Für viele schwer kranke Menschen, deren Organe versagen, ist die Organspende eine Chance auf ein neues Leben. Häufig ist eine Transplantation nach einem Unfall oder einer Krankheit die einzige Therapie, die das Leben dieser Menschen noch retten kann oder ihre Lebensqualität deutlich verbessert.
Jedes Jahr sterben in Deutschland rund 700 Menschen beim Warten auf ein Spender*innen-Organ.[1]
Derzeit warten in Deutschland rund 8.400 schwer kranke Menschen auf ein solches Organ. Die Wartezeit für eine Spender*innen-Niere beträgt dabei durchschnittlich 8 – 9 Jahre.[2]
Gleichzeitig wurden im vergangenen Jahr jedoch nicht einmal 3.000 Organe postmortal transplantiert. Die fehlende Zustimmung durch Angehörige stellte dabei in den Fällen, in denen der Wille der Verstorbenen nicht bekannt war, immer noch einen der Hauptgründe dar, warum eine Spende bei potenziellen Organspender*innen nicht stattfand. Wenn die verstorbene Person selbst eine Entscheidung zur Organspende getroffen hatte, dann fiel diese jedoch in 68 % der Fälle für die Spende aus. Mussten jedoch die Angehörigen eine Entscheidung treffen, dann wurde nur in 46 % der Fälle eine Zustimmung erteilt.[3] Dies dürfte auch nicht verwundern, angesichts der enormen Ausnahmesituation, in der sich die Angehörigen in einem solchen Moment befinden. Auch für sie und das Krankenhauspersonal bedarf es daher klarer Regelungen, die die Situation – welche häufig zeitkritisch ist – für alle Beteiligten so einfach und sicher wie möglich gestaltet.
Nach einer aktuellen Repräsentativumfrage der BZgA sind rund 84 % der Bürger*innen gegenüber einer Organ- oder Gewebespende positiv eingestellt. Dennoch haben lediglich rund 44 % ihre Spendebereitschaft auch schriftlich dokumentiert.[4] Dies zeigt, dass häufig nicht der entgegenstehende Wille eines Menschen eine Organspende verhindert, sondern seine Gleichgültigkeit.
Deutschland gilt mit 10 Organspender*innen je eine Million Einwohner*innen[5] als eines der europäischen Schlusslichter. In anderen europäischen Ländern sieht die Situation deutlich besser aus. Dies liegt u.a. an unterschiedlichen Regelungen zur Organspende.[6] So gilt die Widerspruchregelung in 12 europäischen Ländern (wie u.a. Spanien (46 Organspender*innen auf eine Million Einwohner*innen), Frankreich, Italien und Österreich). Darüber hinaus gibt es die sogenannte erweiterte Widerspruchsregelung unter anderem in Schweden, Finnland oder Kroatien. Gleichzeitig importiert Deutschland seit Jahren mehr Organe, als es selbst anderen europäischen Ländern zur Verfügung stellt und profitiert dabei von den verhältnismäßig höheren Spendezahlen in den anderen Ländern des Eurotransplant-Verbundes. Deutschland weigert sich also bislang selbst die Widerspruchsregelung einzuführen, nimmt aber gerne Organe aus Ländern, in denen diese Regelung gilt. Was für eine Doppelmoral.
Es kann und es darf nicht sein, dass in einem der reichsten Länder der Welt, Menschen unnötig leiden und sogar sterben, obwohl sowohl die entsprechende medizinische Versorgung als auch eine ausreichende Anzahl an Spender*innen-Organen grundsätzlich zur Verfügung stehen.
Wir müssen endlich anerkennen, dass die bisherigen Maßnahmen nicht dazu geführt haben, dass sich die Lage in Deutschland im Hinblick auf Organtransplantationen signifikant verbessert hätte.
Wir müssen endlich solidarisch sein!
Solidarisch mit den Menschen, die nur mithilfe eines fremden Organs ein lebenswertes oder sogar überhaupt ein Leben führen können.
Solidarisch mit den Angehörigen, denen es nicht zuzumuten ist, in der Ausnamesituation des Todes eines geliebten Menschen eine solche Entscheidung treffen zu müssen.
Solidarisch mit dem medizinischen Personal, das viel zu oft schwer kranken Menschen nicht helfen kann oder nicht helfen darf.
Solidarisch mit den Entnahmekrankenhäusern, die eine entsprechende finanzielle Ausstattung benötigen, um diese wichtige Arbeit verrichten zu können.
Solidarisch mit den Lebendspender*innen. Diese müssen, sobald sie selbst auf ein Spender*innen-Organ angewiesen sein sollten, bevorzugt berücksichtigt werden.
Und solidarisch mit den anderen Ländern im Eurotransplant-Verbund (Belgien, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Ungarn und Slowenien (in allen gilt die WSR)), aus denen wir gerne nehmen, selbst aber viel weniger geben.
Nur so können wir diese unerträgliche Situation für so viele Menschen endlich und nachhaltig verbessern.
[1] https://dso.de/SiteCollectionDocuments/DSO-Jahresbericht%202023.pdf; https://www.organspende-info.de/zahlen-und-fakten/statistiken/
[2] https://www.pronovabkk.de/gesuender-leben/koerper-und-seele/organ-und-stammzellenspende/organspende-zahlen-daten-fakten.html#:~:text=Wie%20viele%20Menschen%20stehen%20auf,ihnen%20warteten%20auf%20eine%20Niere
[3] https://dso.de/SiteCollectionDocuments/DSO-Jahresbericht%202023.pdf, S. 52
[4] Zimmering, R., Hammes, D. (2023). Bericht zur Repräsentativstudie 2022 »Wissen, Einstellung und Verhalten der Allgemeinbevölkerung zur Organ- und Gewebespende«. BZgA-Forschungsbericht. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
[5] https://www.organspende-info.de/zahlen-und-fakten/statistiken/#:~:text=Die%20meisten%20Patientinnen%20und%20Patienten,der%20Warteliste%20sind%202022%20verstorben
[6] https://www.ueber-leben.de/organspende-in-europa/#:~:text=Die%20sogenannte%20erweiterte%20Widerspruchsl%C3%B6sung%2C%20die,Lebzeiten%20nicht%20aktiv%20widersprochen%20hat