Der Integrierte Pflanzenschutz ist eigentlich gesetzlich vorgeschrieben. Er sieht vor, dass zunächst die vorbeugenden Maßnahmen ausgeschöpft werden sollen. Hierzu zählen Fruchtfolge, Sortenwahl, angepasste Bodenbearbeitung, angemessene Düngung und die Förderung von natürlich vorkommenden Nützlingen. Treten Schaderreger oder Beikräuter auf, sind biologische Verfahren (z.B. gezielte Ausbringung von Nützlingen) und mechanische Verfahren (z.B. Striegel und Hacke) zu bevorzugen. Erst als letzte Möglichkeit sind chemische Maßnahmen in Erwägung zu ziehen. In der tatsächlichen Praxis jedoch wird der Integrierte Pflanzenschutz nur mangelhaft umgesetzt. Die Fruchtfolgen sind zu einseitig, in der Agrarlandschaft gibt es zu wenige Rückzugsmöglichkeiten für Nützlinge, bei der Sortenwahl werden bewusst Schwächen bei Pilzresistenzen hingenommen, weil Fungizide günstiger sind, und bei der Beikrautregulierung wird oft direkt zu Herbiziden gegriffen statt wie vorgesehen mechanischen Verfahren den Vorrang zu gewähren. Viele Landwirt*innen besitzen weder Striegel noch Hacke und haben keine Erfahrung mit der mechanischen Beikrautregulierung. Vielfach werden die chemischen Maßnahmen nicht als nachrangig betrachtet, sondern als gleichrangig angesehen. Es wird dann das günstigste bzw. bequemste Verfahren gewählt, was im Regelfall die chemische Maßnahme ist. Auch ist laut Julius-Kühn-Institut die Bereitschaft, die Pflanzenbestände gründlich zu bonitieren, um den tatsächlichen Schädlingsbefall abschätzen zu können, nicht allzu stark ausgeprägt. Laut dem Jahresbericht 2023 über den Nationalen Aktionsplan zur Nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln überstiegen bis zu 54 % der PSM-Anwendungen das notwendige Maß. In der konsequenteren Umsetzung der Grundsätze des Integrierten Pflanzenschutzes liegt also noch Potential, den Pestizideinsatz zu reduzieren.
Wie bisher aufgeführt, ist ein Problem, dass der chemische Pflanzenschutz zu günstig ist. Daher ist eine Pestizidabgabe ein wichtiger und richtiger Ansatz zur Reduktion von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln. Viele Landwirt*innen haben jedoch die Vorbehalte, dass der Staat damit nur eine neue Einnahmequelle erschließen möchte. Um diesen Vorbehalten entgegenzutreten und Landwirten nicht das Gefühl zu vermitteln, sie mit dem Problem alleine zu lassen, sollten mit den Einnahmen einer Pestizidabgabe gezielt die Alternativen, insbesondere die vorbeugenden Maßnahmen des Integrierten Pflanzenschutzes gefördert werden. Außerdem halten wir es für wichtig, dass nicht Landwirt*innen alleine für den Pestizideinsatz verantwortlich gemacht werden. Sie produzieren ihre Ware für eine sehr wählerische Kundschaft, die makelloses Obst und Gemüse erwartet. Wenn diese rein optischen Ansprüche, die keinen Einfluss auf die menschliche Gesundheit haben, seitens des Handels und der Verbraucher*innen ein klein wenig zurückgefahren werden würden, ließen sich dadurch auch Pestizide einsparen.