Eine ganze Reformationsdekade lang wurde auf das diesjährige Lutherjahr vorbereitet. Mittlerweile setzt auch eine Ermüdung ein: Kaum jemand möchte noch etwas von Luther hören.
Tatsächlich wurde auch viel aufgearbeitet: Luthers Antijudaismus, der sich eben nicht alleine in den Spätschriften findet, ist eben kein isoliertes Phänomen der Spätwerke. Luther war sicherlich - wie alle
Menschen - ein Kind seiner Zeit, aber seine Abneigung gegen Juden ist hieraus nicht erklärbar. So viele Werke wurden auch zu seiner Zeit nicht wegen Furcht vor Pogromen auf den Index gesetzt. Seine Schriften haben einen wesentlichen Impuls zur Herausprägung des Antisemitismus in der Moderne geliefert. Seine Formulierungen wurden fast 1:1 vom Nationalsozialismus adaptiert, ohne große Gegenwehr der Kirchen. Auch die Aufarbeitung dieser Zeit schleppte sich bis weit in die 80er Jahre, vieles tatsächlich erst im 21. Jahrhundert.
Luther ist zusammen mit dem Arminius-Mythos und der Kopplung von Thron und Altar Teil des deutschen Nationalverständnis. Ohne ihn wären Pietismus und Preußentum nicht denkbar gewesen. Diese Entwicklung muss als Leistung einerseits gewürdigt werden, ist aber ein ausgesprochen autoritärer Weg, der mit universalistischem Humanismus wenig zu tun haben wollte, mit Erasmus von Rotterdam konnte sich Luther ja nie anfreunden.
2017 geht es darum, sich der eigenen Geschichte zu stellen und aus dieser zu lernen. Hierbei lässt sich durchaus auch würdigen, dass in der EKD endlich durchaus auch kritische Wörter über diesen
Säulenheiligen - den es im Protestantismus gar nicht geben sollte -gesprochen werden. Allerdings sollte die Würdigung der protestantischen Arbeitsgruppen nicht mit einer Akzeptanz einer Erinnerungskultur verwechselt werden, in der immer noch Plätze, Straßen und Kirchen nach ihm benannt benannt werden. Eine emanzipatorische Erinnerungskultur realisiert, dass Luther mit Revolution und Freiheit nur wenig zu tun hat, gerade er mehr die dunkle Seite des Protestantismus darstellte. Hier irrte auch noch die Linke des letzten Jahrhunderts.
Luther lässt sich sicherlich nicht von heute auf morgen von seinem Podest stoßen. Aber es muss gelingen, aus Luther und dem Protestantismus zu lernen, wie genau die grundsätzlich basisdemokratischen Ansätze der Reformation in Autoritarismen übergehen und zur Apologie der Herrschaft werden. Die politische Ideologie des Protestantismus in Deutschland ist zutiefst mit dem Fortleben Preußen verknüpft und dieses hat mittlerweile auch die Bonner Republik überlebt. Sein Freiheitsbegriff bleibt innerlich beschränkt.
Das Defizit der nun vier deutschen Republiken war auch nie ein Mangel an Relativismus oder konfessionelle Spaltung. Auch lässt sich der deutsche Protestantismus eben nicht auf die Konfessionsangehörigen oder Kirchgänger*innen beschränken, vielmehr verhindert der kulturell verankerte politische Protestantismus gerade der lutheranischen Tradition eine Infragestellung autoritärer Strukturen.
Antrag: | Freiheit im Herzen |
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Antragsteller*in: | Marcus Lamprecht (Viersen KV) und 19 weitere Antragsteller*innen (Frauenanteil: 0%) |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 19.04.2017, 14:46 |
Kommentare
Horst Schiermeyer:
Luthers Wirken ist kritisch zu beleuchten, aber da gibt es noch ein paar Herren mehr in der deutschen Geschichte, nach denen auch viele Straßen benannt sind wie eine Vielzahl von Fürsten, die ohne mit der Wimper zu zucken ihre Soldaten in den Tod geschickt und andere Länder verheert haben ...
Dorothea Meuren:
Doro Meuren
KV Neckar-Bergstraße
Sonja Rothweiler: