Seit 2008 kann jeder schon mit 63 in Rente gehen, wenn er 35 Beitragsjahre bei der gesetzlichen Rentenversicherung aufweisen kann („Rente für langjährig Versicherte“). Dabei wird die zu erwartende längere Rentenbezugszeit finanziell ausgeglichen durch Abschläge auf die Monatsrente. Diese sind allerdings mit bisher 0,3% pro Monat vorzeitigen Renteneintritts mathematisch zu niedrig angesetzt, wodurch früherer Renteneintritt zu Lasten der Solidargemeinschaft subventioniert wird. Mit einer Anhebung auf 0,4% pro Monat kommt man einer gerechten Lösung näher. (Sogar 0,5% wären noch vertretbar.)
2014 kam das Gesetz über die „Rente für besonders langjährig Versicherte“ dazu. Es erlaubt bei mindestens 45 Beitragsjahren einen um zwei Jahre vorgezogenen abschlagsfreien Renteneintritt, verzichtet also auf jeden Ausgleich für die längere Rentenbezugszeit. Je nach Rentenanspruch bedeutet „abschlagsfrei“ eine Begünstigung in Höhe von bis zu 85.000 €. Dies hat die Rentenversicherung 2023 mit knapp 10 Mrd. €belastet; ein Betrag, der mit der kommenden Welle der Babyboomer noch deutlich ansteigen wird.
Begründet wird diese finanzielle Bevorzugung mit der Vorstellung, dass Menschen nach 45 Jahren Arbeit psychisch und physisch erschöpft seien („Dachdecker-Legende“). Wie oben dargelegt, kann aber ohnehin jeder früher in Rente gehen: ob erschöpft oder einfach saturiert, sogar schon nach 35 Jahren, und nicht nur zwei, sondern bis zu vier Jahre vor regulärem Renteneintrittsalter; allerdings natürlich mit (fairem) Abschlag. Zwei Drittel der fast 300.000 Personen, die zuletzt jedes Jahr diese abschlagsfreie Frührente in Anspruch genommen haben (und auch diese Zahl wird in Zukunft deutlich steigen), geben an, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen bei ihrer Entscheidung überhaupt keine Rolle gespielt haben. Soweit bekannt lag in keinem Fall Arbeitsunfähigkeit vor. Die Rentenhöhe lag für diesen Personenkreis zudem signifikant über dem Durchschnitt aller Rentner. Die für alle anderen geltenden Rentenabschläge wären daher gerade in diesen Fällen nicht nur gerecht, sondern auch trag- und zumutbar; der Verzicht auf die Abschläge ist hingegen unsozial und ungerecht.
Die „Rente für besonders langjährig Versicherte“ ist sofort abzuschaffen, das eingesparte Geld sozialen Zwecken zuzuführen, zum Beispiel der Bekämpfung von Altersarmut oder dem Aufbau eines kapitalgedeckten Rentenfonds.