Veranstaltung: | 41. Bundesdelegiertenkonferenz Berlin |
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Tagesordnungspunkt: | UK.UK-GL Wir sorgen für gesunde Lebensmittel ohne Gift und Tierquälerei |
Antragsteller*in: | Bodenseekreis KV (dort beschlossen am: 26.04.2017) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 04.05.2017, 07:45 |
UK-GL-02: Wir haben viel erreicht. Und wollen noch mehr gute Lebensmittel
Antragstext
Wir haben viel erreicht. Und wollen noch mehr gute Lebensmittel
Unser Ziel: Gutes Essen aus einer intakten Landschaft, zu fairen Bedingungen
Unser Ziel ist eine Landwirtschaft die ohne Gentechnik, mit deutlich weniger Chemie und
einer artgerechten Tierhaltung gesundes Essen für alle erzeugt. Eine Landwirtschaft, die die
Leistungen unserer Landwirtinnen und Landwirte würdigt und ihnen ein gutes Auskommen
verschafft. Die unsere Versorgung mit gesunden und bezahlbaren Lebensmitteln sichert. Die
unserem Klima nützt, statt ihm zu schaden. Die mit der Natur arbeitet und nicht gegen sie.
Eine Landwirtschaft, die die Würde unserer Mitgeschöpfe achtet und nicht Tiere durch
Amputationen an die Industriehaltung anpasst. Und die für faire Entwicklungschancen sorgt,
damit afrikanische Kleinbäuerinnen und Kleinbauer nicht mit hochsubventionierten
europäischen Agrarfabriken konkurrieren müssen.
Unser Weg: Mit der bäuerlichen Landwirtschaft Kulturlandschaft und Umwelt erhalten
Was wir als Natur kennen und schätzen, ist längst Kulturlandschaft, geprägt durch
Jahrhunderte alte bäuerliche Traditionen. Heute müssen wir feststellen: Immer weniger
Menschen wollen die Höfe übernehmen, selbst gut ausgebildete Kinder von Landwirten weichen
der Hofübernahme aus. Aber ohne die Arbeit von Bäuerinnen und Bauern gibt es weder gute
Lebensmittel noch eine lebens- und liebenswerte Kulturlandschaft.
Wir wissen, dass wir die vor uns liegenden Herausforderungen nur mit den Bauern lösen
können, - oder gar nicht. Gemeinsam mit Ihnen muss es uns gelingen, höhere Preise für
bessere Qualität beim Verbraucher durchzusetzen. Und wir müssen die Rahmenbedingungen so
verändern, dass die hohen Qualitätsanforderungen, die wir an die Landwirte im Lande stellen,
nicht durch niedrigere Qualitätsanforderungen von Importen unterlaufen werden.
Unsere Zwischenbilanz: Öko ist die neue Orientierung
Du bist, was Du isst. Landwirtschaft und Lebensmittel spielen im Alltag der Deutschen heute
eine immer wichtigere Rolle. Wir können feststellen: Geiz ist bei Lebensmitteln nicht mehr
geil. Immer mehr Menschen entdecken, wie wichtig gesunde und nachhaltig hergestellte
Lebensmittel für ihr alltägliches Wohlbefinden sind. Und für viele Menschen bedeuten
regional hergestellte Lebensmittel inzwischen Heimat.
Unser Dank gehört vor allem den Ökobäuer*innen, die als Pioniere für bessere Lebensmittel
erst verlacht, dann verleugnet wurden. Knapp 9 % aller Betriebe mit einem Flächenanteil von
6,4% in Deutschland (Stand 2015) sind inzwischen Öko-Betriebe. Sie produzieren nachhaltig
gute Lebensmittel. Sie erhalten eine vielfältige Kulturlandschaft. Sie halten die
Umweltbelastungen gering. Und sie haben auch ökonomisch gezeigt, dass sich Ökolandbau lohnen
kann.
