Antrag zur BDK von Bündnis 90 / Die Grünen
Wahlprogramm für den Bundestagswahlkampf 2025
Im Dezember 2022 hat der Rat der Europäischen Union im Arbeitsplan Kultur 2023 – 2026 als einen von vier Schwerpunkten „Kultur für die Menschen” festgelegt: die Teilhabe an Kultur, an Kreativität und Kunst, habe positive Auswirkungen auf alle Menschen - unabhängig von Alter und Hintergrund; Lebensqualität, Gesundheit und Wohlbefinden werde verbessert. Nötig sei eine besondere Aufmerksamkeit auf Teilhabe von Kindern und Jugendlichen am kulturellen Leben sowie auf einem inklusiven Ansatz für schutzbedürftiger und benachteiligter Gruppen. Hier wäre der Ansatzpunkt der Künstlerischen Therapien, in dem sich Kultur und Gesundheit, mit dem Fokus der psychischen Gesundheit, verbinden lassen.
Künstlerische Therapeut:innen sind im Bereich der akademischen Gesundheitsberufe angesiedelt. Sie versorgen erkrankte Menschen aller Lebensalter, lindern Leiden, fördern Gesundheit, beugen Erkrankungen vor und unterstützen in der Rehabilitation. Sie bieten spezifische Behandlungsleistungen an, die das etablierte Behandlungsspektrum sinnvoll ergänzen und die nicht durch Leistungen anderer Therapeut:innen zu ersetzen sind. Ergebnisse aus über 3000 Studien verdeutlichen in einer Untersuchung des Regionalbüros für Europa der Weltgesundheitsorganisation eine wesentliche Rolle der Künste bei der Gesundheitsförderung. Künstlerische Therapeut:innen beherrschen wissenschaftlich fundierte Vorgehensweisen für den Einsatz künstlerischer Mittel zur Behandlung und Prävention von Erkrankungen, Rehabilitation und der Palliativmedizin. Künstlerische Therapien umfassen Musik-, Kunst-, Tanz-, Theatertherapien u.a. Allen Disziplinen gemeinsam ist der Einsatz künstlerischer Gestaltungsmittel in Diagnostik und Therapie.
Obwohl in einigen Leitlinien der AMWF künstlerische Therapien empfohlen werden, gehören die Musik-, Kunst-, Tanz-, Theatertherapien u.a. in Deutschland bisher weder in den Regelleistungskatalog der GKV noch sind sie fester Bestandteil der therapeutischen Versorgungslandschaft. Es sind Regelungen notwendig, die diese Verfahren im deutschen Gesundheitswesen strukturell und finanziell verankern.
Wir fordern:
gesetzliche Regelungen zur Verankerung des neuen Berufs für alle Sektoren des Gesundheitswesens. Künstlerische Therapeut:innen sind ein neuer Beruf im Gesundheitswesen mit Versorgungsrelevanz. Mit den Künstlerischen Therapien haben sich neben geregelten Heilberufen mit Approbation und Gesundheitsfachberufen in den vergangenen Jahrzehnten Künstlerische Therapeut:innen als neue Berufsgruppe etabliert. (IQWIG-Gutachtens von 2019)
eine geschützte Berufsbezeichnung für Künstlerische Therapeut:innen. Seit über vier Jahrzehnten gibt es Diplom-, Bachelor- und Masterabschlüsse sowie entsprechend strukturierte Angebote privater Anbieter. Die Wirksamkeit Künstlerischer Therapien in der ambulanten und stationären Versorgung ist gut untersucht. Bisher hat der Gesetzgeber es versäumt, die Berufsbezeichnungen Künstlerischer Therapeut:innen aus den Fachrichtungen Kunst-, Musik-, Tanz- und Theatertherapie etc. zu schützen. Die Folge ist ein »Wildwuchs« unseriöser Aus- und Weiterbildungsanbieter, deren Angebote die hohen Anforderungen an die professionelle Ausbildung qualifizierter Künstlerischen Therapeut:innen nicht erfüllen. Erst eine gesetzliche Regulierung des Berufes auf der Grundlage bestehender, zertifizierter Ausbildungen an Universitäten, Hoch- und Fachhochschulen oder gleichwertigen privaten Ausbildungsinstituten schützt die Berufsbezeichnung Künstlerischer Therapeut:innen. Nur sie gewährleistet eine qualitätsgesicherte Behandlung und gibt den Patient:innen Schutz. Jede Form von Kunsterlebnis und Kunstausübung kann die Gesundheit und die persönliche Entwicklung fördern, aber erst durch fachlich qualifizierte und ausgebildete Therapeut:innen werden Musik, Bildende und Darstellende Kunst zu Künstlerischen Therapien.
Unklarheiten in Bezug auf die Zuständigkeit für die erforderlichen Regelungen des Berufes der Künstlerischen Therapeut:innen zu klären. Es muss dringend die Klärung der Zuständigkeit (u.a. in Bezug auf den Gemeinsamen Bundesausschuss, das Bundesgesundheitsministerium) und der Reihenfolge der erforderlichen Maßnahmen erfolgen, die eine patient:innenorientierte Regelung in der nächsten Legislaturperiode ermöglichen.
eine Sicherstellung der Finanzierung von Künstlerischen Therapien. Die Finanzierung der Leistungserbringung muss für alle Sektoren des Gesundheitswesens bundeseinheitlich geregelt werden. Im stationären Bereich gibt es keine einheitlichen Vergütungsregelungen; im ambulanten Bereich fehlt diese Regelung vollständig.
auskömmlich finanzierte Forschungsvorhaben. Eine zukunftsorientierte Forschungsförderung muss in Kooperation der zuständigen Bereiche erfolgen und anwendungsbezogene, praxisorientierte und wissenschaftliche Vorhaben ausreichend finanzieren. Nur so kann eine evidenzbasierte Versorgung gewährleistet werden. Die Strukturen einer solchen Förderung müssen in den entsprechenden Ressorts nachhaltig verankert werden. Im stationären Bereich gehört der evidenzbasierte Einsatz Künstlerischer Therapien zur »best practice« der Leitlinienmedizin z.B. bei der Behandlung von Volkskrankheiten wie Depressionen, Krebs, Adipositas und Demenz.
Zusammenfassend ist festzustellen: Künstlerische Therapien haben sich in den vergangenen 40 Jahren für Patient:innen mit weit verbreiteten zumeist chronischen oder schwer behandelbaren Erkrankungen auch im deutschen Gesundheitswesen zu einem unverzichtbaren Bestandteil der medizinischen Versorgung entwickelt. Bis heute fehlt aber eine berufs- und abrechnungsrechtliche Regelung.