Liebe Freund*innen,
um die Gentechnikfreie Landwirtschaft, den Ökologischen Landbau und unsere Natur auch in Zukunft vor gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zu schützen und damit wir Konsument*innen auch in Zukunft eine echte Wahlfreiheit bei unserer Ernährung haben, wäre es nicht ausreichend, GVO nur zu kennzeichnen. Auch Risikoprüfungen im Rahmen des Zulassungsverfahrens sind entscheidend, sowie Maßnahmen zur Rückverfolgbarkeit.
In unserem Bundestagswahlprogramm von 2021 hatten wir dies weitgehend berücksichtigt (S. 50, zu Laden auf https://www.gruene.de/artikel/wahlprogramm-zur-bundestagswahl-2021 ), aber im aktuellen Entwurf zu unserem Bundestagswahlprogramm 2025 fehlen diese wichtigen Begriffe. Bitte lasst sie uns ergänzen.
Der Halbsatz „auch nicht in digitalisierter Form“ ist teilweise irreführend und nicht notwendig, zumal im vorherigen Teilsatz schon alle Formen von Patenten und somit auch „Patente in digitalisierter Form“ mit erfasst worden sind.
Auf EU-Ebene gibt es Verhandlungen über einen Entwurf der EU-Kommission von Juli 2023, gemäß dem die meisten gentechnisch veränderten Pflanzen, die mit der sogenannten „Neuen Gentechnik“ (Verfahren wie z. B. CRISPR/Cas, …) hervorgebracht wurden, aus dem bisherigen bewährten EU-Gentechnikrecht komplett herausgenommen und nahezu komplett dereguliert würden (ohne Risikoprüfungen und Rückverfolgbarkeit, nur ggf. Kennzeichnung von Saatgut und nicht von Lebensmitteln).
Wir dürfen dies auf keinen Fall zulassen, denn dies hätte weitreichende problematische und irreversible Auswirkungen auf unsere Landwirtschaft, unsere Ernährung, unsere Natur und weitere Lebensbereiche.
Nahezu alle Umwelt-NGOs (z. B. der BUND, siehe Fußnote 1) sowie viele Politiker*innen und viele Wissenschaftler*innen halten den EU-Entwurf von seiner Grundkonzeption für hochproblematisch (siehe hierzu z. B. den Artikel unseres MdB Karl Bär in Fußnote 2, sowie die Fußnoten 3 und 4) und wünschen sich eine Regulierung der „Neuen Gentechnik“ im Rahmen des bisherigen bewährten EU-Gentechnikrechts.
Vor allem folgende Probleme wären mit dem EU-Entwurf verbunden:
1. Neue gentechnische Verfahren wie die „Genschere“ CRISPR/Cas sind nicht so präzise, wie es zum Teil dargestellt wird. Die „Genschere“ schneidet bzw. verändert die DNA nicht nur an der jeweils vorgesehenen Stelle, sondern auch an anderen unerwarteten Stellen (sog. Off-Target-Effekte, siehe hierzu z. B. die wissenschaftliche Publikation in Fußnote 5). Mit „Neuer Gentechnik“ hervorgebrachte GVO weisen in aller Regel zusätzliche unerwartete Eigenschaften auf. Deshalb sind Risikoprüfungen notwendig (vgl. oben).
2. „Saatgut ist die Basis von allem.“ Aber alle Samen aus „Neuer Gentechnik“ wären patentiert (siehe Fußnote 6), und patentiertes Saatgut dürfte von Pflanzenzüchter*innen nur dann für Kreuzungen und eine spätere Vermarktung der Sorten verwendet werden, wenn sie Lizenzgebühren an die Patentinhaber*innen entrichten. Bei einer Deregulierung der „Neuen Gentechnik“ würde die Kontrolle über den Saatgutmarkt zunehmend in die Hände von Konzernen und anderen Patentinhaber*innen gelangen
3. Eine GVO-Kennzeichnung wäre laut dem Entwurf der EU-Kommission nur bei Saatgut vorgesehen, nicht aber bei Lebensmitteln. Eine Wahlfreiheit für uns Konsument*innen zwischen gentechnikfreien und gentechnisch veränderten Lebensmitteln wäre so dann nicht mehr möglich.
4. Mehrere Rechtsgutachten belegen unabhängig voneinander, dass der EU-Entwurf in mehrerer Hinsicht nicht praktikabel und nicht vereinbar wäre mit dem europäisch verankerten Vorsorgeprinzip (siehe z. B. dazu Fußnoten 7 und 8).
5. Auch Wildpflanzen wie zum Beispiel Bäume, Wildblumen und Algen wären vom EU-Entwurf zur Deregulierung der „Neuen Gentechnik“ betroffen, und könnten gentechnisch verändert und freigesetzt werden, ohne dass dies bekannt wäre. Dies würde unsere Natur stark gefährden und wäre inakzeptabel im Sinne des Naturschutzes.
Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass wir auf EU-Ebene eine Deregulierung der „Neuen Gentechnik“ verhindern, und dass GVO, die aus „Neuer Gentechnik“ stammen, weiterhin im Rahmen des bestehenden bewährten EU-Gentechnikrechts reguliert bleiben.
Liebe Grüße
Matthias Henneberger
(KV Wunsiedel, Dipl.-Ing. agr.)
Literatur:
(1) https://www.bund.net/landwirtschaft/gentechnik/
(5) https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2023.05.22.541757v1