Der Trend zur Qualität hat vor dem Lebensmitteleinzelhandel nicht Halt gemacht. Neben einem
etablierten Biohandel haben starke Bio-Supermärkte und Bio-Sortimente im herkömmlichen
Lebensmitteleinzelhandel den Ball aufgenommen und bieten ein wachsendes Angebot ökologisch
und nachhaltig erzeugter Lebensmittel, - das von den Verbraucher*innen auch rege nachgefragt
wird.
Zurecht haben die Bürger*innen Bündnis 90/DIE GRÜNEN ihr Vertrauen geschenkt. Mit der
Berufung der ersten Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
2001 haben die Grünen die Landwirtschaftspolitik neu ausgerichtet. In sieben Bundesländern,
darunter den “Intensivhaltungsländern” Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-
Holstein, tragen grüne Minister*innen inzwischen die Verantwortung für die
Landwirtschaftspolitik. Mit regionalen Förderprogrammen haben sie die nachhaltige,
bäuerliche Landwirtschaft gefördert. Der Mut zur unideologischen, wenn notwendig, harten
Debatte hat den grünen Landwirtschaftsminister*innen inzwischen große Anerkennung gebracht.
Die Legehennen zeigen, wo es langgeht. Wir haben nicht nur in Öko gedacht. Mit der
Legehennenverordnung haben wir 2002 die Weichen neu stellen. Fast 85% wurden damals in
Käfigen gehalten, der Anteil ist 2016 auf 10,1% gesunken. Dank einer klaren Kennzeichnung, 3
für gesetzliche Vorgaben, 2 für Bodenhaltung, 1 für Freilandhaltung und 0 für Ökoanbau, weiß
der Verbraucher, was er kauft. Das zahlt sich aus. 2016 entscheiden sich rund 63% für Eier
aus Bodenhaltung, 17 % für Freilandhaltung und 10 Prozent für Öko-Eier.
Für eine bundes- und europaweite Agrarwende: Eine*n grüne*n Landwirtschaftsminister*in. Denn
wichtige Fragen sind weiter ungelöst. Der Nitratgehalt im Grundwasser steigt weiter, die
weltweite Verwendung von Glyphosat und anderen chemischen Wirkstoffen führt zu neuen
Resistenzen, weiteren Artensterben. Massentierhaltung und weitere Intensivierung prägen noch
immer das landwirtschaftspolitische Denken. In Brüssel werden mit den Verhandlungen über
eine Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) 2020 der europäischen Union wichtige Entscheidungen
getroffen. Und viele Hungersnöte in Afrika haben mit den Agrar-Exporten aus der Europäischen
Union zu tun.
Das wollen wir mit unserer Landwirtschaftspolitik in der nächsten Legislaturperiode
erreichen:
Den Pakt für faire Tierhaltung umsetzen
Mit dem Pakt für faire Tierhaltung hat die grüne Bundestagsfraktion ein Konzept für eine
bessere Tierhaltung vorgelegt. Wir wollen damit erreichen, dass es den Tieren nachhaltig
besser geht, die Umwelt geschont wird, dass sich tiergerechte Haltung für Bäuerinnen und
Bauern lohnt und dass Tierschutz für alle beim Einkaufen gut erkennbar und bezahlbar ist.
Eine klare, vierstufige Kennzeichnung für Fleisch und verarbeitete Produkte aus der
Tierhaltung nach dem Prinzip der Eierkennzeichnung gibt dem Verbraucher die Chance, sich für
Qualität zu entscheiden, - und schafft für Landwirte berechenbare Märkte.
Ergänzend dazu definieren wir gesetzliche Haltungsbedingungen, die den Bedürfnissen der
Tiere angemessen sind. Wir fördern die Züchtung gesunder und robuster Nutztierrassen und
fördern Investitionen in Ställe und Tierhaltung, um bessere Haltungsstandards zu erreichen.
Damit entfachen wir einen Qualitätswettbewerb, der sich für Bäuerinnen und Bauern und
Verbraucher auszahlt.
