Die deutschen Außenhandelsüberschüsse sind in hohem Maße mitschuldig an den derzeitigen Problemen in der EU. Sie sollten daher im Bundestagswahlprogramm thematisiert werden.
Die Kritik an den deutschen Exportüberschüssen ist fast überall in Europa zu hören. So sagte z.B. Emmanuel Macron in Bezug auf Deutschland: „Man kann zur Aufrechterhaltung des Wachstums nicht auf unbestimmte Zeit Handelsüberschüsse anhäufen.“
Die Kritik wird von der schwarz-roten Koalition teils ignoriert und teils mit falschen Argumenten zurückgewiesen. Zu diesen gehört die Behauptung des nicht-preislichen Wettbewerbs, d.h. die Exportüberschüsse würden im Wesentlichen von der hohen Qualität deutscher Produkte herrühren. Dabei wird jedoch der durch Zahlen belegte preisliche Vorteil der deutschen Wirtschaft durch zu niedrige Löhne außer Acht gelassen.
In dem „Länderbericht Deutschland 2016“ der Europäischen Kommission wird empfohlen, dass die Löhne sich gemäß der so genannten „goldenen Regel“ entwickeln sollen. Nach dieser „sollten die Nominallöhne im gleichen Rhythmus wachsen wie das nationale mittelfristige Produktivitätswachstum zuzüglich des Inflationsziels der Zentralbank.“ Dies stellt sicher, dass Länder mit unterschiedlicher Produktivität in der Währungsunion koexistieren können, da sich die Löhne an die Produktivitätsentwicklung anpassen. Das ist deshalb wichtig, weil sich Länder mit vergleichsweise niedriger Produktivität, nicht mehr, wie vor Einführung des Euro, durch Abwertung ihrer Währung wettbewerbsfähig halten können. Die Regel ist somit ein Gebot des fairen Wettbewerbs, der nicht durch niedrigste Löhne oder niedrigste Arbeitnehmer*innen-Rechte ausgetragen werden sollte. Außerdem sorgt die goldene Regel dafür, dass das Produktivitätswachstum im Inland gerecht verteilt wird. Wird sie eingehalten dann profitieren Arbeitnehmer*innen und Unternehmen gleichermaßen vom technischen Fortschritt.
Deutschland aber liegt um ca. 15 Prozentpunkte zu niedrig, und konkurriert damit die übrigen Euroländer an die Wand. Deutschland profitiert vom Euro auch für den Export in Nicht Euro-Länder, da Deutschland von dem niedrigen Euro-Kurs profitiert, den eine deutsche Währung im internationalen Wettbewerb so nicht hätte.
Deutschlands Außenhandelsüberschüsse, die im vergangenen Jahr 247,8 Milliarden Euro betrugen, haben also nicht in erster Linie mit Glanzleistungen deutscher Ingenieurskunst zu tun, sondern auch und vor allem mit Lohndumping. Diese Politik der schwarz-roten Bundesregierung ist nicht nachhaltig, denn die Folgen für die anderen Länder sind verheerend, weil, wie es selbst in einem „Focus Paper“ der als arbeitgebernahe bekannten Bertelsmann-Stiftung heißt, „Deutschland mit seinen Exportüberschüssen auch seine Arbeitslosigkeit exportiert.“ Diesen unfairen Wettbewerbsvorteil hat sich Deutschland im Wesentlichen mittels Lohnmoderation durch die Agenda 2010 verschafft. Unter Lohnmoderation versteht man staatliche Maßnahmen, die die Lohnkosten trotz Tarifautonomie gezielt beeinflussen. Während der Sachverständigenrat, auf dessen Konzepte die Agenda 2010 ganz wesentlich zurückgeht, die „Lohnmoderation“ als probates Instrument zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit gelobt hat, wollen Sachverständigenrat und Bundesregierung davon, nach der inzwischen überall zu hörenden internationalen Kritik, nichts mehr wissen und verweisen auf nichtpreislichen Wettbewerb und Tarifautonomie. (Siehe z.B. http://norberthaering.de/de/27-german/news/800-wirtschaftsweise-merkantilismus)
Diese Politik, die den wettbewerbsschwächeren Ländern Austeritätsprogramme und sogenannte Strukturreformen aufzwingen will, hat die Probleme der betroffenen Länder noch verschärft, trägt auch hierzulande zur Verarmung bei und ist für den Zusammenhalt der europäischen Union brandgefährlich. Nicht zufällig ist die Kritik an den deutschen Exportüberschüssen bei fast allen EU-Gegnern lautstark vertreten. Statt ein „weiter so“ auf Kosten anderer Länder, muss Deutschland endlich seine eigene Verantwortung wahrnehmen und ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht anstreben, das Ländern wie Frankreich, Italien, Spanien oder Griechenland Luft zum Atmen gibt, bevor die EU oder der Euro daran zerfallen. Hierfür bleibt nur noch ein kurzes Zeitfenster.
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