Das Vorgehen gegen Scheinselbständigkeit ist uneingeschränkt zu begrüßen. Es fehlt aber ein Ansatz, dem Entstehen der Scheinselbständigkeit von Anfang an zu begegnen und vor allem für eine gewollte und inhaltlich gegebene freie und selbständige unternehmerische Tätigkeit rechtssichere Rahmenbedingungen vorzugeben. Mehrere Urteile der Sozialgerichtsbarkeit, insbesondere des BSG, haben bei bestimmten Auftraggebern und Auftragnehmern zu erheblicher Verunsicherung geführt. Wir dürfen weder die betroffenen Auftraggeber noch die Auftragnehmer mit dieser Rechtsunsicherheit, die letztlich zu einer deutlichen Einschränkung der beruflichen Betätigungsmöglichkeiten der betroffenen Auftragnehmer (insbesondere in kreativen Berufen) führt, allein lassen, sondern müssen hier endlich praktikable Vorgaben für eine Abgrenzung machen.
Der Ansatz, für bestimmte Branchen eine digitale und manipulationssichere Erfassung der Arbeitszeit einzuführen, greift viel zu kurz. Alle Branchen warten derzeit auf eine gesetzliche Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere aber des BAG, zur Arbeitszeiterfassung. Der bisherige Referentenentwurf hat es über eine Befassung in dem Fachausschuss nicht hinaus geschafft. Es bedarf dringend einer grundsätzlich für alle Arbeitnehmenden geltenden Vorgabe zur Arbeitszeiterfassung. Wegen des damit verbundenen organisatorischen und technischen Aufwandes sollten ggf. übergangsweise für Kleinunternehmen im Sinne des KSchG Ausnahmen vorgesehen werden. Mittelfristig sollten wir das Arbeitszeitgesetz insgesamt novellieren und an die moderne Arbeitswelt anpassen. Das stellt zwar eine große Herausforderung dar. Dennoch sollten wir dieses Vorhaben angehen. So können schon heute viele Vorgaben des ArbZG bei Homeoffice, digitaler Erreichbarkeit und flexiblen Arbeits(zeit)modellen etc. nicht oder nur bedingt eingehalten werden. Hier benötigen die Arbeitsvertrags- und Betriebsparteien mehr Spielraum und Flexibilität.