Naturverträgliche Landwirtschaft zum “Best Practice”-Modell machen
Wir wissen: Die Veränderung von Verbraucherverhalten und eine Umstellung der bäuerlichen
Produktionsweise ist ein Prozess, der sich über viele Jahre hinziehen wird und die
Anstrengungen von Landwirten, Verbrauchern und Politik bedarf.
In den vergangenen 12 Jahren haben die grünen Landwirtschaftsminister bessere Bedingungen in
ihren Bundesländern schaffen können. Jetzt ist es an der Zeit, diese Entwicklung auf
Bundesebene, und über eine grüne Verantwortung in der Landwirtschaftspolitik auf
Bundesebene, auch europäisch umzusetzen.
Die europäische Agrarpolitik umbauen!
Heute erhalten rund 20% der Agrarbetriebe, zumeist industrielle Großbetriebe, 80% der 6 Mrd.
€ EU-Agrarsubventionen, die in Deutschland ausgeschüttet werden. Unsere Ziele sind klar: Wir
wollen eine europäische Agrarpolitik, die die Leistung der Landwirt*innen für gute
Lebensmittel und für eine vielfältige und ökologisch vielfältige Kulturlandschaft honoriert.
Wir wollen politischen Rahmenbedingungen für eine Landwirtschaft, die die unterschiedliche
Beschaffenheit der Anbauflächen berücksichtigt, den Erhalt der ländlichen Räume ebenso
ermöglicht wie eine ökonomisch und ökologisch ertragreiche bäuerliche Landwirtschaft. In der
kommenden Legislaturperiode werden die Spielregeln für EU-Agrarpolitik neu ausgehandelt.
Deswegen wollen wir in Regierungsverantwortung erreichen, dass in Europa künftig Qualität
statt Quantität gefördert wird.
Wir orientieren uns dabei an dem Papier “Für eine gesellschaftlich unterstützte
Landwirtschaftspolitik”, die die Verbände aus Umwelt- und Naturschutz, Landwirtschaft,
Entwicklungspolitik, Verbraucherschutz und Tierschutz vorgelegt haben.
Alternativen zum Pestizideinsatz entwickeln, den Einsatz von Pestiziden reduzieren und
Genfood verhindern
Unser Ziel für die kommende Legislaturperiode:
Wir legen ein Programm auf, das den Pestizideinsatz eindämmt. Wir stärken die Forschung für
den nicht chemischen Pflanzenschutz, zum Beispiel durch robuste Sorten, vielseitige
Fruchtfolgen und die Förderung von Nützlingen.
Gen-Food braucht kein Mensch, Biopatentierung lehnen wir ab. Wir halten an unserem
Standpunkt fest: Pflanzen aus den Laboren der Agrarindustrie haben auf unseren Äckern in
Deutschland und Europa nichts verloren. Dabei ist es egal, ob sie mit Verfahren der „alten“
oder der „neuen“ Gentechnik geschaffen wurden. Wir werden ein Gentechnikgesetz auflegen, das
unsere Äcker und unsere Teller garantiert gentechnikfrei macht. Und wir setzen uns dafür
ein, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher dank einer umfassenden Kennzeichnung auch
erkennen können, wenn ihr Fleisch, ihre Milch oder ihre Eier mit Hilfe von Gen-Futtermittel
produziert wurden.
Durch bessere und stufenförmige Kennzeichnungen unterschiedliche Qualitäten für
Verbraucher*innen sichtbar machen
Politik kann Rahmenbedingungen setzen und Anreize geben. Entscheiden müssen die Verbraucher.
Wir Grünen wollen, dass die Verbraucher*innen mit dem Einkaufswagen tagtäglich entscheiden
können. Dazu wollen wir unterschiedliche Qualitäten von Lebensmitteln sichtbar machen. Darum
werden wir als nächstes eine eindeutige Kennzeichnung von Fleisch einführen, die deutlich
macht, wie die Tiere gehalten wurden - vier eindeutig wahrnehmbare Qualitätsstufen, so wie
bei der Kennzeichnung von Eiern: 3 für gesetzliche Standards, 2 für verbesserte
Stallhaltung, 1 für Freilaufställe und 0 für Fleisch aus ökologisch geführten Betrieben. Und
wir führen die Kennzeichnung auch für verarbeitete Produkte ein.
