Die konsequente Besteuerung von Erbschaften muss ein zentraler Bestandteil eines gerechten Steuersystems sein. Denn Wohlstand geschenkt zu bekommen – zumeist von den Eltern – ist ein privates Privileg, das sehr ungleich verteilt ist und allein davon abhängt, in welche Familie ein Mensch hineingeboren wird. Wohlstand ungleich zu verteilen bzw. zu verschenken und die Verteilung an bestehenden Vermögensverhältnissen auszurichten, widerspricht allen Gerechtigkeitsvorstellungen, die unsere Gesellschaft leiten. Es widerspricht einer chancengleichen Gesellschaft. Es ist zutiefst gerecht zumindest einen Anteil dieses Wohlstandsgeschenks an die Gesellschaft abzugeben.
Auch weil eine konsequente Besteuerung von Erbschaften so fundamental für Gerechtigkeit steht, sollten wir uns eindeutig und ohne Ausreden dafür einsetzen. Im Gegensatz zu anderen Parteien sollte unser Kompass für Gerechtigkeit und Chancengleichheit bei diesem Thema nicht einmal ansatzweise von Eigeninteressen superreicher Vermögender abgelenkt werden. Lasst uns hier Klarheit schaffen und das Problem der Ausnahmeregelungen für Betriebsvermögen beim Namen nennen und den Wähler*innen verständlich darlegen, was unser Lösungsvorschlag ist.
Denn unser Lösungsvorschlag ist nicht kompliziert und muss nicht als „effektives Angehen der Ausnahmen“ verklausuliert werden. Wir wollen die bestehenden Freibeträge moderat anheben, so wie wir auch die Freibeträge in der Einkommensteuer nach Preissteigerungen anheben, um die kalte Progression auszugleichen. Wir wollen nicht Ausnahmen für die Vermögensarten der Superreichen schaffen, sondern nur eine Ausnahme, nämlich für selbstgenutztes Wohneigentum, wie bisher auch.
Ausnahmeregeln für besonders große Erbschaften zu erlauben, wie es die Verschonungsbedarfsprüfung gemäß § 28a ErbStG für Erbschaften im Wert von über 26 Mio. Euro regelt, pervertiert jegliche Gerechtigkeitsprinzipien. Große Vermögensübertragungen werden effektiv kaum oder überhaupt nicht besteuert. Das beste Beispiel ist die steuerbefreite Schenkung von Unternehmensanteilen der Axel Springer SE von Friede Springer in Höhe von 1 Mrd. Euro an Mathias Döpfner. Das bedeutet, dass de facto ein regressiver Erbschaftsteuertarif gilt – je größer die Erbschaft, desto niedriger der Steuersatz. Das ist nicht nur massiv unfair, sondern wahrscheinlich verfassungswidrig. Denn die Ausnahmeregeln sind vor dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes nicht zu rechtfertigen. So hatte das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2014 geurteilt und so wird es nächstes Jahr wahrscheinlich wieder urteilen.
Bei der Forderung für eine gerechte Erbschaftsteuer können und sollten wir uns nicht nur mit voller Überzeugung auf unsere Gerechtigkeitsprinzipen stützen, sondern genauso überzeugt den ökonomischen Scheinargumenten der Superreichen entgegentreten. Die Arbeitsplätze oder die Investitionstätigkeit der Unternehmen, die mit der Erbschaft die Besitzer*innen wechseln, sind nicht durch die Steuerlast für Erb*innen betroffen. Die Erbschaftsteuerlast sollte über viele Jahre gestundet werden können. Dadurch können sich Erb*innen über den Kapitalmarkt finanzieren – und zwar erst recht superreiche Erb*innen. Ökonom*innen (z.B. Monika Schnitzer, Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, oder der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Finanzen) sehen keine steuerbedingten Liquiditätsprobleme und keine Gefahr für den Bestand der Unternehmen und ihrer Arbeitsplätze.
Jedes Jahr werden geschätzte 400 Mrd. Euro vererbt bzw. verschenkt. Dabei erbt nur knapp jede*r Vierte in Deutschland im Verlaufe des Lebens überhaupt eine nennenswerte Summe. Im Durchschnitt erhält ein*e Erb*in 32.000 Euro. Wir sollten den Wähler*innen erklären, dass unser Vorschlag sie nicht mehr belastet, sondern Investitionen in ihre Zukunft möglich macht. Wir sollten den Wähler*innen erklären, dass unser Vorschlag das Leistungsprinzip – mein Wohlstand wächst mit meiner Leistung – und das Leistungsfähigkeitsprinzip – starke Schultern tragen mehr als schwache – hochhält.
Eine konsequente Besteuerung von Erbschaften muss aus den oben genannten Gründen Kernbestandteil eines gerechten Steuersystems sein. Und sie ist auch quantitativ gewichtig, insbesondere im Vergleich zu den anderen Reformvorhaben im Repertoire unseres Wahlprogramms. Eine globale Milliardärssteuer, wie sie international im Klub der G20 vorangetrieben werden soll, ist natürlich äußerst wünschenswert. Die Chancen ihrer Einführung sollten jedoch realistisch eingeschätzt werden angesichts offener Ablehnung durch Trump oder Milei. Das Projekt einer globalen Milliardärssteuer darf nicht dazu führen, dass die tatsächliche Besteuerung von Multimillionen- und Milliardenvermögen aufgeschoben wird.
SPD und Linke widmen dem Thema deutlich mehr Aufmerksamkeit in ihren Programmentwürfen und positionieren sich unmissverständlich. Als linksliberale Partei sollten wir mindestens so klar und eindeutig wie unsere Konkurrenz sein – aufgrund unseres eigenen Anspruchs an Ehrlichkeit, Transparenz und sozialer Gerechtigkeit und um im Wahlkampf den besseren Weg für eine nachhaltige und gerechte Zukunft anzubieten.