Deutschland muss möglichst schnell möglichst viel fossile Energie durch emissionsfreie ersetzen. Nach jahrelangem Stillstand unter Angela Merkel ist in drei Jahren Ampel-Regierungszeit durch eine konsequente Politik ein beispielhafter Neustart der Erneuerbaren gelungen. Wenn dann noch der Netzausbau absehbar und ausreichend erfolgt sein wird, muss es heißen: noch mehr und noch schneller.
Es gilt jedoch gleichermaßen: Planungsbeschleunigung darf nicht durch das Herabsetzen von Umweltstandards erfolgen, sondern muss durch die bestmögliche Bereinigung der wesentlichen Konflikte gewährleistet sein.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich zu viele Baustellen für den Naturschutz angesammelt, die bearbeitet werden müssen. Das dramatische Artensterben hat vielerlei Ursachen, die dringend angegangen werden müssen. Immer wieder betonen wir Grüne, dass die globale Artenschutzkrise ebenso gewichtig ist wie die Klimakrise. Ein entsprechendes Handeln ist allerdings nicht immer zu erkennen.
Ein besonderes Konfliktfeld ist dort erwachsen, wo durch Grüne Energiepolitik zusätzliche Probleme entstehen beziehungsweise verschärft werden. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Dennoch: Auch die Vertreter:innen des professionellen und ehrenamtlichen Naturschutzes haben keinen Zweifel an der Notwendigkeit einer konsequenten Energiewende. Die positiven Folgen der Reduktion von CO2-Emissionen werden auch dem Artenschutz zugutekommen und daher nicht in Frage gestellt.
Die Flächeninanspruchnahme für Windkraftanlagen schafft aber neuen Flächendruck und neue Konflikte, die in der Ampel-Zeit nicht sogar hinzugekommen sind, zumindest aber nicht ausreichend bereinigt worden sind. Als Reaktion darauf haben sich viele aktive Naturschützer:innen von grüner Politik abgewendet und sprechen offen davon, diese Politik nicht mehr unterstützen zu wollen.
Schon in der Anhörung der wichtigsten bundesdeutschen Expert:innen zu diesem Thema (Umweltausschuss des Bundestages 2022) ist deutlich geworden, dass ohne Anpassung des Artenschutzanhangs an geltendes EU-Recht in der Zukunft mit vielen Klagen gegen einzelne Projekte zu rechnen ist. Der renommierte Fachjurist Prof. Dr. Martin Gellermann bezeichnete die Strategie der Bundesregierung in eben dieser Anhörung nicht ohne Grund als Arbeitsbeschaffungsprogramm für Juristen. Das sollte uns wirklich zu denken geben. Unsere Abgeordneten Filiz Polat und Harald Ebner, Vorsitzender des Umweltausschusses im Bundestag, hatten im Rahmen der Anhörungen im Bundestag in einem abweichenden Votum ihre Bedenken zum Ausdruck gebracht.
Eine Klagewelle wäre nicht nur fatal, sondern auch eine unschmeichelhafte Reaktion auf unsere Politik, und auch die gilt es zu verhindern. Zudem von Menschen, die wir immer als unsere Verbündeten betrachtet haben und die wir für ihr Engagement und ihre Weltsicht sehr schätzen. Dieses gute Verhältnis und vor allem die inhaltliche Ernsthaftigkeit, gemeinsam weiter an den Problemen zu arbeiten sollten wir nicht aufs Spiel setzen. Auch nicht, und vielleicht besonders nicht für den Erfolg einer emissionsfreien Energiewende. Gerade an dieser Stelle muss deutlich werden, dass Grüne Kompetenz im Wesentlichen Lösungen anstrebt und nicht Probleme verschärft.
Kommen wir also zu den Lösungsansätzen:
Eine Blaupause für den Umgang mit Windkraftanlagen in Bereichen, in denen kollisionsgefährdete Arten vorkommen, kann der so genannte „Osnabrücker Ansatz“ sein. Entwickelt wurde dieser von Dr. Matthias Schreiber (NABU und Umweltforum Osnabrücker Land), einem ausgewiesenen Artenschutzexperten, in enger Kooperation mit einem erfahrenen Windkraft-Projektierer aus der Region. Gemeinsam geplante WEA werden bis zu einer Zumutbarkeitsgrenze von 6% abgeschaltet, wenn die relevanten Arten dort tatsächlich vorkommen. Dieses wird mit jährlicher Prüfung fest vereinbart und damit auch Teil der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Auf diese Weise wird der notwendige Artenschutz bewusst „eingepreist“ und kann am Ende erfolgreich sein. Im Gegenzug bleiben Klagen gegen die Anlagen seitens der Naturschutzverbände aus.
Nur mit einem solchen Ergebnis kann tatsächlich von einer Befriedung die Rede sein. Das Ergebnis sorgt auch dafür, dass WEA gebaut werden können, wo im Rahmen der derzeitigen Regelungen eine Genehmigung aus artschutzrechtlichen Gründen verwehrt bliebe, weil diese Regelungen nicht die notwendige Dynamik mitbringen. Der Osnabrücker Ansatz würde den Bau der Anlage ermöglichen, aber mit gezielten Abschaltvereinbarungen effektiven Artenschutz in wirtschaftlich vertretbarer Größenordnung garantieren.