Alternativen zu Tierversuchen fördern
Das Staatsziel Tierschutz, das wir nach langem Kampf erreicht haben, muss endlich mit Leben
gefüllt werden. Deshalb wollen wir das Tierschutzgesetz gründlich überarbeiten. Für mehr
Tierschutz gibt es einen breiten gesellschaftlichen Konsens, den die Bundesregierung bisher
ignoriert.
Mit einem breiten Forschungsprogramm zu Tierversuchen wollen wir die Grundlagen dafür legen,
dass künftig darauf verzichtet werden kann.
Wer Grün wählt, stimmt für diese drei Projekte:
Den Pakt für faire Tierhaltung umsetzen
Wir setzen klare Kennzeichnung von Fleisch und verarbeiteten tierischen Produkten (Ei, Wurst
etc.) durch. Wir wollen unseren “Pakt für faire Tierhaltung” in dieser Legislaturperiode
umsetzen. Tiere brauchen mehr Platz für Auslauf, Rückzug und zum Ausleben arteigener
Verhaltensweisen. Das Tierwohl muss künftig wieder in den Mittelpunkt und wir beenden den
Missbrauch von Antibiotika. Lebendtransporte begrenzen wir auf ein Minimum. Gemeinsam mit
den Bäuerinnen und Bauern wollen wir den Strukturwandel zu einer Landwirtschaft schaffen,
die besser mit Tieren umgehen kann.
Die Rahmenbedingungen für eine naturverträgliche Landwirtschaft in der EU verbessern
Wir wollen die Rahmenbedingungen für bessere Lebensmittel in einer besseren Umwelt
europaweit verbessern. Dafür werden wir uns bei den Verhandlungen über die Spielregeln für
EU-Agrarpolitik einsetzen.
Wir werden ein bundesweites Sikkationsverbot für Glyphosat durchsetzen [1]und wollen das
auch für ganz Europa erreichen. Wir werden naturverträgliche landwirtschaftliche
Produktionsmethoden fördern. Wir werden klare Rahmenbedingungen schaffen, die
Planungssicherheit für Landwirtschaft und Handel geben. Unseren Pakt für Tierhaltung werden
wir zum Modell für Europa machen.
Alternativen zu Tierversuchen fördern
Jedes Jahr werden Millionen Tiere in Tierversuchen regelrecht verbraucht. Dabei sind Mensch
und Tier so verschieden, dass auf diesem Wege gewonnene Erkenntnisse nur bedingt auf den
Menschen übertragbar sind. Nützliche Substanzen kommen nicht zur Anwendung, wenn sie im
Tierversuch versagt haben. Tierversuche sind daher ein ethisches Problem, und auch ein
wissenschaftliches. Wir wollen das Tierschutzrecht stärken und zügig Alternativen zu
Tierversuchen, wie zum Beispiel Organchips, bei denen der menschliche Organismus im
Kleinstmaßstab simuliert wird, voranbringen.
Begründung
Die Grünen haben in der Landwirtschaftspolitik bereits viel erreicht. Das sollten wir in unserem Antrag sichtbar machen. Eine bessere, weil nachhaltige Landwirtschaftspolitik bedarf der Einbeziehung der Verbraucher als Nachfrager hochwertiger Lebensmittel. Und der bäuerlichen Landwirtschaft, die diese Lebensmittel, ob konventionell oder ökologisch anbauen. Die Sprache und die Haltung des Antrags sollte zeigen, dass sich unsere Politik an die gesamte bäuerliche Landwirtschaft richtet und ihnen ein Angebot machen will. Das leistet der ursprüngliche Textentwurf nicht.
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