenen (Mieter) abrufbar
sind, um Geldwäsche im Immobiliensektor entgegen zu treten.
Kommentare